Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Johannes sich schlafen gelegt. Mutter Eva mußte ihn
doch noch einmal sehen, ehe auch sie schlafen ging. Sie
zog ihre Pantoffeln aus, damit ihr Auftreten ja kein
Geräusch mache, dann machte sie ganz sacht und leise
die Kammerthür auf, steckte erst nur ihren Kopf durch
und lauschte. Sie hörte ruhige Athemzüge, wie ein
junger Mann sie thut, der einen gesunden Schlaf hat.
Nun nahm sie auch ihr Lämpchen, zog erst mit einer
Stecknadel den Docht ein Wenig in die Höhe, damit er
heller brenne und hielt nun die eine Hand vor dem
flackernden Schein. So schlich sie sich wieder in das
Stübchen, zum Lager des Sohnes. Er schlief fest und
ruhig; sein Antlitz war ihr zugekehrt, ein heiterer Friede
lag darauf, wenn auch ein Zug um den Mund, die
Wangen hinauf andeutete, daß auch schon mancher
Schmerz und mancher Kampf von dem Schläfer ge-
rungen worden. Der Schlaf hatte die Wangen höher
geröthet, die vorhin blaß gewesen waren. Jn die schö-
nen theuern Augen konnte die Mutter jetzt freilich nicht
sehen, aber sie weidete sich doch am Anblick dieses theuern
Gesichtes, des Gesichts ihres Sohnes! -- Sie stellte
das Lämpchen auf einen Tisch hin, daß es ihn beschien,
aber doch nicht zu nahe war -- in seliger Rührung
neigte sie sich über ihn und küßte ihn noch einmal, ganz
leise nur, damit sie ihn ja nicht wecke. Eine lange

Johannes ſich ſchlafen gelegt. Mutter Eva mußte ihn
doch noch einmal ſehen, ehe auch ſie ſchlafen ging. Sie
zog ihre Pantoffeln aus, damit ihr Auftreten ja kein
Geraͤuſch mache, dann machte ſie ganz ſacht und leiſe
die Kammerthuͤr auf, ſteckte erſt nur ihren Kopf durch
und lauſchte. Sie hoͤrte ruhige Athemzuͤge, wie ein
junger Mann ſie thut, der einen geſunden Schlaf hat.
Nun nahm ſie auch ihr Laͤmpchen, zog erſt mit einer
Stecknadel den Docht ein Wenig in die Hoͤhe, damit er
heller brenne und hielt nun die eine Hand vor dem
flackernden Schein. So ſchlich ſie ſich wieder in das
Stuͤbchen, zum Lager des Sohnes. Er ſchlief feſt und
ruhig; ſein Antlitz war ihr zugekehrt, ein heiterer Friede
lag darauf, wenn auch ein Zug um den Mund, die
Wangen hinauf andeutete, daß auch ſchon mancher
Schmerz und mancher Kampf von dem Schläfer ge-
rungen worden. Der Schlaf hatte die Wangen hoͤher
geroͤthet, die vorhin blaß geweſen waren. Jn die ſchoͤ-
nen theuern Augen konnte die Mutter jetzt freilich nicht
ſehen, aber ſie weidete ſich doch am Anblick dieſes theuern
Geſichtes, des Geſichts ihres Sohnes! — Sie ſtellte
das Laͤmpchen auf einen Tiſch hin, daß es ihn beſchien,
aber doch nicht zu nahe war — in ſeliger Ruͤhrung
neigte ſie ſich uͤber ihn und kuͤßte ihn noch einmal, ganz
leiſe nur, damit ſie ihn ja nicht wecke. Eine lange

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0070" n="62"/>
Johannes &#x017F;ich &#x017F;chlafen gelegt. Mutter Eva mußte ihn<lb/>
doch noch einmal &#x017F;ehen, ehe auch &#x017F;ie &#x017F;chlafen ging. Sie<lb/>
zog ihre Pantoffeln aus, damit ihr Auftreten ja kein<lb/>
Gera&#x0364;u&#x017F;ch mache, dann machte &#x017F;ie ganz &#x017F;acht und lei&#x017F;e<lb/>
die Kammerthu&#x0364;r auf, &#x017F;teckte er&#x017F;t nur ihren Kopf durch<lb/>
und lau&#x017F;chte. Sie ho&#x0364;rte ruhige Athemzu&#x0364;ge, wie ein<lb/>
junger Mann &#x017F;ie thut, der einen ge&#x017F;unden Schlaf hat.<lb/>
Nun nahm &#x017F;ie auch ihr La&#x0364;mpchen, zog er&#x017F;t mit einer<lb/>
Stecknadel den Docht ein Wenig in die Ho&#x0364;he, damit er<lb/>
heller brenne und hielt nun die eine Hand vor dem<lb/>
flackernden Schein. So &#x017F;chlich &#x017F;ie &#x017F;ich wieder in das<lb/>
Stu&#x0364;bchen, zum Lager des Sohnes. Er &#x017F;chlief fe&#x017F;t und<lb/>
ruhig; &#x017F;ein Antlitz war ihr zugekehrt, ein heiterer Friede<lb/>
lag darauf, wenn auch ein Zug um den Mund, die<lb/>
Wangen hinauf andeutete, daß auch &#x017F;chon mancher<lb/>
Schmerz und mancher Kampf von dem Schläfer ge-<lb/>
rungen worden. Der Schlaf hatte die Wangen ho&#x0364;her<lb/>
gero&#x0364;thet, die vorhin blaß gewe&#x017F;en waren. Jn die &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen theuern Augen konnte die Mutter jetzt freilich nicht<lb/>
&#x017F;ehen, aber &#x017F;ie weidete &#x017F;ich doch am Anblick die&#x017F;es theuern<lb/>
Ge&#x017F;ichtes, des Ge&#x017F;ichts ihres Sohnes! &#x2014; Sie &#x017F;t<hi rendition="#g">el</hi>lte<lb/>
das La&#x0364;mpchen auf einen Ti&#x017F;ch hin, daß es ihn be&#x017F;chien,<lb/>
aber doch nicht zu nahe war &#x2014; in &#x017F;eliger Ru&#x0364;hrung<lb/>
neigte &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber ihn und ku&#x0364;ßte ihn noch einmal, ganz<lb/>
lei&#x017F;e nur, damit &#x017F;ie ihn ja nicht wecke. Eine lange<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0070] Johannes ſich ſchlafen gelegt. Mutter Eva mußte ihn doch noch einmal ſehen, ehe auch ſie ſchlafen ging. Sie zog ihre Pantoffeln aus, damit ihr Auftreten ja kein Geraͤuſch mache, dann machte ſie ganz ſacht und leiſe die Kammerthuͤr auf, ſteckte erſt nur ihren Kopf durch und lauſchte. Sie hoͤrte ruhige Athemzuͤge, wie ein junger Mann ſie thut, der einen geſunden Schlaf hat. Nun nahm ſie auch ihr Laͤmpchen, zog erſt mit einer Stecknadel den Docht ein Wenig in die Hoͤhe, damit er heller brenne und hielt nun die eine Hand vor dem flackernden Schein. So ſchlich ſie ſich wieder in das Stuͤbchen, zum Lager des Sohnes. Er ſchlief feſt und ruhig; ſein Antlitz war ihr zugekehrt, ein heiterer Friede lag darauf, wenn auch ein Zug um den Mund, die Wangen hinauf andeutete, daß auch ſchon mancher Schmerz und mancher Kampf von dem Schläfer ge- rungen worden. Der Schlaf hatte die Wangen hoͤher geroͤthet, die vorhin blaß geweſen waren. Jn die ſchoͤ- nen theuern Augen konnte die Mutter jetzt freilich nicht ſehen, aber ſie weidete ſich doch am Anblick dieſes theuern Geſichtes, des Geſichts ihres Sohnes! — Sie ſtellte das Laͤmpchen auf einen Tiſch hin, daß es ihn beſchien, aber doch nicht zu nahe war — in ſeliger Ruͤhrung neigte ſie ſich uͤber ihn und kuͤßte ihn noch einmal, ganz leiſe nur, damit ſie ihn ja nicht wecke. Eine lange

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/70
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/70>, abgerufen am 04.12.2024.