und überhaupt nicht berühmt war. Der Thurm davon war noch gut erhalten und enthielt eine altväterisch ein- gerichtete Stube und Kammer, in der aber noch nie Jemand von der Gutsherrschaft gewohnt hatte und in die der Vogt die Fremden auch nur auf Augen- blicke ließ.
Johannes sagte jetzt: "Die Erlaubniß dazu hab' ich in der Tasche -- ich traf vor ein paar Wochen unsern Gutsherrn ganz zufällig in einer Gesellschaft, er wußte nicht, wer ich war, und man hatte mich vorzustellen ver- gessen. Jch hatte ein Gedicht vorgelesen und er sagte mir einiges Schmeichelhafte darüber -- es standen ge- rade noch ein paar Herren mit Orden um ihn herum und die alte Lust spukte wieder einmal in mir, die vorneh- men Herren ein Bischen zu ärgern und zu demüthigen.
"Das hätt' ich nicht gedacht, sagt' ich zu ihm, daß Sie einmal ein Gedicht von dem ärmsten Bauerjungen aus Jhrem Dorfe loben würden." Er sah mich groß an und ich nannt' ihm meinen Namen und erzählte kurz, wie Alles gekommen. Er nahm eine leutselige Miene an, hinter der er, der Herr Graf, seinen Ver- druß zu verbergen suchte, daß er mit dem Bauerssohn an einem Tische gesessen und so freundschaftlich ge- sprochen hatte, und sagte: "Es freut mich ungemein, daß sich unter meinen Dorfkindern ein solches Talent ge-
und uͤberhaupt nicht beruͤhmt war. Der Thurm davon war noch gut erhalten und enthielt eine altvaͤteriſch ein- gerichtete Stube und Kammer, in der aber noch nie Jemand von der Gutsherrſchaft gewohnt hatte und in die der Vogt die Fremden auch nur auf Augen- blicke ließ.
Johannes ſagte jetzt: „Die Erlaubniß dazu hab’ ich in der Taſche — ich traf vor ein paar Wochen unſern Gutsherrn ganz zufaͤllig in einer Geſellſchaft, er wußte nicht, wer ich war, und man hatte mich vorzuſtellen ver- geſſen. Jch hatte ein Gedicht vorgeleſen und er ſagte mir einiges Schmeichelhafte daruͤber — es ſtanden ge- rade noch ein paar Herren mit Orden um ihn herum und die alte Luſt ſpukte wieder einmal in mir, die vorneh- men Herren ein Bischen zu aͤrgern und zu demuͤthigen.
„Das haͤtt’ ich nicht gedacht, ſagt’ ich zu ihm, daß Sie einmal ein Gedicht von dem aͤrmſten Bauerjungen aus Jhrem Dorfe loben wuͤrden.“ Er ſah mich groß an und ich nannt’ ihm meinen Namen und erzaͤhlte kurz, wie Alles gekommen. Er nahm eine leutſelige Miene an, hinter der er, der Herr Graf, ſeinen Ver- druß zu verbergen ſuchte, daß er mit dem Bauersſohn an einem Tiſche geſeſſen und ſo freundſchaftlich ge- ſprochen hatte, und ſagte: „Es freut mich ungemein, daß ſich unter meinen Dorfkindern ein ſolches Talent ge-
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und uͤberhaupt nicht beruͤhmt war. Der Thurm davon
war noch gut erhalten und enthielt eine altvaͤteriſch ein-
gerichtete Stube und Kammer, in der aber noch nie
Jemand von der Gutsherrſchaft gewohnt hatte und
in die der Vogt die Fremden auch nur auf Augen-
blicke ließ.
Johannes ſagte jetzt: „Die Erlaubniß dazu hab’ ich
in der Taſche — ich traf vor ein paar Wochen unſern
Gutsherrn ganz zufaͤllig in einer Geſellſchaft, er wußte
nicht, wer ich war, und man hatte mich vorzuſtellen ver-
geſſen. Jch hatte ein Gedicht vorgeleſen und er ſagte
mir einiges Schmeichelhafte daruͤber — es ſtanden ge-
rade noch ein paar Herren mit Orden um ihn herum und
die alte Luſt ſpukte wieder einmal in mir, die vorneh-
men Herren ein Bischen zu aͤrgern und zu demuͤthigen.
„Das haͤtt’ ich nicht gedacht, ſagt’ ich zu ihm, daß
Sie einmal ein Gedicht von dem aͤrmſten Bauerjungen
aus Jhrem Dorfe loben wuͤrden.“ Er ſah mich groß
an und ich nannt’ ihm meinen Namen und erzaͤhlte
kurz, wie Alles gekommen. Er nahm eine leutſelige
Miene an, hinter der er, der Herr Graf, ſeinen Ver-
druß zu verbergen ſuchte, daß er mit dem Bauersſohn
an einem Tiſche geſeſſen und ſo freundſchaftlich ge-
ſprochen hatte, und ſagte: „Es freut mich ungemein, daß
ſich unter meinen Dorfkindern ein ſolches Talent ge-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/66>, abgerufen am 12.12.2024.
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