fragte sie weiter nach dem Johanneslein und was denn eigentlich mit ihm sei?
Da erzählte Suschen: "Johanneslein war zehn Jahr alt, wie sein Vater starb, der das Gütchen hier hatte -- und auch nicht hatte, denn Unglück aller Art vielleicht auch, daß er nicht immer gut gewirthschaftet, hatte ihn zurückgebracht, und da er starb fand sich's, wie verschuldet Alles war -- die arme Eva konnte Nichts vom ganzen Gut behalten, als die Auszugskammer, die sie noch hat. Damals war noch ein Gerichtshalter hier im Dorfe (seitdem ist das anders geworden, damals aber hatten wir noch ein besonderes Gericht, unter das wir gehörten) der einen Buben hatte, nur ein Jahr älter als Johannes, der sein liebster Spielgefährte war. Der Gerichtshalter war zu fürnehm, den Buben in die Dorfschule zu schicken -- die war damals auch schlecht und gar nicht wie jetzt, seit" -- Suschen erröthete und brach ihre Rede ab, der Schulmeister drückt ihr ganz schnell und leise die Hand, wodurch sie vollends ver- legen ward und das Wort im Munde vergaß; end- lich fing sie nach einer guten Weil' wieder an, wo sie stehen geblieben, da sie durch Schweigen nichts gewann, als daß sie fühlte, wie zärtlich und glühend des Schul- meisters Blicke auf ihr ruhten und er auch kein Wort sprach, sondern nur immer wieder nach der Hand haschte,
fragte ſie weiter nach dem Johanneslein und was denn eigentlich mit ihm ſei?
Da erzaͤhlte Suschen: „Johanneslein war zehn Jahr alt, wie ſein Vater ſtarb, der das Guͤtchen hier hatte — und auch nicht hatte, denn Ungluͤck aller Art vielleicht auch, daß er nicht immer gut gewirthſchaftet, hatte ihn zuruͤckgebracht, und da er ſtarb fand ſich’s, wie verſchuldet Alles war — die arme Eva konnte Nichts vom ganzen Gut behalten, als die Auszugskammer, die ſie noch hat. Damals war noch ein Gerichtshalter hier im Dorfe (ſeitdem iſt das anders geworden, damals aber hatten wir noch ein beſonderes Gericht, unter das wir gehoͤrten) der einen Buben hatte, nur ein Jahr aͤlter als Johannes, der ſein liebſter Spielgefaͤhrte war. Der Gerichtshalter war zu fuͤrnehm, den Buben in die Dorfſchule zu ſchicken — die war damals auch ſchlecht und gar nicht wie jetzt, ſeit“ — Suschen erroͤthete und brach ihre Rede ab, der Schulmeiſter druͤckt ihr ganz ſchnell und leiſe die Hand, wodurch ſie vollends ver- legen ward und das Wort im Munde vergaß; end- lich fing ſie nach einer guten Weil’ wieder an, wo ſie ſtehen geblieben, da ſie durch Schweigen nichts gewann, als daß ſie fuͤhlte, wie zaͤrtlich und gluͤhend des Schul- meiſters Blicke auf ihr ruhten und er auch kein Wort ſprach, ſondern nur immer wieder nach der Hand haſchte,
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fragte ſie weiter nach dem Johanneslein und was denn
eigentlich mit ihm ſei?
Da erzaͤhlte Suschen: „Johanneslein war zehn
Jahr alt, wie ſein Vater ſtarb, der das Guͤtchen hier
hatte — und auch nicht hatte, denn Ungluͤck aller Art
vielleicht auch, daß er nicht immer gut gewirthſchaftet,
hatte ihn zuruͤckgebracht, und da er ſtarb fand ſich’s, wie
verſchuldet Alles war — die arme Eva konnte Nichts
vom ganzen Gut behalten, als die Auszugskammer, die
ſie noch hat. Damals war noch ein Gerichtshalter hier
im Dorfe (ſeitdem iſt das anders geworden, damals aber
hatten wir noch ein beſonderes Gericht, unter das wir
gehoͤrten) der einen Buben hatte, nur ein Jahr aͤlter
als Johannes, der ſein liebſter Spielgefaͤhrte war. Der
Gerichtshalter war zu fuͤrnehm, den Buben in die
Dorfſchule zu ſchicken — die war damals auch ſchlecht
und gar nicht wie jetzt, ſeit“ — Suschen erroͤthete und
brach ihre Rede ab, der Schulmeiſter druͤckt ihr ganz
ſchnell und leiſe die Hand, wodurch ſie vollends ver-
legen ward und das Wort im Munde vergaß; end-
lich fing ſie nach einer guten Weil’ wieder an, wo ſie
ſtehen geblieben, da ſie durch Schweigen nichts gewann,
als daß ſie fuͤhlte, wie zaͤrtlich und gluͤhend des Schul-
meiſters Blicke auf ihr ruhten und er auch kein Wort
ſprach, ſondern nur immer wieder nach der Hand haſchte,
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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