deß er doch noch nie so selig gewesen war wie jetzt im Anblicke Suschens. Er vermochte aber kein Wort mit ihr zu reden als sie wieder aus der Kirche gingen.
Jm Hause Traugotts, in der funkelneu eingerich- teten Oberstube ward die Taufe noch gemüthlich mit Essen und Trinken gefeiert. Da waren noch einige Ver- wandte zugegen, Laura und der Pfarrer mit seiner Frau. Die Mutter hatte ihren prächtigen Buben, August war er getauft worden, auch mit herzugeholt und zeigt ihn mit stolzen Blicken im Kreise herum.
"Ja, das ist nun schon so," sagte die alte Eva, wenn man die Kinder so klein hat, ist man ganz närrisch vor Freude und denkt, so wie man sie da auf dem Schooße schaukelt, müsst' man sie immer auf den Armen halten können! Möcht's doch so sein, daß man sie niemals brauchte von sich zu lassen! Aber die kleinen Vögel werden alle groß, fliegen aus den Nestern, verfliegen sich wohl gar in der Fremde wer weiß wie weit und kommen nicht wieder. Ach, gerade so war mein Jo- hanneslein auch -- und wie die Käthe jetzt spricht, sie würd' ihren Jungen nie von sich geben, so sagt ich's auch, und hab's doch gemußt. Nun ist er unter die fremden Menschen gekommen und ich weiß nicht, ob ich ihn noch habe, ob nicht?"
"Freilich wohl, das ist nun der Eltern Schicksal!"
deß er doch noch nie ſo ſelig geweſen war wie jetzt im Anblicke Suschens. Er vermochte aber kein Wort mit ihr zu reden als ſie wieder aus der Kirche gingen.
Jm Hauſe Traugotts, in der funkelneu eingerich- teten Oberſtube ward die Taufe noch gemuͤthlich mit Eſſen und Trinken gefeiert. Da waren noch einige Ver- wandte zugegen, Laura und der Pfarrer mit ſeiner Frau. Die Mutter hatte ihren praͤchtigen Buben, Auguſt war er getauft worden, auch mit herzugeholt und zeigt ihn mit ſtolzen Blicken im Kreiſe herum.
„Ja, das iſt nun ſchon ſo,“ ſagte die alte Eva, wenn man die Kinder ſo klein hat, iſt man ganz naͤrriſch vor Freude und denkt, ſo wie man ſie da auf dem Schooße ſchaukelt, muͤſſt’ man ſie immer auf den Armen halten koͤnnen! Moͤcht’s doch ſo ſein, daß man ſie niemals brauchte von ſich zu laſſen! Aber die kleinen Voͤgel werden alle groß, fliegen aus den Neſtern, verfliegen ſich wohl gar in der Fremde wer weiß wie weit und kommen nicht wieder. Ach, gerade ſo war mein Jo- hanneslein auch — und wie die Kaͤthe jetzt ſpricht, ſie wuͤrd’ ihren Jungen nie von ſich geben, ſo ſagt ich’s auch, und hab’s doch gemußt. Nun iſt er unter die fremden Menſchen gekommen und ich weiß nicht, ob ich ihn noch habe, ob nicht?“
„Freilich wohl, das iſt nun der Eltern Schickſal!“
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deß er doch noch nie ſo ſelig geweſen war wie jetzt im
Anblicke Suschens. Er vermochte aber kein Wort mit
ihr zu reden als ſie wieder aus der Kirche gingen.
Jm Hauſe Traugotts, in der funkelneu eingerich-
teten Oberſtube ward die Taufe noch gemuͤthlich mit
Eſſen und Trinken gefeiert. Da waren noch einige Ver-
wandte zugegen, Laura und der Pfarrer mit ſeiner
Frau. Die Mutter hatte ihren praͤchtigen Buben, Auguſt
war er getauft worden, auch mit herzugeholt und zeigt
ihn mit ſtolzen Blicken im Kreiſe herum.
„Ja, das iſt nun ſchon ſo,“ ſagte die alte Eva,
wenn man die Kinder ſo klein hat, iſt man ganz naͤrriſch
vor Freude und denkt, ſo wie man ſie da auf dem Schooße
ſchaukelt, muͤſſt’ man ſie immer auf den Armen halten
koͤnnen! Moͤcht’s doch ſo ſein, daß man ſie niemals
brauchte von ſich zu laſſen! Aber die kleinen Voͤgel
werden alle groß, fliegen aus den Neſtern, verfliegen
ſich wohl gar in der Fremde wer weiß wie weit und
kommen nicht wieder. Ach, gerade ſo war mein Jo-
hanneslein auch — und wie die Kaͤthe jetzt ſpricht, ſie
wuͤrd’ ihren Jungen nie von ſich geben, ſo ſagt ich’s
auch, und hab’s doch gemußt. Nun iſt er unter die
fremden Menſchen gekommen und ich weiß nicht, ob ich
ihn noch habe, ob nicht?“
„Freilich wohl, das iſt nun der Eltern Schickſal!“
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/44>, abgerufen am 31.01.2025.
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