Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Er sank wie erschöpft in sich zusammen, da er diese
Worte mit großer Anstrengung gesprochen hatte. Der
Abend dämmerte herein. Es fuhr ein Wagen herbei,
der für Johannes bestimmt war. Er stieg hinein, man
rief ihm Vivat und warf ihn mit Blumen und Kränzen
aus allen Fenstern. Jm Wagen saß unser Schulmeister,
den er noch nicht gesehen hatte, und der ihn jetzt sprach-
los umarmte. Die Menge zertheilte sich. Ein starker
Trupp zog nach dem Hause des Amtmanns -- man
hörte Scheltworte und Wuthgeschrei.

"Johannes!" sagte unser Schulmeister zu ihm,
"Du vermagst Alles über diese Leute -- ich fürchte, sie
werden die Dämmerung benutzen, um ihre Wuth, die sie
Deinetwegen auf den Amtmann haben, noch an ihm zu
kühlen, vielleicht mit Steinwürfen und dergleichen. Auf
mich allein hören sie nicht, Du kannst Alles mit ih-
nen machen -- der Amtmann ist zwar Dein Feind,
aber ich weiß, daß Du auch Deinen Feind schützen wirst
in der Noth, und wenn Du das nicht wolltest, so gewiß
doch Deine Freunde vor Uebereilung, mit der sie nur
Dir und sich Schande machten."

Johannes hieß den Wagen halten und rief heraus:
"Brüder, Freunde! was wollt Jhr noch? Jhr sagt, daß
Jhr Euch versammelt habt aus Liebe zu mir -- nun,
so geht auch aus Liebe zu mir friedlich nach Hause,

22

Er ſank wie erſchoͤpft in ſich zuſammen, da er dieſe
Worte mit großer Anſtrengung geſprochen hatte. Der
Abend daͤmmerte herein. Es fuhr ein Wagen herbei,
der fuͤr Johannes beſtimmt war. Er ſtieg hinein, man
rief ihm Vivat und warf ihn mit Blumen und Kraͤnzen
aus allen Fenſtern. Jm Wagen ſaß unſer Schulmeiſter,
den er noch nicht geſehen hatte, und der ihn jetzt ſprach-
los umarmte. Die Menge zertheilte ſich. Ein ſtarker
Trupp zog nach dem Hauſe des Amtmanns — man
hoͤrte Scheltworte und Wuthgeſchrei.

„Johannes!“ ſagte unſer Schulmeiſter zu ihm,
„Du vermagſt Alles uͤber dieſe Leute — ich fuͤrchte, ſie
werden die Daͤmmerung benutzen, um ihre Wuth, die ſie
Deinetwegen auf den Amtmann haben, noch an ihm zu
kuͤhlen, vielleicht mit Steinwuͤrfen und dergleichen. Auf
mich allein hoͤren ſie nicht, Du kannſt Alles mit ih-
nen machen — der Amtmann iſt zwar Dein Feind,
aber ich weiß, daß Du auch Deinen Feind ſchuͤtzen wirſt
in der Noth, und wenn Du das nicht wollteſt, ſo gewiß
doch Deine Freunde vor Uebereilung, mit der ſie nur
Dir und ſich Schande machten.“

Johannes hieß den Wagen halten und rief heraus:
„Bruͤder, Freunde! was wollt Jhr noch? Jhr ſagt, daß
Jhr Euch verſammelt habt aus Liebe zu mir — nun,
ſo geht auch aus Liebe zu mir friedlich nach Hauſe,

22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0345" n="337"/>
        <p>Er &#x017F;ank wie er&#x017F;cho&#x0364;pft in &#x017F;ich zu&#x017F;ammen, da er die&#x017F;e<lb/>
Worte mit großer An&#x017F;trengung ge&#x017F;prochen hatte. Der<lb/>
Abend da&#x0364;mmerte herein. Es fuhr ein Wagen herbei,<lb/>
der fu&#x0364;r Johannes be&#x017F;timmt war. Er &#x017F;tieg hinein, man<lb/>
rief ihm Vivat und warf ihn mit Blumen und Kra&#x0364;nzen<lb/>
aus allen Fen&#x017F;tern. Jm Wagen &#x017F;aß un&#x017F;er Schulmei&#x017F;ter,<lb/>
den er noch nicht ge&#x017F;ehen hatte, und der ihn jetzt &#x017F;prach-<lb/>
los umarmte. Die Menge zertheilte &#x017F;ich. Ein &#x017F;tarker<lb/>
Trupp zog nach dem Hau&#x017F;e des Amtmanns &#x2014; man<lb/>
ho&#x0364;rte Scheltworte und Wuthge&#x017F;chrei.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Johannes!&#x201C; &#x017F;agte un&#x017F;er Schulmei&#x017F;ter zu ihm,<lb/>
&#x201E;Du vermag&#x017F;t Alles u&#x0364;ber die&#x017F;e Leute &#x2014; ich fu&#x0364;rchte, &#x017F;ie<lb/>
werden die Da&#x0364;mmerung benutzen, um ihre Wuth, die &#x017F;ie<lb/>
Deinetwegen auf den Amtmann haben, noch an ihm zu<lb/>
ku&#x0364;hlen, vielleicht mit Steinwu&#x0364;rfen und dergleichen. Auf<lb/>
mich allein ho&#x0364;ren &#x017F;ie nicht, Du kann&#x017F;t Alles mit ih-<lb/>
nen machen &#x2014; der Amtmann i&#x017F;t zwar Dein Feind,<lb/>
aber ich weiß, daß Du auch Deinen Feind &#x017F;chu&#x0364;tzen wir&#x017F;t<lb/>
in der Noth, und wenn Du das nicht wollte&#x017F;t, &#x017F;o gewiß<lb/>
doch Deine Freunde vor Uebereilung, mit der &#x017F;ie nur<lb/>
Dir und &#x017F;ich Schande machten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Johannes hieß den Wagen halten und rief heraus:<lb/>
&#x201E;Bru&#x0364;der, Freunde! was wollt Jhr noch? Jhr &#x017F;agt, daß<lb/>
Jhr Euch ver&#x017F;ammelt habt aus Liebe zu mir &#x2014; nun,<lb/>
&#x017F;o geht auch aus Liebe zu mir friedlich nach Hau&#x017F;e,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">22</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0345] Er ſank wie erſchoͤpft in ſich zuſammen, da er dieſe Worte mit großer Anſtrengung geſprochen hatte. Der Abend daͤmmerte herein. Es fuhr ein Wagen herbei, der fuͤr Johannes beſtimmt war. Er ſtieg hinein, man rief ihm Vivat und warf ihn mit Blumen und Kraͤnzen aus allen Fenſtern. Jm Wagen ſaß unſer Schulmeiſter, den er noch nicht geſehen hatte, und der ihn jetzt ſprach- los umarmte. Die Menge zertheilte ſich. Ein ſtarker Trupp zog nach dem Hauſe des Amtmanns — man hoͤrte Scheltworte und Wuthgeſchrei. „Johannes!“ ſagte unſer Schulmeiſter zu ihm, „Du vermagſt Alles uͤber dieſe Leute — ich fuͤrchte, ſie werden die Daͤmmerung benutzen, um ihre Wuth, die ſie Deinetwegen auf den Amtmann haben, noch an ihm zu kuͤhlen, vielleicht mit Steinwuͤrfen und dergleichen. Auf mich allein hoͤren ſie nicht, Du kannſt Alles mit ih- nen machen — der Amtmann iſt zwar Dein Feind, aber ich weiß, daß Du auch Deinen Feind ſchuͤtzen wirſt in der Noth, und wenn Du das nicht wollteſt, ſo gewiß doch Deine Freunde vor Uebereilung, mit der ſie nur Dir und ſich Schande machten.“ Johannes hieß den Wagen halten und rief heraus: „Bruͤder, Freunde! was wollt Jhr noch? Jhr ſagt, daß Jhr Euch verſammelt habt aus Liebe zu mir — nun, ſo geht auch aus Liebe zu mir friedlich nach Hauſe, 22

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/345
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/345>, abgerufen am 25.11.2024.