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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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wie der gesammte Stadtrath wollten Alles verantworten --
sonst werde die wüthende Rotte am Ende die ganze Stadt
in Brand stecken und wer weiß, welches Elend über die
Stadt bringen -- Johannes aber doch befreien mit Ge-
walt, denn es sei kein Widerstand möglich, da die Bür-
ger mit den Bauern gemeinschaftliche Sache machten.
Man wolle Johannes lieber aus "freier Entschließung"
freigeben, dann sei man auch sicher, statt einer Katzen-
musik und eingeworfnen Fenstern noch Ständchen und
Dankadressen zu bekommen. Der Amtmann hatte vor
Angst ganz den Kopf verloren und rief am ganzen Kör-
per zitternd und schwitzend: "Meinetwegen! macht was
Jhr wollt."

"Wollen Sie nicht eine Rede an das Volk halten?"
rief ein Stadtrath.

"An das Gesindel?" fragte der Amtmann verächtlich,
"das wäre etwas Neues."

"Jch fürchte" sagte der Stadtrath ahnungsvoll: "es
wird noch Manches geschehen und wir werden noch Vie-
les thun müssen, das uns etwas Neues ist; doch ist die
Rede nicht gerade nöthig."

Es ward nun in der Eile Befehl gegeben, Johannes
aus dem Gefängniß zu führen. --

Johannes saß während dem ruhig wie immer in
seiner Kammer. Er wußte wohl, daß draußen schon

wie der geſammte Stadtrath wollten Alles verantworten —
ſonſt werde die wuͤthende Rotte am Ende die ganze Stadt
in Brand ſtecken und wer weiß, welches Elend uͤber die
Stadt bringen — Johannes aber doch befreien mit Ge-
walt, denn es ſei kein Widerſtand moͤglich, da die Buͤr-
ger mit den Bauern gemeinſchaftliche Sache machten.
Man wolle Johannes lieber aus „freier Entſchließung“
freigeben, dann ſei man auch ſicher, ſtatt einer Katzen-
muſik und eingeworfnen Fenſtern noch Staͤndchen und
Dankadreſſen zu bekommen. Der Amtmann hatte vor
Angſt ganz den Kopf verloren und rief am ganzen Koͤr-
per zitternd und ſchwitzend: „Meinetwegen! macht was
Jhr wollt.“

„Wollen Sie nicht eine Rede an das Volk halten?“
rief ein Stadtrath.

„An das Geſindel?“ fragte der Amtmann veraͤchtlich,
„das waͤre etwas Neues.“

„Jch fuͤrchte“ ſagte der Stadtrath ahnungsvoll: „es
wird noch Manches geſchehen und wir werden noch Vie-
les thun muͤſſen, das uns etwas Neues iſt; doch iſt die
Rede nicht gerade noͤthig.“

Es ward nun in der Eile Befehl gegeben, Johannes
aus dem Gefaͤngniß zu fuͤhren. —

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[332/0340] wie der geſammte Stadtrath wollten Alles verantworten — ſonſt werde die wuͤthende Rotte am Ende die ganze Stadt in Brand ſtecken und wer weiß, welches Elend uͤber die Stadt bringen — Johannes aber doch befreien mit Ge- walt, denn es ſei kein Widerſtand moͤglich, da die Buͤr- ger mit den Bauern gemeinſchaftliche Sache machten. Man wolle Johannes lieber aus „freier Entſchließung“ freigeben, dann ſei man auch ſicher, ſtatt einer Katzen- muſik und eingeworfnen Fenſtern noch Staͤndchen und Dankadreſſen zu bekommen. Der Amtmann hatte vor Angſt ganz den Kopf verloren und rief am ganzen Koͤr- per zitternd und ſchwitzend: „Meinetwegen! macht was Jhr wollt.“ „Wollen Sie nicht eine Rede an das Volk halten?“ rief ein Stadtrath. „An das Geſindel?“ fragte der Amtmann veraͤchtlich, „das waͤre etwas Neues.“ „Jch fuͤrchte“ ſagte der Stadtrath ahnungsvoll: „es wird noch Manches geſchehen und wir werden noch Vie- les thun muͤſſen, das uns etwas Neues iſt; doch iſt die Rede nicht gerade noͤthig.“ Es ward nun in der Eile Befehl gegeben, Johannes aus dem Gefaͤngniß zu fuͤhren. — Johannes ſaß waͤhrend dem ruhig wie immer in ſeiner Kammer. Er wußte wohl, daß draußen ſchon

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/340>, abgerufen am 22.11.2024.