nütze Sachen geschrieben, es geschehe ihm schon recht, wenn er eine Zeit lang gar nicht schreiben dürfe, das sei eben seine Strafe. So war er denn zum Müßiggang ver- dammt -- auch seine Bitte um Bücher ließ man uner- hört. Nachdem er schon ziemlich eine Woche gesessen, sagte einer der Gefängnißwärter zu ihm, nachdem er ihm das Essen hingeschoben hatte:
"Der Herr Pfarr' aus Seinem Dorfe wollte gerne mit Jhm sprechen, er hat schon mehrmals den Versuch gemacht, man weiß aber recht gut, daß er mit Jhm un- ter einer Decke gesteckt hat, und so ist es streng verboten, den Pfarrer zu Jhm zu lassen. Da er endlich einsah, es konnte Nichts damit werden, hat er mir aufgetragen, Jhm zu sagen, daß vorgestern seine Mutter begraben worden ist. Sie hat gesagt, daß Er Schuld wäre an ihrem Tode und daß sie Jhm das niemals vergeben könne."
"Was sagt Jhr?" rief Johannes starr vor Ver- zweiflung. --
Der Gefangenwärter wiederholte Alles noch einmal in derselben rohen Weise und fügte hinzu: "Ja, sie hat ge- sagt, Er solle es sich hübsch zu Herzen nehmen, daß Er Seine Mutter auf die Art todt gemacht habe und künf- tig nicht solche schlechte Sachen anstiften, dafür er in's Loch wandern müsse, Seine Mutter hat die Schande nicht überleben können." --
20
nuͤtze Sachen geſchrieben, es geſchehe ihm ſchon recht, wenn er eine Zeit lang gar nicht ſchreiben duͤrfe, das ſei eben ſeine Strafe. So war er denn zum Muͤßiggang ver- dammt — auch ſeine Bitte um Buͤcher ließ man uner- hoͤrt. Nachdem er ſchon ziemlich eine Woche geſeſſen, ſagte einer der Gefaͤngnißwaͤrter zu ihm, nachdem er ihm das Eſſen hingeſchoben hatte:
„Der Herr Pfarr’ aus Seinem Dorfe wollte gerne mit Jhm ſprechen, er hat ſchon mehrmals den Verſuch gemacht, man weiß aber recht gut, daß er mit Jhm un- ter einer Decke geſteckt hat, und ſo iſt es ſtreng verboten, den Pfarrer zu Jhm zu laſſen. Da er endlich einſah, es konnte Nichts damit werden, hat er mir aufgetragen, Jhm zu ſagen, daß vorgeſtern ſeine Mutter begraben worden iſt. Sie hat geſagt, daß Er Schuld waͤre an ihrem Tode und daß ſie Jhm das niemals vergeben könne.“
„Was ſagt Jhr?“ rief Johannes ſtarr vor Ver- zweiflung. —
Der Gefangenwaͤrter wiederholte Alles noch einmal in derſelben rohen Weiſe und fuͤgte hinzu: „Ja, ſie hat ge- ſagt, Er ſolle es ſich huͤbſch zu Herzen nehmen, daß Er Seine Mutter auf die Art todt gemacht habe und kuͤnf- tig nicht ſolche ſchlechte Sachen anſtiften, dafuͤr er in’s Loch wandern muͤſſe, Seine Mutter hat die Schande nicht uͤberleben koͤnnen.“ —
20
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0313"n="305"/>
nuͤtze Sachen geſchrieben, es geſchehe ihm ſchon recht, wenn<lb/>
er eine Zeit lang gar nicht ſchreiben duͤrfe, das ſei eben<lb/>ſeine Strafe. So war er denn zum Muͤßiggang ver-<lb/>
dammt — auch ſeine Bitte um Buͤcher ließ man uner-<lb/>
hoͤrt. Nachdem er ſchon ziemlich eine Woche geſeſſen,<lb/>ſagte einer der Gefaͤngnißwaͤrter zu ihm, nachdem er ihm<lb/>
das Eſſen hingeſchoben hatte:</p><lb/><p>„Der Herr Pfarr’ aus Seinem Dorfe wollte gerne<lb/>
mit Jhm ſprechen, er hat ſchon mehrmals den Verſuch<lb/>
gemacht, man weiß aber recht gut, daß er mit Jhm un-<lb/>
ter einer Decke geſteckt hat, und ſo iſt es ſtreng verboten,<lb/>
den Pfarrer zu Jhm zu laſſen. Da er endlich einſah,<lb/>
es konnte Nichts damit werden, hat er mir aufgetragen,<lb/>
Jhm zu ſagen, daß vorgeſtern ſeine Mutter begraben<lb/>
worden iſt. Sie hat geſagt, daß Er Schuld waͤre an<lb/>
ihrem Tode und daß ſie Jhm das niemals vergeben könne.“</p><lb/><p>„Was ſagt Jhr?“ rief Johannes ſtarr vor Ver-<lb/>
zweiflung. —</p><lb/><p>Der Gefangenwaͤrter wiederholte Alles noch einmal in<lb/>
derſelben rohen Weiſe und fuͤgte hinzu: „Ja, ſie hat ge-<lb/>ſagt, Er ſolle es ſich huͤbſch zu Herzen nehmen, daß Er<lb/>
Seine Mutter auf die Art todt gemacht habe und kuͤnf-<lb/>
tig nicht ſolche ſchlechte Sachen anſtiften, dafuͤr er in’s<lb/>
Loch wandern muͤſſe, Seine Mutter hat die Schande<lb/>
nicht uͤberleben koͤnnen.“—</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">20</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[305/0313]
nuͤtze Sachen geſchrieben, es geſchehe ihm ſchon recht, wenn
er eine Zeit lang gar nicht ſchreiben duͤrfe, das ſei eben
ſeine Strafe. So war er denn zum Muͤßiggang ver-
dammt — auch ſeine Bitte um Buͤcher ließ man uner-
hoͤrt. Nachdem er ſchon ziemlich eine Woche geſeſſen,
ſagte einer der Gefaͤngnißwaͤrter zu ihm, nachdem er ihm
das Eſſen hingeſchoben hatte:
„Der Herr Pfarr’ aus Seinem Dorfe wollte gerne
mit Jhm ſprechen, er hat ſchon mehrmals den Verſuch
gemacht, man weiß aber recht gut, daß er mit Jhm un-
ter einer Decke geſteckt hat, und ſo iſt es ſtreng verboten,
den Pfarrer zu Jhm zu laſſen. Da er endlich einſah,
es konnte Nichts damit werden, hat er mir aufgetragen,
Jhm zu ſagen, daß vorgeſtern ſeine Mutter begraben
worden iſt. Sie hat geſagt, daß Er Schuld waͤre an
ihrem Tode und daß ſie Jhm das niemals vergeben könne.“
„Was ſagt Jhr?“ rief Johannes ſtarr vor Ver-
zweiflung. —
Der Gefangenwaͤrter wiederholte Alles noch einmal in
derſelben rohen Weiſe und fuͤgte hinzu: „Ja, ſie hat ge-
ſagt, Er ſolle es ſich huͤbſch zu Herzen nehmen, daß Er
Seine Mutter auf die Art todt gemacht habe und kuͤnf-
tig nicht ſolche ſchlechte Sachen anſtiften, dafuͤr er in’s
Loch wandern muͤſſe, Seine Mutter hat die Schande
nicht uͤberleben koͤnnen.“ —
20
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/313>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.