Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

eintrat, folgte ihr der Schulmeister. Er stand erst lange
ganz stumm an dem Bette, dann sagte er im Ton der
Verzweiflung zu dem Pfarrer:

"Ach Gott Herr Pfarrer -- wenn ich mit Schuld
daran hätte, daß der Johannes nun so plötzlich uns Al-
len entrissen ist! wäre ich weniger auf alle seine Vor-
schläge eingegangen -- vielleicht wäre es doch nicht dahin
gekommen -- wir haben Jhre Warnungen nicht gehört!"

Der Pfarrer sagte ernst aber milde: "Nun ist das
Klagen zu spät! Nun ist es auch zu spät, sich und An-
dern Vorwürfe zu machen, wo Nichts mehr zu ändern
ist! Was Gott einmal geschickt hat, muß man denn
auch zu tragen vermögen! -- Wir wissen noch gar nicht,
warum Johannes verhaftet worden, ob um seiner Reden
oder um der Veranstaltung dieses Festes willen -- oder
warum sonst. Meine bange Ahnung ist eingetroffen,
ich vermochte Nichts dagegen zu thun, möge nicht noch
eine andere sich erfüllen! Haben Sie auch schon daran
gedacht," -- und er nahm unsern Schulmeister lächelnd bei der
Hand, "was Sie thun werden, wenn es Jhnen vielleicht
noch ähnlich wie Johannes gehen sollte? Weist sich
nicht die ganze Sache als ein Mißverständniß aus, son-
dern behält man Johannes in Gewahrsam -- dann weiß
ich nicht, was Jhnen bevorstehen wird. Jedenfalls wird
man Sie mit verhören und das Wenigste wird sein, daß

eintrat, folgte ihr der Schulmeiſter. Er ſtand erſt lange
ganz ſtumm an dem Bette, dann ſagte er im Ton der
Verzweiflung zu dem Pfarrer:

„Ach Gott Herr Pfarrer — wenn ich mit Schuld
daran haͤtte, daß der Johannes nun ſo ploͤtzlich uns Al-
len entriſſen iſt! waͤre ich weniger auf alle ſeine Vor-
ſchlaͤge eingegangen — vielleicht waͤre es doch nicht dahin
gekommen — wir haben Jhre Warnungen nicht gehoͤrt!“

Der Pfarrer ſagte ernſt aber milde: „Nun iſt das
Klagen zu ſpaͤt! Nun iſt es auch zu ſpaͤt, ſich und An-
dern Vorwuͤrfe zu machen, wo Nichts mehr zu aͤndern
iſt! Was Gott einmal geſchickt hat, muß man denn
auch zu tragen vermoͤgen! — Wir wiſſen noch gar nicht,
warum Johannes verhaftet worden, ob um ſeiner Reden
oder um der Veranſtaltung dieſes Feſtes willen — oder
warum ſonſt. Meine bange Ahnung iſt eingetroffen,
ich vermochte Nichts dagegen zu thun, moͤge nicht noch
eine andere ſich erfuͤllen! Haben Sie auch ſchon daran
gedacht,“ — und er nahm unſern Schulmeiſter laͤchelnd bei der
Hand, „was Sie thun werden, wenn es Jhnen vielleicht
noch aͤhnlich wie Johannes gehen ſollte? Weiſt ſich
nicht die ganze Sache als ein Mißverſtaͤndniß aus, ſon-
dern behaͤlt man Johannes in Gewahrſam — dann weiß
ich nicht, was Jhnen bevorſtehen wird. Jedenfalls wird
man Sie mit verhoͤren und das Wenigſte wird ſein, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0295" n="287"/>
eintrat, folgte ihr der Schulmei&#x017F;ter. Er &#x017F;tand er&#x017F;t lange<lb/>
ganz &#x017F;tumm an dem Bette, dann &#x017F;agte er im Ton der<lb/>
Verzweiflung zu dem Pfarrer:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach Gott Herr Pfarrer &#x2014; wenn ich mit Schuld<lb/>
daran ha&#x0364;tte, daß der Johannes nun &#x017F;o plo&#x0364;tzlich uns Al-<lb/>
len entri&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t! wa&#x0364;re ich weniger auf alle &#x017F;eine Vor-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ge eingegangen &#x2014; vielleicht wa&#x0364;re es doch nicht dahin<lb/>
gekommen &#x2014; wir haben Jhre Warnungen nicht geho&#x0364;rt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Pfarrer &#x017F;agte ern&#x017F;t aber milde: &#x201E;Nun i&#x017F;t das<lb/>
Klagen zu &#x017F;pa&#x0364;t! Nun i&#x017F;t es auch zu &#x017F;pa&#x0364;t, &#x017F;ich und An-<lb/>
dern Vorwu&#x0364;rfe zu machen, wo Nichts mehr zu a&#x0364;ndern<lb/>
i&#x017F;t! Was Gott einmal ge&#x017F;chickt hat, muß man denn<lb/>
auch zu tragen vermo&#x0364;gen! &#x2014; Wir wi&#x017F;&#x017F;en noch gar nicht,<lb/>
warum Johannes verhaftet worden, ob um &#x017F;einer Reden<lb/>
oder um der Veran&#x017F;taltung die&#x017F;es Fe&#x017F;tes willen &#x2014; oder<lb/>
warum &#x017F;on&#x017F;t. Meine bange Ahnung i&#x017F;t eingetroffen,<lb/>
ich vermochte Nichts dagegen zu thun, mo&#x0364;ge nicht noch<lb/>
eine andere &#x017F;ich erfu&#x0364;llen! Haben Sie auch &#x017F;chon daran<lb/>
gedacht,&#x201C; &#x2014; und er nahm un&#x017F;ern Schulmei&#x017F;ter la&#x0364;chelnd bei der<lb/>
Hand, &#x201E;was Sie thun werden, wenn es Jhnen vielleicht<lb/>
noch a&#x0364;hnlich wie Johannes gehen &#x017F;ollte? Wei&#x017F;t &#x017F;ich<lb/>
nicht die ganze Sache als ein Mißver&#x017F;ta&#x0364;ndniß aus, &#x017F;on-<lb/>
dern beha&#x0364;lt man Johannes in Gewahr&#x017F;am &#x2014; dann weiß<lb/>
ich nicht, was Jhnen bevor&#x017F;tehen wird. Jedenfalls wird<lb/>
man Sie mit verho&#x0364;ren und das Wenig&#x017F;te wird &#x017F;ein, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0295] eintrat, folgte ihr der Schulmeiſter. Er ſtand erſt lange ganz ſtumm an dem Bette, dann ſagte er im Ton der Verzweiflung zu dem Pfarrer: „Ach Gott Herr Pfarrer — wenn ich mit Schuld daran haͤtte, daß der Johannes nun ſo ploͤtzlich uns Al- len entriſſen iſt! waͤre ich weniger auf alle ſeine Vor- ſchlaͤge eingegangen — vielleicht waͤre es doch nicht dahin gekommen — wir haben Jhre Warnungen nicht gehoͤrt!“ Der Pfarrer ſagte ernſt aber milde: „Nun iſt das Klagen zu ſpaͤt! Nun iſt es auch zu ſpaͤt, ſich und An- dern Vorwuͤrfe zu machen, wo Nichts mehr zu aͤndern iſt! Was Gott einmal geſchickt hat, muß man denn auch zu tragen vermoͤgen! — Wir wiſſen noch gar nicht, warum Johannes verhaftet worden, ob um ſeiner Reden oder um der Veranſtaltung dieſes Feſtes willen — oder warum ſonſt. Meine bange Ahnung iſt eingetroffen, ich vermochte Nichts dagegen zu thun, moͤge nicht noch eine andere ſich erfuͤllen! Haben Sie auch ſchon daran gedacht,“ — und er nahm unſern Schulmeiſter laͤchelnd bei der Hand, „was Sie thun werden, wenn es Jhnen vielleicht noch aͤhnlich wie Johannes gehen ſollte? Weiſt ſich nicht die ganze Sache als ein Mißverſtaͤndniß aus, ſon- dern behaͤlt man Johannes in Gewahrſam — dann weiß ich nicht, was Jhnen bevorſtehen wird. Jedenfalls wird man Sie mit verhoͤren und das Wenigſte wird ſein, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/295
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/295>, abgerufen am 25.11.2024.