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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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Christlieb antwortete: "Martin wollte sie immer in
die Schenke führen und im Schnaps ihnen gehörig zu-
sprechen, daß sie sich Muth tränken und um so rauflu-
stiger würden. Jch dachte aber, der Schenkenwirth möchte
Unrath merken, der hat immer eine ewige Angst vor al-
len Prügeleien und ist zudem jetzt gar dem Johannes ge-
wogen -- so traktirt Martin die Leute auf seiner Stube,
natürlich mit einem Schnaps. -- Uebrigens jetzt, wo sie
nicht mehr reden, habt Jhr nicht mehr nöthig, Euch in
einen Winkel zu verkriechen, damit sie sich unbeobach-
tet glauben. Stellt Euch jetzt nur recht breit hin, mit-
ten unter sie und schaut ihnen zu, daß sie's recht merken,
sie stehen unter Eurer Aufsicht, das ärgert die Großmäu-
ler, die immer thun wollen, als habe ihnen kein Mensch
Etwas zu befehlen, am meisten.

Der Gensdarme nickte beifällig zu diesem Rath, schritt
gravitätisch auf die Turner zu und stellte sich mit in ein-
andergeschlagenen Armen und gespreizten Beinen vor sie
hin, recht als wären die jungen Männer ungezogene Bu-
ben, wo er aufpassen müsse, daß sie keine Dummheiten
machten.

Einige von den Turnern wollten, darüber aufgebracht,
theils ernste, theils spöttische Worte an den selbstgefälli-
gen Gensdarmen richten, aber Johannes verwies es ih-
nen, indem er sagte: "Warum wollen wir den Leuten

Chriſtlieb antwortete: „Martin wollte ſie immer in
die Schenke fuͤhren und im Schnaps ihnen gehoͤrig zu-
ſprechen, daß ſie ſich Muth traͤnken und um ſo rauflu-
ſtiger wuͤrden. Jch dachte aber, der Schenkenwirth moͤchte
Unrath merken, der hat immer eine ewige Angſt vor al-
len Pruͤgeleien und iſt zudem jetzt gar dem Johannes ge-
wogen — ſo traktirt Martin die Leute auf ſeiner Stube,
natuͤrlich mit einem Schnaps. — Uebrigens jetzt, wo ſie
nicht mehr reden, habt Jhr nicht mehr noͤthig, Euch in
einen Winkel zu verkriechen, damit ſie ſich unbeobach-
tet glauben. Stellt Euch jetzt nur recht breit hin, mit-
ten unter ſie und ſchaut ihnen zu, daß ſie’s recht merken,
ſie ſtehen unter Eurer Aufſicht, das aͤrgert die Großmaͤu-
ler, die immer thun wollen, als habe ihnen kein Menſch
Etwas zu befehlen, am meiſten.

Der Gensdarme nickte beifaͤllig zu dieſem Rath, ſchritt
gravitaͤtiſch auf die Turner zu und ſtellte ſich mit in ein-
andergeſchlagenen Armen und geſpreizten Beinen vor ſie
hin, recht als waͤren die jungen Maͤnner ungezogene Bu-
ben, wo er aufpaſſen muͤſſe, daß ſie keine Dummheiten
machten.

Einige von den Turnern wollten, daruͤber aufgebracht,
theils ernſte, theils ſpoͤttiſche Worte an den ſelbſtgefaͤlli-
gen Gensdarmen richten, aber Johannes verwies es ih-
nen, indem er ſagte: „Warum wollen wir den Leuten

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[270/0278] Chriſtlieb antwortete: „Martin wollte ſie immer in die Schenke fuͤhren und im Schnaps ihnen gehoͤrig zu- ſprechen, daß ſie ſich Muth traͤnken und um ſo rauflu- ſtiger wuͤrden. Jch dachte aber, der Schenkenwirth moͤchte Unrath merken, der hat immer eine ewige Angſt vor al- len Pruͤgeleien und iſt zudem jetzt gar dem Johannes ge- wogen — ſo traktirt Martin die Leute auf ſeiner Stube, natuͤrlich mit einem Schnaps. — Uebrigens jetzt, wo ſie nicht mehr reden, habt Jhr nicht mehr noͤthig, Euch in einen Winkel zu verkriechen, damit ſie ſich unbeobach- tet glauben. Stellt Euch jetzt nur recht breit hin, mit- ten unter ſie und ſchaut ihnen zu, daß ſie’s recht merken, ſie ſtehen unter Eurer Aufſicht, das aͤrgert die Großmaͤu- ler, die immer thun wollen, als habe ihnen kein Menſch Etwas zu befehlen, am meiſten. Der Gensdarme nickte beifaͤllig zu dieſem Rath, ſchritt gravitaͤtiſch auf die Turner zu und ſtellte ſich mit in ein- andergeſchlagenen Armen und geſpreizten Beinen vor ſie hin, recht als waͤren die jungen Maͤnner ungezogene Bu- ben, wo er aufpaſſen muͤſſe, daß ſie keine Dummheiten machten. Einige von den Turnern wollten, daruͤber aufgebracht, theils ernſte, theils ſpoͤttiſche Worte an den ſelbſtgefaͤlli- gen Gensdarmen richten, aber Johannes verwies es ih- nen, indem er ſagte: „Warum wollen wir den Leuten

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/278>, abgerufen am 25.11.2024.