mir's, dann geh' ich ruhiger hinunter und will sorglos schlafen!"
Johannes sah eine Weile schweigend vor sich nieder; dann sagte er: "Nun ich versprech's Dir zu lieb! ohne Noth will ich nicht reden und will mich fein still verhal- ten unter all' den Burschen; aber wenn Etwas geschehen sollt', wo Schweigen schlecht und feig wäre, da will ich immer und überall reden, und immer und überall die Wahrheit! Aber morgen nicht, wenn es nicht sein muß!"
Halb und halb wenigstens war Mutter Eva mit die- ser Erklärung zufrieden. Sie ließ sich von Johannes in das Dorf hinunter führen und wie sie sich von ihm trennte und ihm den gute Nacht-Kuß gab, mußte er ihr nochmals sein Versprechen wiederholen. Er aber stieg tief bewegt wieder auf seine Burg hinauf.
Es war eine wundervolle Herbstnacht. Die Sterne flimmerten so hell und klar, wie immer in diesem Mo- nat, die blaue Luft war durchsichtig wie Kristall, auf der Erde breiteten sich feuchte, weiße Schleier aus, aber droben am Himmel war Alles leuchtende Klarheit.
Johannes stieg noch auf die höchste Ringmauer der Burg hinauf. Er wollte diesem klaren Himmel so nah als möglich sein. Tiefbewegt war sein Herz und es war ihm, als könne er am Ersten Ruhe finden, wenn er sie am Sternenhimmel suche.
mir’s, dann geh’ ich ruhiger hinunter und will ſorglos ſchlafen!“
Johannes ſah eine Weile ſchweigend vor ſich nieder; dann ſagte er: „Nun ich verſprech’s Dir zu lieb! ohne Noth will ich nicht reden und will mich fein ſtill verhal- ten unter all’ den Burſchen; aber wenn Etwas geſchehen ſollt’, wo Schweigen ſchlecht und feig waͤre, da will ich immer und uͤberall reden, und immer und uͤberall die Wahrheit! Aber morgen nicht, wenn es nicht ſein muß!“
Halb und halb wenigſtens war Mutter Eva mit die- ſer Erklaͤrung zufrieden. Sie ließ ſich von Johannes in das Dorf hinunter fuͤhren und wie ſie ſich von ihm trennte und ihm den gute Nacht-Kuß gab, mußte er ihr nochmals ſein Verſprechen wiederholen. Er aber ſtieg tief bewegt wieder auf ſeine Burg hinauf.
Es war eine wundervolle Herbſtnacht. Die Sterne flimmerten ſo hell und klar, wie immer in dieſem Mo- nat, die blaue Luft war durchſichtig wie Kriſtall, auf der Erde breiteten ſich feuchte, weiße Schleier aus, aber droben am Himmel war Alles leuchtende Klarheit.
Johannes ſtieg noch auf die hoͤchſte Ringmauer der Burg hinauf. Er wollte dieſem klaren Himmel ſo nah als moͤglich ſein. Tiefbewegt war ſein Herz und es war ihm, als koͤnne er am Erſten Ruhe finden, wenn er ſie am Sternenhimmel ſuche.
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mir’s, dann geh’ ich ruhiger hinunter und will ſorglos
ſchlafen!“
Johannes ſah eine Weile ſchweigend vor ſich nieder;
dann ſagte er: „Nun ich verſprech’s Dir zu lieb! ohne
Noth will ich nicht reden und will mich fein ſtill verhal-
ten unter all’ den Burſchen; aber wenn Etwas geſchehen
ſollt’, wo Schweigen ſchlecht und feig waͤre, da will ich
immer und uͤberall reden, und immer und uͤberall die
Wahrheit! Aber morgen nicht, wenn es nicht ſein muß!“
Halb und halb wenigſtens war Mutter Eva mit die-
ſer Erklaͤrung zufrieden. Sie ließ ſich von Johannes
in das Dorf hinunter fuͤhren und wie ſie ſich von ihm
trennte und ihm den gute Nacht-Kuß gab, mußte er ihr
nochmals ſein Verſprechen wiederholen. Er aber ſtieg
tief bewegt wieder auf ſeine Burg hinauf.
Es war eine wundervolle Herbſtnacht. Die Sterne
flimmerten ſo hell und klar, wie immer in dieſem Mo-
nat, die blaue Luft war durchſichtig wie Kriſtall, auf
der Erde breiteten ſich feuchte, weiße Schleier aus, aber
droben am Himmel war Alles leuchtende Klarheit.
Johannes ſtieg noch auf die hoͤchſte Ringmauer der
Burg hinauf. Er wollte dieſem klaren Himmel ſo nah
als moͤglich ſein. Tiefbewegt war ſein Herz und es
war ihm, als koͤnne er am Erſten Ruhe finden, wenn er
ſie am Sternenhimmel ſuche.
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/270>, abgerufen am 22.11.2024.
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