Pfarrer Niemand die Zeitungen -- und nun ist mit Dir mehr als eine Zeitung gekommen und fast alle Männer studiren darin. Da hat's neulich ja auch drinnen ge- standen, daß ein ganz guter, edler Mann, der immer nur das Beste des Volkes gewollt hat, und deshalb von al- lem Volk hoch in Ehren gehalten worden ist, nur weil er geschrieben und geredet, wie es den hohen Herrschaf- ten nicht gefallen, nun schon seit vielen Jahren elend im Gefängniß sitzt und darin wohl noch viele Jahre sitzen wird unter Dieben und Mördern, als sei er selbst ein ganz schlechter Mensch. Johannes, so Etwas kann Dir auch passiren, das redest Du mir nicht mehr aus, ver- such's gar nicht erst -- und wenn ich nun wüßte: mein guter, frommer Johannes, der immer ein so ehrlicher Bursch' gewesen, steckt' als ehrlos im schlechten Gefäng- niß unter Dieben und Mördern -- nein, ich überlebt's nicht! -- So quält mich nun die ewige Angst um Dich! Johannes -- wenn Du mich nicht umbringen willst, so laß das Reden und Schreiben, das Dich nur in Gefahr bringt und den Andern doch Nichts nützt!" Und Mut- ter Eva schlang so sprechend, innig fest ihre Arme um Jo- hannes und sah ihn mit thränenden Augen bittend an.
Auch ihm gingen die Augen über. Er liebte auf der ganzen Welt keine Seele inniger als seine Mutter, und es war ihm ein tief schmerzlicher Gedanke, ihr Kum-
Pfarrer Niemand die Zeitungen — und nun iſt mit Dir mehr als eine Zeitung gekommen und faſt alle Maͤnner ſtudiren darin. Da hat’s neulich ja auch drinnen ge- ſtanden, daß ein ganz guter, edler Mann, der immer nur das Beſte des Volkes gewollt hat, und deshalb von al- lem Volk hoch in Ehren gehalten worden iſt, nur weil er geſchrieben und geredet, wie es den hohen Herrſchaf- ten nicht gefallen, nun ſchon ſeit vielen Jahren elend im Gefaͤngniß ſitzt und darin wohl noch viele Jahre ſitzen wird unter Dieben und Moͤrdern, als ſei er ſelbſt ein ganz ſchlechter Menſch. Johannes, ſo Etwas kann Dir auch paſſiren, das redeſt Du mir nicht mehr aus, ver- ſuch’s gar nicht erſt — und wenn ich nun wuͤßte: mein guter, frommer Johannes, der immer ein ſo ehrlicher Burſch’ geweſen, ſteckt’ als ehrlos im ſchlechten Gefaͤng- niß unter Dieben und Moͤrdern — nein, ich uͤberlebt’s nicht! — So quaͤlt mich nun die ewige Angſt um Dich! Johannes — wenn Du mich nicht umbringen willſt, ſo laß das Reden und Schreiben, das Dich nur in Gefahr bringt und den Andern doch Nichts nuͤtzt!“ Und Mut- ter Eva ſchlang ſo ſprechend, innig feſt ihre Arme um Jo- hannes und ſah ihn mit thraͤnenden Augen bittend an.
Auch ihm gingen die Augen uͤber. Er liebte auf der ganzen Welt keine Seele inniger als ſeine Mutter, und es war ihm ein tief ſchmerzlicher Gedanke, ihr Kum-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0268"n="260"/>
Pfarrer Niemand die Zeitungen — und nun iſt mit Dir<lb/>
mehr als eine Zeitung gekommen und faſt alle Maͤnner<lb/>ſtudiren darin. Da hat’s neulich ja auch drinnen ge-<lb/>ſtanden, daß ein ganz guter, edler Mann, der immer nur<lb/>
das Beſte des Volkes gewollt hat, und deshalb von al-<lb/>
lem Volk hoch in Ehren gehalten worden iſt, nur weil<lb/>
er geſchrieben und geredet, wie es den hohen Herrſchaf-<lb/>
ten nicht gefallen, nun ſchon ſeit vielen Jahren elend im<lb/>
Gefaͤngniß ſitzt und darin wohl noch viele Jahre ſitzen<lb/>
wird unter Dieben und Moͤrdern, als ſei er ſelbſt ein<lb/>
ganz ſchlechter Menſch. Johannes, ſo Etwas kann Dir<lb/>
auch paſſiren, das redeſt Du mir nicht mehr aus, ver-<lb/>ſuch’s gar nicht erſt — und wenn ich nun wuͤßte: mein<lb/>
guter, frommer Johannes, der immer ein ſo ehrlicher<lb/>
Burſch’ geweſen, ſteckt’ als ehrlos im ſchlechten Gefaͤng-<lb/>
niß unter Dieben und Moͤrdern — nein, ich uͤberlebt’s<lb/>
nicht! — So quaͤlt mich nun die ewige Angſt um Dich!<lb/>
Johannes — wenn Du mich nicht umbringen willſt, ſo<lb/>
laß das Reden und Schreiben, das Dich nur in Gefahr<lb/>
bringt und den Andern doch Nichts nuͤtzt!“ Und Mut-<lb/>
ter Eva ſchlang ſo ſprechend, innig feſt ihre Arme um Jo-<lb/>
hannes und ſah ihn mit thraͤnenden Augen bittend an.</p><lb/><p>Auch ihm gingen die Augen uͤber. Er liebte auf<lb/>
der ganzen Welt keine Seele inniger als ſeine Mutter,<lb/>
und es war ihm ein tief ſchmerzlicher Gedanke, ihr Kum-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[260/0268]
Pfarrer Niemand die Zeitungen — und nun iſt mit Dir
mehr als eine Zeitung gekommen und faſt alle Maͤnner
ſtudiren darin. Da hat’s neulich ja auch drinnen ge-
ſtanden, daß ein ganz guter, edler Mann, der immer nur
das Beſte des Volkes gewollt hat, und deshalb von al-
lem Volk hoch in Ehren gehalten worden iſt, nur weil
er geſchrieben und geredet, wie es den hohen Herrſchaf-
ten nicht gefallen, nun ſchon ſeit vielen Jahren elend im
Gefaͤngniß ſitzt und darin wohl noch viele Jahre ſitzen
wird unter Dieben und Moͤrdern, als ſei er ſelbſt ein
ganz ſchlechter Menſch. Johannes, ſo Etwas kann Dir
auch paſſiren, das redeſt Du mir nicht mehr aus, ver-
ſuch’s gar nicht erſt — und wenn ich nun wuͤßte: mein
guter, frommer Johannes, der immer ein ſo ehrlicher
Burſch’ geweſen, ſteckt’ als ehrlos im ſchlechten Gefaͤng-
niß unter Dieben und Moͤrdern — nein, ich uͤberlebt’s
nicht! — So quaͤlt mich nun die ewige Angſt um Dich!
Johannes — wenn Du mich nicht umbringen willſt, ſo
laß das Reden und Schreiben, das Dich nur in Gefahr
bringt und den Andern doch Nichts nuͤtzt!“ Und Mut-
ter Eva ſchlang ſo ſprechend, innig feſt ihre Arme um Jo-
hannes und ſah ihn mit thraͤnenden Augen bittend an.
Auch ihm gingen die Augen uͤber. Er liebte auf
der ganzen Welt keine Seele inniger als ſeine Mutter,
und es war ihm ein tief ſchmerzlicher Gedanke, ihr Kum-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/268>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.