endigen sollte; ich weiß weiter keinen Menschen, dem's so geht wie Dir. Jch weiß wohl, es ist schon wahr: jeder Mensch hat seine Freunde und seine Feinde, aber dann stehen wieder andere Leute dazwischen, denen ist er gleich- gültig, die gönnen ihm weder sehr das Gute noch das Böse, das ihm widerfährt -- bei Dir aber ist's nicht so, da ist Alles auf's Aeußerste getrieben, Haß und Liebe und Nichts dazwischen. Da ist mir nur so angst um die, die Dich hassen -- um die hier im Dorf auch nicht al- lein -- das sind nur die Schlechten, die Dir übel wol- len, ich weiß es, aber gerade weil sie schlecht sind, muß man sie fürchten -- aber unsre Landsleute und was da drum und dran hängt sind auch schlecht zu sprechen auf Dich, und am Ende sind's gar alle Großen überhaupt! ach Johannes, das ist doch immer ein Unglück!" --
"Liebe Mutter," erwiderte Johannes milde, "das Un- glück ist nun eben nicht so groß -- und Jhr möchtet selbst gar nicht, daß es anders wäre. Oder möchtet Jhr, ich wär' so Einer geworden, der nur immer den Großen, wie Jhr sie nennt, zu Willen redet, zum Nachtheil sei- ner eignen Brüder, wenn's nur ihm selber Vortheil bringt? Pfui! einen solchen Sohn möchtet Jhr nicht. Oder so Einen, der bei den Amtsleuten gut steht, weil er von ihnen sich brauchen läßt, da und dort herumzuhorchen und die armen Leute anzugeben, die aus Noth und Ver-
endigen ſollte; ich weiß weiter keinen Menſchen, dem’s ſo geht wie Dir. Jch weiß wohl, es iſt ſchon wahr: jeder Menſch hat ſeine Freunde und ſeine Feinde, aber dann ſtehen wieder andere Leute dazwiſchen, denen iſt er gleich- guͤltig, die goͤnnen ihm weder ſehr das Gute noch das Boͤſe, das ihm widerfaͤhrt — bei Dir aber iſt’s nicht ſo, da iſt Alles auf’s Aeußerſte getrieben, Haß und Liebe und Nichts dazwiſchen. Da iſt mir nur ſo angſt um die, die Dich haſſen — um die hier im Dorf auch nicht al- lein — das ſind nur die Schlechten, die Dir uͤbel wol- len, ich weiß es, aber gerade weil ſie ſchlecht ſind, muß man ſie fuͤrchten — aber unſre Landsleute und was da drum und dran haͤngt ſind auch ſchlecht zu ſprechen auf Dich, und am Ende ſind’s gar alle Großen uͤberhaupt! ach Johannes, das iſt doch immer ein Ungluͤck!“ —
„Liebe Mutter,“ erwiderte Johannes milde, „das Un- gluͤck iſt nun eben nicht ſo groß — und Jhr moͤchtet ſelbſt gar nicht, daß es anders waͤre. Oder moͤchtet Jhr, ich waͤr’ ſo Einer geworden, der nur immer den Großen, wie Jhr ſie nennt, zu Willen redet, zum Nachtheil ſei- ner eignen Bruͤder, wenn’s nur ihm ſelber Vortheil bringt? Pfui! einen ſolchen Sohn moͤchtet Jhr nicht. Oder ſo Einen, der bei den Amtsleuten gut ſteht, weil er von ihnen ſich brauchen laͤßt, da und dort herumzuhorchen und die armen Leute anzugeben, die aus Noth und Ver-
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endigen ſollte; ich weiß weiter keinen Menſchen, dem’s ſo
geht wie Dir. Jch weiß wohl, es iſt ſchon wahr: jeder
Menſch hat ſeine Freunde und ſeine Feinde, aber dann
ſtehen wieder andere Leute dazwiſchen, denen iſt er gleich-
guͤltig, die goͤnnen ihm weder ſehr das Gute noch das
Boͤſe, das ihm widerfaͤhrt — bei Dir aber iſt’s nicht ſo,
da iſt Alles auf’s Aeußerſte getrieben, Haß und Liebe und
Nichts dazwiſchen. Da iſt mir nur ſo angſt um die,
die Dich haſſen — um die hier im Dorf auch nicht al-
lein — das ſind nur die Schlechten, die Dir uͤbel wol-
len, ich weiß es, aber gerade weil ſie ſchlecht ſind, muß
man ſie fuͤrchten — aber unſre Landsleute und was da
drum und dran haͤngt ſind auch ſchlecht zu ſprechen auf
Dich, und am Ende ſind’s gar alle Großen uͤberhaupt!
ach Johannes, das iſt doch immer ein Ungluͤck!“ —
„Liebe Mutter,“ erwiderte Johannes milde, „das Un-
gluͤck iſt nun eben nicht ſo groß — und Jhr moͤchtet
ſelbſt gar nicht, daß es anders waͤre. Oder moͤchtet Jhr,
ich waͤr’ ſo Einer geworden, der nur immer den Großen,
wie Jhr ſie nennt, zu Willen redet, zum Nachtheil ſei-
ner eignen Bruͤder, wenn’s nur ihm ſelber Vortheil bringt?
Pfui! einen ſolchen Sohn moͤchtet Jhr nicht. Oder ſo
Einen, der bei den Amtsleuten gut ſteht, weil er von
ihnen ſich brauchen laͤßt, da und dort herumzuhorchen
und die armen Leute anzugeben, die aus Noth und Ver-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/264>, abgerufen am 25.11.2024.
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