mir heilig ist, zum Zeugen aufzurufen -- Sie werden mir doch wohl noch glauben, wenn ich Jhnen einfach versichere, daß ich nicht der Veranlasser dieser Turnfahrt bin, also auch Nichts für ihr Unterbleiben thun kann. Die Behörden, die doch sonst immer umständlich und quä- lerisch sind, haben die Sache erlaubt, ich sehe also nicht ab, warum wir ängstlicher sein sollen als die Behörden, das würde uns doch mehr als lächerlich machen. Daß wir uns aber bei dem Fest mit betheiligen und die fremden Gäste als liebe Brüder empfangen, geziemt uns doch; ich wüßte nicht, warum wir eine Ausnahme vor andern Ortschaften machen sollten!"
"So," sagte unser Pfarrer ruhig, "ich sehe freilich, daß ich zu spät komme, wenn Alles schon so bestimmt und entschieden ist, aber eins muß ich Dir doch noch in's Gedächtniß zurückrufen! es ist den Turnvereinen verboten, Politik zu treiben."
"O seien Sie darüber nur außer Sorgen, lieber Herr Pfarrer," antwortete Johannes, "ich kenne alle diese lä- cherlichen Verordnungen und Vorschriften und weiß mich darnach zu richten. Es hat mir auch Niemand eine Ueberschreitung derselben nachweisen können -- ich bin klug und groß geworden in dieser strengen Schule unsres deutschen polizeilichen Lebens -- ich mache keine dum-
mir heilig iſt, zum Zeugen aufzurufen — Sie werden mir doch wohl noch glauben, wenn ich Jhnen einfach verſichere, daß ich nicht der Veranlaſſer dieſer Turnfahrt bin, alſo auch Nichts fuͤr ihr Unterbleiben thun kann. Die Behoͤrden, die doch ſonſt immer umſtaͤndlich und quaͤ- leriſch ſind, haben die Sache erlaubt, ich ſehe alſo nicht ab, warum wir aͤngſtlicher ſein ſollen als die Behoͤrden, das wuͤrde uns doch mehr als laͤcherlich machen. Daß wir uns aber bei dem Feſt mit betheiligen und die fremden Gaͤſte als liebe Bruͤder empfangen, geziemt uns doch; ich wuͤßte nicht, warum wir eine Ausnahme vor andern Ortſchaften machen ſollten!“
„So,“ ſagte unſer Pfarrer ruhig, „ich ſehe freilich, daß ich zu ſpaͤt komme, wenn Alles ſchon ſo beſtimmt und entſchieden iſt, aber eins muß ich Dir doch noch in’s Gedaͤchtniß zuruͤckrufen! es iſt den Turnvereinen verboten, Politik zu treiben.“
„O ſeien Sie daruͤber nur außer Sorgen, lieber Herr Pfarrer,“ antwortete Johannes, „ich kenne alle dieſe laͤ- cherlichen Verordnungen und Vorſchriften und weiß mich darnach zu richten. Es hat mir auch Niemand eine Ueberſchreitung derſelben nachweiſen koͤnnen — ich bin klug und groß geworden in dieſer ſtrengen Schule unſres deutſchen polizeilichen Lebens — ich mache keine dum-
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mir heilig iſt, zum Zeugen aufzurufen — Sie werden
mir doch wohl noch glauben, wenn ich Jhnen einfach
verſichere, daß ich nicht der Veranlaſſer dieſer Turnfahrt
bin, alſo auch Nichts fuͤr ihr Unterbleiben thun kann.
Die Behoͤrden, die doch ſonſt immer umſtaͤndlich und quaͤ-
leriſch ſind, haben die Sache erlaubt, ich ſehe alſo nicht ab,
warum wir aͤngſtlicher ſein ſollen als die Behoͤrden, das
wuͤrde uns doch mehr als laͤcherlich machen. Daß wir
uns aber bei dem Feſt mit betheiligen und die fremden
Gaͤſte als liebe Bruͤder empfangen, geziemt uns doch;
ich wuͤßte nicht, warum wir eine Ausnahme vor andern
Ortſchaften machen ſollten!“
„So,“ ſagte unſer Pfarrer ruhig, „ich ſehe freilich,
daß ich zu ſpaͤt komme, wenn Alles ſchon ſo beſtimmt
und entſchieden iſt, aber eins muß ich Dir doch noch in’s
Gedaͤchtniß zuruͤckrufen! es iſt den Turnvereinen verboten,
Politik zu treiben.“
„O ſeien Sie daruͤber nur außer Sorgen, lieber Herr
Pfarrer,“ antwortete Johannes, „ich kenne alle dieſe laͤ-
cherlichen Verordnungen und Vorſchriften und weiß mich
darnach zu richten. Es hat mir auch Niemand eine
Ueberſchreitung derſelben nachweiſen koͤnnen — ich bin
klug und groß geworden in dieſer ſtrengen Schule unſres
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/255>, abgerufen am 22.11.2024.
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