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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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ich dann noch dieser Achtung werth, die Jhr mir selber
zeigt, von Eurer Liebe noch gar nicht zu reden?" --

Das Gespräch ward unterbrochen durch Leute, welche
den Pfarrer abriefen. Johannes ging auch fort und zwar
zu dem Schulmeister.

"Sagen Sie mir, was das ist?" rief er diesem ent-
gegen, "der Pfarrer und die Pfarrerin quälen mich auf
einmal mit Bedenklichkeiten und wissen nichts Andres zu
reden, als mich zu ermahnen, zu warnen, während der
Pfarrer doch noch bis vor Kurzem mit Allem einverstan-
den war, was ich that!"

"Er ist ein seelensguter Mann, aber das Alter macht
ihn bedenklich," sagte unser Schulmeister ruhig. "Er
hat mir auch schon in's Gewissen geredet, daß ich Nichts
übereilen und übertreiben möge. Aber nun bin ich nicht
mehr in meiner Ueberzeugung irre und wankend zu ma-
chen. Was kann mir denn auch geschehen? höchstens
werde ich abgesetzt -- das ist zwar schlimm genug für
einen armen Menschen, aber im schlimmsten Falle helf'
ich mir schon fort. Jch stehe ja nun allein, und es bin-
den mich keine Pflichten mehr für Andere, seitdem meine
Schwester Friedrich's Braut ist und nun bald seine
Frau wird. Jch lasse mich durch Nichts mehr zurück-
schrecken."

"Das ist brav gesprochen!" rief Johannes, "dächten

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ich dann noch dieſer Achtung werth, die Jhr mir ſelber
zeigt, von Eurer Liebe noch gar nicht zu reden?“ —

Das Geſpraͤch ward unterbrochen durch Leute, welche
den Pfarrer abriefen. Johannes ging auch fort und zwar
zu dem Schulmeiſter.

„Sagen Sie mir, was das iſt?“ rief er dieſem ent-
gegen, „der Pfarrer und die Pfarrerin quaͤlen mich auf
einmal mit Bedenklichkeiten und wiſſen nichts Andres zu
reden, als mich zu ermahnen, zu warnen, waͤhrend der
Pfarrer doch noch bis vor Kurzem mit Allem einverſtan-
den war, was ich that!“

„Er iſt ein ſeelensguter Mann, aber das Alter macht
ihn bedenklich,“ ſagte unſer Schulmeiſter ruhig. „Er
hat mir auch ſchon in’s Gewiſſen geredet, daß ich Nichts
uͤbereilen und uͤbertreiben moͤge. Aber nun bin ich nicht
mehr in meiner Ueberzeugung irre und wankend zu ma-
chen. Was kann mir denn auch geſchehen? hoͤchſtens
werde ich abgeſetzt — das iſt zwar ſchlimm genug fuͤr
einen armen Menſchen, aber im ſchlimmſten Falle helf’
ich mir ſchon fort. Jch ſtehe ja nun allein, und es bin-
den mich keine Pflichten mehr fuͤr Andere, ſeitdem meine
Schweſter Friedrich’s Braut iſt und nun bald ſeine
Frau wird. Jch laſſe mich durch Nichts mehr zuruͤck-
ſchrecken.“

„Das iſt brav geſprochen!“ rief Johannes, „daͤchten

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[241/0249] ich dann noch dieſer Achtung werth, die Jhr mir ſelber zeigt, von Eurer Liebe noch gar nicht zu reden?“ — Das Geſpraͤch ward unterbrochen durch Leute, welche den Pfarrer abriefen. Johannes ging auch fort und zwar zu dem Schulmeiſter. „Sagen Sie mir, was das iſt?“ rief er dieſem ent- gegen, „der Pfarrer und die Pfarrerin quaͤlen mich auf einmal mit Bedenklichkeiten und wiſſen nichts Andres zu reden, als mich zu ermahnen, zu warnen, waͤhrend der Pfarrer doch noch bis vor Kurzem mit Allem einverſtan- den war, was ich that!“ „Er iſt ein ſeelensguter Mann, aber das Alter macht ihn bedenklich,“ ſagte unſer Schulmeiſter ruhig. „Er hat mir auch ſchon in’s Gewiſſen geredet, daß ich Nichts uͤbereilen und uͤbertreiben moͤge. Aber nun bin ich nicht mehr in meiner Ueberzeugung irre und wankend zu ma- chen. Was kann mir denn auch geſchehen? hoͤchſtens werde ich abgeſetzt — das iſt zwar ſchlimm genug fuͤr einen armen Menſchen, aber im ſchlimmſten Falle helf’ ich mir ſchon fort. Jch ſtehe ja nun allein, und es bin- den mich keine Pflichten mehr fuͤr Andere, ſeitdem meine Schweſter Friedrich’s Braut iſt und nun bald ſeine Frau wird. Jch laſſe mich durch Nichts mehr zuruͤck- ſchrecken.“ „Das iſt brav geſprochen!“ rief Johannes, „daͤchten 16

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/249>, abgerufen am 22.11.2024.