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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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Die Abendglocken hatten schon ausgeklungen. Die
täglichen Arbeiten auf dem Feld und im Haus waren zu
Ende. Unser Schulmeister, Friedrich, Jakob, Damme's
Knecht und etwa noch zwanzig Bursche waren zu Jo-
hannes auf die Burg gegangen, dort sich im Turnen zu üben.

Unterdeß saßen in der Schenke einige Gäste zusam-
men, die für uns Alle bekannte Gesichter haben. Der
Bote Martin, der reiche Damme und sein Sohn Christlieb,
der Förster und noch einige andere Bauern. Die steckten
Alle bedenklich die Köpfe zusammen, als hätten sie Wun-
der was Großes unter sich auszumachen. "Jm Dunkeln
ist gut munkeln," sagt ein altes Reimsprichwort -- das
bewährten sie auf ein Haar, denn sie waren in die fin-
sterste Ecke des Platzes vor der Schenke gerückt, wo ein
Vorübergehender sie gar nicht gut sehen konnte, und mun-
kelten nun Allerlei, als hätten sie wer weiß was sich zu
vertrauen. Der Schenkenwirth ging ab und zu -- er
mochte Nichts von dem Gespräch verlieren, aber er hatte
auch nicht Lust, darein zu reden, weil er selbst eben nie
eine eigne Meinung hatte, sondern am liebsten denen von
seinen Gästen zu Willen redete, die am meisten bei ihm
aufgehen ließen. --

Christlieb führte wieder das große Wort, wie ge-
wöhnlich. "Aber sagt mir nur, Nachbar, sollen wir denn
Alle die Teufelswirthschaft oben auf der Burg geduldig

Die Abendglocken hatten ſchon ausgeklungen. Die
taͤglichen Arbeiten auf dem Feld und im Haus waren zu
Ende. Unſer Schulmeiſter, Friedrich, Jakob, Damme’s
Knecht und etwa noch zwanzig Burſche waren zu Jo-
hannes auf die Burg gegangen, dort ſich im Turnen zu uͤben.

Unterdeß ſaßen in der Schenke einige Gaͤſte zuſam-
men, die fuͤr uns Alle bekannte Geſichter haben. Der
Bote Martin, der reiche Damme und ſein Sohn Chriſtlieb,
der Foͤrſter und noch einige andere Bauern. Die ſteckten
Alle bedenklich die Koͤpfe zuſammen, als haͤtten ſie Wun-
der was Großes unter ſich auszumachen. „Jm Dunkeln
iſt gut munkeln,“ ſagt ein altes Reimſprichwort — das
bewaͤhrten ſie auf ein Haar, denn ſie waren in die fin-
ſterſte Ecke des Platzes vor der Schenke geruͤckt, wo ein
Voruͤbergehender ſie gar nicht gut ſehen konnte, und mun-
kelten nun Allerlei, als haͤtten ſie wer weiß was ſich zu
vertrauen. Der Schenkenwirth ging ab und zu — er
mochte Nichts von dem Geſpraͤch verlieren, aber er hatte
auch nicht Luſt, darein zu reden, weil er ſelbſt eben nie
eine eigne Meinung hatte, ſondern am liebſten denen von
ſeinen Gaͤſten zu Willen redete, die am meiſten bei ihm
aufgehen ließen. —

Chriſtlieb fuͤhrte wieder das große Wort, wie ge-
woͤhnlich. „Aber ſagt mir nur, Nachbar, ſollen wir denn
Alle die Teufelswirthſchaft oben auf der Burg geduldig

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[217/0225] Die Abendglocken hatten ſchon ausgeklungen. Die taͤglichen Arbeiten auf dem Feld und im Haus waren zu Ende. Unſer Schulmeiſter, Friedrich, Jakob, Damme’s Knecht und etwa noch zwanzig Burſche waren zu Jo- hannes auf die Burg gegangen, dort ſich im Turnen zu uͤben. Unterdeß ſaßen in der Schenke einige Gaͤſte zuſam- men, die fuͤr uns Alle bekannte Geſichter haben. Der Bote Martin, der reiche Damme und ſein Sohn Chriſtlieb, der Foͤrſter und noch einige andere Bauern. Die ſteckten Alle bedenklich die Koͤpfe zuſammen, als haͤtten ſie Wun- der was Großes unter ſich auszumachen. „Jm Dunkeln iſt gut munkeln,“ ſagt ein altes Reimſprichwort — das bewaͤhrten ſie auf ein Haar, denn ſie waren in die fin- ſterſte Ecke des Platzes vor der Schenke geruͤckt, wo ein Voruͤbergehender ſie gar nicht gut ſehen konnte, und mun- kelten nun Allerlei, als haͤtten ſie wer weiß was ſich zu vertrauen. Der Schenkenwirth ging ab und zu — er mochte Nichts von dem Geſpraͤch verlieren, aber er hatte auch nicht Luſt, darein zu reden, weil er ſelbſt eben nie eine eigne Meinung hatte, ſondern am liebſten denen von ſeinen Gaͤſten zu Willen redete, die am meiſten bei ihm aufgehen ließen. — Chriſtlieb fuͤhrte wieder das große Wort, wie ge- woͤhnlich. „Aber ſagt mir nur, Nachbar, ſollen wir denn Alle die Teufelswirthſchaft oben auf der Burg geduldig

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/225>, abgerufen am 23.11.2024.