tesdienst, indeß der Nachmittag ganz für eine heitere Feier bestimmt war.
Unser Schulmeister fand jetzt, daß es Zeit sei, in die Kirche zu gehen. Er eilte hinein und hinauf auf's Or- gelchor. Es war noch ziemlich leer wie er kam, nur die Sänger zu dem vierstimmigen Gesang, der heute aufge- führt werden sollte, waren schon da. Er sah hinunter in das Schiff der Kirche, das sich mehr und mehr zu füllen begann. Da saß Suschen in ihrem Stand mit gesenk- tem Köpfchen und stiller Trauer in dem lieblichen Gesicht. Sie bot ihren duftenden Blumenstrauß der Mutter Eva, die neben ihr saß und sie zuweilen verstohlen prüfend, ja kopfschüttelnd ansah. Mutter Eva war auch wieder be- denklich geworden über ihren Johannes und Suschen. -- Oben auf dem Chor stieß Friedrich unsern zerstreuten Schulmeister an: es wäre nun wohl Zeit zum Anfangen. Erschrocken und sich besinnend fuhr dieser auf die Orgel zu, winkte den Bälgetretern und begann: "Wie groß ist des Allmächtigen Güte," -- recht von Herzen wollte es ihm diesmal aber nicht gehen, der Arme war ja nahe da- ran, an der Güte des Allmächtigen, in Bezug auf sich selbst, zu verzweifeln. --
Kurz nach Mittag nun eilten Johannes, Friedrich und unser Schulmeister hinaus nach dem Bahnhof. Sie scheuten den weiten Weg nicht, den sie in der brennend-
tesdienſt, indeß der Nachmittag ganz fuͤr eine heitere Feier beſtimmt war.
Unſer Schulmeiſter fand jetzt, daß es Zeit ſei, in die Kirche zu gehen. Er eilte hinein und hinauf auf’s Or- gelchor. Es war noch ziemlich leer wie er kam, nur die Saͤnger zu dem vierſtimmigen Geſang, der heute aufge- fuͤhrt werden ſollte, waren ſchon da. Er ſah hinunter in das Schiff der Kirche, das ſich mehr und mehr zu fuͤllen begann. Da ſaß Suschen in ihrem Stand mit geſenk- tem Koͤpfchen und ſtiller Trauer in dem lieblichen Geſicht. Sie bot ihren duftenden Blumenſtrauß der Mutter Eva, die neben ihr ſaß und ſie zuweilen verſtohlen pruͤfend, ja kopfſchuͤttelnd anſah. Mutter Eva war auch wieder be- denklich geworden uͤber ihren Johannes und Suschen. — Oben auf dem Chor ſtieß Friedrich unſern zerſtreuten Schulmeiſter an: es waͤre nun wohl Zeit zum Anfangen. Erſchrocken und ſich beſinnend fuhr dieſer auf die Orgel zu, winkte den Baͤlgetretern und begann: „Wie groß iſt des Allmaͤchtigen Guͤte,“ — recht von Herzen wollte es ihm diesmal aber nicht gehen, der Arme war ja nahe da- ran, an der Guͤte des Allmaͤchtigen, in Bezug auf ſich ſelbſt, zu verzweifeln. —
Kurz nach Mittag nun eilten Johannes, Friedrich und unſer Schulmeiſter hinaus nach dem Bahnhof. Sie ſcheuten den weiten Weg nicht, den ſie in der brennend-
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tesdienſt, indeß der Nachmittag ganz fuͤr eine heitere
Feier beſtimmt war.
Unſer Schulmeiſter fand jetzt, daß es Zeit ſei, in die
Kirche zu gehen. Er eilte hinein und hinauf auf’s Or-
gelchor. Es war noch ziemlich leer wie er kam, nur die
Saͤnger zu dem vierſtimmigen Geſang, der heute aufge-
fuͤhrt werden ſollte, waren ſchon da. Er ſah hinunter in
das Schiff der Kirche, das ſich mehr und mehr zu fuͤllen
begann. Da ſaß Suschen in ihrem Stand mit geſenk-
tem Koͤpfchen und ſtiller Trauer in dem lieblichen Geſicht.
Sie bot ihren duftenden Blumenſtrauß der Mutter Eva,
die neben ihr ſaß und ſie zuweilen verſtohlen pruͤfend, ja
kopfſchuͤttelnd anſah. Mutter Eva war auch wieder be-
denklich geworden uͤber ihren Johannes und Suschen. —
Oben auf dem Chor ſtieß Friedrich unſern zerſtreuten
Schulmeiſter an: es waͤre nun wohl Zeit zum Anfangen.
Erſchrocken und ſich beſinnend fuhr dieſer auf die Orgel
zu, winkte den Baͤlgetretern und begann: „Wie groß iſt
des Allmaͤchtigen Guͤte,“ — recht von Herzen wollte es
ihm diesmal aber nicht gehen, der Arme war ja nahe da-
ran, an der Guͤte des Allmaͤchtigen, in Bezug auf ſich
ſelbſt, zu verzweifeln. —
Kurz nach Mittag nun eilten Johannes, Friedrich
und unſer Schulmeiſter hinaus nach dem Bahnhof. Sie
ſcheuten den weiten Weg nicht, den ſie in der brennend-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/213>, abgerufen am 27.11.2024.
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