der Zeuge ihrer Ueberraschung und Freude über seine Be- scherung zu sein, nun aber unbemerkt von dannen gehen wollte. Doch Laura hatte ihn erkannt und rief ihn beim Namen. Er that, als höre er nicht und entfernte sich immer weiter. Da sprang sie ihm nach und geschickt im Werfen, warf sie ihm den großen Rosenkranz übers Haupt. Nun mußte er schon stehen bleiben, da sie ihn mit Blu- men gefangen hatte. Jetzt aber war sie's, die davon lief. Doch er holte sie mit raschem Sprunge ein und hielt sie bald fest in seinen Armen, wo sie nicht mehr lange sich sträubte, sondern mit unzähligen zärtlichen Küssen ihm dankte. Dann mußt' er ihr helfen, die eigne Hausthür bekränzen.
Unser Schulmeister hatte dies verliebte Spiel von oben mit angesehen und einen tiefen Seufzer dabei aus- gestoßen. Es duldete ihn auch nicht mehr in der engen Wohnung; er warf sich schnell in die Kleider und lief hinaus. Laura, die noch unten, aber allein an der Thür war, wollt' es ihm verwehren und sagte, er möge doch nicht immer so in der Jrre umherlaufen, zumal heute nicht. Er mochte nicht darauf hören, bis sie endlich mit der Sprache herausrückte: die ganzen Schulmädchen wür- den kommen und ihm ihre Kränze bringen, da solle er nur nicht fortlaufen. Es war ihm gar nicht recht, aber er ergab sich darin und ging nur hinüber auf den Kirch-
der Zeuge ihrer Ueberraſchung und Freude uͤber ſeine Be- ſcherung zu ſein, nun aber unbemerkt von dannen gehen wollte. Doch Laura hatte ihn erkannt und rief ihn beim Namen. Er that, als hoͤre er nicht und entfernte ſich immer weiter. Da ſprang ſie ihm nach und geſchickt im Werfen, warf ſie ihm den großen Roſenkranz uͤbers Haupt. Nun mußte er ſchon ſtehen bleiben, da ſie ihn mit Blu- men gefangen hatte. Jetzt aber war ſie’s, die davon lief. Doch er holte ſie mit raſchem Sprunge ein und hielt ſie bald feſt in ſeinen Armen, wo ſie nicht mehr lange ſich ſtraͤubte, ſondern mit unzaͤhligen zaͤrtlichen Kuͤſſen ihm dankte. Dann mußt’ er ihr helfen, die eigne Hausthuͤr bekraͤnzen.
Unſer Schulmeiſter hatte dies verliebte Spiel von oben mit angeſehen und einen tiefen Seufzer dabei aus- geſtoßen. Es duldete ihn auch nicht mehr in der engen Wohnung; er warf ſich ſchnell in die Kleider und lief hinaus. Laura, die noch unten, aber allein an der Thuͤr war, wollt’ es ihm verwehren und ſagte, er moͤge doch nicht immer ſo in der Jrre umherlaufen, zumal heute nicht. Er mochte nicht darauf hoͤren, bis ſie endlich mit der Sprache herausruͤckte: die ganzen Schulmaͤdchen wuͤr- den kommen und ihm ihre Kraͤnze bringen, da ſolle er nur nicht fortlaufen. Es war ihm gar nicht recht, aber er ergab ſich darin und ging nur hinuͤber auf den Kirch-
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der Zeuge ihrer Ueberraſchung und Freude uͤber ſeine Be-
ſcherung zu ſein, nun aber unbemerkt von dannen gehen
wollte. Doch Laura hatte ihn erkannt und rief ihn beim
Namen. Er that, als hoͤre er nicht und entfernte ſich
immer weiter. Da ſprang ſie ihm nach und geſchickt im
Werfen, warf ſie ihm den großen Roſenkranz uͤbers Haupt.
Nun mußte er ſchon ſtehen bleiben, da ſie ihn mit Blu-
men gefangen hatte. Jetzt aber war ſie’s, die davon
lief. Doch er holte ſie mit raſchem Sprunge ein und
hielt ſie bald feſt in ſeinen Armen, wo ſie nicht mehr
lange ſich ſtraͤubte, ſondern mit unzaͤhligen zaͤrtlichen
Kuͤſſen ihm dankte. Dann mußt’ er ihr helfen, die eigne
Hausthuͤr bekraͤnzen.
Unſer Schulmeiſter hatte dies verliebte Spiel von
oben mit angeſehen und einen tiefen Seufzer dabei aus-
geſtoßen. Es duldete ihn auch nicht mehr in der engen
Wohnung; er warf ſich ſchnell in die Kleider und lief
hinaus. Laura, die noch unten, aber allein an der Thuͤr
war, wollt’ es ihm verwehren und ſagte, er moͤge doch
nicht immer ſo in der Jrre umherlaufen, zumal heute
nicht. Er mochte nicht darauf hoͤren, bis ſie endlich mit
der Sprache herausruͤckte: die ganzen Schulmaͤdchen wuͤr-
den kommen und ihm ihre Kraͤnze bringen, da ſolle er
nur nicht fortlaufen. Es war ihm gar nicht recht, aber
er ergab ſich darin und ging nur hinuͤber auf den Kirch-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/202>, abgerufen am 23.11.2024.
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