Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Anlaß haben wollte, alle Tage hinzulaufen, damit der
Schulmeister sie suche und sie ihn, bis sie ihn in ihr Garn
bekomme?"

"Das hat sie mir selbst erzählt, wie es mit der Spitzen-
krause zugegangen," sagte Eva, "da ist nun weiter keine
Rede darüber. Eine Henne brütet, wo sie eben Lust hat
und ungestört ist. Das muß ich auch wissen."

"Das glaub' ich wohl, daß sie Euch die Geschichte so
erzählt hat, daß Jhr sie ihr glauben könnt, denn im Lü-
gen ist sie ausgefeimt," sagte Julie, "aber da möcht' ich
wohl wissen, wie sie Euch die Geschichte mit dem Christ-
lieb erzählt hat?"

"Von dem Christlieb hat sie kein Wort gesagt; mit
so einem rohen Burschen kann sie gewiß im Leben nicht
gut sein," antwortete Eva, "und übrigens dächt' ich, thä-
tet Jhr selber wohl, von dem nicht gerade viel Redens
zu machen."

Julie ward purpurroth, aber sie konnte schon Etwas
vertragen, ehe sie sich aus der Fassung bringen ließ, und
so fuhr sie auch jetzt nur heftiger fort: "Na da sieht
man's doch, daß sie dafür nicht einmal eine Lüge gewußt
hat, so hat sie lieber geschwiegen -- fragt nur Euern Jo-
hannes, ob der sie nicht mit dem Christlieb getroffen
hat -- aber den hat sie nachher auch wer weiß was
weiß gemacht -- wahrscheinlich Jedem was Anderes.

Anlaß haben wollte, alle Tage hinzulaufen, damit der
Schulmeiſter ſie ſuche und ſie ihn, bis ſie ihn in ihr Garn
bekomme?“

„Das hat ſie mir ſelbſt erzaͤhlt, wie es mit der Spitzen-
krauſe zugegangen,“ ſagte Eva, „da iſt nun weiter keine
Rede daruͤber. Eine Henne bruͤtet, wo ſie eben Luſt hat
und ungeſtoͤrt iſt. Das muß ich auch wiſſen.“

„Das glaub’ ich wohl, daß ſie Euch die Geſchichte ſo
erzaͤhlt hat, daß Jhr ſie ihr glauben koͤnnt, denn im Luͤ-
gen iſt ſie ausgefeimt,“ ſagte Julie, „aber da moͤcht’ ich
wohl wiſſen, wie ſie Euch die Geſchichte mit dem Chriſt-
lieb erzaͤhlt hat?“

„Von dem Chriſtlieb hat ſie kein Wort geſagt; mit
ſo einem rohen Burſchen kann ſie gewiß im Leben nicht
gut ſein,“ antwortete Eva, „und uͤbrigens daͤcht’ ich, thaͤ-
tet Jhr ſelber wohl, von dem nicht gerade viel Redens
zu machen.“

Julie ward purpurroth, aber ſie konnte ſchon Etwas
vertragen, ehe ſie ſich aus der Faſſung bringen ließ, und
ſo fuhr ſie auch jetzt nur heftiger fort: „Na da ſieht
man’s doch, daß ſie dafuͤr nicht einmal eine Luͤge gewußt
hat, ſo hat ſie lieber geſchwiegen — fragt nur Euern Jo-
hannes, ob der ſie nicht mit dem Chriſtlieb getroffen
hat — aber den hat ſie nachher auch wer weiß was
weiß gemacht — wahrſcheinlich Jedem was Anderes.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0183" n="175"/>
Anlaß haben wollte, alle Tage hinzulaufen, damit der<lb/>
Schulmei&#x017F;ter &#x017F;ie &#x017F;uche und &#x017F;ie ihn, bis &#x017F;ie ihn in ihr Garn<lb/>
bekomme?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das hat &#x017F;ie mir &#x017F;elb&#x017F;t erza&#x0364;hlt, wie es mit der Spitzen-<lb/>
krau&#x017F;e zugegangen,&#x201C; &#x017F;agte Eva, &#x201E;da i&#x017F;t nun weiter keine<lb/>
Rede daru&#x0364;ber. Eine Henne bru&#x0364;tet, wo &#x017F;ie eben Lu&#x017F;t hat<lb/>
und unge&#x017F;to&#x0364;rt i&#x017F;t. Das muß ich auch wi&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das glaub&#x2019; ich wohl, daß &#x017F;ie Euch die Ge&#x017F;chichte &#x017F;o<lb/>
erza&#x0364;hlt hat, daß Jhr &#x017F;ie ihr glauben ko&#x0364;nnt, denn im Lu&#x0364;-<lb/>
gen i&#x017F;t &#x017F;ie ausgefeimt,&#x201C; &#x017F;agte Julie, &#x201E;aber da mo&#x0364;cht&#x2019; ich<lb/>
wohl wi&#x017F;&#x017F;en, wie &#x017F;ie Euch die Ge&#x017F;chichte mit dem Chri&#x017F;t-<lb/>
lieb erza&#x0364;hlt hat?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von dem Chri&#x017F;tlieb hat &#x017F;ie kein Wort ge&#x017F;agt; mit<lb/>
&#x017F;o einem rohen Bur&#x017F;chen kann &#x017F;ie gewiß im Leben nicht<lb/>
gut &#x017F;ein,&#x201C; antwortete Eva, &#x201E;und u&#x0364;brigens da&#x0364;cht&#x2019; ich, tha&#x0364;-<lb/>
tet Jhr &#x017F;elber wohl, von dem nicht gerade viel Redens<lb/>
zu machen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Julie ward purpurroth, aber &#x017F;ie konnte &#x017F;chon Etwas<lb/>
vertragen, ehe &#x017F;ie &#x017F;ich aus der Fa&#x017F;&#x017F;ung bringen ließ, und<lb/>
&#x017F;o fuhr &#x017F;ie auch jetzt nur heftiger fort: &#x201E;Na da &#x017F;ieht<lb/>
man&#x2019;s doch, daß &#x017F;ie dafu&#x0364;r nicht einmal eine Lu&#x0364;ge gewußt<lb/>
hat, &#x017F;o hat &#x017F;ie lieber ge&#x017F;chwiegen &#x2014; fragt nur Euern Jo-<lb/>
hannes, ob der &#x017F;ie nicht mit dem Chri&#x017F;tlieb getroffen<lb/>
hat &#x2014; aber den hat &#x017F;ie nachher auch wer weiß was<lb/>
weiß gemacht &#x2014; wahr&#x017F;cheinlich Jedem was Anderes.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0183] Anlaß haben wollte, alle Tage hinzulaufen, damit der Schulmeiſter ſie ſuche und ſie ihn, bis ſie ihn in ihr Garn bekomme?“ „Das hat ſie mir ſelbſt erzaͤhlt, wie es mit der Spitzen- krauſe zugegangen,“ ſagte Eva, „da iſt nun weiter keine Rede daruͤber. Eine Henne bruͤtet, wo ſie eben Luſt hat und ungeſtoͤrt iſt. Das muß ich auch wiſſen.“ „Das glaub’ ich wohl, daß ſie Euch die Geſchichte ſo erzaͤhlt hat, daß Jhr ſie ihr glauben koͤnnt, denn im Luͤ- gen iſt ſie ausgefeimt,“ ſagte Julie, „aber da moͤcht’ ich wohl wiſſen, wie ſie Euch die Geſchichte mit dem Chriſt- lieb erzaͤhlt hat?“ „Von dem Chriſtlieb hat ſie kein Wort geſagt; mit ſo einem rohen Burſchen kann ſie gewiß im Leben nicht gut ſein,“ antwortete Eva, „und uͤbrigens daͤcht’ ich, thaͤ- tet Jhr ſelber wohl, von dem nicht gerade viel Redens zu machen.“ Julie ward purpurroth, aber ſie konnte ſchon Etwas vertragen, ehe ſie ſich aus der Faſſung bringen ließ, und ſo fuhr ſie auch jetzt nur heftiger fort: „Na da ſieht man’s doch, daß ſie dafuͤr nicht einmal eine Luͤge gewußt hat, ſo hat ſie lieber geſchwiegen — fragt nur Euern Jo- hannes, ob der ſie nicht mit dem Chriſtlieb getroffen hat — aber den hat ſie nachher auch wer weiß was weiß gemacht — wahrſcheinlich Jedem was Anderes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/183
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/183>, abgerufen am 25.11.2024.