will er sie denn heirathen? seine Gelehrsamkeit bringt dem Teufel Nichts ein und ein Tagedieb ist er doch, er mag noch so schöne Reden vom Werthe der Arbeit halten. Mit den Schwalben wird er fort gehen und sein Mädel wird das Nachsehen haben -- jetzt thut sie wer weiß wie wichtig, dann aber wird sie andere Seiten aufspannen müssen und Keiner wird sie nehmen wollen -- jetzt seid ihr Alle zu schlecht und dann wird sie Allen zu schlecht sein."
Solche und noch viel häßlichere Reden führte Christ- lieb nun immer fort.
Da war nun Bertholds Julie, mit welcher der Christ- lieb früher auch schön gethan und -- die er jetzt nicht mehr ansah, weil er sie satt hatte -- die lief dem Jo- hannes auch nach, wie's ihr Vater selber in der Schenke erzählte. Wahr war es, wie dieser sagte: geredet habe Jo- hannes noch nicht zehn Worte mit ihr und sie sei doch ganz närrisch auf ihn. Aber es war keine rechte Liebe, sondern nur Eitelkeit. Der Johannes war freilich nicht so reich wie der Christlieb, der ihr damals viel schöne Tücher und Bänder und allerlei Putz geschenkt hatte, aber er war dafür wieder gar hoch geehrt und ein feines Stadtherrlein geworden. Julie wollte in Allem gern hoch hinaus, der schlichte Bauersmann war ihr zu schlecht, sie wollte was Absonderliches haben.
will er ſie denn heirathen? ſeine Gelehrſamkeit bringt dem Teufel Nichts ein und ein Tagedieb iſt er doch, er mag noch ſo ſchoͤne Reden vom Werthe der Arbeit halten. Mit den Schwalben wird er fort gehen und ſein Maͤdel wird das Nachſehen haben — jetzt thut ſie wer weiß wie wichtig, dann aber wird ſie andere Seiten aufſpannen muͤſſen und Keiner wird ſie nehmen wollen — jetzt ſeid ihr Alle zu ſchlecht und dann wird ſie Allen zu ſchlecht ſein.“
Solche und noch viel haͤßlichere Reden fuͤhrte Chriſt- lieb nun immer fort.
Da war nun Bertholds Julie, mit welcher der Chriſt- lieb fruͤher auch ſchoͤn gethan und — die er jetzt nicht mehr anſah, weil er ſie ſatt hatte — die lief dem Jo- hannes auch nach, wie’s ihr Vater ſelber in der Schenke erzaͤhlte. Wahr war es, wie dieſer ſagte: geredet habe Jo- hannes noch nicht zehn Worte mit ihr und ſie ſei doch ganz naͤrriſch auf ihn. Aber es war keine rechte Liebe, ſondern nur Eitelkeit. Der Johannes war freilich nicht ſo reich wie der Chriſtlieb, der ihr damals viel ſchoͤne Tuͤcher und Baͤnder und allerlei Putz geſchenkt hatte, aber er war dafuͤr wieder gar hoch geehrt und ein feines Stadtherrlein geworden. Julie wollte in Allem gern hoch hinaus, der ſchlichte Bauersmann war ihr zu ſchlecht, ſie wollte was Abſonderliches haben.
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will er ſie denn heirathen? ſeine Gelehrſamkeit bringt dem
Teufel Nichts ein und ein Tagedieb iſt er doch, er mag
noch ſo ſchoͤne Reden vom Werthe der Arbeit halten.
Mit den Schwalben wird er fort gehen und ſein Maͤdel
wird das Nachſehen haben — jetzt thut ſie wer weiß wie
wichtig, dann aber wird ſie andere Seiten aufſpannen
muͤſſen und Keiner wird ſie nehmen wollen — jetzt ſeid
ihr Alle zu ſchlecht und dann wird ſie Allen zu ſchlecht
ſein.“
Solche und noch viel haͤßlichere Reden fuͤhrte Chriſt-
lieb nun immer fort.
Da war nun Bertholds Julie, mit welcher der Chriſt-
lieb fruͤher auch ſchoͤn gethan und — die er jetzt nicht
mehr anſah, weil er ſie ſatt hatte — die lief dem Jo-
hannes auch nach, wie’s ihr Vater ſelber in der Schenke
erzaͤhlte. Wahr war es, wie dieſer ſagte: geredet habe Jo-
hannes noch nicht zehn Worte mit ihr und ſie ſei doch
ganz naͤrriſch auf ihn. Aber es war keine rechte Liebe,
ſondern nur Eitelkeit. Der Johannes war freilich nicht
ſo reich wie der Chriſtlieb, der ihr damals viel ſchoͤne
Tuͤcher und Baͤnder und allerlei Putz geſchenkt hatte, aber
er war dafuͤr wieder gar hoch geehrt und ein feines
Stadtherrlein geworden. Julie wollte in Allem gern
hoch hinaus, der ſchlichte Bauersmann war ihr zu ſchlecht,
ſie wollte was Abſonderliches haben.
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/179>, abgerufen am 25.11.2024.
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