Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

theilte beim ersten Wiedersehen dieser ihr Herzensglück
mit Friedrich mit. Suschen hörte ihr theilnehmend zu,
aber sie konnte es nicht ändern, daß sie mitten in ihren
Glückwünschen seufzen mußte. -- Sie hatte sonst immer
Laura Alles erzählt, was sie bewegte, jetzt konnte sie es
nicht mehr. Wenn sie ihr von ihrem Bruder gesprochen
hätte und wie sehr sein verändert Wesen sie kränke, so
wär' es ihr vorgekommen, als solle Laura ihr behilflich
sein, eine Erklärung zwischen ihr und ihrem Bruder her-
beizuführen, und um Alles wollte sie das nicht, sie hätte
sich ja dann vor sich selber schämen müssen. So blieb
sie ganz still und verschlossen. Von dem Vorfall am
Sonntag Abend mit Christlieb und Johannes sagte sie
auch nichts, weil sie dann immer wieder die letzte Frage
Lauras fürchtete: aber warum war Dir das Herz so schwer,
daß Du noch so spät allein auf den Kirchhof gingst? -- daß
sie, um es nicht zu dieser Frage kommen zu lassen, lie-
ber von der ganzen Sache Nichts erzählte.

Christlieb war nun aber nicht wie Suschen und Jo-
hannnes, die beide aus reinem Zartgefühl kein Wort von
jenem Abend sagten -- der brachte es bald nach seiner
Weise im ganzen Dorfe herum: "Die Beiden bestellen sich
alle Abende hinter die Kirchhofmauer, küssen und kosen
zusammen und was daraus werden wird, mögt Jhr sel-
ber denken. Er hat ja weder Haus noch Hof, auf was

theilte beim erſten Wiederſehen dieſer ihr Herzensgluͤck
mit Friedrich mit. Suschen hoͤrte ihr theilnehmend zu,
aber ſie konnte es nicht aͤndern, daß ſie mitten in ihren
Gluͤckwuͤnſchen ſeufzen mußte. — Sie hatte ſonſt immer
Laura Alles erzaͤhlt, was ſie bewegte, jetzt konnte ſie es
nicht mehr. Wenn ſie ihr von ihrem Bruder geſprochen
haͤtte und wie ſehr ſein veraͤndert Weſen ſie kraͤnke, ſo
waͤr’ es ihr vorgekommen, als ſolle Laura ihr behilflich
ſein, eine Erklaͤrung zwiſchen ihr und ihrem Bruder her-
beizufuͤhren, und um Alles wollte ſie das nicht, ſie haͤtte
ſich ja dann vor ſich ſelber ſchaͤmen muͤſſen. So blieb
ſie ganz ſtill und verſchloſſen. Von dem Vorfall am
Sonntag Abend mit Chriſtlieb und Johannes ſagte ſie
auch nichts, weil ſie dann immer wieder die letzte Frage
Lauras fuͤrchtete: aber warum war Dir das Herz ſo ſchwer,
daß Du noch ſo ſpaͤt allein auf den Kirchhof gingſt? — daß
ſie, um es nicht zu dieſer Frage kommen zu laſſen, lie-
ber von der ganzen Sache Nichts erzaͤhlte.

Chriſtlieb war nun aber nicht wie Suschen und Jo-
hannnes, die beide aus reinem Zartgefuͤhl kein Wort von
jenem Abend ſagten — der brachte es bald nach ſeiner
Weiſe im ganzen Dorfe herum: „Die Beiden beſtellen ſich
alle Abende hinter die Kirchhofmauer, kuͤſſen und koſen
zuſammen und was daraus werden wird, moͤgt Jhr ſel-
ber denken. Er hat ja weder Haus noch Hof, auf was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="170"/>
theilte beim er&#x017F;ten Wieder&#x017F;ehen die&#x017F;er ihr Herzensglu&#x0364;ck<lb/>
mit Friedrich mit. Suschen ho&#x0364;rte ihr theilnehmend zu,<lb/>
aber &#x017F;ie konnte es nicht a&#x0364;ndern, daß &#x017F;ie mitten in ihren<lb/>
Glu&#x0364;ckwu&#x0364;n&#x017F;chen &#x017F;eufzen mußte. &#x2014; Sie hatte &#x017F;on&#x017F;t immer<lb/>
Laura Alles erza&#x0364;hlt, was &#x017F;ie bewegte, jetzt konnte &#x017F;ie es<lb/>
nicht mehr. Wenn &#x017F;ie ihr von ihrem Bruder ge&#x017F;prochen<lb/>
ha&#x0364;tte und wie &#x017F;ehr &#x017F;ein vera&#x0364;ndert We&#x017F;en &#x017F;ie kra&#x0364;nke, &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;r&#x2019; es ihr vorgekommen, als &#x017F;olle Laura ihr behilflich<lb/>
&#x017F;ein, eine Erkla&#x0364;rung zwi&#x017F;chen ihr und ihrem Bruder her-<lb/>
beizufu&#x0364;hren, und um Alles wollte &#x017F;ie das nicht, &#x017F;ie ha&#x0364;tte<lb/>
&#x017F;ich ja dann vor &#x017F;ich &#x017F;elber &#x017F;cha&#x0364;men mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. So blieb<lb/>
&#x017F;ie ganz &#x017F;till und ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Von dem Vorfall am<lb/>
Sonntag Abend mit Chri&#x017F;tlieb und Johannes &#x017F;agte &#x017F;ie<lb/>
auch nichts, weil &#x017F;ie dann immer wieder die letzte Frage<lb/>
Lauras fu&#x0364;rchtete: aber warum war Dir das Herz &#x017F;o &#x017F;chwer,<lb/>
daß Du noch &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;t allein auf den Kirchhof ging&#x017F;t? &#x2014; daß<lb/>
&#x017F;ie, um es nicht zu die&#x017F;er Frage kommen zu la&#x017F;&#x017F;en, lie-<lb/>
ber von der ganzen Sache Nichts erza&#x0364;hlte.</p><lb/>
        <p>Chri&#x017F;tlieb war nun aber nicht wie Suschen und Jo-<lb/>
hannnes, die beide aus reinem Zartgefu&#x0364;hl kein Wort von<lb/>
jenem Abend &#x017F;agten &#x2014; der brachte es bald nach &#x017F;einer<lb/>
Wei&#x017F;e im ganzen Dorfe herum: &#x201E;Die Beiden be&#x017F;tellen &#x017F;ich<lb/>
alle Abende hinter die Kirchhofmauer, ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en und ko&#x017F;en<lb/>
zu&#x017F;ammen und was daraus werden wird, mo&#x0364;gt Jhr &#x017F;el-<lb/>
ber denken. Er hat ja weder Haus noch Hof, auf was<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0178] theilte beim erſten Wiederſehen dieſer ihr Herzensgluͤck mit Friedrich mit. Suschen hoͤrte ihr theilnehmend zu, aber ſie konnte es nicht aͤndern, daß ſie mitten in ihren Gluͤckwuͤnſchen ſeufzen mußte. — Sie hatte ſonſt immer Laura Alles erzaͤhlt, was ſie bewegte, jetzt konnte ſie es nicht mehr. Wenn ſie ihr von ihrem Bruder geſprochen haͤtte und wie ſehr ſein veraͤndert Weſen ſie kraͤnke, ſo waͤr’ es ihr vorgekommen, als ſolle Laura ihr behilflich ſein, eine Erklaͤrung zwiſchen ihr und ihrem Bruder her- beizufuͤhren, und um Alles wollte ſie das nicht, ſie haͤtte ſich ja dann vor ſich ſelber ſchaͤmen muͤſſen. So blieb ſie ganz ſtill und verſchloſſen. Von dem Vorfall am Sonntag Abend mit Chriſtlieb und Johannes ſagte ſie auch nichts, weil ſie dann immer wieder die letzte Frage Lauras fuͤrchtete: aber warum war Dir das Herz ſo ſchwer, daß Du noch ſo ſpaͤt allein auf den Kirchhof gingſt? — daß ſie, um es nicht zu dieſer Frage kommen zu laſſen, lie- ber von der ganzen Sache Nichts erzaͤhlte. Chriſtlieb war nun aber nicht wie Suschen und Jo- hannnes, die beide aus reinem Zartgefuͤhl kein Wort von jenem Abend ſagten — der brachte es bald nach ſeiner Weiſe im ganzen Dorfe herum: „Die Beiden beſtellen ſich alle Abende hinter die Kirchhofmauer, kuͤſſen und koſen zuſammen und was daraus werden wird, moͤgt Jhr ſel- ber denken. Er hat ja weder Haus noch Hof, auf was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/178
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/178>, abgerufen am 25.11.2024.