frau brauchte und Manche, besonders manches arme Mäd- chen wünschte es zu werden. Wär' er arm gewesen, hätte ihn vielleicht Keine angesehen und er wäre mit seinen Zudringlichkeiten überall abgewiesen worden -- so aber! ach die Welt ist einmal so schlecht! wer reich ist, dem ist immer Alles zu Willen, dem geht Alles für voll aus, was der Arme niemals wagen dürfte! -- So hatte denn Christlieb auch keine Achtung mehr vor den Frauen und Mädchen, weil Viele sich ihm gefügt und Viele ihn we- nigstens nicht streng zurückgewiesen hatten, indeß Einige ihm sogar nachgelaufen waren. Wie er es nun mit Vie- len gemacht, dacht' er, könne er es mit Suschen auch machen. Da kam er aber schön an! Sie wich ihm über- all aus, denn schon seine rohen Redensarten und seine oft unzüchtigen Scherze waren ihr so zuwider, daß sie sich ordentlich vor ihm fürchtete. Zu ihrem Unglück hatte er sie nun an dem Sonntag Abende erspähen müssen -- wie er sie nun mit seinen gewaltigen Armen umfaßte, da war es wohl kein Wunder, daß sie vor Schrecken laut aufschrie und nach Johannes rief, den sie vorher auf dem Wege gesehen und erkannt hatte. Der Johannes, wußte sie, würde sie schützen. Wie einen Bruder hatte sie ihn lieb und vertraute ihm. Sie war mit ihm auf- gewachsen und wie er nun nach langen Jahren wiederge- kommen, da freute sie sich, daß er gegen die Gespielen sei-
frau brauchte und Manche, beſonders manches arme Maͤd- chen wuͤnſchte es zu werden. Waͤr’ er arm geweſen, haͤtte ihn vielleicht Keine angeſehen und er waͤre mit ſeinen Zudringlichkeiten uͤberall abgewieſen worden — ſo aber! ach die Welt iſt einmal ſo ſchlecht! wer reich iſt, dem iſt immer Alles zu Willen, dem geht Alles fuͤr voll aus, was der Arme niemals wagen duͤrfte! — So hatte denn Chriſtlieb auch keine Achtung mehr vor den Frauen und Maͤdchen, weil Viele ſich ihm gefuͤgt und Viele ihn we- nigſtens nicht ſtreng zuruͤckgewieſen hatten, indeß Einige ihm ſogar nachgelaufen waren. Wie er es nun mit Vie- len gemacht, dacht’ er, koͤnne er es mit Suschen auch machen. Da kam er aber ſchoͤn an! Sie wich ihm uͤber- all aus, denn ſchon ſeine rohen Redensarten und ſeine oft unzuͤchtigen Scherze waren ihr ſo zuwider, daß ſie ſich ordentlich vor ihm fuͤrchtete. Zu ihrem Ungluͤck hatte er ſie nun an dem Sonntag Abende erſpaͤhen muͤſſen — wie er ſie nun mit ſeinen gewaltigen Armen umfaßte, da war es wohl kein Wunder, daß ſie vor Schrecken laut aufſchrie und nach Johannes rief, den ſie vorher auf dem Wege geſehen und erkannt hatte. Der Johannes, wußte ſie, wuͤrde ſie ſchuͤtzen. Wie einen Bruder hatte ſie ihn lieb und vertraute ihm. Sie war mit ihm auf- gewachſen und wie er nun nach langen Jahren wiederge- kommen, da freute ſie ſich, daß er gegen die Geſpielen ſei-
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frau brauchte und Manche, beſonders manches arme Maͤd-
chen wuͤnſchte es zu werden. Waͤr’ er arm geweſen, haͤtte
ihn vielleicht Keine angeſehen und er waͤre mit ſeinen
Zudringlichkeiten uͤberall abgewieſen worden — ſo aber!
ach die Welt iſt einmal ſo ſchlecht! wer reich iſt, dem iſt
immer Alles zu Willen, dem geht Alles fuͤr voll aus,
was der Arme niemals wagen duͤrfte! — So hatte denn
Chriſtlieb auch keine Achtung mehr vor den Frauen und
Maͤdchen, weil Viele ſich ihm gefuͤgt und Viele ihn we-
nigſtens nicht ſtreng zuruͤckgewieſen hatten, indeß Einige
ihm ſogar nachgelaufen waren. Wie er es nun mit Vie-
len gemacht, dacht’ er, koͤnne er es mit Suschen auch
machen. Da kam er aber ſchoͤn an! Sie wich ihm uͤber-
all aus, denn ſchon ſeine rohen Redensarten und ſeine oft
unzuͤchtigen Scherze waren ihr ſo zuwider, daß ſie ſich
ordentlich vor ihm fuͤrchtete. Zu ihrem Ungluͤck hatte er
ſie nun an dem Sonntag Abende erſpaͤhen muͤſſen —
wie er ſie nun mit ſeinen gewaltigen Armen umfaßte,
da war es wohl kein Wunder, daß ſie vor Schrecken laut
aufſchrie und nach Johannes rief, den ſie vorher auf
dem Wege geſehen und erkannt hatte. Der Johannes,
wußte ſie, wuͤrde ſie ſchuͤtzen. Wie einen Bruder hatte
ſie ihn lieb und vertraute ihm. Sie war mit ihm auf-
gewachſen und wie er nun nach langen Jahren wiederge-
kommen, da freute ſie ſich, daß er gegen die Geſpielen ſei-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/167>, abgerufen am 26.11.2024.
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