Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Sonntags war er sonst immer ein Weilchen gekommen,
diesmal auch nicht -- ihr Vater hatte sich selbst darüber
gewundert und da er Suschen geradezu fragte, ob sie
etwas mit ihm gehabt habe? so machte er dadurch deren
Kummer nur ärger. Nun wußte sie, sie war es nicht
allein, der sein verändertes Benehmen auffiel. -- Andere
wurden das auch gewahr, nun so mußte es wohl so
sein! Sie hielt es zuletzt vor innerer Unruhe nicht mehr
im Hause aus und schlich sich noch spät, als es schon zu
dämmern begann noch leise fort auf den Kirchhof. Es
war wie sie zu Johannes gesagt hatte: das Herz war
ihr so voll, daß sie es auf dem Grabe ihrer Mutter aus-
schütten wollte.

Da hatte nun nachher gerade der Christlieb kommen
müssen! Sie kannte ihn als einen schlechten, ausschweifen-
den Menschen, der kein Mädchen friedlich an sich vorbei
ließ, ohne sie zu necken und mit Zudringlichkeiten zu
quälen. Es gab wohl auch manche Dirne im Dorfe,
die sich so Etwas gefallen ließ, leichtfertige Dirnen giebt
es ja überall und dann war der Christlieb auch kein
übler Bursche, stämmig und hatte ein frisches Gesicht,
auf dem freilich die Sinnlichkeit gleich geschrieben stand
und das ein hämischer Zug beim geringsten Anlaß recht
häßlich machen konnte. Aber daß er der reichste Bursche
im Dorfe war, wußte auch Jede, der doch auch eine Haus-

Sonntags war er ſonſt immer ein Weilchen gekommen,
diesmal auch nicht — ihr Vater hatte ſich ſelbſt daruͤber
gewundert und da er Suschen geradezu fragte, ob ſie
etwas mit ihm gehabt habe? ſo machte er dadurch deren
Kummer nur aͤrger. Nun wußte ſie, ſie war es nicht
allein, der ſein veraͤndertes Benehmen auffiel. — Andere
wurden das auch gewahr, nun ſo mußte es wohl ſo
ſein! Sie hielt es zuletzt vor innerer Unruhe nicht mehr
im Hauſe aus und ſchlich ſich noch ſpaͤt, als es ſchon zu
daͤmmern begann noch leiſe fort auf den Kirchhof. Es
war wie ſie zu Johannes geſagt hatte: das Herz war
ihr ſo voll, daß ſie es auf dem Grabe ihrer Mutter aus-
ſchuͤtten wollte.

Da hatte nun nachher gerade der Chriſtlieb kommen
muͤſſen! Sie kannte ihn als einen ſchlechten, ausſchweifen-
den Menſchen, der kein Maͤdchen friedlich an ſich vorbei
ließ, ohne ſie zu necken und mit Zudringlichkeiten zu
quaͤlen. Es gab wohl auch manche Dirne im Dorfe,
die ſich ſo Etwas gefallen ließ, leichtfertige Dirnen giebt
es ja uͤberall und dann war der Chriſtlieb auch kein
uͤbler Burſche, ſtaͤmmig und hatte ein friſches Geſicht,
auf dem freilich die Sinnlichkeit gleich geſchrieben ſtand
und das ein haͤmiſcher Zug beim geringſten Anlaß recht
haͤßlich machen konnte. Aber daß er der reichſte Burſche
im Dorfe war, wußte auch Jede, der doch auch eine Haus-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="158"/>
Sonntags war er &#x017F;on&#x017F;t immer ein Weilchen gekommen,<lb/>
diesmal auch nicht &#x2014; ihr Vater hatte &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t daru&#x0364;ber<lb/>
gewundert und da er Suschen geradezu fragte, ob &#x017F;ie<lb/>
etwas mit ihm gehabt habe? &#x017F;o machte er dadurch deren<lb/>
Kummer nur a&#x0364;rger. Nun wußte &#x017F;ie, &#x017F;ie war es nicht<lb/>
allein, der &#x017F;ein vera&#x0364;ndertes Benehmen auffiel. &#x2014; Andere<lb/>
wurden das auch gewahr, nun &#x017F;o mußte es wohl &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ein! Sie hielt es zuletzt vor innerer Unruhe nicht mehr<lb/>
im Hau&#x017F;e aus und &#x017F;chlich &#x017F;ich noch &#x017F;pa&#x0364;t, als es &#x017F;chon zu<lb/>
da&#x0364;mmern begann noch lei&#x017F;e fort auf den Kirchhof. Es<lb/>
war wie &#x017F;ie zu Johannes ge&#x017F;agt hatte: das Herz war<lb/>
ihr &#x017F;o voll, daß &#x017F;ie es auf dem Grabe ihrer Mutter aus-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tten wollte.</p><lb/>
        <p>Da hatte nun nachher gerade der Chri&#x017F;tlieb kommen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en! Sie kannte ihn als einen &#x017F;chlechten, aus&#x017F;chweifen-<lb/>
den Men&#x017F;chen, der kein Ma&#x0364;dchen friedlich an &#x017F;ich vorbei<lb/>
ließ, ohne &#x017F;ie zu necken und mit Zudringlichkeiten zu<lb/>
qua&#x0364;len. Es gab wohl auch manche Dirne im Dorfe,<lb/>
die &#x017F;ich &#x017F;o Etwas gefallen ließ, leichtfertige Dirnen giebt<lb/>
es ja u&#x0364;berall und dann war der Chri&#x017F;tlieb auch kein<lb/>
u&#x0364;bler Bur&#x017F;che, &#x017F;ta&#x0364;mmig und hatte ein fri&#x017F;ches Ge&#x017F;icht,<lb/>
auf dem freilich die Sinnlichkeit gleich ge&#x017F;chrieben &#x017F;tand<lb/>
und das ein ha&#x0364;mi&#x017F;cher Zug beim gering&#x017F;ten Anlaß recht<lb/>
ha&#x0364;ßlich machen konnte. Aber daß er der reich&#x017F;te Bur&#x017F;che<lb/>
im Dorfe war, wußte auch Jede, der doch auch eine Haus-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0166] Sonntags war er ſonſt immer ein Weilchen gekommen, diesmal auch nicht — ihr Vater hatte ſich ſelbſt daruͤber gewundert und da er Suschen geradezu fragte, ob ſie etwas mit ihm gehabt habe? ſo machte er dadurch deren Kummer nur aͤrger. Nun wußte ſie, ſie war es nicht allein, der ſein veraͤndertes Benehmen auffiel. — Andere wurden das auch gewahr, nun ſo mußte es wohl ſo ſein! Sie hielt es zuletzt vor innerer Unruhe nicht mehr im Hauſe aus und ſchlich ſich noch ſpaͤt, als es ſchon zu daͤmmern begann noch leiſe fort auf den Kirchhof. Es war wie ſie zu Johannes geſagt hatte: das Herz war ihr ſo voll, daß ſie es auf dem Grabe ihrer Mutter aus- ſchuͤtten wollte. Da hatte nun nachher gerade der Chriſtlieb kommen muͤſſen! Sie kannte ihn als einen ſchlechten, ausſchweifen- den Menſchen, der kein Maͤdchen friedlich an ſich vorbei ließ, ohne ſie zu necken und mit Zudringlichkeiten zu quaͤlen. Es gab wohl auch manche Dirne im Dorfe, die ſich ſo Etwas gefallen ließ, leichtfertige Dirnen giebt es ja uͤberall und dann war der Chriſtlieb auch kein uͤbler Burſche, ſtaͤmmig und hatte ein friſches Geſicht, auf dem freilich die Sinnlichkeit gleich geſchrieben ſtand und das ein haͤmiſcher Zug beim geringſten Anlaß recht haͤßlich machen konnte. Aber daß er der reichſte Burſche im Dorfe war, wußte auch Jede, der doch auch eine Haus-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/166
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/166>, abgerufen am 27.11.2024.