"Christlieb!" sagte Johannes, "wer eine so freche Lüge den Leuten in's Gesicht sagt, mit dem kann ich weiter gar nicht reden!" und wollte an ihm vorüber, wirklich machte nun auch Christlieb Platz und sagte:
"Ach so ist die Geschichte -- der Suschen gefällt das neubackne Stadtherrlein, das als Herr von Habenichts auf der Burg wohnt, besser als der reiche Gutsbesitzer und eh' sie eine ehrbare Hausfrau wird auf dem Lande, läuft sie lieber die halbe Nacht mit dem großartigen Ge- lehrten herum, weil er lange Locken und weiße Hände hat, die nicht so derb zugreifen -- nun Jungfer Suschen, ich wünsche viel Glück zum Schatz, der Sie sitzen läßt -- wenn dann Keiner Sie haben mag -- spaziert nur noch ungehindert im Walde herum, nun ich einmal weiß, daß Jhr ein Pärchen seid, will ich Euch nicht stören -- ich mag auch keinen Kuß, wo sie bei Euch schon so wohlfeil geworden," -- -- solche Reden führte Christlieb noch lange fort, indeß Suschen vor Angst und Schaam zit- ternd den Weg ins Dorf lief und Johannes an der Hand mit sich fortzog. Johannes würdigte den Schmähenden keines Wortes weiter, weil er recht gut wußte, daß dieser dann nur immer gemeinere Schimpfreden ausstoßen würde, wenn er Widerspruch fände und damit Suschen, die an allen Gliedern zitterte, sich nicht noch mehr schämen brauchte, that er, als höre er die Worte Christlieb's gar
„Chriſtlieb!“ ſagte Johannes, „wer eine ſo freche Luͤge den Leuten in’s Geſicht ſagt, mit dem kann ich weiter gar nicht reden!“ und wollte an ihm voruͤber, wirklich machte nun auch Chriſtlieb Platz und ſagte:
„Ach ſo iſt die Geſchichte — der Suschen gefaͤllt das neubackne Stadtherrlein, das als Herr von Habenichts auf der Burg wohnt, beſſer als der reiche Gutsbeſitzer und eh’ ſie eine ehrbare Hausfrau wird auf dem Lande, laͤuft ſie lieber die halbe Nacht mit dem großartigen Ge- lehrten herum, weil er lange Locken und weiße Haͤnde hat, die nicht ſo derb zugreifen — nun Jungfer Suschen, ich wuͤnſche viel Gluͤck zum Schatz, der Sie ſitzen laͤßt — wenn dann Keiner Sie haben mag — ſpaziert nur noch ungehindert im Walde herum, nun ich einmal weiß, daß Jhr ein Paͤrchen ſeid, will ich Euch nicht ſtoͤren — ich mag auch keinen Kuß, wo ſie bei Euch ſchon ſo wohlfeil geworden,“ — — ſolche Reden fuͤhrte Chriſtlieb noch lange fort, indeß Suschen vor Angſt und Schaam zit- ternd den Weg ins Dorf lief und Johannes an der Hand mit ſich fortzog. Johannes wuͤrdigte den Schmaͤhenden keines Wortes weiter, weil er recht gut wußte, daß dieſer dann nur immer gemeinere Schimpfreden ausſtoßen wuͤrde, wenn er Widerſpruch faͤnde und damit Suschen, die an allen Gliedern zitterte, ſich nicht noch mehr ſchaͤmen brauchte, that er, als hoͤre er die Worte Chriſtlieb’s gar
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„Chriſtlieb!“ ſagte Johannes, „wer eine ſo freche
Luͤge den Leuten in’s Geſicht ſagt, mit dem kann ich
weiter gar nicht reden!“ und wollte an ihm voruͤber,
wirklich machte nun auch Chriſtlieb Platz und ſagte:
„Ach ſo iſt die Geſchichte — der Suschen gefaͤllt das
neubackne Stadtherrlein, das als Herr von Habenichts
auf der Burg wohnt, beſſer als der reiche Gutsbeſitzer
und eh’ ſie eine ehrbare Hausfrau wird auf dem Lande,
laͤuft ſie lieber die halbe Nacht mit dem großartigen Ge-
lehrten herum, weil er lange Locken und weiße Haͤnde hat,
die nicht ſo derb zugreifen — nun Jungfer Suschen, ich
wuͤnſche viel Gluͤck zum Schatz, der Sie ſitzen laͤßt —
wenn dann Keiner Sie haben mag — ſpaziert nur noch
ungehindert im Walde herum, nun ich einmal weiß, daß
Jhr ein Paͤrchen ſeid, will ich Euch nicht ſtoͤren — ich
mag auch keinen Kuß, wo ſie bei Euch ſchon ſo wohlfeil
geworden,“ — — ſolche Reden fuͤhrte Chriſtlieb noch
lange fort, indeß Suschen vor Angſt und Schaam zit-
ternd den Weg ins Dorf lief und Johannes an der Hand
mit ſich fortzog. Johannes wuͤrdigte den Schmaͤhenden
keines Wortes weiter, weil er recht gut wußte, daß dieſer
dann nur immer gemeinere Schimpfreden ausſtoßen wuͤrde,
wenn er Widerſpruch faͤnde und damit Suschen, die an
allen Gliedern zitterte, ſich nicht noch mehr ſchaͤmen
brauchte, that er, als hoͤre er die Worte Chriſtlieb’s gar
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/161>, abgerufen am 27.11.2024.
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