wäre. Aber noch gab Niemand viel auf seine Worte. Man ließ ihn reden. --
Johannes ging allein wieder zurück. Da der Abend noch so wunderschön war, macht' er noch einen Umweg, um nicht den gewöhnlichen Gang auf die Burg zu ge- hen. Wie er da vorüber kommt, wo der Kirchhof endet, sieht er zu dessen oberer Thür, einem Pförtchen, das we- nig benutzt wird, weil es auf das Feld und den Wald hin- ausführte, hinter'm Dorfe hin ein Mädchen heraustreten. Er erkannte Suschen. Sie blieb stehen, wie sie einen Mann kommen sieht, wahrscheinlich, weil sie allein im Dunkeln Keinem begegnen mag. Er grüßt sie von Wei- tem, damit sie sehe, wer es ist und sich nicht fürchte, geht aber seines Weges weiter, ohne zu warten, bis sie densel- ben Pfad betreten, auf dem er geht. So ist er vorüber, ehe sie von dem Seitenweg auf den breiten Weg kommt, auf den er gegangen. Er geht fort, ohne sich weiter um- zusehen -- auf einmal hört er sie fürchterlich schreien und unterscheidet deutlich wie sie ruft: "Zu Hilfe, Jo- hannes, zu Hilfe!"
Er kehrt schnell um, denn er sieht, wie ein Mann Suschen umfaßt hat, sie küssen und nun eilig mit sich fortzerren will. Johannes ist mit einem Satze da und reißt das Paar mit Riesenkraft, wie man sie seiner schlan- ken Gestalt gar nicht zutrauen sollte, auseinander. --
waͤre. Aber noch gab Niemand viel auf ſeine Worte. Man ließ ihn reden. —
Johannes ging allein wieder zuruͤck. Da der Abend noch ſo wunderſchoͤn war, macht’ er noch einen Umweg, um nicht den gewoͤhnlichen Gang auf die Burg zu ge- hen. Wie er da voruͤber kommt, wo der Kirchhof endet, ſieht er zu deſſen oberer Thuͤr, einem Pfoͤrtchen, das we- nig benutzt wird, weil es auf das Feld und den Wald hin- ausfuͤhrte, hinter’m Dorfe hin ein Maͤdchen heraustreten. Er erkannte Suschen. Sie blieb ſtehen, wie ſie einen Mann kommen ſieht, wahrſcheinlich, weil ſie allein im Dunkeln Keinem begegnen mag. Er gruͤßt ſie von Wei- tem, damit ſie ſehe, wer es iſt und ſich nicht fuͤrchte, geht aber ſeines Weges weiter, ohne zu warten, bis ſie denſel- ben Pfad betreten, auf dem er geht. So iſt er voruͤber, ehe ſie von dem Seitenweg auf den breiten Weg kommt, auf den er gegangen. Er geht fort, ohne ſich weiter um- zuſehen — auf einmal hoͤrt er ſie fuͤrchterlich ſchreien und unterſcheidet deutlich wie ſie ruft: „Zu Hilfe, Jo- hannes, zu Hilfe!“
Er kehrt ſchnell um, denn er ſieht, wie ein Mann Suschen umfaßt hat, ſie kuͤſſen und nun eilig mit ſich fortzerren will. Johannes iſt mit einem Satze da und reißt das Paar mit Rieſenkraft, wie man ſie ſeiner ſchlan- ken Geſtalt gar nicht zutrauen ſollte, auseinander. —
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waͤre. Aber noch gab Niemand viel auf ſeine Worte.
Man ließ ihn reden. —
Johannes ging allein wieder zuruͤck. Da der Abend
noch ſo wunderſchoͤn war, macht’ er noch einen Umweg,
um nicht den gewoͤhnlichen Gang auf die Burg zu ge-
hen. Wie er da voruͤber kommt, wo der Kirchhof endet,
ſieht er zu deſſen oberer Thuͤr, einem Pfoͤrtchen, das we-
nig benutzt wird, weil es auf das Feld und den Wald hin-
ausfuͤhrte, hinter’m Dorfe hin ein Maͤdchen heraustreten.
Er erkannte Suschen. Sie blieb ſtehen, wie ſie einen
Mann kommen ſieht, wahrſcheinlich, weil ſie allein im
Dunkeln Keinem begegnen mag. Er gruͤßt ſie von Wei-
tem, damit ſie ſehe, wer es iſt und ſich nicht fuͤrchte, geht
aber ſeines Weges weiter, ohne zu warten, bis ſie denſel-
ben Pfad betreten, auf dem er geht. So iſt er voruͤber,
ehe ſie von dem Seitenweg auf den breiten Weg kommt,
auf den er gegangen. Er geht fort, ohne ſich weiter um-
zuſehen — auf einmal hoͤrt er ſie fuͤrchterlich ſchreien
und unterſcheidet deutlich wie ſie ruft: „Zu Hilfe, Jo-
hannes, zu Hilfe!“
Er kehrt ſchnell um, denn er ſieht, wie ein Mann
Suschen umfaßt hat, ſie kuͤſſen und nun eilig mit ſich
fortzerren will. Johannes iſt mit einem Satze da und
reißt das Paar mit Rieſenkraft, wie man ſie ſeiner ſchlan-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/159>, abgerufen am 27.11.2024.
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