Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Leute, die so sehr am Alten hingen, daß sie Alles nur
gerade so haben wollten, wie es "zu ihrer Zeit" gewesen,
und deshalb tadelten, was ihnen anders und neu er-
schien. Da kommen sie aber gerade heute damit schön
an -- doch davon nachher --! Diese Leute nun waren
mit Langer ewig unzufrieden und suchten ihm allerlei in
den Weg zu legen. Desto zufriedener aber waren alle
jungen Männer des Dorfes mit ihm, da er mit allen
vertraulich umging, sich gar nicht wichtig machte wie
sein Vorgänger, sondern Allen, die ihm freundlich ge-
sinnt waren, wie lieben Kindern die Hand drückte und
mit Vielen Brüderschaft machte. Wie er bei den Mäd-
chen stand, davon schwiege ich lieber. Es gab gar Man-
che darunter, die sich jetzt auf einmal ärgerten, daß sie
schon aus der Schule gekommen, ehe sie einen so hüb-
schen Lehrer gehabt hatten und Viele, die verstohlen in
seine innigen blauen Augen sahen und fröhlich erröthend
ihre Blicke niederschlugen, wenn er sie herzlich grüßte.
Die aber war am glücklichsten, mit der er einmal getanzt
hatte. Darüber auch war die ganze Gemeinde einig
(jene Grießgrame abgerechnet, die sich auch darüber ärger-
ten und es gar eine Heidenwirthschaft nannten, daß in
der Kirche die geistlichen Lieder ein Wenig schneller ge-
sungen wurden als sonst, wo man eine Zeile end-
los ausdehnte --) darüber war die ganze Gemeinde

Leute, die ſo ſehr am Alten hingen, daß ſie Alles nur
gerade ſo haben wollten, wie es „zu ihrer Zeit“ geweſen,
und deshalb tadelten, was ihnen anders und neu er-
ſchien. Da kommen ſie aber gerade heute damit ſchoͤn
an — doch davon nachher —! Dieſe Leute nun waren
mit Langer ewig unzufrieden und ſuchten ihm allerlei in
den Weg zu legen. Deſto zufriedener aber waren alle
jungen Maͤnner des Dorfes mit ihm, da er mit allen
vertraulich umging, ſich gar nicht wichtig machte wie
ſein Vorgaͤnger, ſondern Allen, die ihm freundlich ge-
ſinnt waren, wie lieben Kindern die Hand druͤckte und
mit Vielen Bruͤderſchaft machte. Wie er bei den Maͤd-
chen ſtand, davon ſchwiege ich lieber. Es gab gar Man-
che darunter, die ſich jetzt auf einmal aͤrgerten, daß ſie
ſchon aus der Schule gekommen, ehe ſie einen ſo huͤb-
ſchen Lehrer gehabt hatten und Viele, die verſtohlen in
ſeine innigen blauen Augen ſahen und froͤhlich erroͤthend
ihre Blicke niederſchlugen, wenn er ſie herzlich gruͤßte.
Die aber war am gluͤcklichſten, mit der er einmal getanzt
hatte. Daruͤber auch war die ganze Gemeinde einig
(jene Grießgrame abgerechnet, die ſich auch daruͤber aͤrger-
ten und es gar eine Heidenwirthſchaft nannten, daß in
der Kirche die geiſtlichen Lieder ein Wenig ſchneller ge-
ſungen wurden als ſonſt, wo man eine Zeile end-
los ausdehnte —) daruͤber war die ganze Gemeinde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="5"/>
Leute, die &#x017F;o &#x017F;ehr am Alten hingen, daß &#x017F;ie Alles nur<lb/>
gerade &#x017F;o haben wollten, wie es &#x201E;zu ihrer Zeit&#x201C; gewe&#x017F;en,<lb/>
und deshalb tadelten, was ihnen anders und neu er-<lb/>
&#x017F;chien. Da kommen &#x017F;ie aber gerade heute damit &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
an &#x2014; doch davon nachher &#x2014;! Die&#x017F;e Leute nun waren<lb/>
mit Langer ewig unzufrieden und &#x017F;uchten ihm allerlei in<lb/>
den Weg zu legen. De&#x017F;to zufriedener aber waren alle<lb/>
jungen Ma&#x0364;nner des Dorfes mit ihm, da er mit allen<lb/>
vertraulich umging, &#x017F;ich gar nicht wichtig machte wie<lb/>
&#x017F;ein Vorga&#x0364;nger, &#x017F;ondern Allen, die ihm freundlich ge-<lb/>
&#x017F;innt waren, wie lieben Kindern die Hand dru&#x0364;ckte und<lb/>
mit Vielen Bru&#x0364;der&#x017F;chaft machte. Wie er bei den Ma&#x0364;d-<lb/>
chen &#x017F;tand, davon &#x017F;chwiege ich lieber. Es gab gar Man-<lb/>
che darunter, die &#x017F;ich jetzt auf einmal a&#x0364;rgerten, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon aus der Schule gekommen, ehe &#x017F;ie einen &#x017F;o hu&#x0364;b-<lb/>
&#x017F;chen Lehrer gehabt hatten und Viele, die ver&#x017F;tohlen in<lb/>
&#x017F;eine innigen blauen Augen &#x017F;ahen und fro&#x0364;hlich erro&#x0364;thend<lb/>
ihre Blicke nieder&#x017F;chlugen, wenn er &#x017F;ie herzlich gru&#x0364;ßte.<lb/>
Die aber war am glu&#x0364;cklich&#x017F;ten, mit der er einmal getanzt<lb/>
hatte. Daru&#x0364;ber auch war die ganze Gemeinde einig<lb/>
(jene Grießgrame abgerechnet, die &#x017F;ich auch daru&#x0364;ber a&#x0364;rger-<lb/>
ten und es gar eine Heidenwirth&#x017F;chaft nannten, daß in<lb/>
der Kirche die gei&#x017F;tlichen Lieder ein Wenig &#x017F;chneller ge-<lb/>
&#x017F;ungen wurden als &#x017F;on&#x017F;t, wo man eine Zeile end-<lb/>
los ausdehnte &#x2014;) daru&#x0364;ber war die ganze Gemeinde<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0013] Leute, die ſo ſehr am Alten hingen, daß ſie Alles nur gerade ſo haben wollten, wie es „zu ihrer Zeit“ geweſen, und deshalb tadelten, was ihnen anders und neu er- ſchien. Da kommen ſie aber gerade heute damit ſchoͤn an — doch davon nachher —! Dieſe Leute nun waren mit Langer ewig unzufrieden und ſuchten ihm allerlei in den Weg zu legen. Deſto zufriedener aber waren alle jungen Maͤnner des Dorfes mit ihm, da er mit allen vertraulich umging, ſich gar nicht wichtig machte wie ſein Vorgaͤnger, ſondern Allen, die ihm freundlich ge- ſinnt waren, wie lieben Kindern die Hand druͤckte und mit Vielen Bruͤderſchaft machte. Wie er bei den Maͤd- chen ſtand, davon ſchwiege ich lieber. Es gab gar Man- che darunter, die ſich jetzt auf einmal aͤrgerten, daß ſie ſchon aus der Schule gekommen, ehe ſie einen ſo huͤb- ſchen Lehrer gehabt hatten und Viele, die verſtohlen in ſeine innigen blauen Augen ſahen und froͤhlich erroͤthend ihre Blicke niederſchlugen, wenn er ſie herzlich gruͤßte. Die aber war am gluͤcklichſten, mit der er einmal getanzt hatte. Daruͤber auch war die ganze Gemeinde einig (jene Grießgrame abgerechnet, die ſich auch daruͤber aͤrger- ten und es gar eine Heidenwirthſchaft nannten, daß in der Kirche die geiſtlichen Lieder ein Wenig ſchneller ge- ſungen wurden als ſonſt, wo man eine Zeile end- los ausdehnte —) daruͤber war die ganze Gemeinde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/13
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/13>, abgerufen am 24.11.2024.