Noch eine Weile verging, dann kamen die Mädchen heraus. Suschen sah kummervoll aus, weil sich das Huhn durchaus nicht finden wollte; der Martin habe doch am Ende recht und es sei gestohlen; sie hätte nun schon überall gesucht, wo sie denken konnte es zu finden, und immer sei Alles vergebens gewesen; da es nun vollends beginne finster zu werden, wolle sie lieber nach Hause gehen, und alles Suchen aufgeben; fast das ganze Dorf wüßte es ja nun, und wer die Henne finde, werde sie ihr schon bringen. Laura's Gesicht verklärte sich mit fröhlichem Lächeln, als sie Friedrich gewahr ward und sie sagten einander den herzlichsten guten Abend. Wie nun die Vier das Stücklein Weg's zusammen nach Hause gingen, dachte Johannes es recht gut zu machen, wenn er Friedrich mit seinem Liebchen ein Wenig allein gehen lasse, er plauderte daher Sus- chen allerlei vor und ging mit ihr voraus, damit sie das Paar ungestört ließe. Aber das hatte er recht bös' gemacht, denn wie sie bei der Schule vorbei kamen, guckte unser Schulmeister zum Fen- ster heraus und ward ganz außer sich, als er Jo- hannes so traulich neben Suschen gehen sah -- er mochte gar nicht weiter hinsehen, sondern schlug das kleine Fenster zu und setzte sich in den finster- sten Winkel seiner Stube. Ein paar Thränen tra-
Noch eine Weile verging, dann kamen die Maͤdchen heraus. Suschen ſah kummervoll aus, weil ſich das Huhn durchaus nicht finden wollte; der Martin habe doch am Ende recht und es ſei geſtohlen; ſie haͤtte nun ſchon uͤberall geſucht, wo ſie denken konnte es zu finden, und immer ſei Alles vergebens geweſen; da es nun vollends beginne finſter zu werden, wolle ſie lieber nach Hauſe gehen, und alles Suchen aufgeben; faſt das ganze Dorf wuͤßte es ja nun, und wer die Henne finde, werde ſie ihr ſchon bringen. Laura’s Geſicht verklaͤrte ſich mit froͤhlichem Laͤcheln, als ſie Friedrich gewahr ward und ſie ſagten einander den herzlichſten guten Abend. Wie nun die Vier das Stuͤcklein Weg’s zuſammen nach Hauſe gingen, dachte Johannes es recht gut zu machen, wenn er Friedrich mit ſeinem Liebchen ein Wenig allein gehen laſſe, er plauderte daher Sus- chen allerlei vor und ging mit ihr voraus, damit ſie das Paar ungeſtoͤrt ließe. Aber das hatte er recht boͤs’ gemacht, denn wie ſie bei der Schule vorbei kamen, guckte unſer Schulmeiſter zum Fen- ſter heraus und ward ganz außer ſich, als er Jo- hannes ſo traulich neben Suschen gehen ſah — er mochte gar nicht weiter hinſehen, ſondern ſchlug das kleine Fenſter zu und ſetzte ſich in den finſter- ſten Winkel ſeiner Stube. Ein paar Thraͤnen tra-
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Noch eine Weile verging, dann kamen die Maͤdchen
heraus. Suschen ſah kummervoll aus, weil ſich das
Huhn durchaus nicht finden wollte; der Martin habe
doch am Ende recht und es ſei geſtohlen; ſie haͤtte nun
ſchon uͤberall geſucht, wo ſie denken konnte es zu finden,
und immer ſei Alles vergebens geweſen; da es nun
vollends beginne finſter zu werden, wolle ſie lieber nach
Hauſe gehen, und alles Suchen aufgeben; faſt das ganze
Dorf wuͤßte es ja nun, und wer die Henne finde, werde
ſie ihr ſchon bringen. Laura’s Geſicht verklaͤrte ſich mit
froͤhlichem Laͤcheln, als ſie Friedrich gewahr ward
und ſie ſagten einander den herzlichſten guten Abend.
Wie nun die Vier das Stuͤcklein Weg’s zuſammen
nach Hauſe gingen, dachte Johannes es recht gut
zu machen, wenn er Friedrich mit ſeinem Liebchen
ein Wenig allein gehen laſſe, er plauderte daher Sus-
chen allerlei vor und ging mit ihr voraus, damit
ſie das Paar ungeſtoͤrt ließe. Aber das hatte er
recht boͤs’ gemacht, denn wie ſie bei der Schule
vorbei kamen, guckte unſer Schulmeiſter zum Fen-
ſter heraus und ward ganz außer ſich, als er Jo-
hannes ſo traulich neben Suschen gehen ſah —
er mochte gar nicht weiter hinſehen, ſondern ſchlug
das kleine Fenſter zu und ſetzte ſich in den finſter-
ſten Winkel ſeiner Stube. Ein paar Thraͤnen tra-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/128>, abgerufen am 30.11.2024.
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