"Nein -- dazu habe ich keinen Muth," -- sagte unser Schullehrer kleinlaut.
"O, Sie werden ihn schon bekommen, ich nehme Alles auf mich, nur dürfen Sie mich nicht im Stich lassen!" und Johannes fuhr fort: "Jch sagte vorhin, daß die Leute, wenn sie so ermattet von der Arbeit kommen, nur noch genießen können; der Gesang, besonders der gemeinschaftliche, ist ein solcher Genuß und wirkt auch durchaus veredelnd. Wir wollen schon ein ganz stattliches Sängerchor hier zusammen bringen!"
"Jch habe mir mit der Kirchenmusik Mühe ge- geben," sagte unser Schulmeister, "und weil es unmög- lich war, ein größeres Musikstück ordentlich zur Auf- führung zu bringen, und besonders die Jnstrumental- musik ein wahrer Jammer war, so habe ich an deren Stelle vierstimmigen Männergesang gesetzt, der sich ganz gut ausnimmt. Viel Widerspruch hab' ich freilich An- fangs auch damit gefunden, jetzt aber läßt man sich's gefallen; die vier Sänger, die ich zusammenbrachte, stim- men gut zusammen. Friedrich, Jhr Schulkamerad, singt den ersten Tenor ganz vortrefflich und sie haben auch alle Lust dazu. Einen Sonntag um den andern führe ich solche Gesänge auf, wozu ich selbst die Orgel spiele; soll es recht festlich sein, nehmen wir das Chor und Po-
„Nein — dazu habe ich keinen Muth,“ — ſagte unſer Schullehrer kleinlaut.
„O, Sie werden ihn ſchon bekommen, ich nehme Alles auf mich, nur duͤrfen Sie mich nicht im Stich laſſen!“ und Johannes fuhr fort: „Jch ſagte vorhin, daß die Leute, wenn ſie ſo ermattet von der Arbeit kommen, nur noch genießen koͤnnen; der Geſang, beſonders der gemeinſchaftliche, iſt ein ſolcher Genuß und wirkt auch durchaus veredelnd. Wir wollen ſchon ein ganz ſtattliches Saͤngerchor hier zuſammen bringen!“
„Jch habe mir mit der Kirchenmuſik Muͤhe ge- geben,“ ſagte unſer Schulmeiſter, „und weil es unmoͤg- lich war, ein groͤßeres Muſikſtuͤck ordentlich zur Auf- fuͤhrung zu bringen, und beſonders die Jnſtrumental- muſik ein wahrer Jammer war, ſo habe ich an deren Stelle vierſtimmigen Maͤnnergeſang geſetzt, der ſich ganz gut ausnimmt. Viel Widerſpruch hab’ ich freilich An- fangs auch damit gefunden, jetzt aber laͤßt man ſich’s gefallen; die vier Saͤnger, die ich zuſammenbrachte, ſtim- men gut zuſammen. Friedrich, Jhr Schulkamerad, ſingt den erſten Tenor ganz vortrefflich und ſie haben auch alle Luſt dazu. Einen Sonntag um den andern fuͤhre ich ſolche Geſaͤnge auf, wozu ich ſelbſt die Orgel ſpiele; ſoll es recht feſtlich ſein, nehmen wir das Chor und Po-
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„Nein — dazu habe ich keinen Muth,“ — ſagte
unſer Schullehrer kleinlaut.
„O, Sie werden ihn ſchon bekommen, ich nehme
Alles auf mich, nur duͤrfen Sie mich nicht im Stich
laſſen!“ und Johannes fuhr fort: „Jch ſagte vorhin,
daß die Leute, wenn ſie ſo ermattet von der Arbeit
kommen, nur noch genießen koͤnnen; der Geſang,
beſonders der gemeinſchaftliche, iſt ein ſolcher Genuß
und wirkt auch durchaus veredelnd. Wir wollen
ſchon ein ganz ſtattliches Saͤngerchor hier zuſammen
bringen!“
„Jch habe mir mit der Kirchenmuſik Muͤhe ge-
geben,“ ſagte unſer Schulmeiſter, „und weil es unmoͤg-
lich war, ein groͤßeres Muſikſtuͤck ordentlich zur Auf-
fuͤhrung zu bringen, und beſonders die Jnſtrumental-
muſik ein wahrer Jammer war, ſo habe ich an deren
Stelle vierſtimmigen Maͤnnergeſang geſetzt, der ſich ganz
gut ausnimmt. Viel Widerſpruch hab’ ich freilich An-
fangs auch damit gefunden, jetzt aber laͤßt man ſich’s
gefallen; die vier Saͤnger, die ich zuſammenbrachte, ſtim-
men gut zuſammen. Friedrich, Jhr Schulkamerad, ſingt
den erſten Tenor ganz vortrefflich und ſie haben auch
alle Luſt dazu. Einen Sonntag um den andern fuͤhre
ich ſolche Geſaͤnge auf, wozu ich ſelbſt die Orgel ſpiele;
ſoll es recht feſtlich ſein, nehmen wir das Chor und Po-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/113>, abgerufen am 04.12.2024.
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