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Olearius, Adam: Offt begehrte Beschreibung Der Newen Orientalischen Rejse. Schleswig, 1647.

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Dritter Theil der Persianischen
Ein Würten-
berger.

Wir traffen allhier einen alten Mann an Namens Matthias
Machmar von Ottingen im Würtenbürger Lande bürtig/ war seines
Handwerckes ein Parchenweber gewesen/ im Vngerischen Kriege vom
Türcken gefangen vnd an diese Tartern verkaufft vnd beschnitten wor-
den. Er hatte seine Deutsche Sprache fast gantz vergessen/ kunte sich
kaum so viel Wort erinnern/ durch welche Er seine meinung zuverste-
hen gab. Sagte daß Er wol wuste vnd gläubete/ daß ein Gott vnd 3.
Personen weren/ vnd daß Christus für jhm gelitten hätte/ kunte auch
das Vater vnser/ wie wol nicht gar fertig/ beten.

Als in vnser Ankunfft ällhier Surkow Chan sich zu so grosser
Freundschafft vnd Hülffe erbotte/ vermeinten wir/ daß numehr alle
Gefahr zurücke geleget/ vnd wir vnter dieses Myrsae Schutz sicher vnd
frey gehen wurden; Es war aber niemals mit vns gefährlicher gestan-
den/ als sichs allhier anließ. Vnd wurde die gantze Zeit der 5. Wochen/
die wir noch vnter den Dagesthanern Tartern zubrachten/ fast täglich
nichts als von Rauben/ Plündern/ Morden vnd Halßbrechen/ darmit
wir bedräwet wurden/ geredet vnd gehöret.

Wir hielten zwar bey vnsern Persischen Mehemandar an mit
verheischung guter recompens, daß Er oder doch nur die Camele fer-
ner vnd bis auff Terki zur Russischen Gräntze mit vns gehen möchten/
weil es allhier Fuhre zubekommen/ sich langweilich ansehen ließ. Der
Mehemandar aber gab für/ daß Er bey Verlust seines Lebens wider
die jhm gegebene Ordre, welche nur bis hieher gienge/ nicht handeln
dürffte; Den Fuhrleuten beliebte zwar auch nicht viel länger vnter den
Tartern zu bleiben/ doch wolten sie sich mit dem Mehemandar bereden.
Meheman-
dar ohne Ab-
schied darvon.
Der Mehemandar aber gieng mit den Fuhrleuten selbige Nacht stille-
schweigens ohne genommenen Abschied darvon/ welches vns nicht we-
nig Nachdencken machete. Es kam diß darzu/ daß gegen den Mittag
Grosse Gefahr2. junge Tartarische Weiber/ welche Milch zuverk auffen brachten/ sag-
ten/ daß sie von Russischen Eltern geboren vnd Christen weren; Es
hätten sie aber die Tartern von jhren Eltern entführet vnd zu Weiber
genommen. Jammerte jhnen daß über vns als auch Christen von
Warnung et-
licher Weiber.
den Tartern ein so böses beschlossen were. Sie wolten vns in geheim
gewarscheuet haben/ daß wir vns wol in acht nehmen solten. Dann
wir weren im Geschrey/ als daß wir sehr grosse Güter/ ja etliche Ton-
nen Schatz bey vns hätten; Weren durch Osmin vnd Boinak ohne
Zoll gegangen/ hätten kein gut Wort darzu gegeben. Welches sie vns
nicht frey wolten Passiren lassen. Es weren gestern von Osmin vnd
Boinak Posten an Sorchow Chan gekommen/ auch eine an Schem-
chal
Durchgangen/ selbige Herrn wieder vns auffzuwigeln/ vnd we-
ren willens mit gesampter Macht vns zu überfallen/ die Alten nieder zu
machen/ vnd die Jungen gefangen zu nehmen/ in hoffnung sie sehr
grosse Beute darvon bringen wurden. Man stellete sich zwar gegen die
Weiber/ weil man jhnen nicht allerdinges trauete/ als achtete mans

nicht
Dritter Theil der Perſianiſchen
Ein Wuͤrten-
berger.

Wir traffen allhier einen alten Mann an Namens Matthias
Machmar von Ottingen im Wuͤrtenbuͤrger Lande buͤrtig/ war ſeines
Handwerckes ein Parchenweber geweſen/ im Vngeriſchen Kriege vom
Tuͤrcken gefangen vnd an dieſe Taꝛtern verkaufft vnd beſchnitten wor-
den. Er hatte ſeine Deutſche Sprache faſt gantz vergeſſen/ kunte ſich
kaum ſo viel Wort erinnern/ durch welche Er ſeine meinung zuverſte-
hen gab. Sagte daß Er wol wuſte vnd glaͤubete/ daß ein Gott vnd 3.
Perſonen weren/ vnd daß Chriſtus fuͤr jhm gelitten haͤtte/ kunte auch
das Vater vnſer/ wie wol nicht gar fertig/ beten.

Als in vnſer Ankunfft aͤllhier Surkow Chan ſich zu ſo groſſer
Freundſchafft vnd Huͤlffe erbotte/ vermeinten wir/ daß numehr alle
Gefahr zuruͤcke geleget/ vnd wir vnter dieſes Myrſæ Schutz ſicher vnd
frey gehen wurden; Es war aber niemals mit vns gefaͤhrlicher geſtan-
den/ als ſichs allhier anließ. Vnd wurde die gantze Zeit der 5. Wochen/
die wir noch vnter den Dageſthanern Tartern zubrachten/ faſt taͤglich
nichts als von Rauben/ Pluͤndern/ Morden vnd Halßbrechen/ darmit
wir bedraͤwet wurden/ geredet vnd gehoͤret.

Wir hielten zwar bey vnſern Perſiſchen Mehemandar an mit
verheiſchung guter recompens, daß Er oder doch nur die Camele fer-
ner vnd bis auff Terki zur Ruſſiſchen Graͤntze mit vns gehen moͤchten/
weil es allhier Fuhre zubekommen/ ſich langweilich anſehen ließ. Der
Mehemandar aber gab fuͤr/ daß Er bey Verluſt ſeines Lebens wider
die jhm gegebene Ordre, welche nur bis hieher gienge/ nicht handeln
duͤrffte; Den Fuhrleuten beliebte zwar auch nicht viel laͤnger vnter den
Taꝛteꝛn zu bleiben/ doch wolten ſie ſich mit dem Mehemandar bereden.
Meheman-
dar ohne Ab-
ſchied daꝛvon.
Der Mehemandar aber gieng mit den Fuhrleuten ſelbige Nacht ſtille-
ſchweigens ohne genommenen Abſchied darvon/ welches vns nicht we-
nig Nachdencken machete. Es kam diß darzu/ daß gegen den Mittag
Gꝛoſſe Gefahꝛ2. junge Taꝛtariſche Weiber/ welche Milch zuverk auffen brachten/ ſag-
ten/ daß ſie von Ruſſiſchen Eltern geboren vnd Chriſten weren; Es
haͤtten ſie aber die Tartern von jhren Eltern entfuͤhret vnd zu Weiber
genommen. Jammerte jhnen daß uͤber vns als auch Chriſten von
Warnung et-
licheꝛ Weiber.
den Tartern ein ſo boͤſes beſchloſſen were. Sie wolten vns in geheim
gewarſcheuet haben/ daß wir vns wol in acht nehmen ſolten. Dann
wir weren im Geſchrey/ als daß wir ſehr groſſe Guͤter/ ja etliche Ton-
nen Schatz bey vns haͤtten; Weren durch Osmin vnd Boinak ohne
Zoll gegangen/ haͤtten kein gut Wort darzu gegeben. Welches ſie vns
nicht frey wolten Paſſiren laſſen. Es weren geſtern von Osmin vnd
Boinak Poſten an Sorchow Chan gekommen/ auch eine an Schem-
chal
Durchgangen/ ſelbige Herꝛn wieder vns auffzuwigeln/ vnd we-
ren willens mit geſampter Macht vns zu uͤberfallen/ die Alten nieder zu
machen/ vnd die Jungen gefangen zu nehmen/ in hoffnung ſie ſehr
groſſe Beute darvon bringen wurden. Man ſtellete ſich zwar gegen die
Weiber/ weil man jhnen nicht allerdinges trauete/ als achtete mans

nicht
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[508[498]/0546] Dritter Theil der Perſianiſchen Wir traffen allhier einen alten Mann an Namens Matthias Machmar von Ottingen im Wuͤrtenbuͤrger Lande buͤrtig/ war ſeines Handwerckes ein Parchenweber geweſen/ im Vngeriſchen Kriege vom Tuͤrcken gefangen vnd an dieſe Taꝛtern verkaufft vnd beſchnitten wor- den. Er hatte ſeine Deutſche Sprache faſt gantz vergeſſen/ kunte ſich kaum ſo viel Wort erinnern/ durch welche Er ſeine meinung zuverſte- hen gab. Sagte daß Er wol wuſte vnd glaͤubete/ daß ein Gott vnd 3. Perſonen weren/ vnd daß Chriſtus fuͤr jhm gelitten haͤtte/ kunte auch das Vater vnſer/ wie wol nicht gar fertig/ beten. Als in vnſer Ankunfft aͤllhier Surkow Chan ſich zu ſo groſſer Freundſchafft vnd Huͤlffe erbotte/ vermeinten wir/ daß numehr alle Gefahr zuruͤcke geleget/ vnd wir vnter dieſes Myrſæ Schutz ſicher vnd frey gehen wurden; Es war aber niemals mit vns gefaͤhrlicher geſtan- den/ als ſichs allhier anließ. Vnd wurde die gantze Zeit der 5. Wochen/ die wir noch vnter den Dageſthanern Tartern zubrachten/ faſt taͤglich nichts als von Rauben/ Pluͤndern/ Morden vnd Halßbrechen/ darmit wir bedraͤwet wurden/ geredet vnd gehoͤret. Wir hielten zwar bey vnſern Perſiſchen Mehemandar an mit verheiſchung guter recompens, daß Er oder doch nur die Camele fer- ner vnd bis auff Terki zur Ruſſiſchen Graͤntze mit vns gehen moͤchten/ weil es allhier Fuhre zubekommen/ ſich langweilich anſehen ließ. Der Mehemandar aber gab fuͤr/ daß Er bey Verluſt ſeines Lebens wider die jhm gegebene Ordre, welche nur bis hieher gienge/ nicht handeln duͤrffte; Den Fuhrleuten beliebte zwar auch nicht viel laͤnger vnter den Taꝛteꝛn zu bleiben/ doch wolten ſie ſich mit dem Mehemandar bereden. Der Mehemandar aber gieng mit den Fuhrleuten ſelbige Nacht ſtille- ſchweigens ohne genommenen Abſchied darvon/ welches vns nicht we- nig Nachdencken machete. Es kam diß darzu/ daß gegen den Mittag 2. junge Taꝛtariſche Weiber/ welche Milch zuverk auffen brachten/ ſag- ten/ daß ſie von Ruſſiſchen Eltern geboren vnd Chriſten weren; Es haͤtten ſie aber die Tartern von jhren Eltern entfuͤhret vnd zu Weiber genommen. Jammerte jhnen daß uͤber vns als auch Chriſten von den Tartern ein ſo boͤſes beſchloſſen were. Sie wolten vns in geheim gewarſcheuet haben/ daß wir vns wol in acht nehmen ſolten. Dann wir weren im Geſchrey/ als daß wir ſehr groſſe Guͤter/ ja etliche Ton- nen Schatz bey vns haͤtten; Weren durch Osmin vnd Boinak ohne Zoll gegangen/ haͤtten kein gut Wort darzu gegeben. Welches ſie vns nicht frey wolten Paſſiren laſſen. Es weren geſtern von Osmin vnd Boinak Poſten an Sorchow Chan gekommen/ auch eine an Schem- chal Durchgangen/ ſelbige Herꝛn wieder vns auffzuwigeln/ vnd we- ren willens mit geſampter Macht vns zu uͤberfallen/ die Alten nieder zu machen/ vnd die Jungen gefangen zu nehmen/ in hoffnung ſie ſehr groſſe Beute darvon bringen wurden. Man ſtellete ſich zwar gegen die Weiber/ weil man jhnen nicht allerdinges trauete/ als achtete mans nicht Meheman- dar ohne Ab- ſchied daꝛvon. Gꝛoſſe Gefahꝛ Warnung et- licheꝛ Weiber.

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Zitationshilfe: Olearius, Adam: Offt begehrte Beschreibung Der Newen Orientalischen Rejse. Schleswig, 1647. , S. 508[498]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/olearius_reise_1647/546>, abgerufen am 22.11.2024.