Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909.

Bild:
<< vorherige Seite

aktiv an dem, was zur Verwaltung eines großen Organi-
sationskörpers gehört, sich zu beteiligen.

Sehen wir aber ins akademische Leben hinein, so finden
wir zu unserm Erstaunen, daß die Studentin fast überall
fehlt, wo Studenten für moderne Jdeen arbeiten. Am
ehesten noch treten die Studentinnen den akademischen Absti-
nenzvereinen bei. Sonst hören wir nur zu oft die Klagen
der fortschrittlich gerichteten Kommilitonen über die Gleich-
gültigkeit der Studentinnen, deren Mitarbeit sie durch-
aus schätzen würden. Wir vernehmen die Anschuldigungen
angesehener Führerinnen der Frauenbewegung, daß die
studierenden Frauen mit Jnteresselosigkeit danken, was die
Frauenbewegung für sie getan hat.

Die meisten Studentinnen gehen entweder in den Stu-
dentinnenverein, oder organisieren sich überhaupt nicht.
Wie sie einige Jahre früher ins Gymnasium tagein, tag-
aus wanderten, so gehen sie in demselben Tempo, meist mit
großer Treue und Gewissenhaftigkeit in die Hochschule.
Zuhause lesen sie mit ebensolchem Fleiße die Hefte oder
die Bücher der Professoren durch. Andere haben einen
netten Freundeskreis, mit dem sie in vergnügten Aus-
flügen, Bummeleien die studentischen Jugendjahre genies-
sen. Jm Uebrigen bekümmern sich die meisten Studen-
tinnen um die Vorgänge an der Universität nicht.

Und nun die große Frage: woher kommt die Gleichgül-
tigkeit der Studentinnen, woher der innere Stillstand
der akademischen Frauenbewegung? Woher die rein schul-
mäßige Auffassung des akademischen Lebens?


III.

Gar mancherlei Antworten werden auf diese Fragen
gegeben. Es wird Mangel an Zeit vorgeschützt, auf die
schwerfälligere Arbeitsweise der Studentin hingewiesen;

aktiv an dem, was zur Verwaltung eines großen Organi-
sationskörpers gehört, sich zu beteiligen.

Sehen wir aber ins akademische Leben hinein, so finden
wir zu unserm Erstaunen, daß die Studentin fast überall
fehlt, wo Studenten für moderne Jdeen arbeiten. Am
ehesten noch treten die Studentinnen den akademischen Absti-
nenzvereinen bei. Sonst hören wir nur zu oft die Klagen
der fortschrittlich gerichteten Kommilitonen über die Gleich-
gültigkeit der Studentinnen, deren Mitarbeit sie durch-
aus schätzen würden. Wir vernehmen die Anschuldigungen
angesehener Führerinnen der Frauenbewegung, daß die
studierenden Frauen mit Jnteresselosigkeit danken, was die
Frauenbewegung für sie getan hat.

Die meisten Studentinnen gehen entweder in den Stu-
dentinnenverein, oder organisieren sich überhaupt nicht.
Wie sie einige Jahre früher ins Gymnasium tagein, tag-
aus wanderten, so gehen sie in demselben Tempo, meist mit
großer Treue und Gewissenhaftigkeit in die Hochschule.
Zuhause lesen sie mit ebensolchem Fleiße die Hefte oder
die Bücher der Professoren durch. Andere haben einen
netten Freundeskreis, mit dem sie in vergnügten Aus-
flügen, Bummeleien die studentischen Jugendjahre genies-
sen. Jm Uebrigen bekümmern sich die meisten Studen-
tinnen um die Vorgänge an der Universität nicht.

Und nun die große Frage: woher kommt die Gleichgül-
tigkeit der Studentinnen, woher der innere Stillstand
der akademischen Frauenbewegung? Woher die rein schul-
mäßige Auffassung des akademischen Lebens?


III.

Gar mancherlei Antworten werden auf diese Fragen
gegeben. Es wird Mangel an Zeit vorgeschützt, auf die
schwerfälligere Arbeitsweise der Studentin hingewiesen;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009" n="10"/>
aktiv an dem, was zur Verwaltung eines großen                     Organi-<lb/>
sationskörpers gehört, sich zu beteiligen.</p><lb/>
        <p>Sehen wir aber ins akademische Leben hinein, so finden<lb/>
wir zu unserm                     Erstaunen, daß die Studentin fast überall<lb/>
fehlt, wo Studenten für moderne                     Jdeen arbeiten. Am<lb/>
ehesten noch treten die Studentinnen den akademischen                     Absti-<lb/>
nenzvereinen bei. Sonst hören wir nur zu oft die Klagen<lb/>
der                     fortschrittlich gerichteten Kommilitonen über die Gleich-<lb/>
gültigkeit der                     Studentinnen, deren Mitarbeit sie durch-<lb/>
aus schätzen würden. Wir vernehmen                     die Anschuldigungen<lb/>
angesehener Führerinnen der Frauenbewegung, daß                     die<lb/>
studierenden Frauen mit Jnteresselosigkeit danken, was die<lb/>
Frauenbewegung für sie getan hat.</p><lb/>
        <p>Die meisten Studentinnen gehen entweder in den Stu-<lb/>
dentinnenverein, oder                     organisieren sich überhaupt nicht.<lb/>
Wie sie einige Jahre früher ins                     Gymnasium tagein, tag-<lb/>
aus wanderten, so gehen sie in demselben Tempo,                     meist mit<lb/>
großer Treue und Gewissenhaftigkeit in die Hochschule.<lb/>
Zuhause lesen sie mit ebensolchem Fleiße die Hefte oder<lb/>
die Bücher der                     Professoren durch. Andere haben einen<lb/>
netten Freundeskreis, mit dem sie in                     vergnügten Aus-<lb/>
flügen, Bummeleien die studentischen Jugendjahre                     genies-<lb/>
sen. Jm Uebrigen bekümmern sich die meisten Studen-<lb/>
tinnen um                     die Vorgänge an der Universität nicht.</p><lb/>
        <p>Und nun die große Frage: woher kommt die Gleichgül-<lb/>
tigkeit der                     Studentinnen, woher der innere Stillstand<lb/>
der akademischen Frauenbewegung?                     Woher die rein schul-<lb/>
mäßige Auffassung des akademischen Lebens?</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq">III</hi>.</head><lb/>
        <p>Gar mancherlei Antworten werden auf diese Fragen<lb/>
gegeben. Es wird Mangel an                     Zeit vorgeschützt, auf die<lb/>
schwerfälligere Arbeitsweise der Studentin hingewiesen;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0009] aktiv an dem, was zur Verwaltung eines großen Organi- sationskörpers gehört, sich zu beteiligen. Sehen wir aber ins akademische Leben hinein, so finden wir zu unserm Erstaunen, daß die Studentin fast überall fehlt, wo Studenten für moderne Jdeen arbeiten. Am ehesten noch treten die Studentinnen den akademischen Absti- nenzvereinen bei. Sonst hören wir nur zu oft die Klagen der fortschrittlich gerichteten Kommilitonen über die Gleich- gültigkeit der Studentinnen, deren Mitarbeit sie durch- aus schätzen würden. Wir vernehmen die Anschuldigungen angesehener Führerinnen der Frauenbewegung, daß die studierenden Frauen mit Jnteresselosigkeit danken, was die Frauenbewegung für sie getan hat. Die meisten Studentinnen gehen entweder in den Stu- dentinnenverein, oder organisieren sich überhaupt nicht. Wie sie einige Jahre früher ins Gymnasium tagein, tag- aus wanderten, so gehen sie in demselben Tempo, meist mit großer Treue und Gewissenhaftigkeit in die Hochschule. Zuhause lesen sie mit ebensolchem Fleiße die Hefte oder die Bücher der Professoren durch. Andere haben einen netten Freundeskreis, mit dem sie in vergnügten Aus- flügen, Bummeleien die studentischen Jugendjahre genies- sen. Jm Uebrigen bekümmern sich die meisten Studen- tinnen um die Vorgänge an der Universität nicht. Und nun die große Frage: woher kommt die Gleichgül- tigkeit der Studentinnen, woher der innere Stillstand der akademischen Frauenbewegung? Woher die rein schul- mäßige Auffassung des akademischen Lebens? III. Gar mancherlei Antworten werden auf diese Fragen gegeben. Es wird Mangel an Zeit vorgeschützt, auf die schwerfälligere Arbeitsweise der Studentin hingewiesen;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen : Bereitstellung der Texttranskription. (2022-08-08T09:56:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-08-08T09:56:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/9
Zitationshilfe: Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/9>, abgerufen am 22.12.2024.