Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909.milie reicht, unbestätigt zu Hause, oder sie muß für Die Entwicklung der Technik, der Jndustrie, des Han- Es ist ganz eigentümlich, daß die deutsche Familie Auch die Frauenbewegung, die so manche schöne Erfolge Die deutsche Familie ist meistens konservativ. Da herrscht milie reicht, unbestätigt zu Hause, oder sie muß für Die Entwicklung der Technik, der Jndustrie, des Han- Es ist ganz eigentümlich, daß die deutsche Familie Auch die Frauenbewegung, die so manche schöne Erfolge Die deutsche Familie ist meistens konservativ. Da herrscht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="13"/> milie reicht, unbestätigt zu Hause, oder sie muß für<lb/> ihren Lebensunterhalt einen Beruf – auswärts oder in<lb/> der Heimarbeit – suchen. Der Beruf ist aber unerbittlich<lb/> und fordert die ganze Kraft des Menschen. So wird das<lb/> Leben der Frau in zwei Teile getrennt, in den Beruf und<lb/> in die Mutterschaft. Beide können nicht nebeneinander be-<lb/> stehen, das eine muß zum Schaden des andern weichen.<lb/> Damit sind wir bei dem großen Problem der Frauenbewe-<lb/> gung angelangt. Es heißt: Wie muß die Frauenarbeit ein-<lb/> gerichtet werden, daß dem Beruf wie der Mutterschaft<lb/> Genüge geleistet werden kann. Dieses Problem ist leider<lb/> noch nicht gelöst. Aber es ist das bedeutungsvollste und<lb/> tiefste Problem der Frauenbewegung, ohne das sie nicht<lb/> zum glücklichen Abschluß geführt werden kann. –</p><lb/> <p>Die Entwicklung der Technik, der Jndustrie, des Han-<lb/> dels, der Wissenschaften, die geistigen wie materiellen Ver-<lb/> änderungen, die im Laufe von kaum hundert Jahren<lb/> tief in das Leben der Völker eingegriffen hat, mußte<lb/> merkwürdigerweise vor einer Jnstitution des Volkes Halt<lb/> machen: vor der Familie.</p><lb/> <p>Es ist ganz eigentümlich, daß die deutsche Familie<lb/> mit einem Beharrungs- und Trägheitsvermögen, das<lb/> seinesgleichen sucht, einfach das moderne Leben in der<lb/> Weise, wie es geschieht, negieren kann.</p><lb/> <p>Auch die Frauenbewegung, die so manche schöne Erfolge<lb/> zeitigte, hat bis jetzt auf die Umwandlung des Familien-<lb/> lebens noch verzweifelt wenig Einfluß gehabt.</p><lb/> <p>Die deutsche Familie ist meistens konservativ. Da herrscht<lb/> noch das patriarchalische Verhältnis: Das absolute Befehlen<lb/> der Eltern auf der einen Seite und der Gehorsam der Kin-<lb/> der, auch wenn sie vorkommende Unvernunft der elterlichen<lb/> Maßregeln einsehen. Der Unterschieb zwischen Sohn und<lb/> Tochter führt sehr häufig zur Hintansetzung der Töchter<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0012]
milie reicht, unbestätigt zu Hause, oder sie muß für
ihren Lebensunterhalt einen Beruf – auswärts oder in
der Heimarbeit – suchen. Der Beruf ist aber unerbittlich
und fordert die ganze Kraft des Menschen. So wird das
Leben der Frau in zwei Teile getrennt, in den Beruf und
in die Mutterschaft. Beide können nicht nebeneinander be-
stehen, das eine muß zum Schaden des andern weichen.
Damit sind wir bei dem großen Problem der Frauenbewe-
gung angelangt. Es heißt: Wie muß die Frauenarbeit ein-
gerichtet werden, daß dem Beruf wie der Mutterschaft
Genüge geleistet werden kann. Dieses Problem ist leider
noch nicht gelöst. Aber es ist das bedeutungsvollste und
tiefste Problem der Frauenbewegung, ohne das sie nicht
zum glücklichen Abschluß geführt werden kann. –
Die Entwicklung der Technik, der Jndustrie, des Han-
dels, der Wissenschaften, die geistigen wie materiellen Ver-
änderungen, die im Laufe von kaum hundert Jahren
tief in das Leben der Völker eingegriffen hat, mußte
merkwürdigerweise vor einer Jnstitution des Volkes Halt
machen: vor der Familie.
Es ist ganz eigentümlich, daß die deutsche Familie
mit einem Beharrungs- und Trägheitsvermögen, das
seinesgleichen sucht, einfach das moderne Leben in der
Weise, wie es geschieht, negieren kann.
Auch die Frauenbewegung, die so manche schöne Erfolge
zeitigte, hat bis jetzt auf die Umwandlung des Familien-
lebens noch verzweifelt wenig Einfluß gehabt.
Die deutsche Familie ist meistens konservativ. Da herrscht
noch das patriarchalische Verhältnis: Das absolute Befehlen
der Eltern auf der einen Seite und der Gehorsam der Kin-
der, auch wenn sie vorkommende Unvernunft der elterlichen
Maßregeln einsehen. Der Unterschieb zwischen Sohn und
Tochter führt sehr häufig zur Hintansetzung der Töchter
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/12 |
Zitationshilfe: | Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/12>, abgerufen am 02.03.2025. |