Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434

Bild:
<< vorherige Seite

nicht so verschwendet hätte, würde mich über kurz oder lang ins Verderben stürzen, wenn Gott und Religion mich nicht unterstützten. Verwelkt und abgemattet seufze ich nun, ich, der ich sonst, gleich einer Rose blühte! -- Dies, theurer Mann, ist das aufrichtige Bekenntniß meines Verbrechens, das mich nur gar zu oft vor mir selbst und in meinen eigenen Augen abscheulich macht. Aber hassen Sie mich nicht, lieber Mann! Ach, Gott! ich verdiene es ja nicht, denn ich habe es vorher noch nie so gewußt. Zu Göttingen habe ich dies Laster, seiner Fluchwürdigkeit nach, zuerst kennen gelernt. Als ich das Glück hatte, von ohngefähr Tissots Buch, das von diesem Laster handelt, in die Hände zu bekommen, da sahe ich erst ein, auf welchem schrecklichen Wege ich mich befand. Jch mußte schwere Kämpfe ausstehn, bevor ich es dahin brachte, daß ich diese fluchwürdige schändliche Lust gänzlich floh. Jetzt habe ich es, durch Gottes Kraft unterstützt, so weit gebracht, daß ich nie ohne Schaudern und Entsetzen daran denken kann. Edle und rechtschaffene Freunde, mit denen ich nachher wol im Vertrauen darüber sprach, haben mich gleichfalls mit weinenden Augen versichert, daß sie aus Unwissenheit dieses Laster so lange

nicht so verschwendet hätte, würde mich über kurz oder lang ins Verderben stürzen, wenn Gott und Religion mich nicht unterstützten. Verwelkt und abgemattet seufze ich nun, ich, der ich sonst, gleich einer Rose blühte! — Dies, theurer Mann, ist das aufrichtige Bekenntniß meines Verbrechens, das mich nur gar zu oft vor mir selbst und in meinen eigenen Augen abscheulich macht. Aber hassen Sie mich nicht, lieber Mann! Ach, Gott! ich verdiene es ja nicht, denn ich habe es vorher noch nie so gewußt. Zu Göttingen habe ich dies Laster, seiner Fluchwürdigkeit nach, zuerst kennen gelernt. Als ich das Glück hatte, von ohngefähr Tissots Buch, das von diesem Laster handelt, in die Hände zu bekommen, da sahe ich erst ein, auf welchem schrecklichen Wege ich mich befand. Jch mußte schwere Kämpfe ausstehn, bevor ich es dahin brachte, daß ich diese fluchwürdige schändliche Lust gänzlich floh. Jetzt habe ich es, durch Gottes Kraft unterstützt, so weit gebracht, daß ich nie ohne Schaudern und Entsetzen daran denken kann. Edle und rechtschaffene Freunde, mit denen ich nachher wol im Vertrauen darüber sprach, haben mich gleichfalls mit weinenden Augen versichert, daß sie aus Unwissenheit dieses Laster so lange

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0063" n="355"/>
nicht so verschwendet hätte, würde mich über kurz oder lang ins Verderben stürzen, wenn Gott und Religion mich nicht unterstützten. Verwelkt und abgemattet seufze ich nun, ich, der ich sonst, gleich einer Rose blühte! &#x2014; Dies, theurer Mann, ist das aufrichtige Bekenntniß meines Verbrechens, das mich nur gar zu oft vor mir selbst und in meinen eigenen Augen abscheulich macht. Aber hassen Sie mich nicht, lieber Mann! Ach, Gott! ich verdiene es ja nicht, denn ich habe es vorher noch nie so gewußt. Zu Göttingen habe ich dies Laster, seiner Fluchwürdigkeit nach, zuerst kennen gelernt. Als ich das Glück hatte, von ohngefähr Tissots Buch, das von diesem Laster handelt, in die Hände zu bekommen, da sahe ich erst ein, auf welchem schrecklichen Wege ich mich befand. Jch mußte schwere Kämpfe ausstehn, bevor ich es dahin brachte, daß ich diese fluchwürdige schändliche Lust gänzlich floh. Jetzt habe ich es, durch Gottes Kraft unterstützt, so weit gebracht, daß ich nie ohne Schaudern und Entsetzen daran denken kann. Edle und rechtschaffene Freunde, mit denen ich nachher wol im Vertrauen darüber sprach, haben mich gleichfalls mit weinenden Augen versichert, daß sie aus Unwissenheit dieses Laster so lange
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0063] nicht so verschwendet hätte, würde mich über kurz oder lang ins Verderben stürzen, wenn Gott und Religion mich nicht unterstützten. Verwelkt und abgemattet seufze ich nun, ich, der ich sonst, gleich einer Rose blühte! — Dies, theurer Mann, ist das aufrichtige Bekenntniß meines Verbrechens, das mich nur gar zu oft vor mir selbst und in meinen eigenen Augen abscheulich macht. Aber hassen Sie mich nicht, lieber Mann! Ach, Gott! ich verdiene es ja nicht, denn ich habe es vorher noch nie so gewußt. Zu Göttingen habe ich dies Laster, seiner Fluchwürdigkeit nach, zuerst kennen gelernt. Als ich das Glück hatte, von ohngefähr Tissots Buch, das von diesem Laster handelt, in die Hände zu bekommen, da sahe ich erst ein, auf welchem schrecklichen Wege ich mich befand. Jch mußte schwere Kämpfe ausstehn, bevor ich es dahin brachte, daß ich diese fluchwürdige schändliche Lust gänzlich floh. Jetzt habe ich es, durch Gottes Kraft unterstützt, so weit gebracht, daß ich nie ohne Schaudern und Entsetzen daran denken kann. Edle und rechtschaffene Freunde, mit denen ich nachher wol im Vertrauen darüber sprach, haben mich gleichfalls mit weinenden Augen versichert, daß sie aus Unwissenheit dieses Laster so lange

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-18T07:52:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-06-18T07:52:44Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-18T07:52:44Z)

Weitere Informationen:

Als Grundlage dienen die Wikisource-Editionsrichtlinien.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_knaben_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_knaben_1787/63
Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_knaben_1787/63>, abgerufen am 22.11.2024.