Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434Jch sagte euch vorher, er wäre nicht vorsetzlich, aber doch durch eigene Schuld unglücklich geworden. Hört denn nun weiter, wie es damit zugegangen war. Der Prediger mußte, um die Wahrheit zu erfahren, Wilhelm oft nachgehen und ihn heimlich beobachten, welches sonst seine Gewohnheit nicht war; aber Wilhelm, der nun einmal an Leib und Seele krank war, war versteckt und lügenhaft geworden und wollte nicht aufrichtig behandelt seyn. Einsmals, als der gute Mann unvermuthet ins Zimmer trat, wo Wilhelm sich allein befand, traf er ihn in einer Stellung an, von der ihr alle, meine Lieben, und jeder sittsame Mensch die Augen mit Eckel und Abscheu wegwenden würde. Wilhelm hatte sich vor sich selbst auf eine unschaamhafte und schändliche Art entblößt und diejenigen Theile seines Körpers aufgedeckt, die Menschen sorgfältig vor einander verbergen, und um derentwillen man Knaben frühe angewöhnt, bei nothwendigen täglichen Naturerleichterungen bei Seite zu gehen, oder sich gegen eine Wand zu kehren. Jhr würdet, ohne höchst unschaamhaft zu seyn, euch so vor keinem Menschen entblößen; ihr würdet aber auch schon wider die Schaamhaftigkeit Jch sagte euch vorher, er wäre nicht vorsetzlich, aber doch durch eigene Schuld unglücklich geworden. Hört denn nun weiter, wie es damit zugegangen war. Der Prediger mußte, um die Wahrheit zu erfahren, Wilhelm oft nachgehen und ihn heimlich beobachten, welches sonst seine Gewohnheit nicht war; aber Wilhelm, der nun einmal an Leib und Seele krank war, war versteckt und lügenhaft geworden und wollte nicht aufrichtig behandelt seyn. Einsmals, als der gute Mann unvermuthet ins Zimmer trat, wo Wilhelm sich allein befand, traf er ihn in einer Stellung an, von der ihr alle, meine Lieben, und jeder sittsame Mensch die Augen mit Eckel und Abscheu wegwenden würde. Wilhelm hatte sich vor sich selbst auf eine unschaamhafte und schändliche Art entblößt und diejenigen Theile seines Körpers aufgedeckt, die Menschen sorgfältig vor einander verbergen, und um derentwillen man Knaben frühe angewöhnt, bei nothwendigen täglichen Naturerleichterungen bei Seite zu gehen, oder sich gegen eine Wand zu kehren. Jhr würdet, ohne höchst unschaamhaft zu seyn, euch so vor keinem Menschen entblößen; ihr würdet aber auch schon wider die Schaamhaftigkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0013" n="305"/> <p> Jch sagte euch vorher, er wäre nicht vorsetzlich, aber doch durch eigene Schuld unglücklich geworden. Hört denn nun weiter, wie es damit zugegangen war.</p> <p>Der Prediger mußte, um die Wahrheit zu erfahren, Wilhelm oft nachgehen und ihn heimlich beobachten, welches sonst seine Gewohnheit nicht war; aber Wilhelm, der nun einmal an Leib und Seele krank war, war versteckt und lügenhaft geworden und wollte nicht aufrichtig behandelt seyn.</p> <p>Einsmals, als der gute Mann unvermuthet ins Zimmer trat, wo Wilhelm sich allein befand, traf er ihn in einer Stellung an, von der ihr alle, meine Lieben, und jeder sittsame Mensch die Augen mit Eckel und Abscheu wegwenden würde. Wilhelm hatte sich vor sich selbst auf eine unschaamhafte und schändliche Art entblößt und diejenigen Theile seines Körpers aufgedeckt, die Menschen sorgfältig vor einander verbergen, und um derentwillen man Knaben frühe angewöhnt, bei nothwendigen täglichen Naturerleichterungen bei Seite zu gehen, oder sich gegen eine Wand zu kehren. Jhr würdet, ohne höchst unschaamhaft zu seyn, euch so vor keinem Menschen entblößen; ihr würdet aber auch schon wider die Schaamhaftigkeit </p> </div> </body> </text> </TEI> [305/0013]
Jch sagte euch vorher, er wäre nicht vorsetzlich, aber doch durch eigene Schuld unglücklich geworden. Hört denn nun weiter, wie es damit zugegangen war.
Der Prediger mußte, um die Wahrheit zu erfahren, Wilhelm oft nachgehen und ihn heimlich beobachten, welches sonst seine Gewohnheit nicht war; aber Wilhelm, der nun einmal an Leib und Seele krank war, war versteckt und lügenhaft geworden und wollte nicht aufrichtig behandelt seyn.
Einsmals, als der gute Mann unvermuthet ins Zimmer trat, wo Wilhelm sich allein befand, traf er ihn in einer Stellung an, von der ihr alle, meine Lieben, und jeder sittsame Mensch die Augen mit Eckel und Abscheu wegwenden würde. Wilhelm hatte sich vor sich selbst auf eine unschaamhafte und schändliche Art entblößt und diejenigen Theile seines Körpers aufgedeckt, die Menschen sorgfältig vor einander verbergen, und um derentwillen man Knaben frühe angewöhnt, bei nothwendigen täglichen Naturerleichterungen bei Seite zu gehen, oder sich gegen eine Wand zu kehren. Jhr würdet, ohne höchst unschaamhaft zu seyn, euch so vor keinem Menschen entblößen; ihr würdet aber auch schon wider die Schaamhaftigkeit
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Zitationshilfe: | Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_knaben_1787/13>, abgerufen am 16.07.2024. |