Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.6. Jn den nahen Gelegenheiten, die es in der Welt giebt, zur wirklichen Befriedigung des Geschlechtstriebes zu gelangen, liegt die Ursache, warum die Jugend so frühe und so oft in das Laster der Unkeuschheit wirklich verfällt. Bei allen Anlagen zur sinnlichen Wollust und selbst bei dem höchsten Grad der Gewaltsamkeit des Geschlechtstriebes, wird man doch noch kein Wollüstling, wenn man diesen Trieb nicht auf eine unerlaubte Art befriedigt. Jst aber der Trieb einmal rege: so sucht man ihn zu befriedigen. Die rechtmäßige Befriedigungsart kann aber so mancher Ursachen wegen nicht statt finden, sonst würde sie jeder noch ungeschwächte Mensch vorziehen, und dann würde Unkeuschheit ein seltenes Laster werden. Wenige können in den Ehestand treten, wenn sie wollen. Es müsten immer eine Menge von Umständen zusammenkommen, ehe dieser Schritt möglich wird. Die meisten, besonders die, welche noch weit von dem Zeitpunkte entfernt sind, den Natur und 6. Jn den nahen Gelegenheiten, die es in der Welt giebt, zur wirklichen Befriedigung des Geschlechtstriebes zu gelangen, liegt die Ursache, warum die Jugend so frühe und so oft in das Laster der Unkeuschheit wirklich verfällt. Bei allen Anlagen zur sinnlichen Wollust und selbst bei dem höchsten Grad der Gewaltsamkeit des Geschlechtstriebes, wird man doch noch kein Wollüstling, wenn man diesen Trieb nicht auf eine unerlaubte Art befriedigt. Jst aber der Trieb einmal rege: so sucht man ihn zu befriedigen. Die rechtmäßige Befriedigungsart kann aber so mancher Ursachen wegen nicht statt finden, sonst würde sie jeder noch ungeschwächte Mensch vorziehen, und dann würde Unkeuschheit ein seltenes Laster werden. Wenige können in den Ehestand treten, wenn sie wollen. Es müsten immer eine Menge von Umständen zusammenkommen, ehe dieser Schritt möglich wird. Die meisten, besonders die, welche noch weit von dem Zeitpunkte entfernt sind, den Natur und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0085" n="86"/> </p> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">6.<lb/> Jn den nahen Gelegenheiten, die es in der Welt giebt, zur wirklichen Befriedigung des Geschlechtstriebes zu gelangen, liegt die Ursache, warum die Jugend so frühe und so oft in das Laster der Unkeuschheit wirklich verfällt.</hi> </head><lb/> <p>Bei allen Anlagen zur sinnlichen Wollust und selbst bei dem höchsten Grad der Gewaltsamkeit des Geschlechtstriebes, wird man doch noch kein Wollüstling, wenn man diesen Trieb nicht auf eine unerlaubte Art befriedigt. Jst aber der Trieb einmal rege: so sucht man ihn zu befriedigen. Die rechtmäßige Befriedigungsart kann aber so mancher Ursachen wegen nicht statt finden, sonst würde sie jeder noch ungeschwächte Mensch vorziehen, und dann würde Unkeuschheit ein seltenes Laster werden. Wenige können in den Ehestand treten, wenn sie wollen. Es müsten immer eine Menge von Umständen zusammenkommen, ehe dieser Schritt möglich wird. Die meisten, besonders die, welche noch weit von dem Zeitpunkte entfernt sind, den Natur und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0085]
6.
Jn den nahen Gelegenheiten, die es in der Welt giebt, zur wirklichen Befriedigung des Geschlechtstriebes zu gelangen, liegt die Ursache, warum die Jugend so frühe und so oft in das Laster der Unkeuschheit wirklich verfällt.
Bei allen Anlagen zur sinnlichen Wollust und selbst bei dem höchsten Grad der Gewaltsamkeit des Geschlechtstriebes, wird man doch noch kein Wollüstling, wenn man diesen Trieb nicht auf eine unerlaubte Art befriedigt. Jst aber der Trieb einmal rege: so sucht man ihn zu befriedigen. Die rechtmäßige Befriedigungsart kann aber so mancher Ursachen wegen nicht statt finden, sonst würde sie jeder noch ungeschwächte Mensch vorziehen, und dann würde Unkeuschheit ein seltenes Laster werden. Wenige können in den Ehestand treten, wenn sie wollen. Es müsten immer eine Menge von Umständen zusammenkommen, ehe dieser Schritt möglich wird. Die meisten, besonders die, welche noch weit von dem Zeitpunkte entfernt sind, den Natur und
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Zitationshilfe: | Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/85>, abgerufen am 17.07.2024. |