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Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

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Dahin gehört das feste Einschnüren der Kinder in die traurigen Windeln. Jch weiß es nicht, was zu dieser sonderbaren Gewohnheit Gelegenheit hat geben können. Vielleicht hat sonst eine fehlerhafte Behandlung es veranlaßt, daß ein Kind krumme Beine bekommen hat, und man hat dies der Natur auf Rechnung geschrieben und es durch das Einwickeln zu verhindern gesucht. Jch habe so oft darum gefragt: warum wickelt ihr das Kind ein? Und immer hieß es, damit es nicht krumme Beine bekomme. Will denn die Natur durchaus krumme Beine bilden, nun so müssen wir krumme Beine haben; so werden die für uns die zweckmäßigsten seyn, und so ist es eben sowol Schändung der Natur, wenn wir unsere Beine durch Zwang gerade machen wollen, als wenn der Kaffer und der Hottentott seine Nase eindrückt und seine Backen aufritzt. Daß die Natur dies wolle und daß die Kunst das Gegentheil verursache, wird niemand glauben. Jch kenne wenigstens drei Personen, die nicht eingewickelt worden und doch sehr gerade und schlank gewachsen sind; auch kenne ich manche, die sehr wahrscheinlich blos durch das Einwickeln krummbeinicht sind. Wenn sonst nichts versehen wird, so wird die Natur für die beste Ausbil-

Dahin gehört das feste Einschnüren der Kinder in die traurigen Windeln. Jch weiß es nicht, was zu dieser sonderbaren Gewohnheit Gelegenheit hat geben können. Vielleicht hat sonst eine fehlerhafte Behandlung es veranlaßt, daß ein Kind krumme Beine bekommen hat, und man hat dies der Natur auf Rechnung geschrieben und es durch das Einwickeln zu verhindern gesucht. Jch habe so oft darum gefragt: warum wickelt ihr das Kind ein? Und immer hieß es, damit es nicht krumme Beine bekomme. Will denn die Natur durchaus krumme Beine bilden, nun so müssen wir krumme Beine haben; so werden die für uns die zweckmäßigsten seyn, und so ist es eben sowol Schändung der Natur, wenn wir unsere Beine durch Zwang gerade machen wollen, als wenn der Kaffer und der Hottentott seine Nase eindrückt und seine Backen aufritzt. Daß die Natur dies wolle und daß die Kunst das Gegentheil verursache, wird niemand glauben. Jch kenne wenigstens drei Personen, die nicht eingewickelt worden und doch sehr gerade und schlank gewachsen sind; auch kenne ich manche, die sehr wahrscheinlich blos durch das Einwickeln krummbeinicht sind. Wenn sonst nichts versehen wird, so wird die Natur für die beste Ausbil-

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[58/0057] Dahin gehört das feste Einschnüren der Kinder in die traurigen Windeln. Jch weiß es nicht, was zu dieser sonderbaren Gewohnheit Gelegenheit hat geben können. Vielleicht hat sonst eine fehlerhafte Behandlung es veranlaßt, daß ein Kind krumme Beine bekommen hat, und man hat dies der Natur auf Rechnung geschrieben und es durch das Einwickeln zu verhindern gesucht. Jch habe so oft darum gefragt: warum wickelt ihr das Kind ein? Und immer hieß es, damit es nicht krumme Beine bekomme. Will denn die Natur durchaus krumme Beine bilden, nun so müssen wir krumme Beine haben; so werden die für uns die zweckmäßigsten seyn, und so ist es eben sowol Schändung der Natur, wenn wir unsere Beine durch Zwang gerade machen wollen, als wenn der Kaffer und der Hottentott seine Nase eindrückt und seine Backen aufritzt. Daß die Natur dies wolle und daß die Kunst das Gegentheil verursache, wird niemand glauben. Jch kenne wenigstens drei Personen, die nicht eingewickelt worden und doch sehr gerade und schlank gewachsen sind; auch kenne ich manche, die sehr wahrscheinlich blos durch das Einwickeln krummbeinicht sind. Wenn sonst nichts versehen wird, so wird die Natur für die beste Ausbil-

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Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/57>, abgerufen am 23.11.2024.