Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Jede Strafe sollte doch den Zweck haben, entweder Menschen in den Stand zu setzen, gut zu seyn, oder sie außer Stand zu setzen, Böses zu thun. Keines von beiden findet hier statt. Weit zweckmäßiger würde es seyn, wenn jene Wirthe, die einen Vortheil aus dem Verfall ihrer Mitmenschen ziehen, und eben um deswillen ihn thätigst befördern, in Zucht- und Werkhäuser gesetzt würden. Gegen Menschen, die nicht aus Noth, Unkunde, Verführung oder im Taumel der Leidenschaft, sondern aus grundböser Gesinnung fortgesetzte Verbrechen üben, muß der weltliche Arm strenge seyn. Würde die Sa-

darauf, und Gelegenheit nach Hause zu kommen war nicht da; auch konnte sie, weil niemand für eine Fremde Bürgschaft leisten wollte, keinen Paß bekommen. Kurz, theils eigene Verlegenheiten, theils Verführungen anderer, brachten sie in ein Haus, wo sie die schändlichsten Dienste leisten mußte, und wo sie bei ihrer gänzlichen Unkunde in den Schlichen, der Polizei zu entgehen, aufgebracht und ins Zuchthaus geführt wurde. Der Aufseher, ein Mann, den ich kenne und schätze, und der sich eine angenehme Pflicht daraus macht, jeden Züchtling zu unterhalten und zu seiner Besserung beizutragen, erfuhr ihre Geschichte, nahm sich ihrer an, und das bessere Schicksal, das ihr zu Theil wurde und das sie auch wirklich verdiente, verdankte sie ihm. Aber so gut geht es denn auch freilich wenigen.

Jede Strafe sollte doch den Zweck haben, entweder Menschen in den Stand zu setzen, gut zu seyn, oder sie außer Stand zu setzen, Böses zu thun. Keines von beiden findet hier statt. Weit zweckmäßiger würde es seyn, wenn jene Wirthe, die einen Vortheil aus dem Verfall ihrer Mitmenschen ziehen, und eben um deswillen ihn thätigst befördern, in Zucht- und Werkhäuser gesetzt würden. Gegen Menschen, die nicht aus Noth, Unkunde, Verführung oder im Taumel der Leidenschaft, sondern aus grundböser Gesinnung fortgesetzte Verbrechen üben, muß der weltliche Arm strenge seyn. Würde die Sa-

darauf, und Gelegenheit nach Hause zu kommen war nicht da; auch konnte sie, weil niemand für eine Fremde Bürgschaft leisten wollte, keinen Paß bekommen. Kurz, theils eigene Verlegenheiten, theils Verführungen anderer, brachten sie in ein Haus, wo sie die schändlichsten Dienste leisten mußte, und wo sie bei ihrer gänzlichen Unkunde in den Schlichen, der Polizei zu entgehen, aufgebracht und ins Zuchthaus geführt wurde. Der Aufseher, ein Mann, den ich kenne und schätze, und der sich eine angenehme Pflicht daraus macht, jeden Züchtling zu unterhalten und zu seiner Besserung beizutragen, erfuhr ihre Geschichte, nahm sich ihrer an, und das bessere Schicksal, das ihr zu Theil wurde und das sie auch wirklich verdiente, verdankte sie ihm. Aber so gut geht es denn auch freilich wenigen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0206" n="207"/>
          <p> Jede Strafe sollte doch den Zweck haben, entweder Menschen in den Stand zu setzen, gut zu seyn, oder sie außer Stand zu setzen, Böses zu thun. Keines von beiden findet hier statt. Weit zweckmäßiger würde es seyn, wenn jene Wirthe, die einen Vortheil aus dem Verfall ihrer Mitmenschen ziehen, und eben um deswillen ihn thätigst befördern, in Zucht- und Werkhäuser gesetzt würden. Gegen Menschen, die nicht aus Noth, Unkunde, Verführung oder im Taumel der Leidenschaft, sondern aus grundböser Gesinnung fortgesetzte Verbrechen üben, muß der weltliche Arm strenge seyn. Würde die Sa-<note xml:id="ID_24" prev="ID_23" place="foot" n="*)">darauf, und Gelegenheit nach Hause zu kommen war nicht da; auch konnte sie, weil niemand für eine Fremde Bürgschaft leisten wollte, keinen Paß bekommen. Kurz, theils eigene Verlegenheiten, theils Verführungen anderer, brachten sie in ein Haus, wo sie die schändlichsten Dienste leisten mußte, und wo sie bei ihrer gänzlichen Unkunde in den Schlichen, der Polizei zu entgehen, aufgebracht und ins Zuchthaus geführt wurde. Der Aufseher, ein Mann, den ich kenne und schätze, und der sich eine angenehme Pflicht daraus macht, jeden Züchtling zu unterhalten und zu seiner Besserung beizutragen, erfuhr ihre Geschichte, nahm sich ihrer an, und das bessere Schicksal, das ihr zu Theil wurde und das sie auch wirklich verdiente, verdankte sie ihm. Aber so gut geht es denn auch freilich wenigen.</note>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0206] Jede Strafe sollte doch den Zweck haben, entweder Menschen in den Stand zu setzen, gut zu seyn, oder sie außer Stand zu setzen, Böses zu thun. Keines von beiden findet hier statt. Weit zweckmäßiger würde es seyn, wenn jene Wirthe, die einen Vortheil aus dem Verfall ihrer Mitmenschen ziehen, und eben um deswillen ihn thätigst befördern, in Zucht- und Werkhäuser gesetzt würden. Gegen Menschen, die nicht aus Noth, Unkunde, Verführung oder im Taumel der Leidenschaft, sondern aus grundböser Gesinnung fortgesetzte Verbrechen üben, muß der weltliche Arm strenge seyn. Würde die Sa- *) *) darauf, und Gelegenheit nach Hause zu kommen war nicht da; auch konnte sie, weil niemand für eine Fremde Bürgschaft leisten wollte, keinen Paß bekommen. Kurz, theils eigene Verlegenheiten, theils Verführungen anderer, brachten sie in ein Haus, wo sie die schändlichsten Dienste leisten mußte, und wo sie bei ihrer gänzlichen Unkunde in den Schlichen, der Polizei zu entgehen, aufgebracht und ins Zuchthaus geführt wurde. Der Aufseher, ein Mann, den ich kenne und schätze, und der sich eine angenehme Pflicht daraus macht, jeden Züchtling zu unterhalten und zu seiner Besserung beizutragen, erfuhr ihre Geschichte, nahm sich ihrer an, und das bessere Schicksal, das ihr zu Theil wurde und das sie auch wirklich verdiente, verdankte sie ihm. Aber so gut geht es denn auch freilich wenigen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T10:30:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Bindestriche werden nicht als =, sondern als - transkribiert.
  • Das Anführungszeichen „ wird am Ende eines Zitats als “ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/206
Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/206>, abgerufen am 18.12.2024.