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[N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722.

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reitete harte Quaal auszustehen vermeynte. Als er nun hierauf seinen
Mitgesellen ermahnet, ihm willig zu folgen, ließ er sich durch den eröffne-
ten Schlund hinunter, da er in eine grössere Oeffnung kam, die in den all-
gemeinen Zusammenlauff der Secrete gieng. Wie dieses so wohl und
nach Wunsch ablieff, folgte der Camerad glücklich nach. Der Fuß-
Boden von dem Zusammenlauff der Secrete war mit Steinen ausge-
leget, aber zu ihrem Glück von dem durch lauffenden Wasser so ausge-
spielet, daß sie sicher fussen konten. Sie tappeten hierauf an den Mau-
ren herum und funden endlich ein Loch. Cartouche urtheilete, daß sol-
ches etwa in einen Keller gehen müste, so aus dem Chatelet nach der Gas-
se zugienge. Das Loch ward hierauf durch das bey sich habende Eisen
grösser gemacht und beyde kamen mit leichter Mühe in den Keller. Die
glücklichen Arbeiter giengen so dann im Keller herum, funden endlich die
Treppe und die Thüre derselben unten offen, allein die oberste Thüre war
verschlossen, die sie aber, wegen des schlechten Schlosses, mit leichter Mühe
aufsprengeten. Durch diese Mittel kamen sie in den Hof eins Futteral- und
Schachtel-Machers, dessen Hauß auf die Gasse heraus gieng. Bißher
war alles sehr glücklich von statten gegangen, aber nunmehr wendete sich
das Blatt; denn in gedachten Hofe wurden sie von einem Hunde ent-
decket, der jungen hatte. Dieser machte einen so starcken Lerm, daß der
Hauß-Herr und seine Tochter darüber erwacheten. Cartouche hatte
immittelst, wie er nach der Zeit erzehlet, seinen äussersten Fleiß angewen-
det, den Hund zu fangen; allein er war von selbigen ins Bein gebissen
worden und der Hund hatte sich aus seinen Händen entrissen. Die
Tochter des Hauß-Herrn hatte immittelst zum Fenster herans geruffen:
Diebe! Diebe! Es war ohngefehr des Morgens gegen 4. Uhr, da die-
ses Geschrey aus dem Hause erschallete. Vier Gerichts-Diener, so kurtz
vorher von der auserordentlichen Wacht abgezogen waren, stunden
nicht weit davon und truncken mit etlichen Fleischer-Knechten Brandte-
wein. So bald diese das Geschrey höreten, lieffen sie nach dem Hause
zu. Die Tochter des Hauß-Herrn, so mitlerweile mit einem Licht her-
unter gekommen war und die Thüre eröffnet hatte, führete die ankom-
menden Gerichts-Diener und Fleischer-Knechte, wovon die letztern ihre
Beile in Händen hatten, in den Hof, allwo sie gleich den Reise-Camera-
den des Cartouche gewahr wurden und griffen. Man wolte hierauf
diesem von neuem gefangenen Vogel wieder nach dem Chatelet führen;

Allein

reitete harte Quaal auszuſtehen vermeynte. Als er nun hierauf ſeinen
Mitgeſellen ermahnet, ihm willig zu folgen, ließ er ſich durch den eroͤffne-
ten Schlund hinunter, da er in eine groͤſſere Oeffnung kam, die in den all-
gemeinen Zuſammenlauff der Secrete gieng. Wie dieſes ſo wohl und
nach Wunſch ablieff, folgte der Camerad gluͤcklich nach. Der Fuß-
Boden von dem Zuſammenlauff der Secrete war mit Steinen ausge-
leget, aber zu ihrem Gluͤck von dem durch lauffenden Waſſer ſo ausge-
ſpielet, daß ſie ſicher fuſſen konten. Sie tappeten hierauf an den Mau-
ren herum und funden endlich ein Loch. Cartouche urtheilete, daß ſol-
ches etwa in einen Keller gehen muͤſte, ſo aus dem Chatelet nach der Gaſ-
ſe zugienge. Das Loch ward hierauf durch das bey ſich habende Eiſen
groͤſſer gemacht und beyde kamen mit leichter Muͤhe in den Keller. Die
gluͤcklichen Arbeiter giengen ſo dann im Keller herum, funden endlich die
Treppe und die Thuͤre derſelben unten offen, allein die oberſte Thuͤre war
verſchloſſen, die ſie aber, wegen des ſchlechten Schloſſes, mit leichter Muͤhe
aufſprengeten. Durch dieſe Mittel kamen ſie in den Hof eins Futteral- und
Schachtel-Machers, deſſen Hauß auf die Gaſſe heraus gieng. Bißher
war alles ſehr gluͤcklich von ſtatten gegangen, aber nunmehr wendete ſich
das Blatt; denn in gedachten Hofe wurden ſie von einem Hunde ent-
decket, der jungen hatte. Dieſer machte einen ſo ſtarcken Lerm, daß der
Hauß-Herr und ſeine Tochter daruͤber erwacheten. Cartouche hatte
immittelſt, wie er nach der Zeit erzehlet, ſeinen aͤuſſerſten Fleiß angewen-
det, den Hund zu fangen; allein er war von ſelbigen ins Bein gebiſſen
worden und der Hund hatte ſich aus ſeinen Haͤnden entriſſen. Die
Tochter des Hauß-Herrn hatte immittelſt zum Fenſter herans geruffen:
Diebe! Diebe! Es war ohngefehr des Morgens gegen 4. Uhr, da die-
ſes Geſchrey aus dem Hauſe erſchallete. Vier Gerichts-Diener, ſo kurtz
vorher von der auſerordentlichen Wacht abgezogen waren, ſtunden
nicht weit davon und truncken mit etlichen Fleiſcher-Knechten Brandte-
wein. So bald dieſe das Geſchrey hoͤreten, lieffen ſie nach dem Hauſe
zu. Die Tochter des Hauß-Herrn, ſo mitlerweile mit einem Licht her-
unter gekommen war und die Thuͤre eroͤffnet hatte, fuͤhrete die ankom-
menden Gerichts-Diener und Fleiſcher-Knechte, wovon die letztern ihre
Beile in Haͤnden hatten, in den Hof, allwo ſie gleich den Reiſe-Camera-
den des Cartouche gewahr wurden und griffen. Man wolte hierauf
dieſem von neuem gefangenen Vogel wieder nach dem Chatelet fuͤhren;

Allein
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[10/0016] reitete harte Quaal auszuſtehen vermeynte. Als er nun hierauf ſeinen Mitgeſellen ermahnet, ihm willig zu folgen, ließ er ſich durch den eroͤffne- ten Schlund hinunter, da er in eine groͤſſere Oeffnung kam, die in den all- gemeinen Zuſammenlauff der Secrete gieng. Wie dieſes ſo wohl und nach Wunſch ablieff, folgte der Camerad gluͤcklich nach. Der Fuß- Boden von dem Zuſammenlauff der Secrete war mit Steinen ausge- leget, aber zu ihrem Gluͤck von dem durch lauffenden Waſſer ſo ausge- ſpielet, daß ſie ſicher fuſſen konten. Sie tappeten hierauf an den Mau- ren herum und funden endlich ein Loch. Cartouche urtheilete, daß ſol- ches etwa in einen Keller gehen muͤſte, ſo aus dem Chatelet nach der Gaſ- ſe zugienge. Das Loch ward hierauf durch das bey ſich habende Eiſen groͤſſer gemacht und beyde kamen mit leichter Muͤhe in den Keller. Die gluͤcklichen Arbeiter giengen ſo dann im Keller herum, funden endlich die Treppe und die Thuͤre derſelben unten offen, allein die oberſte Thuͤre war verſchloſſen, die ſie aber, wegen des ſchlechten Schloſſes, mit leichter Muͤhe aufſprengeten. Durch dieſe Mittel kamen ſie in den Hof eins Futteral- und Schachtel-Machers, deſſen Hauß auf die Gaſſe heraus gieng. Bißher war alles ſehr gluͤcklich von ſtatten gegangen, aber nunmehr wendete ſich das Blatt; denn in gedachten Hofe wurden ſie von einem Hunde ent- decket, der jungen hatte. Dieſer machte einen ſo ſtarcken Lerm, daß der Hauß-Herr und ſeine Tochter daruͤber erwacheten. Cartouche hatte immittelſt, wie er nach der Zeit erzehlet, ſeinen aͤuſſerſten Fleiß angewen- det, den Hund zu fangen; allein er war von ſelbigen ins Bein gebiſſen worden und der Hund hatte ſich aus ſeinen Haͤnden entriſſen. Die Tochter des Hauß-Herrn hatte immittelſt zum Fenſter herans geruffen: Diebe! Diebe! Es war ohngefehr des Morgens gegen 4. Uhr, da die- ſes Geſchrey aus dem Hauſe erſchallete. Vier Gerichts-Diener, ſo kurtz vorher von der auſerordentlichen Wacht abgezogen waren, ſtunden nicht weit davon und truncken mit etlichen Fleiſcher-Knechten Brandte- wein. So bald dieſe das Geſchrey hoͤreten, lieffen ſie nach dem Hauſe zu. Die Tochter des Hauß-Herrn, ſo mitlerweile mit einem Licht her- unter gekommen war und die Thuͤre eroͤffnet hatte, fuͤhrete die ankom- menden Gerichts-Diener und Fleiſcher-Knechte, wovon die letztern ihre Beile in Haͤnden hatten, in den Hof, allwo ſie gleich den Reiſe-Camera- den des Cartouche gewahr wurden und griffen. Man wolte hierauf dieſem von neuem gefangenen Vogel wieder nach dem Chatelet fuͤhren; Allein

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722/16>, abgerufen am 24.11.2024.