[N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722.Erlaubniß der Obrigkeit im Gefängniß und er wuste jedweden mit einer Mitlerzeit nun da die Richter mit seinem Proceß beschäfftiget wa- rei- B
Erlaubniß der Obrigkeit im Gefaͤngniß und er wuſte jedweden mit einer Mitlerzeit nun da die Richter mit ſeinem Proceß beſchaͤfftiget wa- rei- B
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="9"/> Erlaubniß der Obrigkeit im Gefaͤngniß und er wuſte jedweden mit einer<lb/> geſchickten Antwort zu begegnen, auch zu weilen etwas von ſeiner Unſchuld<lb/> mit unter zu mengen. Man ließ ihm aber von Seiten der Richter keine<lb/> Ruhe, ſondern er ward alle Tage vor den Criminal-Richter gefuͤhret und<lb/> mit andern Perſonen von ſeinem Schrott und Korn <hi rendition="#aq">confrontir</hi>et; allein<lb/> er wolte niemanden kennen, auch nichts von demjenigen wiſſen, was man<lb/> ihm vorſagete.</p><lb/> <p>Mitlerzeit nun da die Richter mit ſeinem Proceß beſchaͤfftiget wa-<lb/> ren, gerieth <hi rendition="#aq">Cartouche</hi> auf den Anſchlag, ſie durch ſeine Befreyung dieſer<lb/> Muͤhe zu uͤberheben, es waͤre ihm auch bey nahe gegluͤcket, und hatte es mit<lb/> dieſem kuͤhnen Unternehmen folgende Bewandniß: <hi rendition="#aq">Cartouche</hi> war in<lb/> ein duͤſtres Behaͤltniß gebracht, und, wie gewoͤhnlich, ein andrer Gefang-<lb/> ner zu ihm geſetzt worden, der aber nicht von ſeinem Cameraden, ſondern<lb/> ein anderer Dieb war, ſo auf dem Lande geſtohlen hatte, und der <hi rendition="#aq">Profeſ-<lb/> ſion</hi> nach ein Fleiſcher ſeyn wolte. Dieſer war nicht geſchloſſen. Des<lb/> Nachts zwiſchen dem 21. und 22. hatte ein Thuͤrhuͤtter der Gefaͤngniſſe<lb/> mit beyden biß nach 1. Uhr Brandtewein getruncken, worauf derſelbe weg<lb/> gieng und die Gefangenen allein ließ. <hi rendition="#aq">Cartouche</hi> hatte ſich indeſſen die<lb/> Gelegenheit des Gefaͤngniſſes genau beſehen, wie nun der Aufſeher weg<lb/> war, machte ſich derſelbe ſo gleich von der Wand loß, an die er geſchluſſen<lb/> war, und tappete allenthalben mit den Fuͤſſen und Haͤnden auf dem Fuß-<lb/> Boden und an der Mauer herum. Da er nun einen gewiſſen Platz an<lb/> der Mauer gefunden, der ihm etwas hohle klang, ſo ſagte derſelbe zu ſei-<lb/> nem Mitgefangenen, ich urtheile, daß allhier ein Schlund von einem Se-<lb/> cret durch gehen muß, und dieſes ſoll die Thuͤre ſeyn, durch welche wir zu<lb/> unſerer Freyheit gelangen wollen; wir muͤſſen folglich allhier, es ko ſte<lb/> was es wolle, ein Loch machen. Beyde arbeiteten hierauff ſo lange, biß<lb/> ſie Oeffnung in die Maure erlangten und an den Schlund vom Secret<lb/> kamen. Dieſer Schlund war zu ihrem Gluͤck mit halb verroſteten eiſer-<lb/> nen Baͤndern umfaſſet, ſolche brach <hi rendition="#aq">Cartouche</hi> mit leichter Muͤhe und um<lb/> ſo viel vergnuͤgter loß; weil er dadurch Werckzeug bekam, mit welchem<lb/> er ſich weiter durcharbeiten konte. Wie nun das Loch groß genug und<lb/> nichts mehr uͤbrig war, als ſich in das Gewoͤlbe des Secrets hinein zulaſ-<lb/> ſen, ſagte <hi rendition="#aq">Cartouche</hi> zu ſeinem Mitgefangenen: Er waͤre entſchloſſen, ſich<lb/> in den ſtinckenden Pful hinein zu laſſen, der Erfolg davon moͤchte ſeyn,<lb/> wie er wolte; indem er lieber im Kothe zu erſticken, als die vor ihn zube-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">rei-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0015]
Erlaubniß der Obrigkeit im Gefaͤngniß und er wuſte jedweden mit einer
geſchickten Antwort zu begegnen, auch zu weilen etwas von ſeiner Unſchuld
mit unter zu mengen. Man ließ ihm aber von Seiten der Richter keine
Ruhe, ſondern er ward alle Tage vor den Criminal-Richter gefuͤhret und
mit andern Perſonen von ſeinem Schrott und Korn confrontiret; allein
er wolte niemanden kennen, auch nichts von demjenigen wiſſen, was man
ihm vorſagete.
Mitlerzeit nun da die Richter mit ſeinem Proceß beſchaͤfftiget wa-
ren, gerieth Cartouche auf den Anſchlag, ſie durch ſeine Befreyung dieſer
Muͤhe zu uͤberheben, es waͤre ihm auch bey nahe gegluͤcket, und hatte es mit
dieſem kuͤhnen Unternehmen folgende Bewandniß: Cartouche war in
ein duͤſtres Behaͤltniß gebracht, und, wie gewoͤhnlich, ein andrer Gefang-
ner zu ihm geſetzt worden, der aber nicht von ſeinem Cameraden, ſondern
ein anderer Dieb war, ſo auf dem Lande geſtohlen hatte, und der Profeſ-
ſion nach ein Fleiſcher ſeyn wolte. Dieſer war nicht geſchloſſen. Des
Nachts zwiſchen dem 21. und 22. hatte ein Thuͤrhuͤtter der Gefaͤngniſſe
mit beyden biß nach 1. Uhr Brandtewein getruncken, worauf derſelbe weg
gieng und die Gefangenen allein ließ. Cartouche hatte ſich indeſſen die
Gelegenheit des Gefaͤngniſſes genau beſehen, wie nun der Aufſeher weg
war, machte ſich derſelbe ſo gleich von der Wand loß, an die er geſchluſſen
war, und tappete allenthalben mit den Fuͤſſen und Haͤnden auf dem Fuß-
Boden und an der Mauer herum. Da er nun einen gewiſſen Platz an
der Mauer gefunden, der ihm etwas hohle klang, ſo ſagte derſelbe zu ſei-
nem Mitgefangenen, ich urtheile, daß allhier ein Schlund von einem Se-
cret durch gehen muß, und dieſes ſoll die Thuͤre ſeyn, durch welche wir zu
unſerer Freyheit gelangen wollen; wir muͤſſen folglich allhier, es ko ſte
was es wolle, ein Loch machen. Beyde arbeiteten hierauff ſo lange, biß
ſie Oeffnung in die Maure erlangten und an den Schlund vom Secret
kamen. Dieſer Schlund war zu ihrem Gluͤck mit halb verroſteten eiſer-
nen Baͤndern umfaſſet, ſolche brach Cartouche mit leichter Muͤhe und um
ſo viel vergnuͤgter loß; weil er dadurch Werckzeug bekam, mit welchem
er ſich weiter durcharbeiten konte. Wie nun das Loch groß genug und
nichts mehr uͤbrig war, als ſich in das Gewoͤlbe des Secrets hinein zulaſ-
ſen, ſagte Cartouche zu ſeinem Mitgefangenen: Er waͤre entſchloſſen, ſich
in den ſtinckenden Pful hinein zu laſſen, der Erfolg davon moͤchte ſeyn,
wie er wolte; indem er lieber im Kothe zu erſticken, als die vor ihn zube-
rei-
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