[1713]
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 301. Köln, Samstag, den 19. Mai. 1849.
Abschiedswort der Neuen Rheinischen Zeitung.

Kein offner Hieb in offner Schlacht —
Es fällen die Rücken und Tücken,
Es fällt mich die schleichende Niedertracht
Der schmutzigen West-Kalmücken!
Aus dem Dunkel flog der tödtende Schaft,
Aus dem Hinterhalt fielen die Streiche —
Und so lieg' ich nun da in meiner Kraft,
Eine stolze Rebellenleiche!
Auf der Lippe den Trotz und den zuckenden Hohn,
In der Hand den blitzenden Degen,
Noch im Sterben rufend: „Die Rebellion!“ —
So bin ich mit Ehren erlegen.
O, gern wohl bestreuten mein Grab mit Salz
Der Preuße zusammt dem Czare —
Doch es schicken die Ungarn, es schickt die Pfalz
Drei Salven mir über die Bahre!
Und der arme Mann im zerriß'nen Gewand,
Er wirft auf mein Haupt die Schollen;
Er wirft sie hinab mit der fleißigen Hand,
Mit der harten, der schwielenvollen.
Einen Kranz auch bringt er aus Blumen und Mai'n,
Zu ruh'n auf meinen Wunden;
Den haben sein Weib und sein Töchterlein
Nach der Arbeit für mich gewunden
Nun Ade, nun Ade, du kämpfende Welt,
Nun Ade, ihr ringenden Heere!
Nun Ade, du pulvergeschwärztes Feld,
Nun Ade, ihr Schwerter und Speere!
Nun Ade — doch nicht für immer Ade!
Denn sie tödten den Geist nicht, ihr Brüder!
Bald richt' ich mich rasselnd in die Höh',
Bald kehr' ich reisiger wieder!
Wenn die letzte Krone wie Glas zerbricht,
In des Kampfes Wettern und Flammen,
Wenn das Volk sein letztes „Schuldig!“ spricht,
Dann stehn wir wieder zusammen!
Mit dem Wort, mit dem Schwert, an der Donau, am Rhein, —
Eine allzeit treue Gesellin
Wird dem Throne zerschmetternden Volke sein
Die Geächtete, die Rebellin!
F. FREILIGRATH.
An die Arbeiter Kölns.
Wir warnen Euch schließlich vor jedem Putsch in Köln. Nach der militärischen Lage Kölns wäret ihr rettungslos verloren. Ihr habt in Elberfeld gesehen, wie die Bourgeoisie die Arbeiter ins Feuer schickt und sie hinterher aufs Niederträchtigste verräth. Der Belagerungszustand in Köln würde die ganze Rheinprovinz demoralisiren und der Belagerungszustand wäre die nothwendige Folge jeder Erhebung von Eurer Seite in diesem Augenblicke. Die Preußen werden an Eurer Ruhe verzweifeln.
Die Redakteure der Neuen Rheinischen Zeitung danken Euch beim Abschiede für die ihnen bewiesene Theilnahme. Ihr letztes Wort wird überall und immer sein: Emancipation der arbeitenden Klasse!
Die Redaktion der Neuen Rhein. Zeitung.
Deutschland.
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Edition: [Karl Marx: Der preußische Regierungswisch, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
[ * ] Köln, 18. Mai.
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Proklamation an die Frauen.
Seit dem 1. Juni 1848, wo die „Neue Rheinische Zeitung“ wie ein fremder Wunderstern drohend und prächtig über Ländern und Meeren heraufstieg und wo das Feuilleton wie ein humoristischer Kometenschweif hinterdrein flackerte, hat dieser Kometenschweif so unbeschreiblich viel geleistet, daß meine freundlichen Leserinnen weinend ihre holden Gesichter verhüllen werden, wenn sie die schreckliche Kunde vernehmen, daß auch dieser Kometenschweif in der augenblicklichen Götterdämmerung der Neuen Rheinischen Zeitung, dem Auge profaner Sterblicher entrückt wird, um vielleicht erst später wieder den Himmel mit seinem lustigen Zickzack zu durchschießen.
„Und scheint die Sonne noch so schön.
Am Ende muß sie untergehn.“
Ich habe mich von jeher an die Frauen gehalten; für Männer interessire ich mich selten.
An Euch, ihr schönen Frauen, wende ich mich daher mit diesem Abschiedsstrauß, in dem ich alle Rosen und Disteln meiner unerforschlichen Seele zusammenband. Die Rosen sind natürlich für Euch; die Disteln für Eure allenfallsigen Männer.
Treffliche Männer habt Ihr. Seht nur, was aus Euern Männern geworden ist! Aus jenen großen Staatsmännern, mit denen man nicht einmal mehr die kleinen Kinder bange macht; aus jenen berühmten Gelehrten, vor denen nicht einmal die tollen Hunde die Wasserscheu bekommen; aus jenen gefeierten Bänkelsängern, die durch alle ihre patriotische Begeisterung nur zu einer rothen Nase gelangten, und aus jenen stillen Schwärmern Ur-Deutschlands, die gleich melancholischen Heidschnucken, mit verhängten Schwänzen, über die Lüneburgerheide der Gegenwart, der Sahara der Zukunft entgegenwedeln.
Es thut mir leid, Frau Regierungsräthin, daß Sie sich in Ihrem Herrn Gemahle so geirrt haben. Sie hielten ihn für einen Solon und da kommt er aus der Berliner Nationalversammlung nach Hause zurück und es findet sich, daß er ein rechter Gimpel ist. Ich bedaure dies, Frau Regierungsräthin. Trösten Sie Ihren Mann damit, daß er ein verkanntes Genie sei, aber vor allen Dingen: schaffen Sie sich diesen Menschen vom Halse — ja, ihr Frauen, gebt Euern Männern den Abschied, sie sind keinen Schuß Pulver werth. — — Wer mögte ein Kameel umarmen!
Wunderlich haben uns die Familienväter in den Berliner und Frankfurter Nationalversammlungen mitgespielt. Wärt Ihr Frauen am Ruder gewesen, wahrlich, Alles wäre anders geworden. Lachend hättet Ihr eure ambrosischen Locken geschüttelt und nach kurzen Debatten hättet Ihr irgend einen Adonis zum deutschen Kaiser gemacht und nach drei Tagen hättet Ihr ihn geköpft und aus seinem Blute wären blutrothe Rosen gewachsen, die Blumen der Liebe und der Republik!
Aber das ganze Unheil ist nur deßhalb über Deutschland gekommen, weil man die deutsche Politik bisher für eine ernste, wichtige und nicht für eine Herzenssache hielt. Ihr Frauen seid dazu berufen, diesem Mißverständniß ein für allemal abzuhelfen.
Fragt nicht nach dem: Wie? Ihr wißt es selbst am besten. Laßt eure alten Männer laufen; nehmt neue Männer, revolutionäre Männer — voilà tout!
Wenn es vor vierzig oder fünf und vierzig Jahren hieß: „die Franzosen kommen!“ da liefen alle jungen Mädchen und Frauen eilig an's Fenster und schoben die Gardinen bei Seite und schauten in die Straße hinaus, halb lüstern, halb verschämt, bis der Tambourmajor kam mit seinem großen Stock, und hinterdrein die lustigen, kleinen Kerle, die ohne Weiteres in die Stadt und in jedes Herz hineinmarschirten. — — Niemals hat es hübschere Kinder gegeben, als nach jenen gesegneten Feldzügen!
Heute heißt es nicht mehr: „die Franzosen kommen!“ nein, „die Ungarn kommen!“ und diese Ungarn sollt Ihr freundlich empfangen. Dies ist die Herzenssache der deutschen Politik. Die Ungarn sind die Franzosen des neunzehnten Jahrhunderts!
Früher lispelten die deutschen Mädchen im Momente des höchsten Glückes: „Du machst mich unglücklich!“ Bald werden sie jubeln: „Du machst mich glücklich!“ Denn die Ungarn werden sich in Deutsche verwandeln und die Deutschen in Ungarn und der Kuß der glücklichen Lippen wird durch Berge und Wälder brennen, bis die Schneefelder Sibiriens aufthauen, und die Kosacken darin ersaufen vom Don bis zum Dniester.
Von Anbeginn seid Ihr Frauen gescheidter gewesen als alle Schriftgelehrten und Pharisäer, aber von Anbeginn wart ihr auch leidenschaftlicher als alle Schriftgelehrten und Pharisäer.
So fahrt denn heraus mit Eurer flammenden Leidenschaft und ergreift Eure zahmen Männer bei ihren liederlichen Zöpfen und hängt sie als Vogelscheuchen wohin Ihr wollt — nur fort mit ihnen!
Die Guillotine wird uns retten und die Leidenschaft der Weiber.
Im Uebrigen empfehle ich mich Euch von ganzem Herzen. Die Nachtigallen singen in den Büschen, die Kugeln pfeifen und meine Proklamation ist zu Ende.
Georg Weerth.
[1714]
[Deutschland]
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@facs1714
Wozu diese albernen Phrasen, diese offiziellen Lügen!
Die neusten Stücke der „N. Rh. Z.“ unterscheiden sich in Tendenz und Sprache um kein Jota von ihrem ersten „Probestück.“ In diesem „ersten Stück“ hieß es unter Anderm:
„Das Projekt des Herrn Hüser (in Mainz) ist nur ein Theil des großen Plans der Berliner Reaktion, die danach strebt … uns wehrlos der … Armee in die Hände zu liefern.“
Eh bien, Messieurs, qu'en dites vous maintenant?
Was unsre Tendenz betrifft, war sie der Regierung unbekannt? Haben wir nicht vor den Geschwornen erklärt, es sei jetzt „die Aufgabe der Presse, alle Grundlagen des Bestehenden zu unterwühlen?“ Was speziell den Hohenzollernschen Unterknäs betrifft, lest die Nummer vom 19. Oktober 1848, wo es heißt:
„Der König ist konsequent. Er würde immer konsequent gewesen sein, wenn nicht leider die Märztage jenes verhängnißvolle Stück Papier zwischen Sr. Majestät und das Volk geschoben hätten. Se Majestät scheinen wieder in diesem Augenblicke, wie vor den Märztagen, an die „eisernen Füße“ des Slaventhums zu glauben und das Volk zu Wien ist vielleicht der Zaubrer, der das Eisen in Thon verwandeln wird.“
Est-ce clair Messieurs?
Und die „sociale Republik,“ haben wir sie erst in den „neuesten Stücken“ der „Neuen Rheinischen Zeitung“ proklamirt?
Für die Schwachsinnigen, die in unsrer ganzen Beurtheilungs- und Darstellungsweise der europäischen Bewegung den „rothen“ Faden — sich nicht durchschlingen sahen, haben wir für sie nicht in offnen, unverkennbaren Worten gesprochen?
„Gesetzt,“ hetßt es in der Nummer der „N Rh Ztg.“ vom 7. November, „gesetzt, die Contrerevolution lebte in ganz Europa durch die Waffen, sie würde in ganz Europa sterben durch das Geld. Das Fatum, daß den Sieg kassiren würde, wäre der europäische — Bankerutt, der Staatsbankerutt. An den „ökonomischen“ Pointen brechen die Spitzen der Bajonette wie mürber Zunder. Aber die Entwicklung wartet den Verfalltag jener Wechsel nicht ab, die die europäischen Staaten auf die neue europäische Gesellschaft gezogen haben.
In Paris wird der vernichtende Gegegenschlag der Junirevolution geschlagen werden Mit dem Siege der „rothen“ Republik zu Paris, werden die Armeen aus dem Innern der Länder an und über die Gränzen ausgespien werden und die wirkliche Macht der ringenden Parteien wird sich rein herausstellen. Dann werden wir uns erinnern an den Juni, an den Oktober, und auch wir werden rufen:
Vac Victis!
Die resultatlosen Metzeleien sei den Juni- und Oktobertagen, das langweilige Opferfest seit Februar und März, der Canibalismus der Contrerevolution selbst wird die Völker überzeugen, daß es nur ein Mittel giebt, die mörderischen Todeswehn der alten Gesellschaft, die blutigen Geburtswehn der neuen Gesellschaft abzukürzen, zu vereinfachen, zu koncentriren, nur ein Mittel — den revolutionären Terrorismus.“
Est-ce clair Messieurs?
Wir haben es von Anfang an für überflüssig gehalten, unsere Ansicht zu verheimlichen. In einer Polemik mit dem hiesigen Parket riefen wir euch zu:
Die eigentliche Opposition der „N. Rh. Z.“ beginnt erst in der trikoloren Republik.“
Und wir sprachen damals mit dem Parket. Das alte Jahr 1848 resümirten wir (cfr v. 31 Dee. 1848) mit den Worten:
„Die Geschichte des preußischen Bürgerthums, wie überhaupt des deutschen Bürgerthums von März bis Dezember beweist, daß in Deutschland eine rein bürgerliche Revolution und die Gründung der Bourgeoisherrschaft unter der Form der konstitutionellen Monarchie unmöglich, daß nur die feudal-absolutistische Contrerevolution möglich ist oder die social-republikanische Revolution.“
Brauchten wir also erst in den „letzten Stücken“ der „N. Rh. Z.“ unverkennbar hervorzutreten mit der social-republikanischen Tendenz? Hattet Ihr unsre Artikel über die Junirevolution nicht gelesen und war die Seele der Junirevolution nicht die Seele unsrer Zeitung?
Wozu also eure heuchlerischen, nach einem unmöglichen Vorwand haschenden Phrasen?
Wir sind rücksichtslos, wir verlangen keine Rücksicht von Euch. Wenn die Reihe an uns kömmt, wir werden den Terrorismus nicht beschönigen. Aber die royalistischen Terroristen, die Terroristen von Gottes- und Rechts-Gnaden, in der Praxis sind sie brutal, verächtlich, gemein, in der Theorie feig, versteckt, doppelzüngig, in beiden Beziehungen ehrlos.
Der preußische Regierungswisch ist albern genug, von einem durch den Redacteur en chef der „N Rh Z“ Karl Marxschmählich verletzten Gastrecht“ zu sprechen.
Das Gastrecht, welches die frechen Eindringlinge, die Vorder-Russen (Borussen) uns Rheinländern auf unserm eigenen Grund und Boden octroyirt haben, ist allerdings „schmählich“ durch die „N Rh. Z.“ verletzt worden. Wir glauben uns dadadurch den Dank der Rheinprovinz verdient zu haben. Wir haben die revolutionäre Ehre unsers heimischen Bodens gerettet. Künftig wird nur noch die „Neue Preußische Zeitung“ volles Bürgerrecht in der Rheinprovinz genießen.
Beim Abschiede rufen wir unsern Lesern die Worte unserer ersten Januarnummer in's Gedächtniß:
„Revolutionäre Erhebung der französischen Arbeiterklasse, Weltkrieg
— das ist die Inhaltsanzeige des Jahres 1849.“
Und schon steht eine, aus Kämpfern aller Nationalitäten gemischte Revolutionsarmee im Osten dem in der russischen Armee vertretenen und koalitionirten alten Europa gegenüber, schon droht von Paris aus die „rothe Republik“!
[1715]
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@facs1715
Edition: [Friedrich Engels: Der Revolutionskrieg in Ungarn, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
[ * ] Köln, 18. Mai.
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@facs1715
[ 068 ] Köln, 18. Mai.
„An mein Volk!“ Nicht an „Mein herrliches Kriegheer!“ Sind die Russen etwa geschlagen? Hat sich der Wind gedreht und dem „ungeschwächten“ Diener Rußlands, wie im März v. J. abermals die Militärmütze vom Kopf geworfen? Sind die belagerten „treuen Unterthanen“ wieder in vollem Aufstand?
Als im Jahre 1813 der alte „Hochselige“ ebenfalls aus dem Vordringen der Kosacken den nöthigen Muth schöpfte, seine erbärmliche Feiglingsrolle, die blutigen Züchtigungen des revolutionären Kaiserthums abzuschütteln, da war es trotz Kosacken, Baschkiren und dem von Jena, von Magdeburg, von der Uebergabe Cüstrin's an 150 Franzosen bekannten „herrlichen Kriegsheer,“ erst die lügenhaften Versprechungen eines „Aufrufes an mein Volk,“ welche den Kreuzzug der heiligen Allianz gegen die Nachfolger der französischen Revolution zu Wege brachten. Und jetzt! Hat nicht der wiedererstarkte Hohenzoller durch den Einmarsch der Kosacken auf deutschen Boden den nöthigen Muth zum Aufgeben seiner nachmärzlichen Feiglingsvolle, zur Beseitigung des durch die Revolution „zwischen ihn und sein Volk geschobenen Stückes Papier“ erhalten? Hat nicht „Mein herrliches Kriegsheer“ in Dresden, Breslau, Posen, Berlin und am Rhein durch die tapfern Metzeleien Wehrloser, Weiber und Kinder, mit Shrapnell's und Höllenstein in würdiger Weise Rache an der Revolution genommen?
Sind nicht durch die neuoktroyirte Standrechtscharte „auch außerdem Belagerungszustand“ die letzten Feigheits-Conzessionen vom März, Abschaffung der Censur, Associationsrecht, Volksbewaffnung, wieder aufgehoben?
Nein, der Sohn des Helden von Jena und Magdeburg fühlt sich noch immer nicht sicher genug trotz Kosackenbündnissen, trotz Mord- und Standrechtsprivilegien an die losgelassene, „herrliche“ Soldaten-Meute. Die ungeschwächte Krone hat Furcht, sie appellirt „An mein Volk,“ sie „fühlt sich gedrängt,“ noch an das niedergetretene, belagerte, zusammenkartätschte „Volk“ einen Hülferuf um Unterstützung gegen „innere und äußere Feinde“ zu richten.
„Preußen ist dazu berufen, in so schwerer Zeit Deutschland gegen innere und äußere Feinde zu schirmen. Deßhalb rufe Ich schon jetzt Mein Volk in die Waffen. Es gilt, Ordnung und Gesetz herzustellen im eigenen Lande und in den übrigen deutschen Ländern, wo unsere Hülfe verlangt wird; es gilt, Deutschland's Einheit zu gründen, seine Freiheit zu schützen vor der Schreckensherrschaft einer Partei, welche Gesittung, Ehre und Treue ihren Leidenschaften opfern will, einer Partei, welcher es gelungen ist, ein Netz der Bethörung und des Irrwahns über einen Theil des Volkes zu werfen.“
„Das ist der Kern der königlichen Ansprache“, ruft die Polizeikloake Dumont, und die bezahlten Polizeiklakeure Dumont's haben in der That den richtigen „Kern“ gefunden.
Die „äußern Feinde!“ Es ist die „Schreckenspartei“, die Partei des Schreckens für den tapfern Hohenzoller, welche in den „übrigen deutschen Ländern“ unser Einschreiten verlangt. Das Volk in den Rheinlanden, Schlesien, Sachsen wird gerufen, „im Namen der deutschen Einheit“ den revolutionären Bewegungen im deutschen Ausland, Baden, Baiern, Sachsen ein Ende zu machen! Und zu diesem Zweck werden die Lockspeisen der hohenzoller'schen Volksbeglückung von 1813 wiederholt, es wird das erprobte „königliche Wort“ wieder verpfändet, dem „Volk“ eine kastrirte Anerkennung der Frankfurter Verfassung verheißen, und der „Schutz des Rechts und der Freiheit“ gegen die „Gottlosigkeit“ verheißen. „Ich und Mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ Ist die erprobte Verpfändung eines „hohenzoller'schen Königswortes“ nicht einen Kreuzzug gegen die „Partei des Schreckens für die vielversprechende Krone“ werth?
Der starke kaiserlich-russische Unterknäs hat die preußischen Abgeordneten nur deshalb aus Frankfurt abberufen, um sich jetzt nach seiner Märzverheißung „an die Spitze Deutschland's“ zu stellen. Die Vereinbarungsversammlung und oktroyirte Kammer sind nur deßhalb auseinandergejagt, das „Stück Papier“ nur deßhalb durch die Standrechtsverfassung und Militärmordhöfe ersetzt, um dem Volk den „Schutz des Rechts und der Freiheit“ zu garantiren!
Und die Preßfreiheit wird unterdrückt, die Presse in Erfurt unter Censur gestellt, die Zeitungen in ganz Posen, in Breslau, in schlesischen Provinzialstädten, in Berlin selbst die Nationalzeitung direkt verboten, in Düsseldorf de jure die Censur wieder eingeführt, de facto die Presse gänzlich beseitigt (Düsseldorfer Blätter, N. Rh. Z. u. s. w.), und den „freien“ Unterthanen endlich allein die schmutzigen Polizei-Cloaken der Köln. Ztg. und des Berliner Galgenblättchens oktroyirt, Alles, um auch nicht den letzten Zweifel an dem Werth des „königlichen Wortes“ aufkommen zu lassen!
Und das Wort des Hohenzollern ist in der That werth, daß das Volk zur Stärkung des königlichen Muthes die Uniform anzieht, um nach dem Landwehrgesetz seinen zurückbleibenden Weibern „zum Schutz gegen Bettelei“ monatlich Einen Thaler königlicher Gnadengelder zu verschaffen.
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@facs1715
[ 068 ] Köln, 17. Mai.
Die heute aus Deutschland eingehenden Nachrichten sind erfreulich.
In Sachsen kurirt das gottbegnadete Preußenthum durch immer weitere Besetzung von Städten und Dörfern die Bewohner von ihrem bisherigen Bierphlegma.
Die östreichischen Standrechtsbestien sekundiren dem belagerungswollüstigen Hohenzollern nach besten Kräften. Prag wurde, wie bekannt, am 10. Mai ohne andere Veranlassung als die, welche der neuesten preußischen Verfassung zum Grunde liegt, in Belagerungszustand erklärt. Jetzt hat die Festung Theresienstadt das nämliche Schicksal getroffen. Nach Briefen aus Leipzig sind auch Olmütz und Brünn den belagerungsbegnadeten Städten beigestellt.
In Elberfeld ist die ganze Niederträchtigkeit, die sich einige Tage latent verhalten mußte, vollständig entbunden worden. Die Freikorps, die Arbeiter, sind verrathen und verkauft worden, wie es von diesen Bourgeois zu erwarten stand.
Hätten die bewaffneten Arbeiter gleich von vornherein das Beispiel der preußischen Regierung befolgt, Elberfeld in Belagerungszustand erklärt und diesen zur vollständigen Niederhaltung einer schaamlos-feigen aber noch mehr perfiden Bourgeoisie benutzt: so wären sie die Sieger, statt daß sie jetzt als die Geprellten dastehen. Gestern früh um 4 Uhr zog Mirbach von Elberfeld mit 2 Kolonnen aus, von denen die eine ihren Weg nach Solingen, die andre nach Siegen hin nahm. Die Elberfelder Bourgeois hatten auf alle Dörfer in jenen beiden Richtungen Emissäre ausgesandt und den Bauern vorschwatzen lassen, daß ein plünderungssüchtiges Gesindel im Anrücken sei, daß, wenn sie nicht kräftige Anstalten zur Abwehr träfen, den Bauern wahrscheinlich Haus und Hof über dem Kopf angezündet oder mindestens alles Hab' und Gut geraubt werden würde.
Durch diese Manöver gelang es, daß die Bauern in Lüttringhausen den Mirbach und Hühnerbein gefangen nahmen, abscheulich mißhandelten und den Bourgeois in Elberfeld zur weitern gütigen Spedition an die hohenzollern'schen Mord- und Gräuel-Knechte überlieferten.
Iserlohn soll nach mehrstündigem Kampfe sich an die Preußen ergeben haben.
Dagegen ist der Südwesten Deutschlands bereits zu einer Pille geworden, die von den Gottbegnadeten nicht so leicht verdaut werden wird. Die badischen, pfälzischen und ein Theil der bairischen Soldaten werden in der deutschen Geschichte des Jahres 1849 den ehrenvollsten Platz einnehmen. Sie sind zuerst mit einem großartigen Beispiel vorangegangen; sie haben die Disziplin, in deren Namen man sie bisher mißhandelte, zum Teufel geschickt; den Eidschwur, den sie gekrönten Gaunern gegenüber zu leisten gezwungen worden, sie haben ihn zerbrochen und den Volksfeinden vor die Füße geschleudert. Aus Stützen der Gottbegnadeten sind sie zu kräftigen Vertheidigern des Volkes geworden, dem sie entstammen, dessen Schicksale, dessen Leiden und Freuden, dessen Freiheit oder Knechtschaft sie theilen, sobald der Soldatenrock ausgezogen ist.
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@facs1715
[ 109 ] Düsseldorf, 17. Mai.
Hr. Chlebus scheint die Rolle eines Windischgrätz spielen zu wollen. Er hat verordnet, daß alle Privatwaffen heute zwischen 1 und 3 Uhr abgegeben werden. Nach Ablauf dieser Zeit sollen Haussuchungen gehalten werden; jeder, bei dem dann Waffen, welcher Art sie auch sein mögen, gefunden werden, wird vor ein Kriegsgericht gestellt. Unsers Wissens ist nur Windischgrätz in Wien so weit gegangen, die Privatwaffen in Beschlag zu nehmen.
Die politischen Gefangenen müssen jetzt die ganze Wuth der Behörden tragen. Lassalle wird fast ganz isolirt gehalten. Selbst seinem Vertheidiger ist neuerdings eröffnet, daß er nicht mehr ohne Erlaubnißschein des Oberprokurators zu ihm gelassen wird. Uebrigens haben wir erfahren, daß der berühmte Staatsprokurator v. Ammon auch zu seiner Zeit nicht verschmäht hat, den jeune Saedt zu spielen. Vor einigen Jahren war ein Düsseldorfer Bürger wegen Mißhandlung im Gefängniß. Die Frau desselben (damals eine sehr hübsche Frau) hätte erreichen können, daß ihr alle möglichen Zugeständnisse in Bezug auf die Verbindung mit ihrem Manne gemacht würden. Sie vergaß jedoch „höflich“ zu sein, und ihr Mann mußte die Folgen tragen — er wurde nach diesem Vorfalle auf das brutalste mißhandelt. Man sieht daraus, daß die Behörden, wenn man ihnen nur in angemessener Weise entgegenkommt, doch nicht so „unmenschlich“ sind.
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@facs1715
[ 103 ] Elberfeld, 17. Mai.
Die tricolore Reichsemeute ist zu Ende, abgethan wie alle Erhebungen durch den Verrath der Bourgeois und die Feigheit einiger, sich überall vordringenden jüdischen Demokraten-Spekulanten, mögen Sie aus dem folgenden kläglichen Verkauf dieser „einzig schwarz-roth-goldenen“ Barrikadenfarce urtheilen.
Nachdem gestern Nachmittag der hiesige Sicherheits-Ausschuß in der Sitzung beschlossen hatte, daß sämmtliche Freikorps die Stadt verlassen sollten, und Dr. Höchster seine Entlassung genommen hatte, wurden am Abend schon Vorkehrungen getroffen, der Freischaren sich zu entledigen. Dieselben wurden auf eine schmähliche Weise betrogen. Sie erhielten nämlich durch den Kommandanten v. Mirbach, den Befehl, morgen früh um 2 Uhr sich zu versammeln, um als Vorposten auszurücken, damit sie zeitig genug von dem Herannahen des Militärs benachrichtigt würden. Jeder erhielt 50 scharfe Patronen und ein tägliches Traktament von 15 S. nebst Verpflegung, es wurde ihnen nebenbei angedeutet, daß sie in den ersten Tagen nicht mehr zurückkehren würden. Zugleich forderte man sie nochmals auf, auf die Reichs-Verfassung zu schwören, und stellte ihnen frei auszutreten; nur zwei verheirathete Elberfelder traten zurück. Gegen 10 1/2 Uhr wurde Generalmarsch geschlagen und hierdurch die ganze Stadt in Bestürzung versetzt, denn Jeder glaubte, das Militär sei am Anrücken. Die Corps folgten dem Rufe und blieben ohne Nachricht bis am Morgen unter den Waffen. Gegen 6 Uhr sollten sie ausrücken; bevor sie jedoch abzogen, wollten sie sich der Person des gefangenen v. d. Heyet bemächtigen, zwangen ihn jedoch später sich mit 6000 Thlr. loszukaufen, die diesem habgierigen, schmutzigen Schmuggel-Agenten nur unter Drohung der Erschießung abgezwungen wurden.
Alle waren begeistert, den preußischen Schnapshorden entgegen zu ziehen, ahnten jedoch nicht, welch' perfider Verrath mit ihnen gespielt wurde.
Die Bürgerwehr, welche von dem Plan unterrichtet war, blieb ebenfalls die ganze Nacht unter den Waffen, und hören Sie nur die Gemeinheit dieser Bourgeoishunde, welche noch vor einigen Tagen selbst diese Besatzung zusammenberufen, und zu ihrer Unterstützung aufgefordert hatten, die Bourgeois gaben Feuer auf einige 50 dieser Freischaren, welche am Ende der Stadt sich nicht schnell genug entfernten. Es fielen 18 Schüsse, ob aber Einer geblieben ist, kann ich nicht sagen. Widersetzung fand nicht statt, da die Uebermacht zu groß war. — Die Uebrigen Freikorps, 1500 an der Zahl, sind ebenfalls der Reaktion in die Hände gespielt. Sie zogen mit dem guten Vorsatze dem Feinde entgegen, um bei seinem Herannahen sich allmälig auf die Stadt zurückziehen, und ihn so in dieselbe herein zu locken, indem sie alsdann hofften, daß Bürgerwehr und Schützen sie unterstützen würden; aber die feigen Krämer- und Beutelschneider-Hunde haben ihnen ein anderes Schicksal zugedacht: Im Fall sie vielleicht auf die Stadt zurückziehen und vom Militär verfolgt werden, soll ihnen die noble Besatzung Elberfelds, auf deren Aufforderung sie selbst hierher kamen, in den Rücken fallen, damit die betrogenen Narren des deutschen Reichsspuks, ja den Mordkanaillen des russischen Unterknäs in Potsdam nicht entgehen.
Das sind die Früchte die Elberfeld durch seine schwarz-roth-goldene Emeute erndten will; die Bourgeois, welche allein durch ihren prämeditirten Verrath den Angriff der Soldaten abhielten, werden durch ihre Feigheit der Achtung des tapfern Hohenzoller gewiß sein.
Nach dem Abzug der Freischaaren wurden sogleich die Barrikaden, zu deren Befestigung noch gestern hundert Mann gesucht wurden, weggeräumt, und heute Mittag 12 Uhr waren sämmtliche verschwunden, obschon deren über 100 gebaut waren. Die Stadt ist wieder für den kaufmännischen „Verkehr“ der Diebe und Beutelschneider geöffnet.
Der Kommandant der Bürgerwehr machte heute Morgen um 7 Uhr durch Anschlagzettel bekannt, daß die Bürgerwehr die Stadt in Besitz habe, und sämmtliche königl. Beamte sofort in ihre Funktionen eintreten möchten. Wie gezaubert sah man gleich Polizeisergeanten, welche man seit acht Tagen nicht mehr gesehen hatte, die Straßen entlang laufen und zum Wegräumen der Barrikaden kommandiren.
Die Mitglieder des Sicherheits-Ausschusses sind theils schon geflüchtet. Von den Anführern der Landwehr vermißt man blos Kirberg.
Bis jetzt, 3 Uhr Nachmittags, hat man noch keine Nachricht vom Anrücken des Militärs.
Was die hiesige Deputation von Berlin gebracht hat, schwebt im Dunkeln, doch geht das Gerücht, daß der potsdamer Unterknäs von Amnestie der politischen Verbrecher nichts wissen, dagegen aber die treue Stadt Elberfeld mit Schonung behandeln wolle.
Wenn die Revolution siegt, wird sie ebenfalls wissen, was sie mit dieser „treuen Stadt“ anzufangen hat.
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@facs1715
[ X ] Berlin, 16. Mai.
Die Entbindung des Ministeriums von einem, den jetzigen Zuständen angemessenen Wahlgesetz, scheint eine sehr schwere zu sein. Statt seines bringt der Staatsanzeiger uns täglich neue Geschenke, ohne welche das Gesetz nicht scheint ins Leben treten zu können. Heute erschien die Verkündigung des Standrechts, schon lange erwartet und doch höchst unerwartet. Man wird unwillkürlich an den Mythus erinnert, welcher erzählt, die Erzieherinnen des Zeus hätten furchtbaren Lärm machen lassen, damit Saturn das Geschrei seines Söhnleins nicht hören könne und nicht versucht werde, es zu verzehren. So scheinen auch Manteuffel, Brandenburg und Komp. furchtbaren Lärm mit Standrecht, Erschießen etc. zu machen, um das theure Wahlgesetz vor dem Appetit des Volkes zu retten. Jetzt, nachdem man sich gegen jeden frechen und unehrerbietigen Tadel der Raisonneurs hinlänglich gesichert hat, wird hoffentlich die Grundsteinlegung für das neue konstitutionelle Gebäude nicht lange auf sich warten lassen.
Auch die gute Nationalzeitung ist dem grausen Geschick unterlegen. Wrangel hat keine Gnade geübt. Vergebens also lavirte sie sechs Monate hindurch, um sich ein trauriges Dasein zu fristen, vergebens überbot sie sich in dem seichtesten Doktrinismus, das Damoklesschwert ist dennoch herabgefallen. Die Speuersche Zeitung ist nun das Organ des Radikalismus und wer weiß, wie lange selbst dies gesinnungsvolle Blatt sich noch der schönen Gewohnheit des Daseins und Wirkens erfreuen wird, ob noch lange Zeit Atropos-Wrangel sie verschonen wird!
Das Standrecht wurde heute früh verkündet. Es schien, daß selbst die Soldaten sich schämten, eine so schmachvolle Rolle zu spielen, denn schon am frühen Morgen zog eine Kompagnie durch die Straßen. An den Ecken traten 5 Mann aus dem Gliede und der Hauptmann verlas das Martialgesetz. In freier Rede setzte er hinzu, daß jetzt Jeder, der sich einem Abgeordneten der Obrigkeit, [1716] wer es auch sei, widersetze, ergriffen und dem Kriegsgericht überliefert werde. Vor und nach der Verlesung natürlich obligater Trommelwirbel. Auch an allen Ecken ist die Proklamation, das offenbarste Zeugniß der Schande Preußens, angeheftet und zahlreiche Gruppen lesen es. Eine erfreuliche Aufregung hat sich durch diesen neuesten Schritt des Ministeriums im Volk verbreitet. Wahrscheinlich wird man nicht säumen, sobald als möglich mit den Kriegsgerichten praktische Experimente anzustellen und einige Aufrührer zu erschießen. Berlin scheint solcher Reizmittel zu bedürfen und wir haben das Standrecht nie gefürchtet, sondern stets auf seine Proklamation gehofft.
Während unsere Belagerungszustands-Verhältnisse endlich anfangen wollen, aus dem heitern Lustspiel in eine tragischere Phase überzugehen, hält der Kongreß von Abgeordneten deutscher Staaten, welche zusammengekommen sind, Deutschland eine Verfassung zu oktroyiren, seine regelmäßigen Sitzungen unter dem Vorsitz des Hrn. v. Radowitz ([unleserlicher Text]). Es ist ein engerer Ausschuß für die Vorarbeiten gebildet worden und läßt sich schon jetzt voraussehen, daß die oktroyirte Verfassung zu der von der deutschen Nationalversammlung beschlossenen in demselben Verhältniß stehen wird, wie die Verfassung vom 5. Dez. zu den Arbeiten der Verfassungskommission der preußischen Nationalversammlung. Der Kongreß erfreut sich indeß nicht der gewünschten Einigkeit. Die Gesandten Hannovers stehen im ziemlichen Gegensatz den Bevollmächtigten Preußens, Sachsens, (welches jenem unbedingt folgt) und Baierns gegenüber. Der Differenzpunkt liegt besonders im Wahlrecht. Herr v. Radowitz besteht im Namen Preußens auf die drei Steuerklassen, während der hannoversche und in diesem Falle auch der baierische Bevollmächtigte nur eine engere Definition der Selbstständigkeit wünschen. Preußen wird nach diesem Reichswahlgesetz die Wahlen für die nächste 2. Kammer vornehmen lassen, da man sich immer noch nicht entschließen kann, vom Scheine des Rechts abzusehen. Die Gesandten der Monarchen von Würtemberg und Braunschweig verhalten sich nur konsultativ.
Einem Briefe aus Wien vom 14. d. M., entnehmen wir folgende, eben so erfreuliche Nachricht:
Ofen war vor allen Dingen in den Händen der Ungarn; die ganze Besatzung wurde bis auf zehn Mann niedergemacht, weil man nicht aufhörte, Pesth zu bombardiren. — Görgey hatte Preßburg umgangen und stand bei Göding, in der Nähe von Wien mit 85,000-90,000 Mann. Jeden Augenblick erwartete man sein Vorrücken gegen die Hauptstadt Oestreich's. Die Russen hatten bei Jablunka schon eine ziemlich bedeutende Schlappe bekommen. Ein Ereigniß, daß besonders seiner moralischen Wirkung wegen, von unberechenbarer Wichtigkeit ist.
Dembinski war nach Norden gerückt, um sie nachdrücklich zu empfangen. — Außerdem erzählt dieser, seiner Gesinnung nach Konservative, und deßhalb in solchen Angelegenheiten um so glaubwürdigere Korrespondent, daß sich das östreichische Heer in der traurigsten Lage befinde. Der junge Kaiser soll über den Zustand einiger Truppentheile in Thränen ausgebrochen sein und man spricht davon, daß mehrere der unfähigen Generale vor ein Kriegsgericht gestellt würden. Der Kaiser beabsichtigt, eine Proklamation an seine Völker zu erlassen, in der er besonders verspricht, festzuhalten an dem Versprechen der Gleichberechtigung aller Nationalitäten.
In Burg, bei Magdeburg, ist unter dem einen Bataillon des 20. (Berliner) Landwehrregiments der Unwille der Wehrmänner in offene Empörung ausgebrochen. Der Major desselben wurde schwer verwundet und General Wrangel hat heute den Befehl nach Burg geschickt, die aufrührische Landwehr, welche die sogenannten Rädelsführer nicht nennen wollte, zu decimiren.
Die Nachrichten aus Baden, welche heute Vormittag durch Privatmittheilungen hier schon eingetroffen waren, haben ungeheures Aufsehen erregt.
Am Sonntag wird der bekannte demokratische Edelmann, Herr von Holzendorf-Vietmansdorf, bei Vietmansdorf eine große Bauernversammlung abhalten, welche von großer Wichtigkeit ist, da die Uckermark bekanntlich bis jetzt immer für den allertreuesten Landestheil galt, aber in der letzten Zeit schon nicht undeutliche Zeichen von freierer Gesinnung darlegte.
A. Fould hat, wie wir hören, an einem hiesigen bedeutenden Bankier geschrieben, daß Frankreich allerdings an seiner östlichen Gränze, ein Observationskorps von 150,000 Mann zusammenziehen müsse, weil die russische Intervention in Ungarn in allen Klassen und Ständen des französischen Volks einen gleichen Unwillen hervorgerufen habe.
Die Nachrichten vom Rhein werden hier mit gespannter Aufmerksamkeit erwartet. Daß sich das treue Wupperthal empört hat, wurde am wenigsten vorausgesehen, und deßhalb ist der Schrecken des Ministeriums über die Katastrophe in Elberfeld, ein wahrhaft panischer gewesen. Auf diese Nachrichten hin, wurde in einem Ministerrath die Proklamation des Königs „An mein Volk“ beschlossen. Manteuffel und Rabe waren ganz entschieden gegen einen solchen Schritt, wurden aber durch die Partei Ladenberg überstimmt. Der Entwurf der Ansprache ist durch den König selbst verfaßt, wie dies auch aus jedem Worte hervorgeht. Die liberale Partei des Kabinets wollte wiederum die allzustarken Ausdrücke gemildert haben, drangen aber natürlich nicht durch.
Die Börse war heute, wie nach der Proklamirung des Standrechts nicht anders zu erwarten war, sehr gut gestimmt. Die Nachrichten aus Baden konnten diesen guten Eindruck nicht schwächen, da die Börsenlöwen eine baldige Unterdrückung der Erhebung in Baden und der Pfalz voraussagen.
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[ * ] Berlin, 16. Mai.
Die Segnungen der „Neuen preußisch-russischen Constitution“ werden durch folgende Bekanntmachung auch über „Meine lieben Berliner“ ausgeschüttet:
„In Erwägung, daß die Gründe, welche die durch Beschluß des Staats-Ministeriums vom 12. November v. J. ausgesprochene Verhängung des Belagerungszustandes über die Hauptstadt bedingten, noch nicht beseitigt sind, in Erwägung ferner, daß noch in neuester Zeit in hiesiger Stadt Versuche und Bestrebungen, Aufruhr zu erregen, hervorgetreten sind, in Erwägung endlich, daß ein Zustand, welcher die Aufhebung der für Berlin angeordneten Ausnahme-Maßregeln gestattet, nur durch kräftige und vollständige Anwendung aller gesetzlichen Mittel herbeigeführt werden kann, beschließt das Staats-Ministerium:
1) Der über Berlin und seinen zweimeiligen Umkreis verhängte Belagerungszustand bleibt einstweilen nach den Bestimmungen und unter der Form des Gesetzes vom 10. Mai c. fortbestehen;
2) die Artikel 5, 6, 7, 24, 25, 26, 27 und 28 der Verfassungs-Urkunde vom 5. Dezember v. J. werden für die Dauer des Belagerungszustandes außer Kraft gesetzt;
3) der Oberbefehlshaber in den Marken, General der Kavallerie, von Wrangel, wird mit Ausführung dieser Verordnung beauftragt.
Berlin, 14. Mai 1849.
Königliches Staats-Ministerium.
Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Manteuffel. von Strotha. von der Heydt. von Rabe. Simons.
Nach vorstehendem Beschlusse des Königlichen Staats-Ministeriums verbleibt es bei den zur Aufrechthaltung der Ordnung während des Belagerungszustandes von mir erlassenen Bestimmungen, und wird das Kriegsgericht angeordnet, welches die in §§ 8, 9 und 10 des Gesetzes vom 10. d. Mts. vorgesehenen Verbrechen und Vergehen zu untersuchen und darüber abzuurtheilen hat.
Berlin, 15. Mai 1849.
Der Oberbefehlshaber in den Marken: von Wrangel.“
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[ 61 ] Breslau, 14. Mai.
Die Transporte der Kosakenhorden nach Deutschland dauern fort und verhindern das regelmäßige Eintreffen von Nachrichten aus Oestreich. Zudem hat der Belagerungszustand unsere beiden sogenannten Volksorgane so feig gemacht, daß sie selbst die wenigen Nachrichten vom Kriegsschauplatze, die sie noch erhalten, nicht zu veröffentlichen wagen, wenn dieselben zu Gunsten der Magyaren sprechen. Insbesondere zeichnet sich hierin widerum die als radikal-demokratisch verschrieene Oderzeitung aus und unterdrückte unter anderen z. B. die ihr vor einigen Tagen zugekommene Mittheilung, daß die Magyaren aus England 10,000 Brandraketen erhalten. Die demokratische Oderzeitung läßt sich von der Brüderschaft — nicht der Völker — der Russen und des Herrn von Hohenzollern, sie läßt sich von des letztern Staatsverfassung vom 10. Mai und vom § 8 der Breslauer Verfassung des Herrn Moets imponiren, und weiß sich danach recht jüdisch-kalkulirend russenfreundlich zu benehmen.
Ein anderer Grund, weßhalb uns Nachrichten fehlen, ist der, daß die Russen, wo sie in Oestreich eingerückt sind, das Seif-Governement in die Hand genommen haben und die östreichische Nordbahn samm. der Post à la russe beherrschen, — d. h. den Grenzverkehr z. B. hermetisch versperren, die Briefe öffnen und vernichten u. s. w. Der Olmützer Unterknäs hat das Handwerk noch nicht vollständig verstanden, darum ist der Petersburger Oberknäs ihm auf den Leib gerückt.
Man sieht die preußischen Soldaten jetzt ziemlich vereinzelt gehen, die frühere Volksfreundschaft scheint ganz aufgehört zu haben. Es sieht im Vergleich mit dem Sonst komisch aus, mit welcher Salonsdelikatesse die preußischen Lieutenants gegenwärtig die Soldaten behandeln, welche sie in der Nacht vom 7. und 8. mit Schnaps und Fleischschnitten so trefflich zum Todschießen des Volks zu fanatisiren gewußt haben.
Am 7. und 8. hat sich hier kein einziger Student weiter gerührt, als bis zum Bierkneippen.
Als das französische Volk den mit dem Namen Napoleon gezeichneten Stier von Uri zu seinem Präsidenten wählte, schrieb ich Ihnen aus Wien, daß der Absolutismus diese Wahl als einen Sieg seiner Sache betrachte. Aber die Demokratie meinte damals, die Wahl des Stier's von Uri sei blos eine Negation des Schlächters Cavaignac. Sie bedeutete indessen mehr, denn sie bedeutete das, was der Absolutismus wollte. Ich erfahre nämlich aus zuverlässiger Quelle, daß der Stier von Uri in die Verschwörung der europäischen Contrerevolution ganz entschieden und direkt verwickelt ist und seine obersten Verhaltungsbefehle unmittelbar aus dem Hauptquartier zu Petersburg erhält. Die Sache wurde durch den moskowitisch begnadeten Napoleoniden Leuchtenberg mit dem Stier von Uri eingeleitet. Eine Cäsarewna und ein Kaiserthron wurden in Aussicht gestellt, wenn der Stier den Ordres des Oberknäs getreulich parire. Wie er Wort gehalten, zeigt die Schandgeschichte, welche das französische Volk seit seiner Wahl durchgemacht. Auch der Stier hat den Befehl, wie Brandenburg, vor keiner Kammermajorität zu weichen und nur solche Kreaturen im Ministerium zu dulden, welche ihm von Petersburg aus bezeichnet werden. Der dortige Oberknäs verwaltet also jetzt schon ganz Europa. Ich habe diese Mittheilungen von französischen Kuriren, die Breslau passirt haben und versichern, daß der Reichsverweser Johann zwischen Paris und Petersburg der thätigste Zwischenhändler des allgemeinen Knäsenkomplots zur Ermordung der Völker sei. Daß der illegitime Stier von Uri am Ende überall der Erwischte sein würde, brauche ich kaum zu bemerken.
In unserem Belagerungszustande ist keine Veränderung eingetreten; die Ausweisung der sogenannten Fremden wird unnachsichtlich gehandhabt, die Lieutenants genießen fleißig Morgenschnäpse. Die Lieutenantsweiber schimpfen auf den demokratischen Pöbel und streicheln auf der Straße Rekruten- und Landwehrmänner, die Bourgeois reden von Anarchie und die jüdischen Spekulanten à la Friedmann bekehrer je nach den Umständen.
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[ * ] Bunzlau (Schlesien), 2. Mai.
Wie weit die gepriesene Disciplin in „Meinem herrlichen Kriegsheer“ schon gediehen ist, davon gibt das hier erscheinende Blatt „Fortschritt“ in nachstehender verbürgten Mittheilung eine eklatante Probe.
„Am Abende des Bußtages“, meldet genanntes Blatt, „wurde von einigen Soldaten des 8. Landwehr-Regiments hierorts, (unter Commando des Major Grafen Lüttichau), eine Frevelthat verübt, welche nicht nur die Grenzen der größten Sittenlosigkeit, als auch der Bosheit fast überstieg. Diese Leute hatten ein Mädchen aufgegriffen, demselben sämmtliche Kleider über dem Kopfe zusammengebunden, und auf diese Weise mit ihr auf offener Straße sich herumgebalgt, das Mädchen bei den Beinen gefaßt und mit dem nackten Körper auf dem Pflaster geschleift. Einem hinzutretenden Manne, (Eisenbahnbeamten Walter), welchen diese Burschen wegen ihres schändlichen Treibens anging, widerfuhr die Ehre, von der Patrouille, welche inzwischen hinzugekommen war, in Arrest geschleppt zu werden. Der Tumult dauerte fast zwei Stunden!“
Solches geschieht von den Stützen der christlich-germanisch-hohenzollern'schen „Ruhe und Ordnung!“
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[ * ] Dresden, 13. Mai.
Zu den Nichtswürdigkeiten deren sich die reactionäre Partei bedient hat, verdient namentlich die Giftmischerei des Hoflieferanten H—. gezählt zu werden. Es hat dieser Schuft Liqueur und bairisch Bier mit Opium versetzt, unter der Maske der Freundschaft an die Barrikadenhelden verabreicht, und somit viele untauglich gemacht. Und ebenderselbe hat auch geheime Durchgänge durch Häuser den Soldaten angewiesen.
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Karlsruhe, 15. Mai.
Der seitherige Großherzog von Baden floh in die rheinbaierische Festung Germersheim, Markgraf Wilhelm nach Stuttgart, Markgraf Max nach Frankfurt. In welchen Winkel die volksverrätherischen Minister sich begeben haben, ist nicht bekannt; man erwartet stündlich Steckbriefe.
Als Mitglieder des Landesausschusses sind noch zugezogen worden: Struve, Damm und Ziegler.
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[ * ] Karlsruhe, 14. Mai.
Die „Karlsruher Zeitung,“ bisher das Organ der unverschämtesten Reaktion, jetzt in ein Organ des „Landesausschusses“ umgewandelt, enthält Folgendes:
Dreizehn Monate harten Kampfes, dreizehn Monate schwerer Opfer sind voruber. In solcher Zeit hat uns nur die Hoffnung aufrecht erhalten, daß unser schönes Vaterland die Freiheit erringen, und daß ein Bruderband alle Deutschen umschlingen werde Doch kaum ist die deutsche Verfassung endgültig von den Vertretern der Nation festgestellt, so tritt die Verschwörung der Könige, ihre landesverrätherische Verbindung mit dem Czaren von Rußland zue Knechtung des deutschen Volkes, welches im vorigen März seine Großmuth bethätigt hat — es tritt die Contrerevolution keck und unverschleiert hervor. Nochmals soll die absolute Fürstenherrschaft gegründet, nochmals sollen die Ketten geschmiedet werden, die wir im März verflossenen Jahres zerrissen haben. Mitbürger! In einem solchen Kampfe konnte die tapfere Armee, konnten unsere und euere Brüder nicht zweifelhaft sein, daß ihre Pflicht sie auf die Seite des Volkes rief; sie haben es erkannt, daß sie, die Söhne des Vaterlandes, für die Freiheit des Volkes, für die Einheit der deutschen Lande, und für die Größe der Nation fechten sollen. Die Armee hat sich daher mit uns verbunden. Sie kämpft nicht gegen das Volk, sie kämpft nur gegen die Feinde der Freiheit und des Vaterlandes. Diese Verbindung des Heeres mit dem Volke war offenbar kein Grund, daß der Großherzog geflohen ist, wozu ihm verrätherische Minister den Rath gegeben, die dann die Regierung verließen und die Geschäfte des Landes dem Ungefähr anheimstellten. Mitbürger! Eingedenk der Verpflichtung, die wir gegenüber der großen Landesversammlung in Offenburg übernommen, und folgend dem Rufe der Gemeindebehörde hiesiger Stadt, sind wir heute Mittag an der Spitze unserer braven Soldaten hier eingezogen. Wir werden unsere Kräfte daran setzen, bei der Erringung eines volksmäßigen Staatszustandes die volle Freiheit der Person und den Schutz des Eigenthums zu wahren. Wir werden Alles aufbieten, um die Regierungsmaschine im Gang zu erhalten; wir werden auf dem Platze bleiben, den die Pflicht und der Ruf des Volkes uns angewiesen, bis das Volk selbst über die Regierung das Nöthige verfügt hat. Mitbürger! unsere Aufgabe ist eine schwierige. Aber wir fühlen in uns den kräftigen Willen, sie zu lösen. Unterstützt uns überall in unserem Beginnen, und wir zweifeln nicht, daß die Freiheit zum Siege gelangen wird.
Der Landesausschuß.
Namens desselben:
Brentano. Heinrich Hoff. Richter. A. Soegg. Werner. R[unleserlicher Text]hmann.
Karlsruhe, 14. Mai 1848.
An sämmtliche Gemeindebehörden des Landes. In Folge der letzten Ereignisse haben viele Soldaten des badischen Armeecorps ihre Garnisonsorte verlassen. Dieselben werden hiermit aufgefordert, so schnell als möglich zu ihren Heeresabtheilungen wieder zurückzukehren, um der Sache der Freiheit nützlich zu sein. Alle Gemeinden des Landes werden beauftragt, die Soldaten, welche ihre Garnisonsorte verlassen haben, mit allen ihnen zustehenden Mitteln in ihre Garnisonsorte zurückzubringen.
Im Auftrag der Exekutivkommission: Eichfeld.
Karlsruhe, 14. Mai 1849.
Aufforderung an die Offiziere. Sämmtliche Offiziere, die in Folge der jüngsten Ereignisse nicht mehr bei ihren Fahnen stehen werden aufgefordert, sich dem Kriegsministerium zur Verfügung zu stellen, insofern ihnen die Freiheit des Volkes und das Wohl des großen deutschen Vaterlandes am Herzen liegt, und sie sich zu deren Vertheidigung verpflichtet fühlen
Im Auftrag der Exekutivkommission: Eichfeld.
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[ * ] Ludwigshafen, 17. Mai.
Fr. Anneke ist zum Commandeur der Artillerie hierselbst ernannt worden.
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[ * ] Offenburg.
In der großen, von mindestens 25,000 Menschen besuchten Volksversammlung wurde, nachdem die Deputation aus Karlsruh mit einer ablehnenden Antwort zurückgekehrt war, folgende Erklärung erlassen:
„Deutschland befindet sich fortwährend im Zustand voller Revolution, aufs neue hervorgerufen durch die Angriffe der größern deutschen Fürsten auf die von der deutschen Nationalversammlung endgültig beschlossene Reichsverfassung und die Freiheit überhaupt. — Die deutschen Fürsten haben sich zur Unterdrückung der Freiheit verschworen und verbunden; der Hochverrath an Volk und Vaterland liegt offen zu Tage; es ist klar, daß sie sogar Rußlands sämmtliche Armeen zur Unterdrückung der Freiheit zur Hülfe rufen. — Die Deutschen befinden sich also im Stande der Nothwehr, sie müssen sich verbinden, um die Freiheit zu retten; sie müssen dem Angriff der fürstlichen Rebellen den bewaffneten Widerstand entgegensetzen. Die deutschen Stämme haben die Verpflichtung, sich gegenseitig die Freiheit zu gewährleisten, um den Grundsatz der Volkssouveränität vollkommen durchzuführen; sie müssen sich daher unterstützen überall, wo sie angegriffen werden. Das badische Volk wird daher die Volksbewegung in der Pfalz mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln unterstützen.“
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[ 103 ] Kaiserslautern, 16 Mai.
Die Bewegung, welche vor 10 Tagen in der Pfalz begonnen, hat während dieser Zeit alle Klassen der Bevölkerung ergriffen, so daß jetzt alt und jung, reich und arm, wie ein Mann für die Reichsverfassung steht.
Seit dem 13. Mai sind zwei Drittel vom 6. baierischen Regiment hier angelangt, und gestern trafen wieder 100 Mann Jäger nebst vielen Rekruten ein, deßgleichen Cheveauxlegers aus Zweibrücken, Kannoniere aus Landau u. s. w., die sich sämmtlich für die Volkssache erklärt haben. Auch ein Jäger-Offizier, Lieutenant Stöse, kam an. Er wurde von den Soldaten, bei denen er sehr beliebt ist, mit lautem Jubel begrüßt, leistete den Schwur auf die Reichsverfassung, und empfing darauf von dem Landesausschusse die Bestallung als Hauptmann. — Ebenso hat die kleine Besatzung von 33 Mann, welche von dem Militär zum Schutze des hiesigen Centralgefängnisses zurückgelassen und im Vertrauen auf ihre volksfreundlichen Gesinnungen von dem Landesausschusse geduldet worden war, gestern den Schwur auf die Reichsverfassung abgelegt. — Die Nachrichten aus Baden erregen Jubel und Begeisterung. In Rheinhessen hat der ehemals Reichstagsabgeordnete Zitz ein wohlbewaffnetes Korps von 1800 Mann zusammen gebracht und sich zur Verfügung des Landesausschusses der Pfalz gestellt. Er ist gegenwärtig im Alsenzthale postirt, wo man den ersten Angriff der Preußen von dem benachbarten Kreuznach aus erwartet. Gestern sind 200 Mann vom 9. und 6. Regiment in dieses Thal dirigirt worden, um jenes Korps zu verstärken. — Gleichzeitig brach Anneke an der Spitze einer aus Soldaten und Studenten gebildeten Kerntruppe von 1200 Mann nach Ludwigshafen auf, um die badische Bewegung zu unterstützen. — Nachdem Sachsen gefallen, sind große Hoffnungen auf die Pfalz und Baden gerichtet. Die Bevölkerung dieser Länder wird diese Hoffnungen nicht zu Schanden werden lassen. Schon stehen 10,000 Freiheitsstreiter unter den Waffen, und eben werden Anstalten getroffen, noch 12,000 Mann dazu auszuheben. Steht auch Würtemberg, so dürfte über den Ausgang des bevorstehenden Kampfes kaum ein Zweifel obwalten. Was die Stellung der Pfalz zur baierischen Regierung anlangt, so sind bereits in allen Kantonen der Pfalz Abgeordnete gewählt, um Morgen hier zusammenzutreten und definitive Entscheidung über die nächste Zukunft des Landes zu fassen.
Französische Republik.
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[ 12 ] Paris, 16. Mai.
Rouge! rouge! rouge! Roth gewinnt; die rothe Republik ist am Vorabende ihres Sieges: die Niederlage der Reaktionäre, der Triumph der Demokraten, mit dieser Genugthuung beschließe ich freudig meine Artikel über Frankreich. Die Demokraten! Als wenn es noch Demokraten gäbe! Nein, die Sprache ist frei geworden, es heißt nicht mehr Demokraten, es heißt die Rothen. Wie viel Stimmen haben die Rothen in dieser oder jener Sektion? Wie viel Stimmen haben die Rothen in diesem oder jenem Departement? So begrüßt man sich auf der Straße, in den Café's, allenthalben. Das Wort, das in den Junitagen so ungeheures Entsetzen erregte, das lebt jetzt in aller Munde. Die Sache, welche die Rheinische Zeitung während des Junikampfes vertrat, die Sache, für welche die Rheinische Zeitung nach der Juniniederlage auftrat, als kein einziges französisches Journal sie offen in Schutz zu nehmen wagte, das ist die siegreiche Sache geworden. Demokraten! Sozialisten! Wer spricht jetzt noch von Sozialisten? Der Telegraph kennt nur die rothe Sprache; der Telegraph berichtet nur von der rothen Liste, und die rothe Liste hat bereits gesiegt in Paris und in der Armee. Mit Schrecken gestehen die reaktionären Journale ein, daß man jetzt nicht mehr auf die Garnison zählen dürfe; denn die Garrnison hat für die Rothen gestimmt. Die Armee hat den Unteroffizier Boichot über den General Changarnier gesetzt; und nach allen Berichten, die bis jetzt eingelaufen, verhalten sich die Stimmen, die Boichot erhalten, zu denen, die dem Changarnier zugefallen, wie hundert zu zwei. Der Sieg von mehr als 22 rothen Kandidaten in dem Seinedepartement ist bereits zugesichert, und mit jedem neuen Siege der Rothen werden die Bleichen noch bleicher und fallen die Kurse!
Das Seinedepartement, d. h. Paris und die Armee roth! Was bedarf es da noch des weitern Sieges? Vergebens haben die Bourgeois die Rothen zuerst ausgehungert, dann niederkartätscht und dann zu Tausenden in den Pontons verschmachten lassen; vergebens hat ein Ministerium Barrot-Faucher die Associationsfreiheit unterdrückt, die Klubs untersagt, die Presse verfolgt und die Militärs, welche die rothen Journale lasen, eingesteckt. Die Rothen siegen und die Blassen erblassen täglich, stündlich mehr.
Sonderbar! Selbst in dem ersten Arrondissement, d. h. in demjenigen Quartier, das hauptsächlich von der Geldaristokratie bewohnt wird, haben die Rothen 25 Stimmen auf 100 erhalten. Es sind dies die Stimmen aller jener Industriellen und Boutiquiers, jener kleinen Bourgeoisie, die nach der Junischlacht durch die gerichtliche Liquidation rücksichtslos aufgeopfert wurde von der gro- [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.