Deutschland.
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@facs | 1671 |
Edition: [Friedrich Engels: Offensive der Kontrerevolution und Sieg der Revolution, vorgesehen für: MEGA2, I/9.
]
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] Köln, 9. Mai.
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@facs | 1671 |
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24
] Breslau, 8. Mai.
In aller Eile berichte ich Ihnen kurz über die gestrigen Ereignisse. Der Kampf brach Nachmittags aus. Er begann auf der Glauerstraße. Eine Menge Barrikaden
wurden in verschiedenen Straßen gebaut und viele davon mit großer Energie vertheidigt. Auf beiden Seiten gab's viele Todte und Verwundete. Das Militär hat bedeutende Verluste erlitten.
Heute früh ist die Stadt in Belagerungszustand erklärt, das Versammlungsrecht aufgehoben, die Censur eingeführt, die Entwaffnung sämmtlicher Bürger etc. ausgesprochen worden.
Die hierauf bezügliche Verordnung ist unterzeichnet: „Graf v. Mons, Oberst und Brigade-Commandeur.
Die Bourgeoisie und die Bourgeois-Demokraten haben sich jämmerlich feig benommen, während die Arbeiter, ohne die gehoffte und gewohnte Führung, sich brav geschlagen haben.
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@facs | 1671 |
Edition: [Friedrich Engels: Reichstruppen in Jütland eingerückt, vorgesehen für: MEGA2, I/9.
]
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] Altona, 7. Mai.
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@facs | 1671 |
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] Dresden, 8. Mai, Morgens.
Der Kampf hat gestern den ganzen Tag mit der größten Erbitterung fortgedauert. Der Sieg neigte sich dem an Zahl, Bewaffnung, Munition,
Verproviantirung und Artillerie überlegenen Militär zu. Aber jede Barrikade, jedes Haus, jede Straße wurde bis aufs Aeußerste vertheidigt und kostete viele Opfer. Um 10 Uhr gestern Morgen
rückte das zweite Bataillon des preußischen Alexanderregiments ein und nahm nach kurzer Rast am Kampfe Theil. Die Artillerie der Königlichen wirkte entscheidend. Am Abend war der ganze nördliche und
östliche Theil der Stadt bis an die Rosmaringasse, das Gewandhaus und der Kreuzthurm in den Händen des Militärs. Die Chefs der Insurgenten sollen entfliehen, da Dresden mit Cavalleriepikets cernirt
wird. Außer Oberstlieutenant Hentze soll auch der ehemalige preußische Abgeordnete Schramm, der sich sehr am Aufstand betheiligte, gefangen sein.
Das Militär ist mit großer Brutalität verfahren. In den Hotels de Rome und de Saxe wurde Alles massakrirt, unter Andern auch der dort logirende kranke Prinz v. Schwarzburg-Rudolstadt.
Heute Morgen ist das 3. Bataillon des Alexanderregiments eingetroffen.
(Nach telegraphischer Depesche im „Pr. St.-A.“ ist am 8. auch ein Bataillon des 24. Regiments (Preußen) in Dresden angekommen. Von der preußischen Lausitz, preußisch Sachsen und
Schlesien ziehen Massen von Truppen nach Dresden.
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@facs | 1671 |
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] Aus Süddeutschland, 8. Mai.
Die baierische Regierung und die deutsche Centralgewalt gehen Hand in Hand zur Unterdrückung der pfälzer Bewegung. Landau ist in
Belagerungszustand erklärt. Der Gemeinderath hat protestirt. Das 2. Bataillon des preußischen 28. Inf.-Regts. wird erwartet (soll bereits eingezogen sein). Der Reichskommissar Eisenstuck hat eine
schlappe, märzvereinliche Erklärung erlassen, und fordert zur Gesetzlichkeit auf. Aus Altbaiern sind 1000 Mann Infanterie und eine Schwadron über Mannheim angekommen. Dagegen hat der Bürgerwehrkongreß
zu Kaiserslautern alle Männer von 18-30 Jahren unter die Waffen berufen. Jeder Kanton stellt ein Bataillon, jeder Bezirk ein Regiment, die ganze Pfalz 4 Brigaden. Die Gemeinden sorgen für Waffen und
Munition. Die Volksversammlung zu Neustadt am 6., 12,000 Köpfe stark, wollte von Eisenstuck'scher Vermittelung nichts wissen und blieb dem Landesvertheidigungsausschuß treu. — Proteste
gegen Truppenzuzüge, Aufrufe an die Soldaten, Aufforderungen zur Bewaffnung kommen aus allen Theilen des Südens, besonders aus Baden an. — In Gießen hat die Bürgerwehr ein Auszugsbataillon
gebildet.
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@facs | 1671 |
Frankfurt, 8. Mai.
Sitzung der National-Versammlung.
Vicepräsident Bauer von Bamberg eröffnet die Sitzung 9 1/2 Uhr Vormittags.
Ausgetreten ist Herr Pfeuser aus Landshut
Eine Interpellation Schoder's wird zurückgelegt; eine andere Venedey's an das Reichskriegsministerium kann nicht zur Vorlesung kommen, weil die Minister nicht anwesend
sind.
Umbscheiden trägt auf sofortige Vorladung des Ministeriums an und weist auf die dringenden Ereignisse in der Pfalz hin.
Heisterbergk auf den noch fortwährenden Kampf in Dresden.
Plathner: Es handelt sich darum, ob wir die Tagesordnung erledigen und dem Ministerium dadurch für seine wichtigen (!) Berathungen einige Stunden Zeit lassen wollen. (Die Linke drängt sich
gegen die Tribüne, indem sie den Redner durch Zwischenreden unterbricht)
Schmidt von Löwenberg: Die Truppen, die das Reichsministerium in die Pfalz gesendet hat, sind geschickt zur Unterdrückung der „anarchischen Bewegung“ — so geht man um
mit dem Blute des Volkes! (Wüthendes Geschrei und Lärmen, unter welchem der Reichskriegsminister Hr. v. Peucker eintritt.)
Vicepräsident Bauer: Eine der Interpellationen betrifft die sächsischen Verhältnisse. Ich stelle die Frage, ob die Dringlichkeit der Interpellation anerkannt wird.
Die nöthige Anzahl von Mitgliedern erhebt sich nicht für die Dringlichkeit. Bewegung furchtbarer Empörung von der linken Seite.
Vicepräsident Bauer: Die Handhabung des Vorsitzes, die Berathung überhaupt wird durch solch ein Gebahren unmöglich. Ich hebe deshalb die Sitzung auf. Ich vertage sie bis
„Donnerstag“ (!!!).
Darauf drängt sich die Linke mit dem Rufe gegen das Bureau: „das ist Verrath! wir weichen nicht. Geht Ihr, so setzen wir allein die Sitzung fort!“ Nachdem das Getöse eine Zeitlang
fortgewährt hat, ohne daß irgend Jemand den Saal verläßt, tritt eine allgemeine Stille ein bei dem Erscheinen des Präsidenten.
Eduard Simson auf der Tribüne: Nachdem der Herr Vicepräsident Bauer die Sitzung aufgehoben und bis Donnerstag vertagt hat, so benutze (!) ich die zufällige (!) Anwesenheit der Mitglieder der
Reichsversammlung in diesem Raume zu der Ankündigung, daß 110 Mitglieder schriftlich eine außerordentliche Sitzung verlangt haben. Unserm Beschlusse vom 30. April gemäß, muß diesem Antrage
gefügt werden und so lade ich Sie ein, heute Mittags 12 Uhr zu derselben hier zu erscheinen. (Beifall, wonach sich die Versammlung trennt.)
Außerordentliche Sitzung Mittags 12 Uhr.
Der Präsident Simson eröffnet die Sitzung bald nach 12 Uhr Mittags mit der Austrittsanzeige des Hrn. Osterrath aus Danzig.
Es liegen fünf die Verhältnisse der baierischen Rheinpfalz betreffende Interpellationen vor.
Nachdem die Dringlichkeit desselben anerkannt ist, erfolgt die Verlesung der Interpellation des Herrn Schoder: wegen des Durchmarsches baierischer Truppen durch Würtemberg zur Unterdrückung der
Bewegung der Pfalz für die Reichsverfassung, und ob dieser Durchmarsch ungehindert stattfinden solle?
der von Schlöffel: über die Absendung preußischer verfassungsfeindlicher Truppen in die Pfalz;
von Umbscheiden: ebenfalls wegen des in die Rheinpfalz abgesendeten preußischen Militärs, wegen der Verwahrung, die der baierische Bevollmächtigte gegen Absendung eines Reichskommissars eingelegt
haben soll und wie dem Bürgerkriege in der Pfalz vorgebeugt werden solle;
des Herrn Würth von Sigmaringen: ebenfalls über die Truppensendungen in der Pfalz.
Die Interpellation Nauwercks endlich wird zurückgenommen.
Da die Angelegenheit des Königreichs Sachsen ebenfalls als eine dringliche anerkannt wird, so erfolgt ferner die Verlesung der Anfrage von Erbe, Heisterbergk und Genossen: wegen des Einmarsches der
Preußen in Sachsen und ob das Reichsministerium gesonnen sei, dem Staate Sachsen thatsächliche Hülfe dagegen zu leisten.
In derselben Richtung bewegt sich die zweite Anfrage Venedey's.
Gagern bedauert zunächst die Aufregung, die heute morgen über die Abwesenheit des Ministeriums entstanden sei, und rechtfertigt letztere. Ueber die Haltung des Ministeriums zu der Bewegung
in Deutschland will Gagern morgen, spätestens übermorgen Mittheilung geben. Wegen Sachsen hat Watzdorf das ihm durch Wydenbrugk überbrachte Reichskommissariat abgelehnt, und ist Briegleb aus Koburg zu
seiner Stellvertretung abgesandt worden. Der Reichsminister ersucht, dessen Berichte zu erwarten.
Reichskriegsminister Peucker auf die Interpellation des Herrn Schoder:
Sowohl nach der alten Bundesverfassung als nach § 13 der neuen Reichsverfassung hat jeder Einzelstaat die freie Verfügung über seine bewaffnete Macht in so weit solche nicht für den Dienst des
Reichs in Anspruch genommen Die Centralgewalt hat dem nach der Pfalz entsendeten Reichskommissär, behufs Wahrung des Reichsfriedens, auch die bewaffnete Macht daselbst zur Verfügung gestellt.
(Beifall.)
Auf die Interpellation des Herrn Schlöffel: Dem Reichskriegsministerium ist bekannt, daß in der Person des Abgeordneten Eisenstuck ein Reichskommissar in die Pfalz gesendet worden ist, welcher den
Auftrag erhalten hat, sich zur Aufrechthaltung(!) oder Wiederherstellung (!!) der Herrschaft der Gesetze (!!!) mit den Militär- und Civilbehörden in Verbindung zu setzen (!!!!)
und Fürsorge zu treffen, damit die von einem sich selbst konstituirten (!) Landesvertheidigungs-Ausschuß gefaßten Beschlüsse, welche in den Wirkungskreis der bestehenden gesetzlichen Behörden (!!)
eingreifen, wieder aufgehoben werden, oder erforderlichenfalls solche von Reichswegen selbst aufzulösen (Links Zischen) und Alles vorzukehren, was die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt
Deutschlands dort fordern (!!!). Der Kommandant der Reichs- und Grenz-Festung Landau zeigt durch einen hierhergesandten Offizier in der Nacht vom 6. zum 7. d. M. an, daß der gegenwärtige Bestand des
ihm anvertrauten Reichsplatzes die nöthige Gewähr für die Erhaltung desselben nicht mehr darbiete, daß die einberufenen Beurlaubten dem an sie ergangenen militärischen Befehl nicht gehorcht und nicht
eingekommen seien (links Beifall, Zischen rechts), daß der nach eingegangener Meldung bekannt gewordene Aufenthalt ausländischer Offiziere (!!) an der französischen Grenze (!!) zu Besorgnissen
Veranlassung gebe (!!) (hört!) und daß vorausgesetzt werde, daß der Reichs- und Grenzfestung Landau irgend ein Handstreich drohen könne (!!!). Der Kommandant habe sich daher genöthigt gesehen, nach
Maßgabe des dort gültigen französischen Gesetzes vom 24. Dez. 1811, die Festung in den Kriegszustand zu erklären und trage auf unverzügliche Verstärkung der Garnison des Platzes demzufolge bei der
Reichsgewalt an. Die provisorische Centralgewalt hat in Erfüllung ihrer Pflicht, die Verstärkung des Platzes mit 2 Bataillonen derjenigen Truppen verfügt, welche am nächsten in Bereitschaft standen,
und dazu ein Bataillon der im Reichsdienst stehenden Besatzung der Reichsfestung Mainz und ein Badisches Bataillon von Mannheim bestimmt. Die gedachten beiden Bataillone haben keine andere Bestimmung,
als die Wahrung des gedachten Reichs-Platzes. Andere Truppen sind von Reichswegen nicht nach der Pfalz gesendet.
In Folge dieser Antwort stellen Ludwig Simon und Vogt den Antrag:
„In Erwägung, daß die Volkserhebungen in der baierischen Pfalz und in Sachsen die Durchführung der Reichsverfassung zum Gegenstand haben, daß daher der Reichsfrieden durch Unterstützung
dieser Erhebungen gegen die renitenten Regierungen, nicht aber durch Bekämpfung derselben zu bewirken ist — beschließt die National-Versammlung:
die Volkserhebungen in Sachsen und der baierischen Pfalz sind zur Durchführung der Reichsverfassung thatkräftig zu stutzen und zu schützen.
Die Antragsteller wollen ihren Antrag als einen dringlichen behandelt und die Berathung darüber auf die morgende Sitzung 10 Uhr Vormittags unter Schließung der heutigen vertagt sehen.
Hr. Schmidt von Löwenberg verwahrt sich gegen den Schluß der Sitzung, denn er hat mit mehreren Genossen einen Antrag eingebracht, das Reichsministerium des Kriegs in Anklagestand zu
versetzen eben seines Verfahrens gegen die Rheinpfalz wegen.
Die Antragsteller legen diesem Verlangen nachstehende Urkunde in bebeglaubigter Abschrift zu Grunde:
Frankfurt a M., den 6. Mai 1849.
Das Reichsministerium des Kriegs an das Kommando der großherzogl. badischen Truppen zu Mannheim.
Das Kommando der großh. badischen Truppen zu Mannheim wird hierdurch ersucht, Angesichts dieses zur Sicherung der Reichsfestung Landau, gegen die in der Pfalz ausgebrochene Schilderhebung, welche
diesen wichtigen Grenzplatz ernstlich bedroht, durch Eisenbahn eines der beiden dort stehenden badischen Bataillons, mit Zurücklassung der noch ganz unbrauchbaren Rekruten und durch Marsch einer
Eskadron des dortigen Dragonerregiments nach Landau zu senden und zur Verfügung des dortigen Gouvernements zu stellen, bis dessen Ablösung durch anderweitige Truppen möglich wird.
Der Reichskriegsminister, Peucker.
Für die richtige Abschrift Mannheim, 7. Mai 1849.
Der Garnisonskommandant
Roggenbach, Oberst.
Herr Schmidt verliest diesen Antrag, wornach sich das Reichskriegsministerium des Verraths am Volke schuldig gemacht, und das Gesammtministerium sofort den Rückzug sämmtlicher Reichstruppen aus der
Pfalz zu verfügen hat. Von den Herren Dietsch und Schütz liegt ein gleicher Antrag auf in Anklageversetzung des Reichskriegsministeriums vor. Beiden Anträgen wird vom Hause die Dringlichkeit
abgesprochen, worauf sie von den Antragstellern zurückgezogen werden. Dahingegen wird der eben mitgetheilte Antrag der Herren L. Simon und Vogt als ein dringlicher anerkannt, und seine
Berathung auf die morgende Vormittagssitzung unter Schließung der heutigen Sitzung anberaumt.
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@facs | 1671 |
Neustadt a. d. Hardt, 6. Mai.
Heute Morgen traf Reichskommissär Eisenstuck, bei uns ein, begleitet von den Reichstagsabgeordneten Culmann und Kolb. Der Reichskommissär erließ, folgende
Proklamation:
„An meine deutschen Mitbürger in der Pfalz.
In dem Augenblicke, wo der Preis der deutschen Erhebung vom vorigen Jahre, die von den Vertretern des deutschen Volkes zu Frankfurt beschlossene Reichsverfassung, durch feindliche Gewalt wieder in
Frage gestellt wird, hat sich die Pfalz in ächter deutscher Gesinnung mit übereinstimmender Kraft und Entschiedenheit für die Vertheidigung und Aufrechthaltung dieser ersten Schöpfung unserer
Nationalsouveränetät ausgesprochen. Die Abgeordneten des Pfälzer Volks zu Frankfurt haben die Vermittlung der provisorischen Centralgewalt in Anspruch genommen, um dieser Bewegung die erforderliche
Richtung zu geben und meine Absendung hieher beantragt. Ein ehrlicher Gesinnungsgenosse (!) dieser Männer, folge ich ihrem Rufe und trete unter Euch, in der festen Ueberzeugung, daß es mir gelingen
wird, gemeinsam mit Euch die Mittel aufzufinden, welche die deutsche Sache schützen, ohne die gesetzliche Ordnung zu zerstören (!!) Ich werde im Namen der provisorischen Centralgewalt alle jene
Maßregeln unterstützen, welche Euch Mittel an die Hand geben, Wacht zu halten, daß von keiner Seite ein Angriff erfolge auf den Willen der Pfalz, die Reichsverfassung zur Geltung zu bringen; ich
erwarte aber auch von der wahren Begeisterung und Freiheitsliebe der Bewohner dieses Landes, daß durch die Besorgniß eines drohenden Angriffes auf das, vom Volke zu Recht erkannte Grundgesetz, sich
Niemand zu Schritten verleiten lassen wird, welche gegen die Gesetze (!!), gegen die Ordnung im Staate (!!), gegen die Grundlagen der Gesellschaft (!!!!), gerichtet sind. Ich erwarte, daß Männer,
welche im ersten Augenblicke der Bewegung in der Wahl ihrer Mittel sich geirrt haben sollten (!!), gern mit mir zusammentreten werden, um in dieser Stunde der höchsten Gefahr unter dem sicheren
Papiere des Gesetzes, der Eintracht und Ausdauer das gemeinsame Ziel, die Freiheit und Einheit unseres Vaterlandes zu erkämpfen.
Speyer, 6. Mai 1849.
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@facs | 1671 |
Wien, 6. Mai
Die k. k. Truppen unter Clam und d'Aspre sind mit Zustimmung der verschiedenen Mächte und auf ausdrückliches Verlangen des Pabstes und Großherzogs von Toskana sowohl
in's Römische als Toskanische eingerückt. Hinsichtlich der Besetzung der päbstlichen Delegationen wird von ministerieller Seite dargethan, daß Oestreich ein größeres Recht zur Intervention als
Frankreich habe. Denn die revolutionäre Partei Rom's und Toskana's hat ihre Freischaaren gegen Oestreich entsendet; sie sind auf dessen Gebiet gedrungen und haben seine Provinzen
verheert. Wir wünschen, heißt es im betreffenden halboffiziellen Artikel, Truppen aus Italien zur Verstärkung der k. k. Armee in Ungarn heranzuziehen, aber die schnellste und sicherste Weise, dieses
Resultat zu ermöglichen, ist zuvörderst, die kaiserliche Fahne neben der großherzoglichen in Florenz, über der päbstlichen in Bologna und Ankona aufzupflanzen. 20,000 Mann vermögen jetzt in 14 Tagen
das auszurichten, was später vielleicht nur einem Heere von 50,000 Mann in vielen Monaten gelingen dürfte.
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@facs | 1671 |
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] Prag, 3. Mai.
Der Umschwung der öffentlichen Meinung hier wird täglich erstaunenswerthrr: der partikularistische, störrige Panslavismus des vorigen Jahres ist verschwunden, und
die Allianz mit den Deutschen und Ungarn wird offen gepredigt. Dieselben czechischen Studenten, die mit Rieger und Palacky voriges Jahr für die Standrechtsregierung schwärmten und gegen die
„deutsche Linke“ und das „deutsche“ Wien fanatisirt waren, wollen jetzt à tout prix mit den Deutschen fraternisiren und singen Lieder mit dem Refrain:
Czech a niemec geden telo
(der Czeche und der Deutsche sind ein Leib).
Die Siege der Ungarn erregen namenlosen Enthusiasmus, die angedrohte russische Intervention und vollends die angedrohte russische Besatzung für Prag bringen Alles in Wuth. An dem Volksfest des 1.
Mai brachten ganze Massen von Studenten den Magyaren und Kossuth ein Eljen über das andere. Kurzum, in ganz Prag glüht es unter der Asche, und so wie die Ungarn in Wien sind, wird ganz Böhmen in
hellen Flammen stehen.
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@facs | 1671 |
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15
] Schleswig-Holstein, 5. Mai
Vor einiger Zeit wurde eine Expedition von mehreren Kanonenböten der damals schleswig-holsteinischen, jetzt nach der Uebernahme durch den Renegaten
Marinerath Jordan, deutschen „Flotte“, gegen Föhr, das bekanntlich an der Westküste Schleswigs liegt, ausgerüstet. Diese Insel war nämlich durch die Nachlässigkeit des Generals Bonin
nicht hinlänglich besetzt und von den Dänen genommen worden. Die Expedition hat bis jetzt, weil sie nicht vom Lande aus unterstützt wurde, nichts gegen die Dänen auf der Insel unternehmen können. Sie
hat indessen von dem Erlaß des Handelsministers aus Frankfurt, Beschlag und Embargo auf alles dänische Eigenthum zu legen, Gebrauch gemacht, und einen nach Irland bestimmten dänischen Schoner,
50-60,000 Mrk. an Werth, in der Lister Tiefe nebst einem kleinern Fahrzeuge aufgebracht.
Unsere zweiköpfige Regierung hat von der Landes-Heidschnucken-Versammlung sich die Bewilligung ertheilen lassen, den Schleswig-Holsteinern eine Zwangsanleihe zur Fütterung der Reichsarmee
[1672]
aufzuoctroyiren. Diese soll in 4 Terminen, den 1. Juni, 1. Juli 1. August und den 1. September eingezahlt werden und beträgt 4 1/2 Millionen Mark. Die Rückzahlung soll geschehen, sobald sich die
souverainen Herren der Raubstaaten bequemen, ihren Beitrag für die allgemeine Reichskriegskasse herauszugeben, und diese also für die Reichstruppen vergüten kann. — Vor nicht langer Zeit wurde
erst eine allgemeine Kriegssteuer ausgeschrieben und jetzt wird schon wieder der Geldsack der schleswig-holsteinischen Bauern und Adelsaristokratie in Anspruch genommen. Hoffentlich werden sie so
lange gedrückt werden, bis sie zur Besinnung kommen.
Die Preußen und sonstigen Reichstruppen stehen noch immer in Schleswig, damit, wie Prittwitz sich ausdrückt, die Schleswig-Holsteiner geschont werden. Mißtrauen und Mißstimmung gegen die
diesjährige Kriegführung scheint sich jetzt allgemeiner zu verbreiten und in den sonderbarsten Gerüchten Luft zu machen.
Morgen findet in Neumünster eine Versammlung der Abgeordneten der schleswig-holsteinischen Volksvereine statt, deren Thätigkeit darin besteht, zu berathen, zu beschließen und — Nichts
auszuführen. Morgen werden sie darüber berathen, wie die Reichsverfassung am Besten durchzuführen sei. Unsere Volksvereine stehen auf der Stufe der Märzvereinler. Sonst ist im ganzen
Schleswig-Holstein bei der jetzigen kritischen Lage der Dinge ein Indifferentismus zu Hause, wie er wohl kaum seines Gleichen findet. Die sogenannte Demokratenpartei konnte sehr viel wirken, wenn sie
energisch auftreten und handeln wollte. Das Volk ist für Belehrungen sehr empfänglich, wenn es nur auf die rechte Art angefangen wird; aber die Führer dieser Partei wollen es mit keiner Partei
verderben. Als im vorigen Jahre in einer kleinen Stadt Holsteins die unbemittelten Klassen gegen ein drückendes Wucherinstitut und für unentgeldliche Herausgabe aller dort verpfändeten Sachen bis zu 5
Thlr. agitirten, sprach einer der Betheiligten in Rendsburg mit einem dieser Volksführer, der damals mit der provisorischen Regierung in engster Verbindung stand. Dieser theilte ihm denn mit, daß es
eine sehr kitzliche Sache sei, indem es zu sehr in's
Eigenthum eingreife,
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@facs | 1672 |
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228
] Freiburg, 3. Mai.
Die Verhandlungen gegen Fickler, Bornstedt und Genossen haben gestern begonnen. Das Gerichtspersonal ist das gleiche wie in dem Prozeß gegen Struve und
Blind, den Präsidenten ausgenommen, da der Hofrichter Litschgi diese Schweißtreibende Stellung dem zweiten Vorsitzenden abgetreten und wieder nach dem Schauplatze seiner stummen Rolle in der
Carlsruher Volksvertretungsfarce geeilt ist. Die Geschwornen sind natürlich dem berüchtigten provisorischen Gesetz gemäß von den Polizeibeamten, und, wie es scheint, noch sorgfälriger als das letzte
Mal ausgelesen. Ja, es finden sich auf der Liste Namen, deren Träger zugleich als Belastungszeugen theils gegen Struve und Blind auftraten, theils selbst in diesem Prozeß auftreten sollen, so ein
Freiherr v. Landenberg, der einzige Zeuge, der der Ehre Bornstets und der pariser deutschen Legion zu nahe zu treten sucht. Trotz alledem aber läßt sich mit Sicherheit auf ein freisprechendes
Urtheil rechnen. Namentlich wird auch der bornirteste Ordnungswüthrich in Fickler lediglich das Opfer der nichtswürdigsten Chikane erkennen müssen. Um den Preis eines Platzes im badischen Ministerium
hatte es Ficklers einstiger Schützling Mathy über sich genommen, diese feige Regierung des Gegenstandes ihrer beständigen Angst zu entledigen, und um die Schandthat eines so brauchbaren Werkzeugs, wie
Mathy, zu beschönigen, mußte Fickler dreizehn Monate lang in einem Käfig schmachten, der nicht viel über 4 Fuß ins Gevierte mißt, unter den bodenlosesten Anschuldigungen von welchen man die vom
Ministerium Bekk und seinen Kreaturen bis auf die neueste Zeit allerwärts verbreitete des „Landesverraths“ gar nicht in die Anklageakte aufzunehmen wagte. Durch diese scheußliche
Behandlung sollte der an stete Rührigkeit gewöhnte Mann entweder gebeugt oder getödtet werden. Beides ist nicht gelungen. Fickler wollte weder fliehen noch sich amnestiren lassen, wie nah ihm auch
beides gelegt wurde, und durch eine unglaubliche Diät und unermüdete Geistesthätigkeit (er versorgte seine „Seeblätter“ fast allein von seinem Gefängniß aus) wußte er sich geistig
und körperlich aufrecht zu erhalten. Fatal, solche Eisennatur! Endlich sind alle Vorwände erschöpft, man muß den Hochverräther vor seine Richter stelle, um sich rettungslos von ihm den moralischen
Todesstoß versetzen zu lassen. Freilich weiß man dergleichen gegenwärtig politisch zu überleben.
Das Parket ist nach Ausscheidung der Hrn. Eimer und Wäncker, die in der Struve'schen Verhandlung so klägliche Rollen spielten, durch den Staatsanwalt Ammann aus Mannheim verstärkt, bekommt
durch seinen Fanatismus gegen Alles, was nach Revolution riecht, und durch die vielen Schlappen, die er selbst vor unserm „unabhängigen“ Hofrichtern durch wühlerische Vertheidiger
erlitten.
— Ficklers neuste Schicksale sind zugleich mit seinem Charakter seiner ganzen äußern Erscheinung aufgeprägt. Er ist abgemagert und blaß, aber von ungebeugter, kräftiger Haltung, scharfen
Blickes. Er spricht mit unerschütterlicher Ruhe. Bornstedt sieht sehr frisch und munter aus. Er und die beiden jüngern Angeklagten tragen die verpönten rothen Halstücher, nicht
„obgleich“, sondern „weil“ sie verboten. Die Angeklagten sind des besten Humors und unterhalten sich in den jeweils eintretenden Pausen lebhaft und lachend untereinander,
was ihnen freilich von einigen schwerfälligen Gliedern höchlich übel vermerkt wird.
Die erste Sitzung förderte gleich wieder einige jener rechtlichen Sonderbarkeiten zu Tage, an welchen die badische Justiz und namentlich dieses monströse Amphibtum von Inquisitions- und
Geschwornengericht so fruchtbar ist. Der gegenwärtige Präsident, der überhaupt mancherlei büreaukratische Angewohnheiten hat und u. a. die bäurisch Gekleideten unter den Zeugen mit
„Ihr“ anzureden pflegt, hatte nur so obenhin, gleichsam im Administrativwege einige der Jurykandidaten ausgeschieden, weshalb Bornstedt's Vertheidiger die Ziehungsliste der
Geschwornen für nichtig zu erklären beantragte. Dieser Antrag wird vom Gerichtshof als „unbegründet und unstatthaft“ verworfen.
Der Vertheidiger Brentano ersuchte diejenigen Jurykandidaten, die zugleich als Zeugen in einem der von dieses Ausnahmsgericht verwiesenen politischen Prozesse aufgetreten sind oder auftreten
sollen, nach dem Beispiel einiger Mitglieder des Gerichtshofs sich selbst zu rekusiren. Dieselben erklären sich dazu bereit, der Gerichtshof aber erklärt es für unstatthaft.
Nach erfolgter Konstituirung der Jury, wobei die Staatsbehörde diesmal die Ausübung des Rekusationsrechts für überflüssig hielt, haben die Angeklagten ihre Personalien anzugeben. Bornstedt
entwickelt mit einiger Weitschweifigkeit die äußern und innern Erlebnisse, die im Verlauf der Jahre aus dem preußischen Gardelieutenant den Führer der demokratischen deutschen Pariser Legion formten,
und erklärt, im Laufe der Verhandlungen zugleich als Anwalt seiner Mitkämpfer gegen die vielen erlogenen ehrenrührigen Beschuldigungen aufzutreten. Namentlich erhebt er sich mit Entrüstung gegen den
der Legion gemachten Vorwurf der Räuberei und Erpressung, und schließt seine Rede mit einem kurzen sozial-demokratischen Glaubensbekenntniß.
Fickler und die beiden jüngern Angeklagten, Dr. Steinmetz und Student Krebs beschränken sich auf die Angabe des Namens und Alters.
Den übrigen Theil dieser Sitzung füllte die Verlesung der Anklageschriften aus, worunter namentlich diejenige gegen Bornstedt ein Gewebe von Lügen enthält. Als Episode diente die Erörterung über
die weitere rechtliche Sonderbarkeit, daß der Herr Staatsanwalt Ammann dieses letztere Machwerk nebst Urkunden, die noch nicht einmal zur offiziellen Kenntniß der Vertheidiger gekommen waren, in einer
juristischen Zeitschrift hatte abdrucken lassen, wie er sagte, um die vielen lügenhaften Artikel der schlechten Presse über diesen Prozeß mit Einem Male durch die Wucht der Wahrheit zu entkräften.
Brentano wies ihm durch Thatsachen nach, daß es der Lügen und Fabeln nicht bedürfe, um die badische Gerechtigkeit in ihrer skandalösen Blöße hinzustellen. Ein auf jenen Amtsmißbrauch des Staatsanwalts
gegründetes Perhorreszenzgesuch des Vertheidigers von Bornstedt wurde verworfen. (Das Resume der Anklageakte haben wir bereits mitgetheilt).
In der heutigen Sitzung (3. Mai) begründete Brentano, Behufs eventueller Nichtigkeitsbeschwerde, einen Protest gegen die Kompetenz dieses Gerichts und gegen das ganze Verfahren gegen die
Angeklagten überhaupt, woran er jedoch die Bemerkung knüpft: daß es ihm leid thun sollte, wenn der Gerichtshof wider Erwarten und Gewohnheit sofort auf diesen Protest einginge, indem die Verhandlung
des Fickler'schen Prozesses just in seinem und seines Klienten Interesse liege. Bornstedt's Vertheidiger schloß sich dem Protest mit dem Bemerken an, daß nicht einmal das (über allen
Begriff schlechte und perfide) provisorische Gesetz hier befolgt werde, worauf zur Vernehmung der Angeklagten über die ihnen zur Last gelegten Thatsachen geschritten wird.
Das wesentliche aus Bornstedt's Antworten läßt sich in folgenden Punkten zusammenfassen: In der Nacht vom 30. auf den 31. März v. J. kam er in Paris an, wo er sofort in die Reforme und den
National einen Aufruf an die in Paris lebenden Deutschen einrücken ließ, sich zunächst zur Besprechung einer Adresse an das französische Volk zu versammeln. In der Versammlung schlug er Herwegh zum
Präsidenten vor. Er selbst, bemerkt er hierbei, sei nicht so bekannt gewesen, habe in der Literatur nicht geleistet, was Herwegh, (den er oft aufgefordert habe, aus seiner Unthätigkeit herauszutreten
und als Demokrat auch Etwas für die Volkssache zu wirken) so habe er sich, wie er immer gerne gethan, auch hier untergeordnet. In einer Versammlung von etwa 8000 Deutschen seien die Spione der
deutschen Regierungen in Masse zugegen gewesen, die sich sofort beeilt, durch die lügenhaftesten Berichte, die fabelhaftesten Erfindungen die Sache von vorn herein verhaßt zu machen. Der Minister Bekk
habe geheime Polizeiberichte verlangt über eine öffentliche Versammlung, und diese Berichte seien sofort in öffentlichen Blättern ganz in den gleichen Ausdrücken verbreitet worden. Erlogen sei, was
von Königsmord u. dgl. gefaselt worden; nie seien solche Phrasen in jener Versammlung gehört worden. — Nachdem man Venedey's franzosenfressende Adresse mit Hohn verworfen, sei die von
Herwegh vorgeschlagene angenommen und durch eine Deputation von 7000 Deutschen nach dem Hotel de Ville gebracht und der provisorischen Regierung übergeben worden, in deren Namen der Justizminister
Cremieux der Deputation geantwortet. Hier berührt Bornstedt u. A. die Persönlichkeit des Heinreich Börnstein (Bruders von Karl Börnstein, der durch einen unglücklichen Mißgriff später zum General der
Legion gemacht wurde): Dieser Heinrich Börnstein, der sogenannte autographische Korrespondenzen für servile deutsche Blätter besorgt, gerirte sich als eifriger Republikaner, schien die Gesellschaft
nach Kräften zu unterstützen und schenkte der Legion eine Fahne mit der Inschrift: Vive la république universelle! Nachdem aber die Legion geschlagen war, verläumdete er sie in schamloser Weise
in der Karlsruher Hofzeitung.
(Fortsetzung folgt.)