Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Der Zar und seine Unterknäsen, vorgesehen für: MEGA2, I/9.
]
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] Köln, 8. Mai.
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8
] Elberfeld, 6. Mai.
Elberfeld bot heute wieder einen herrlich-revolutionären Anstrich. Das Comité der Elberfelder Landwehr hatte die Kameradschaft der Umgegend zu einer
Versammlung auf der Wilhelmshöhe eingeladen, um gemeinsam zu beschließen, was im Falle einer Einforderung zu thun sein würde. Vertreten war Schwelm, Beyenburg, Mülheim a. d. R., Lennep, Barmen etc.
Sie beschlossen: „nicht zu gehen und erwählten eine Deputation, die unserem kaum von Berlin zurückgekehrten und Berlin äußerst ruhig befundenen Oberbürgermeister v. Carnap die bezügliche
Mittheilung für den Major in Essen anheimstellte. Da mittlerweile die Aufforderungen schon ergangen waren für 290 Mann unserer Stadt, so wurde dem Herrn Oberbürgermeister zur Notiz empfohlen, daß
bewaffnete Macht, von ihm zur Vollziehung des Gesetzes etwa requirirt, sie veranlassen würde, sich gleichfalls zu bewaffnen, und ebenfalls verabredet, daß man sich nicht einkleiden lassen, nicht in
die zu Essen aufgestellte Rattenfalle gehen wolle. Hr. Polizeiinspektor Döring — merken Sie sich diesen Namen, wir haben uns seine Person gemerkt — hatte die Unverschämtheit, den
Instruktionsrichter Meurer um einen Verhaftsbefehl gegen die vier Männer des Comité's anzugehen, der ihm abgeschlagen wurde. — Unser Oberprokurator Hecker, Ihr früherer
Mitarbeiter, führt hier ein förmliches Stillleben; er hat neulich erklärt, daß es ihm leid sein würde in politicis einschreiten zu müssen.
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15
] Düsseldorf, 6. Mai.
Wir haben eine neue Brutalität der Düsseldorfer Gerichte gegen Lassalle zu konstatiren. Lassalle richtete nämlich, nachdem sich drei Gerichtshöfe
inkompetent erklärt hatten über seine provisorische Freilassung zu erkennen, jetzt nach seiner Freisprechung durch die Geschwornen, von Neuem ein Gesuch an die koreektionelle Kammer um provisorische
Freilassung gegen Kaution. Dieselbe konnte sich jetzt nach erledigtem Assisenprozeß nicht mehr inkompetent erklären, und so entschied sie, daß Lassalle, weil er früher schon einmal zu zwei Monat
Gefängnißnißstrafe verurtheilt worden, ein reprès de justice sei, dem die provisorische Freiheit nach Art. 115 der Kriminal-Prozeß-Ordnung nicht bewilligt werden darf. Nicht nur durch den
französischen Sprachgebrauch, auch durch eine invariable und konstante Jurisprudenz des Pariser Kassationshofs steht fest, daß nur Kriminalverbrecher, nur zu entehrenden oder affliktiven
Strafen Verurtheilte repris de justice seien! Die korrektionelle Kammer zu Düsseldorf entschied gegen die fixirte Jurisprudenz, um nur Lassalle nicht freizugeben, daß jeder, der zu irgend einer
korrektionellen Strafe verurtheilt worden, ein repris de justice sei! Angenehme Entdeckung! Alle die, welche irgend einmal mit einigen Tagen Gefängnißstrafe belegt wurden, haben jetzt die Ehre zu dem
Orden der repris de justice zu gehören!
Endlich ist jene wegen Preßvergehen über Lassalle verhängte zweimonatliche Gefängnißstrafe noch nicht einmal rechtskräftig. Lassalle hat dagegen mit vollem Recht den Einwand erhoben, daß dieselbe
durch die Amnestie vom 20. März getilgt sei und es schwebt darüber gegenwärtig der Prozeß vor dem Berliner Kassationshof. Wie übrigens auch darüber von dem Berliner Kassationshof entschieden werden
mag, zur Zeit ist das Urtheil, welches jene Gefängnißstrafe verhängte, noch nicht exekutorisch. Es kann also noch keine Straffolgen äußern. Aber das alles hielt die weisen Daniele der Düsseldorfer
korrektionellen Kammer nicht ab, sich für Lassalle's Vertheidigung in dem letzten „Rebellionsprozeß“ zu rächen.
Lassalle hat an die korrektionelle Appellationskammer appellirt. Eine Deputation der angesehensten Bürger hiesiger Stadt begiebt sich so eben zu dem Gerichtshofe, um ihm die Entrüstung von ganz
Düsseldorf auszudrücken und ihm zu versichern, daß man in dieser Entscheidung das schmachvollste Beispiel schwarzweißer Rachsucht erblicke.
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303
] Uerdingen, 4. Mai.
Im Laufe dieser Woche wurden vom hiesigen Gemeinderath zwei Abgeordneten gewählt, welche unser Städtchen in Köln vertreten sollen. Die Wahl fiel auf die
Herren Balthasar Herbertz und W. Maurick, ersterer ist ein schwarzweißer Deputirter der aufgelös'ten Nationalversammlung, der letztere ein schwarzweißer Fabrikant, der bei seinen Arbeitern in
eigenthümlicher Achtung steht. Unser Städtchen ist sehr ungehalten über diese Wahl und hält sich durch diese beiden Herren keineswegs für vertreten. Wir wissen hier übrigens sehr gut, daß die ganze
Gemeinderaths-Komödie in Köln keinen andern Zweck hat, als die Bewegung des Volks zu lähmen, und daß es also ganz gleichgültig ist, wer von Uerdingen dort hingeht. Es wird sich aber Manches ändern,
wenn einmal die Franzosen an den Rhein kommen und der ganzen schwarzweißen Wirthschaft ein Ende machen werden.
Von den Schiffern von Ruhrort erfahren wir, daß die Landwehrmänner daselbst sich sämmtlich unterschrieben haben, den Befehlen der Regierung nicht zu gehorchen und wollen diese Adresse beim nächsten
Apell den Major vorlegen; das geschieht in dem sonst so preußischen Ruhrort.
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24
] Paderborn, 6. Mai.
Meinen Sie, die kölner Bureaukraten könnten es allein? Bei uns wiederholt sich der Tanz. Die Mindener Regierung hat den von den hiesigen Stadtverordneten
berufenen Gemeindekongreß verboten, weil die Stadtbehörden sich nach der vorsündfluthlichen Städteordnung nur um die städtischen Angelegenheiten zu kümmern hätten. Unsere Abgeordneten gingen über
dieses lächerliche Reskript zur Tagesordnung über, weil „das Assoziationsrecht die betreffenden Paragraphen der Städteordnung aufgehoben“, und dieser Beschluß war einstimmig. Der
Magistrat zu Münster hatte die ihm von hier angetragene Vorbereitung des Kongresses abgelehnt und die dortigen Stadtverordneten die Sache für so wenig dringlich erachtet, daß sie nicht einmal darüber
berathen hatten. Unsere Stadtverordneten schoben deshalb in ihrer Freitagsitzung den Kongreß auf. Heute war eine Aufforderung von dem Centralvolksvereine in Münster ausgegangen, daß man den von ihm
berufenen Kongreß der Gemeinden und volksthümlichen Vereine, der am 9. in Münster stattfindet, beschicken und den auf den 8. berufenen Gemeindekongreß hiermit vereinigen möge. Unsere Stadtverordneten
haben heute einstimmig beschlossen, diesen Kongreß zu beschicken und die Deputirten von einer Bürgerversammlung, die morgen stattfindet, wählen zu lassen.
Am 8. und 9. soll hier die Landwehr eingekleidet werden. Die Erbitterung ist hier allgemein, namentlich auf dem Lande,
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225
] Cochem, 7. April.
Bereits sind sechs Monate verflossen, seit die Untersuchung wegen der Steuerverweigerungsunruhen bei uns begonnen und fortgeführt wurde und noch immer
wissen die unglücklichen Beschuldigten — unter denen sechs flüchtge Familienväter oder die Stützen ihrer Familien sind, ob und wann sie vor Gericht gestellt oder ob sie, wie wohl der Sachlage
nach zu erwarten, außer Verfolgung gesetzt werden. Sechs Monate sollten doch mehr als hinreichend sein, um jene angeblichen Verbrechen — zu konstatiren und für die Entscheidung des Gerichts
reif zu machen! Oder sollte das Gerücht wahr sein, daß die Voruntersuchung die gerichtliche Verfolgung gar nicht gerechtfertigt hat und daß man lediglich, um die Flüchtlinge zur Zeit noch fern zu
halten, jede Entscheidung verzögert? Sonderbar ist es, daß über die gleichzeitigen weit bedeutendern Vorfälle im Landgerichtsbezirke Trier (zu Bernkastel etc. etc.) die Entscheidung bereits erfolgt
und ein Theil der Bernkasteler Flüchtlinge außer Verfolgung gesetzt ist, während im Koblenzer Gerichtsbezirke die Beschuldigten noch in voller Ungewißheit schweben.
Wir glaubten bisheran, uns auf den prompten und schnellen Gang der rheinischen Rechtspflege etwas zu Gute thun zu können und ließen uns mit einem gewissen Wohlbehagen von unsern überrheinischen
Nachbarn deshalb glücklich preisen. — Aber wir sehen endlich unsern blödsinnigen Aberglauben ein und wahrhaftig eine schöne Gegend muß die sein, wo man uns um Institutionen beneidet, mittelst
deren die einfachsten Sachen 6 Monate und länger verzögert werden können.
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] Berlin, 6. Mai.
Wie sieht es in Sachsen aus? — Wird das herrliche Kriegsheer nicht geschlagen werden? — so wird überall gefragt, wo Gruppen von Menschen
zusammenstehen und davon ist glücklicherweise eine erfreuliche Menge.
Als gestern die Truppen zum Abzuge in die Waggons gepackt wurden, war auch der Prinz von Preußen, Prinz Albrecht und eine Menge hoher und höchster Personen zugegen. Die Prinzen traten an jedes
Coupé heran und sprachen mit den Soldaten, welche sie stets mit einem Hurrah auf Kommando des Offiziers empfingen. Ueberall forderten sie das Militär auf, sich tapfer (!) zu halten und
dem preußischen Namen Ehre (!) zu machen, was denen zum Avis dienen mag, welche, wie gewisse Herren in Frankfurt, von der deutschen Gesinnung des Thronfolgers so viel zu fabeln wußten.
Gestern Abend war wieder eine ziemlich ansehnliche Menge auf dem Bahnhofe versammelt und erwartete den Dresdener Zug, vergebens. Gerüchte auf Gerüchte verbreiteten sich, ohne durch die Ankunft
bestätigt zu werden. Erst um 4 Uhr Morgens kam der Zug aus Jüterbogk und brachte einen Passagier aus Dresden mit, der zu Wagen nach Roederau gekommen, aber nichts Neues berichten konnte, als daß die
sächsischen Bauern überall die Schienen aufgerissen haben.
Heute Morgen trafen Handelsbriefe aus Leipzig hier ein, welche von der Anerkennung der provisorischen Regierung durch den Stadtrath und von der Ausrüstung vieler Freischaaren nach Dresden
sprachen.
Es ist bezeichnend, daß in der ganzen Stadt, welche sich bisher noch nicht von dem specifisch preußischen Zopfthum befreien konnte, nur ein Gefühl herrscht und nur ein Wunsch
ausgesprochen wird. Das Gefühl nämlich der tiefsten Erbitterung über unsere Schmach und Erniedrigung, daß unser Name in ganz Deutschland von nun an mit unendlicher Schmach bedeckt ist. Der Wunsch aber
beseelt Alles, es möchten unsere Regimenter, welche sich zum Schergendienst überall hergeben, wo das Land von freier Bewegung durchstürmt wird, nicht ohne die Lehre zurückkommen, wie gefährlich es
ist, einem Volke gegenüber Polzei zu spielen, welches sich für seine Freiheit erhebt.
Wir sprachen hier einen Landwehrmann des 14. Regiments, der aus Wreschen in Posen eingezogen war und sechs Wochen, ohne Uniform oder Waffen zu bekommen, seinem Wirkungs- und Ernährungskreise
entzogen wurde. Jetzt zieht die Compagnie hier durch, um in Schleswig verwendet zu werden, uniformirt ist sie zwar, hat aber nur Säbel erhalten, die Gewehre werden noch erwartet.
Die Stimmung der Stadt ist eine freudig gespannte. Die Nachrichten aus Süddeutschland; von der Contreordre der Russen; von der Abdankung des Königs von Sardinien Victor Emanuel und aus dem
Königreiche Sachsen, haben den tiefsten Eindruck gemacht.
Wie weit man in frechster Verhöhnung des Volkes und sogar der selbstgeschaffenen Gesetze geht, zeigt folgende Verordnung des Hrn. v. Wrangel. Der Oberbefehlshaber in den Marken befiehlt nämlich der
Potsdam-Berliner Eisenbahndirektion bis 7 Uhr Abends in Zehlendorf nicht anzuhalten und nur solche Personen dahin zu befördern, welche sich als daselbst ansässig legitimiren könnten. Zehlendorf ist
einer der frequentesten Vergnügungsorte in der Umgegend Berlins, zu dem ganz besonders am Sonntag viele hinauseilen. Eben dorthin hatte Held zu Nachmittags eine Volksversammlung berufen, jedoch
heute Früh, aus unbekannten Ursachen, wieder abgesagt. Eine Volksversammlung scheint Hr. v. Wrangel nun vorzüglich zu befürchten, dürfte sich aber doch getäuscht haben, da, wie wir hören, am nächsten
Sonntag eine große Volksversammlung in der Nähe von Köpenick beabsichtigt wird, wenn nicht bis dahin der Umsturz Alles ergriffen hat. Es war schon im Central-Comité für volksthümliche Wahlen
angeregt, eine solche Versammlung zu berufen; leider war aber dies Projekt zurückgewiesen worden. Es ist von unendlicher Wichtigkeit, dem Unwillen unserer Bevölkerung den richtigen Ausdruck zu
geben.
Der Prinz Albrecht befand sich bis gegen 11 1/2 Uhr gestern Abend mit seiner Suite auf dem anhaltischen Eisenbahnhofe. Einer seiner Hofbedienten in Civil mußte sich unter die Anwesenden mischen,
welche fast alle Demokraten waren, um ihre Stimmung auszuforschen. Er muß wohl nicht gerade Erfreuliches gehört haben, denn der Prinz wandte sich an einen der Offiziere und sagte: „Es ist doch
bedenklich, es sind sehr viele Menschen hier.“ Hoffen wir, daß es bald noch viel, viel bedenklicher wird.
Man ist hier ganz entschieden der Ansicht, daß die Linke der Nationalversammlung in Frankfurt von der Rechten düpirt wird, um später ganz betrogen zu werden. Das Benehmen Bassermann's, der
gewiß die Ansichten des Ministeriums Gagern vertritt und seine Anträge bei der preuß. Regierung zeigen, wie die Rechte im Trüben zu fischen gedenkt.
In Frankfurt a. d. O. fand in der vorigen Woche ein Congreß der demokratischen Vereine dieses Bezirks statt, dem über 30 Mitglieder beiwohnten. Es sprach sich ein außerordentlich entschiedener
Geist in den Verhandlungen und Beschlüssen aus, so daß wir nur wünschen, es möge sich derselbe auch bewähren, wenn es gilt, für die Worte mit Thaten einzustehen.
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61
] Breslau, 5. Mai.
Es ist unausstehlich, mit welcher Apathie die Nachrichten aus Ungarn, Berlin und jetzt auch aus Dresden hier an der großen Lazaronimenge abprallen. Nichts
regt oder bewegt sich, weder Bourgeoisie noch Proletariat, und darüber sind die Demokraten mit Recht entrüstet. Was werden Ihre Bourgeois z. B. doch sagen, daß unsere Stadtverordneten, nachdem sie zur
Besprechung der deutschen Reichsbourgeoisverfassung für gestern eine Versammlung ausgeschrieben, darin in so ungenü-
[1662]
gender Anzahl erschienen sind, daß kein Beschluß gefaßt werden konnte, ja nicht einmal eine Berathung stattgefunden? Angst vor dem Volke, Angst vor den Preußen, Angst vor den Russen, Angst vor den
Magyaren, das ist die politische Seele dieser Juden. Und davon lassen sich auch die meisten Vereine und unsere jämmerlichen Zeitungen beherrschen. Die Cholera ist verschwunden, aber der
Preußenjanhagel ist der Schrot, welcher tief in den schlesischen Körpern steckt. Auf dem Lande spielt ja, namentlich in Oberschlesien, der Soldat noch den Kavalier unter Lumpen und wird beneidet! Was
die Zeitungen betrifft, so würden sie in Europa kaum bekannt sein, brächten sie nicht zufällig die ersten Nachrichten aus Ungarn, Rußland und Oestreich. Unter den beiden politischen
Spießbürgerblättern Breslau's überbietet eins das andere an gesinnungslosem, gemeinem Kalkul. Ja, die Breslauer Zeitung war seit einigen Tagen noch freisinniger geworden, als die sich
demokratisch nennende Oderzeitung, nach welcher das Volk sich bilden soll. Die Feigheit dieses letzten Blattes ging neulich so weit, daß es nicht eher Muth bekam, die Berliner Mordmetzeleien bekannt
zu machen, als bis sie von der Breslauerin veröffentlicht worden waren. Gemeine Juden und Bourgeois beherrschen die Oder-Demokratie und sind Schuld daran, daß eine Ausrottung des ekelhaften
Preußengeistes hier zur Unmöglichkeit wird. Vor einigen Tagen habe ich mich überwunden, an einer Sitzung des s. g. demokratischen Volksvereins Theil zu nehmen. Das Volk fehlte dabei, allein Hebräer
und Spießbürger saßen, Cigarren rauchend und Bier trinkend, in trauter Gemüthlichkeit beisammen und ließen sich die politischen Waschlappen-Phantasien des Hrn. Pflücker lämmerzahm vorklappern, um mit
einem Nichts sich dann zur Ruhe zu begeben. Und wenn ich Ihnen aus der gestrigen Sitzung des demokratischen Vereins auch energische Reden besorgen könnte, so darf ich's jetzt doch nicht, wo nur
Thaten in Anschlag kommen. Von dem Vorgekommenen indessen doch eins.
Brehmer enthüllte einige Manteuffel'sche Intriguen, die unter andern darin bestehen, daß derselbe Agenten in die
Provinzen sendet, welche die Führer der Socialisten und das Arbeitervolk überreden sollen, sich von der gegenwärtigen Bewegung fern zu halten. Ein solcher Agent, sagte er, sei auch zu Stilch gekommen,
andere hätten sich in die Kneipen des Volks geschlichen und dort ihr Unwesen gestiftet. Wie es heißt, soll heute und morgen
sämmtliche Artillerie nach Dresden abgehen. Reisende, welche erst vor
einigen Tagen das Königreich Polen in der Länge und Breite durchzogen haben wollen, versichern, daß darin kaum 80,000 Mann stehen. Gleichwohl soll die Garnison von Warschau an 30,000 Mann betragen und
die von Modlin nicht unbeträchtlich sein. Dieselben Reisenden sprechen auch von der tiefen Demoralisation im russischen Heere. So z. B. sollen die Pferde der Artillerieparks, welche an die galizische
Gränze gerückt sind, einstweilen von den Offizieren verkauft worden sein. Zum Einrücken in Oestreich müssen daher erst wieder andere Pferde angeschafft, oder besser à la russe gestohlen werden.
Auch die Mannschaften sollen zum großen Theil ungemein verhungert, abgemergelt, zerlumpt und stupid-verthiert aussehen, selbst wenn sie zu den s. g. Kerntruppen gehören.
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] Breslau, 5. Mai.
Heute ging die 18te reitende (Glätzer) Batterie von hier nach Liegnitz ab, zum Ersatz der von dort nach Görlitz bestimmten Geschütze. Sie sollten mittels
Eisenbahn transportirt werden; wegen Mangel an Wagen war dies jedoch nicht zu bewerkstelligen.
Außer einer Einladung zu einer Volksversammlung im Schießwerder (Sonntag Nachmittag vier Uhr) fand sich heut noch folgende Proklamation an den Straßenecken:
„Brüder!
Es treiben sich hier mehrere jener nichtswürdigen Agenten herum, die, wohlwissend, welches Gewicht der Arbeiterstand in die Wagschale der Revolution zu legen im Stande ist, Euch unter Versprechung
reicher materieller Vortheile von der Agitation für den letzten kümmerlichen Rest der sogenannten März-Errungenschaften, die Reichsverfassung und die deutschen Grundrechte, fern zu halten bemüht
sind.
Arbeiter!
Daß die preußischen Machthaber weder im Stande noch gewillt sind, Euch eine Verbesserung Eurer Lage zu gewähren, habt Ihr an den Gewerbegesetzen gesehen. Das oktroyirungslustige preußische
Ministerium hat im Gegentheil die auch bereits offen ausgesprochene Absicht, uns auf seinen Bajonetten ein Wahlgesetz mit Census darzureichen, welches Euch, die Uncensirten, für immer ab- und zur Ruhe
weisen soll.
Wenn Ihr bedenkt, daß die endliche Verwirklichung der Einheit Deutschlands nicht bloß eine Frage der reinen Politik ist, sondern zugleich wesentlich das Wohl der arbeitenden Klassen bedingt und in
sich schließt, so wird Eure Wahl nicht schwanken. Die von der deutschen Nationalversammlung beschlossenen Gesetze, obgleich sie dem Maße der Freiheit, welches wir anstreben, nicht entsprechen, bilden
doch die Grundlage, auf der wir weiter fortbauen werden. Darum entscheiden wir uns für sie, und laßt uns unserer Entscheidung Nachdruck zu geben wissen. Gruß und Brüderschaft!
Der demokratische Verein, und demokratisch-soziale Arbeiter-Verein.“
Ferner ist folgende Erklärung dreier untengenannten Vereine veröffentlicht worden:
„Wir erklären, daß wir die von der Nationalversammlung beschlossene und angenommene Reichsverfassung sammt den Grundrechten nur als das geringste Maß der Volksfreiheit anerkennen, dabei aber
immerhin die ganze Volksfreiheit fordern werden.
Frankenstein, 4. Mai 1849.
Der Kreis-Rustikal-Verein.
Der demokratische Verein.
Der demokratische Rustikal-Verein in Töppliwoda.“
Die, wie oben erwähnt, auf morgen Nachmittag anberaumte Volksversammlung ist schon heute durch folgenden Anschlag zu verhindern versucht worden:
„Die auf morgen Nachmittag angekündigte Volksversammlung auf dem Schießwerder ist auf Grund des Artikel 27 der Verfassungsurkunde vom 5. Dezember v. J. verboten worden.
Breslau, 5. Mai 1849.
Königliches Polizei-Präsidium.
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@facs | 1662 |
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X
] Ratibor, 5. Mai.
Die Furcht der „geschwächten Krone“ Preußens vor dem ungarischen Kriege, dessen Schauplatz jetzt nicht weiter als 7 Meilen von unserer Gränze
ist, das mit Oestreich gemeinsame Standrechtsinteresse gebietet ihr nicht nur ein sogenanntes Observationscorps aufzustellen, zu welchem allein hier durch 2000 Mann seit dem 28. v. M. passirt sind,
sondern auch die Neutralität auf die gemeinste Weise zu verletzten. Gestern Nachmittag 2 1/2 langte von Oderberg ein Extrazug hier an, der 280 bewaffnete östreichische Henkersknechte nebst Bagage mit
sich führte und sich dem um drei Uhr abgehenden Zuge anschloß. Das Ziel ihrer Reise ist Galizien, wo sie zu der Hammersteinischen Brigade stoßen sollen. Ihr eigentliches Ziel aber dürfte das kühle
Grab sein, denn ein mehr herabgekommenes Corps hat wohl kein Krieg bis jetzt aufzuweisen gehabt. Leute von 17-18 Jahren mit erdfahlen Gesichtern sind die unglücklichen Opfer, die der kleine Tamerlan
zur Schlachtbank schickt. Wie es heißt, werden noch 8 solcher Transporte östreichischer Soldaten von der standrechtlichen Bereitwilligkeit der preußischen Regierung Gebrauch machen. Indeß hoffen wir,
daß die Ungarn die Neutralität ebenso verstehen und, wenn sie in östr. Schlesien und Galizien eingebrochen sind, sich als Revanche etwas vom sogenannten Observationscorps, vielleicht mehr als das,
herauslangen. Daß sie in unserer Nähe sind, ist nicht zu bezweifeln. Schon vor mehr als 8 Tagen hat man in Golkowitz, einem dicht an der östr.-schlesischen Gränze gelegenen Dorfe, vorgestern sogar
schon zwei Meilen von der Gränze, in Loslau, den Kanonendonner von ganzen Batterien gehört. Ein ungar. Streifcorps soll sogar bereits bis Skotschau, auf der Straße nach Bielitz und Biala, vorgedrungen
sein und sich nach gemachter Recognoscirung hinter Jablunka wieder zurückgezogen haben. Ob ihnen dieser Past aber wirklich schon offen steht, wissen wir nicht. Die Reisenden, die aus Oestreich kommen,
sind in Folge der k. k. privilegirten Bestialitäten so schüchtern und mißtrauisch, daß sie selten etwas von dort wissen wollen. Daß die Magyaren aber sich der mährischen und schlesischen Gränze
nähern, geht daraus hervor, daß in allen Orten bis nach Oderberg der Landsturm aufgeboten ist. Leicht möglich, daß die Landstürmer, einmal bewaffnet, in einem „Mißverständnisse“ von
diesen Waffen anderweitigen Gebrauch machen.
Von der Russenhülfe sieht man noch Nichts. Reisende, die gestern von Krakau kamen, haben weder dort noch in Podgorze einen Russen gesehen. Man schreibt diese Sistirung der russischen Intervention
einem Protest von Seiten Englands zu.
Ich beabsichtigte Ihnen heute vom Bahnhof aus die neuesten von Reisenden in Erfahrung zu bringenden Nachrichten sofort mitzutheilen. So eben — 10 Uhr vormittags — ist aber das
Ausfallssignal angekommen. Sollten die Magyaren die Eisenbahnlinie occupirt haben?
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@facs | 1662 |
Posen, 4. Mai.
Eine neue Truppenbewegung soll stattfinden. Die sächsischen Regimenter rücken nach dem Rhein, die schlesischen nach Sachsen, unsere hiesigen nach Schlesien und wir erhalten
dafür die preußischen. Ostpreußen wird dadurch ganz leer, und kann daher, wenn es Noth ist, durch russische „Hülfstruppen“ besetzt werden. Der Grund dieser Bewegung ist klar, das böse
Gewissen der Regierung fürchtet die Erhebung der Rheinprovinz und Süd-Deutschland's, wenn durch die Bajonette preußischer Truppen, die sich um Frankfurt bereits zusammenziehen, die deutsche
Nationalversammlung gesprengt wird. Ausserdem wird hier von neuem ein Theil der Landwehr mobil gemacht, um gleichfalls nach Schlesien zu gehen.
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@facs | 1662 |
Magdeburg, 5. Mai.
Bei Halle wird unter dem Commando des Fürsten Radziwill eine mobile Division concentrirt, zu welcher das 7. Kürassier- und das 10. Husarenregiment stoßen sollen.
Heute Morgen gegen 11. Uhr fand der Festungsgefangene, ehemalige Premierlieutenant Techow, bekannt aus der Zeughausaffaire, auf dem Rückwege von der Rathhausbibliothek, Gelegenheit, dem
Patrouilleur zu entwischen.
[(Mgd. Z.)]
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@facs | 1662 |
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15
] Schleswig-Holstein, 5. Mai.
Wenn Hr. Olshausen noch immer nicht einsieht, daß hier Reichskriegskomödie gespielt wird, und zwar schwarz-weiße, so glauben wir, daß er
seine „bessere Brille“ in den schleswig-Holsteinischen Wirren verloren hat. Vielleicht will er es auch bloß nicht eingestehen, daß er es jetzt einsieht, weil er dadurch zugleich
eingestehen müßte, daß er sich mindestens von den Herren von Statthaltersgnaden ein X für ein U hätte vormachen lassen. So läßt Herr Olshausen sich heute von einem Frankfurter Korrespondenten
schreiben, daß Prittwitz sich verpflichtet hat nur von Frankfurt aus, nicht aber von Berlin Befehle anzunehmen, und daß er darüber einen Revers ausgestellt. Möglich daß in
diesem Revers nun ein kleiner Fehler vorgefallen und erst Berlin und dann Frankfurt steht. Mag dem sein wie ihm wolle, die Sache geht wie voriges Jahr, wo es ebenso von Wrangel hieß, der
dann auch um so bequemer Verrath beging.
Wir haben schon früher darauf hingewiesen, daß Bonin allem Anschein nach seine Instruktionen noch immer von Manteuffel-Brandenburg empfängt, worauf die Demokratenhetze in der Armee, die Anstellung
von fast lauter preußischen Offizieren, von denen viele in Betreff ihrer militärischen Tüchtigkeit, gleich Null sind, im übrigen aber als „ausgezeichnete Sprößlinge und Repräsentanten des
Junkerthums“ mit Rücksicht auf ihre Anmaßungen bezeichnet wurden, hindeuten.
Wir bedauern Bonin, der dadurch, daß die Truppen wider seinen Willen in Jütland einrückten und er hinterher gehumpelt kam, als Kolding schon genommen war, sich schon genug blamir hat. Daß Herr
Olshausen nicht daran glaubt, daß Bonin noch preußischer General ist, ist möglich, hat doch irgend ein verantwortlicher Departementschef, in Folge einer Interpellation versichert, daß Bonin
gänzlich in schleswig-holsteinische Reichsdienste getreten sei!!!
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@facs | 1662 |
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15
] Schleswig-Holstein, 3. Mai.
Die „N. freie Presse“, Eigenthum des Herrn Theod. Olshausen, theilt ihren Lesern die von uns der N. Rh Z. übersandte Korrespondenz
vom 26. April, mit der Andeutung mit, wie komisch oft die Dinge in den Schilderungen derer verschoben würden, die mit den Verhältnissen wenig bekannt sind. Wir danken dem Herrn Olshausen für dieses
Compliment, ersuchen ihn aber zu gleicher Zeit, unsere Korrespondenzen auch ferner abzudrucken, um so den Lesern der „N. f. P.“ unsere „Unkenntniß“ und
anti-monarchisch-feudalistisch-honette Auffassung vor Augen zu legen.
Wir kommen nochmals auf die Koldinger Affaire zurück, da jetzt überhaupt durch die Kabinetspolitik der Fürsten und ihre diplomatischen Kniffe Waffenruhe eingetreten zu sein scheint. Betrachten wir
die Thatsachen. Die schleswig-holsteinische Armee war 16000 Mann. Die Hälfte dieser Truppen langte aber erst Nachmittags an, nachdem der Kampf schon 5-6 Stunden gewährt. Die dänische Armee zählte
20,000 Mann, die größtentheils von vornherein auf dem Kampfplatz waren. An Todten und Verwundeten werden beide Armeen ziemlich gleich viel haben, nämlich 5-600 Mann; an Gefangenen ebenso vielleicht
150-200 Mann; Kanonen und sonstige Trophäen, außer einigen Husarenpferden sind nicht erbeutet. Die Resultate sind nur die: Unsere schleswig-holsteinische Armee hat sich trotz der schlechten Führung
höchst tapfer geschlagen, dadurch das Schlachtfeld behauptet und das Bewußtsein erlangt, daß sie es selbst mit einer feindlichen überlegenen Armee aufnehmen kann, während die Dänen durch die Schlappe,
die sie von einer so verachteten, weit geringern Macht der „Insurgenten“ erlitten, etwas demoralisirt sind. Was unbegreiflich, oder vielmehr für den Einsichtsvollen sehr begreiflich ist,
ist der Umstand, daß Bonin den Feind nicht verfolgen ließ, daß er den Sieg nicht benutzte, die Armee des Feindes auseinander zu sprengen, möglichst viele Gefangene zu machen, Beute zu erobern etc. Und
nun nach 10 Tagen nach dem Siege ist die siegreiche schleswig-holsteinische Armee immer noch zwischen Kolding und Veile.
Etwas ist allerdings durch das Eindringen unserer Truppen in Jütland errungen: unsere Pfahl- u. Spießbürger wagen endlich darüber zu sprechen und zu berathen, ob die Personalunion mit Dänemark noch
ferner fortbestehen kann. Selbst der deutsche Verein in Kiel hat darüber berathen, und nachdem er zu dem Schluß gekommen ist, daß aus moralischen Gründen die Personalunion nicht länger fortbestehen
könne, einen Ausschuß niedergesetzt, der die juristische (!) Seite der Frage beleuchten (!!) soll. Sie sehen also, ein deutscher Verein verfährt mit einer recht deutschen Gründlichkeit in einer rein
dänischen Frage. Nach dem schleswig-holsteinischen Staatsgrundgesetz, das freilich nur dann durchgeführt wird, wenn es die Knechtung des Volkes gilt, herrscht nämlich der Mannsstamm des
oldenburgischen Hauses in Schleswig-Holstein, und es kommen die Augustenburger Vollbluthengste an die Regierung, zur Ausbeutung des Volks, wenn die Personalunion aufgehoben wird. Da es aber für den
dänischen Staat eine Lebensfrage ist, für Schleswig-Holstein dagegen nur, ob sie sich durch Augustenburger Stallknechte oder dänische Maitreffen, aussangen, schinden und kauten lassen wollen, sie aber
in beiden Fällen immer fürstlich malträtirt werden, so geht diese Frage Dänemark weit mehr an, als Schleswig-Holstein. Wir setzen übrigens nur unsere Hoffnung auf die Armee, wenn sich die Diplomatie
erdreisten sollte, den bekannten Menschenschacher mit uns zu treiben, von den Schleswig-Holsteinern selbst hoffen wir, daß sie Nichts thun werden. Schleswig-Holstein kann, wenn es an die Lösung
dieser Frage jetzt denken will, auch gar nichts machen, denn siegt die Reaktion in Preußen und dem übrigen Deutschland jetzt, so wird in Schleswig-Holstein der Absolutismus auch wieder vollständig
octroyirt werden.
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Aus dem nördlichen Schleswig, 4. Mai.
Die gestern Abend aus Kolding in Christiansfeld eingebrachten Verwundeten bringen folgenden Rapport vom Kriegstheater mit: Bei einer gestern Morgen von
Kolding aus von einer Compagnie Jäger, zwei Bataillonen, einer Cavallerie-Schwadron und einer halben Batterie, Alles Schleswig-Holsteiner, unternommenen Recognoscirung wurden anfänglich die dänischen
Vorposten zurückgeworfen; aber hei Taulov, ungefähr eine Meile vor Friedericia, unweit des kleinen Belts, brachen plötzlich 5 dänische Bataillone aus einem Hinterhalte hervor. Unterstützt durch die
Wirkung eines Kanonenbotes, drangen die Feinde vor, und die Unsrigen zogen sich allmälig vor seiner unverhältnißmäßigen Uebermacht bis Nord-Vjert, der bisherigen Position der Vorposten vor Kolding,
zurück, in dessen unmittelbare Nähe die Dänen es nicht für rathsam hielten, vorzudringen. Sie kehrten demnach wider um, nachdem es ihnen gelungen war, Einzelne der Unsrigen zu fangen. Unser Verlust
besteht aus einigen dreißig Verwundeten. Wenn nicht alle Kreterien täuschen, so wird die Stunde der Entscheidung nicht lange mehr auf sich warten lassen; wir glauben diesen Schluß um so eher ziehen zu
können, als heute beide Statthalter Schleswig-Holsteins im Hauptquartier eingetroffen sind.
[(Börs.-H.)]
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@facs | 1662 |
[
*
] Freiburg, 2. Mai.
In dem Struve-Blind'schen Prozesse legte man den beiden Angeklagten unter andern Beweisstücken auch einen Brief vor, den Blind im Namen Struve's
von der Schweiz aus an das straßburger Flüchtlingscomité geschrieben haben sollte, und worin Anleitungen zur Reorganisation von Ausschüssen längs der französischen Gränze gegeben waren. Der
Brief wird dem Angeklagten vom Gerichtsschreiber vorgezeigt.
Blind: Bevor ich meine Erklärung darüber abgebe, bitte ich den Herrn Präsidenten, mir zu sagen, auf welche Weise dies Schriftstück in die Hände der Untersuchungsbehörden gekommen ist.
Der Präsident: Das großherzogliche Ministerium des Innern hat dasselbe eingesandt.
Blind: Das ist unmöglich. Der Brief ist von Basel an ein Flüchtlingskomité nach Straßburg adressirt, und nicht an das Ministerium zu Karlsruhe. Ich frage: wie kam er in die Hände Ihrer
Regierung?
Der Präsident blickt sich lange in seinen Notizen um und erwidert endlich: Man hat, wie ich eben richtig sehe, das Schreiben in der republikanischen Kanzlei gefunden, die zu Staufen von den
Soldaten erbeutet wurde … Ja, ja, so ist es …
Blind: Das ist unmöglich und unwahr. Der Brief war ja bereits von Basel nach Straßburg abgesandt; er muß den betreffenden Poststempel tragen. Wie sollte er plötzlich von Straßburg in ein Felleisen
der provisorischen Regierung nach Staufen kommen! Jene Kanzlei befand sich zudem unter meiner Leitung; ich weiß bestimmt, daß dieser Brief, den ich geschrieben haben soll, nicht in dieser Kanzlei
war.
Der Präsident schaut wieder auf seine Notizen, und richtet dann einen Streifblick auf die drei Staatsanwälte, die stumm da sitzen.
Blind: Es scheint mir daraus hervorzugehen, daß die großherzogliche Regierung im Ausland „Freunde“ hat, die zugleich mit ihr und zugleich mit den Flüchtlingen der republikanischen
Partei in Verbindung stehen: was man gewöhnlich in grober Sprache geheime Agenten und Spione nennt.
Der Gerichtspräsident und die drei Staatsanwälte nehmen diese Bemerkung schweigend hin!!
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@facs | 1662 |
Bruchsal, 2. Mai.
Heute Morgen halb 4 Uhr kam auf dem hiesigen Bahnhofe ein mit vier Pferden bespannter, schwer beladener Wagen aus Stuttgart an, der mit einer weißen Blache bedeckt und mit
einer stark in Eisen beschlagenen Kiste garnirt war. Zwei Bediente (nicht eigentliche Fuhrleute) der eine mit einem blauen, der andere mit einem grauen Mantel versehen, geleiteten den Wagen, welcher
um 7 Uhr sammt den Pferden nach Mannheim durch die Eisenbahn spedirt wurde. Nach den Aeußerungen der Ueberbringer des Wagens hätten dieselben vielen Vorspann über die Berge bis hierher nöthig gehabt.
Wenn man nun diese Erklärungen mit der Aussage der Bahnbedientesten zusammenstellt, daß der Wagen ungemein schwer, das Volumen des Wagens aber nicht sonderlich groß war, so liegt die Vermuthung ganz
nahe, daß dieses ein Geldwagen ist, der, wie wie viele andere, seinen Weg nach der englischen Bank nimmt. Ich enthalte mich, weitere Folgerungen zu ziehen, von wem und wohin das Geld bestimmt
ist.
[(Beob.)]
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@facs | 1662 |
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15
] Frankfurt, 6. Mai.
Heute Nachmittag hielt der Kongreß der Abgeordneten der Märzvereine seine erste Sitzung. Die Versammlung fand in Wolfseck statt und schien von circa 2000
Menschen besucht. Die Stimmung derselben war eine ganz der sie leitenden vereinbarenden Linken aus dem Reichsviehdepot angemessene: eine flaue. Zuerst leitete Raveaux diesen neuen Beitrag zur Reichs-
und Volkshistorie ein. Er spricht undeutlich, man weiß nicht, ob er die Revolution im Kopf oder Magen hat. Einigkeit, Fortschritt, keine Ueberstürzung sind seine Stichworte, von dieser Versammlung
würde die Majorität in der Paulskirche abhängen. Nach der Geschäftsordnung, die in Pausch und Bogen angenommen, schreitet man zur Präsidentenwahl. Fröbel wird Präsident, er präsidirt wie gewöhnlich
mit viel gutem Willen aber wenig Kraft. Vogt und Raveaux Vizepräsidenten, Umscheiden und Remstein Sekretäre. 1) Tagesordnung: Berathung über die Volkssouveränetät nach dem Willen der edlen Majorität
der Paulskirche jetzund und in Zukunft. 2) Proklamation an das Volk und das Heer, zu der zwei Kommissionen gewählt werden. 3) Künftige Organisation. 4) Künftige innere und äußere Politik dieser
Revolutionshindernisse. Hagen aus Hamburg will die Worte zu Nr. 1, so lange die Verfassung noch nicht anerkannt ist, eingeschaltet wissen, das Amendement, welches doch nur Hoffnung läßt, aus den
Klauen des Reichsrindviehs herauszukommen, fällt aber, da die ganze Versammlung von vornherein von dieser ausgesuchten Elite dupirt wird. Ein Antrag von Fenneberg aus Wien, der Pfälzer Revolution und
der Reichsversammlung Schutz zu verleihen, wird abgelehnt (!!) Simon: Noch einmal gehe ich zu den Ministern und frage, ob sie vereinbaren wollen, sonst sagt sich unsere Partei los! Er scheint sich im
Kaiserstall unbehaglich zu fühlen, wahrscheinlich sind ihm die Hörner noch nicht vergoldet und er sieht seinen Stern untergehen.
Er verlangt was folgt: 1) Aufruf zu allgemeiner Rüstung; 2) kein vereinzelter aktiver Widerstand; 3) allgemeiner Widerstand gegen die Octroyirung mit allen Kräften; wird angenommen.
Heute Morgen soll Simon v. Trier noch gesagt haben: kommt die äußerste Linke ans Regiment, so hängt man mich, und das
[1663]
wäre doch für die Weltgeschichte schade. Beim Schluß wird die Versammlung etwas lebhafter, da die Eingänge sehr eng sind.
Einliegender Antrag, wohl an 20 Mitglieder abgegeben; zum unterzeichnen hatte kein einziger Muth, selbst Hr. Hagen nicht.
In Erwägung, daß die Nationalversammlung nicht Schuld daran ist, daß sie jetzt Boden im Volk hat, sondern daß die Frechheit der Fürsten daran Schuld;
In Erwägung, daß die Nationalversammlung durch Abgang der österreichischen Deputirten das Volk nicht vertritt;
daß sie die Ehre der Souveränetät des Volks gekränkt durch die Billigung des Mords von Robert Blum;
daß die Majorität, wie sie bisher war, nur als ein politisches Hinderniß im Jahre 1848 dasteht — beschließt die Versammlung, die Mitglieder der Nationalversammlung, die zum Märzverein
gehören, aufzufordern, auszutreten und ein neues Parlament nach einem revolutionirten Theile Deutschlands zu berufen.“
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@facs | 1663 |
[
15
] Hamburg, 5. Mai,
Ueber hiesige Reichskrämerstadt haben Sie lange nichts von mir erfahren; doch kann und darf ich es jetzt nicht unterlassen, das hier gestern erlebte Ereigniß
mitzutheilen. Wie Sie wissen, habe ich einen großen Widerwillen vor den personifizirten Kaffe- und Pfeffersäcken, deren Hauptgedanken sich um den Disconto drehen und deren Rechenphysiognomie einen
hier auf jeden Tritt anstiert — aber gestern haben diese feilen Krämerseelen nach ihrer Art sich famos gemacht und muß der 4te Mai in den Annalen Hamburgs Epoche machen.
Gestern Mittag, als der größte Theil der hiesigen Krämer noch an der Börse versammelt war, erschienen daselbst Schmerling und Sommaruga, umgeben von der Elite der Staatspapierjuden und geführt von
einem gewissen Godefroy, Bruder des sich jetzt in Frankfurt Befindenden, welcher bekanntlich in deutschen Kriegsschiffen macht. Als nun diese noble Gesellschaft die Börse betreten, wurden die beiden
östreichischen Vollblutjunker den Hamburgischen Vollblutkaffesäcken durch den edlen Godefroy vorgestellt, wobei dieselbe ruhig fortschritt. Während dessen ging es von Mund zu Mund: „Schmerling
ist da! Schmerling ist da!“ und kaum hatte dieser die Mitte der Börse erreicht, so entstand von allen Seiten ein furchtbares Pfeifen und Zischen, unterbrochen nur durch den Ruf: „Hinaus!
hinaus!“ Bald rechts, bald links sich wendend, suchten Schmerling und Sommaruga mit ihrer Begleitung einen Ausweg zu gewinnen; aber wohin sie sich wandten, wurden diese Bedauernswerthen von den
pfeifenden und zischenden Börsenmännern empfangen und begleitet; vergebens suchte Ehren-Godefroy durch Bitten und Flehen das Mitleid derselben zu erregen, es half Alles nichts — unsere
Börsenpfeifer ließen sich nicht irre machen, unerbittlich verfolgten sie die Vollblutgesellschaft, welche es jedenfalls nur der Gegenwart ihrer Damen zu verdanken hat, daß sie nicht durch
handgreifliche Demonstrationen aus der Hamburger Börse spedirt wurde. Leichenblaß zogen Schmerling und Sommaruga ab und verließen das von ihnen, nach Behauptung der Krämer, entweihte Heiligthum,
begleitet von dem sie verhöhnenden Gelächter und Pfeifen. Die Nachricht, das jene beiden bch innerhalb der Mauern unserer Reichsrepublik befänden, versireitete sich schleunigst, und am Abend, gegen 10
Uhr, hatten sich Tausende von Menschen vor dem Hotel de l'Europe, wo dieselben wohnten, versammelt. Hier ertönte nun eine grauenhafte Katzenmusik oft unterbrochen durch den tausendstimmigen
Ruf: „Reichsbandit heraus! Reichsbandit heraus!“ aber es erschien keiner der Herren, denn der vor dem Hause aufgestellte kleine Galgen mochte ihnen wohl eben nicht sehr gefallen.
Die beim vorjährigen Niederschießen der Frankfurter Barrikadenkämpfer gezeigte Brutalität dieser beiden Reichsbanditen hatte sich hier in die elendeste und gemeinste Feigheit verwandelt: eine
Katzenmusik und ein aus Stangen zusammengebundener Galgen waren hinreichend, um Schmerling, diesen Schlächter von Frankfurt, aus Hamburg zu vertreiben. Vor dem Hause war ein Kommando hiesiger
Bürgerwehr aufgestellt, diese nahmen ihr Gewehr beim Fuß und sahen ruhig der dem Reichsbanditen dargebrachten Ehrenbezeugung zu; auch Polizeidiener hatten sich in großer Menge eingefunden, hielten es
aber für das Gerathenste, sich ruhig zu verhalten. Auf dem vor dem Hause sich hinziehenden Jungfernstieg bewegte eine große Anzahl Spaziergänger sich auf und ab und hörten der Katzenmusik zu. Von
mehreren derselben, namentlich Damen, hörte ich wiederholt die Aeußerung: „Wenn der Heckscher wiederkommt, wird es ihm eben so gehen, wie hier und an der Börse.“ Das Volk aber
sagte, indem es auf seinen improvisirten Galgen zeigte: „Hieran gehört Heckscher!“
Schmerling und Sommaruga reis'ten noch in derselben Nacht ab und sollen den Weg nach Holstein eingeschlagen haben, hoffentlich werden die dortigen Bewohner ihnen einen ähnlichen Empfang
verbunden mit denselben Ehrenpforten bereiten, und mögen dann die Herren Beseler und die ganze Bande, welche Schleswig-Holstein elendiglich verschachert, es sich zur Warnung dienen lassen.
Italien.
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@facs | 1663 |
[
*
]
La Révolution marche en Italie! Wir haben gestern eine Nachricht aus Paris mitgetheilt, wonach das Gouvernement wichtige Depeschen erhalten haben sollte, welche die
Natur der französischen Expedition wesentlich ändern dürften. Die offiziellen Pariser Blätter schweigen auch heute über die Expedition, wie sie überhaupt seit dem Ausschiffen der Truppen in
Civita-Vecchia keine offiziellen Nachrichten mehr brachten. Die Berichte, welche wir dagegen übereinstimmend von verschiedenen andern Seiten erhalten, geben uns bereits hinlänglichen Aufschluß über
die geheimen Regierungsdepeschen und die Resultate des glorreichen Mondkälber-Kreuzzuges.
Das Erste, was selbst von dem Journal des Debats bestätigt wird, ist die Gewißheit von der Lügenhaftigkeit aller jener Ordnungsgerüchte, welche wie Hr. Levi Schmuhl in der Köln. Ztg. die
französischen Truppen bereits in Rom einziehen ließen.
Oudinot war allerdings bereits von Civita-Vecchia aufgebrochen. Aber „Anzeichen von Unruhen“, wie es nach der „Sentinelle“ von Toulon scheint, nöthigten den
Expeditionsgeneral, in seinem Zuge einzuhalten; 400 Mann der römischen Garnison und nach andern Berichten das ganze Bataillon Melara, welches zur Vertheidigung der Festung abgesendet war, sind
entwaffnet worden. Gleichzeitig war der Marsch der Franzosen durch Verbrennen einer Brücke aufgehalten worden.
Nach einer römischen Correspondenz vom 26sten in dem „Nazionale“ bereitet sich die römische Republik, statt aller Unterhandlung, zur Vertreibung der Gewalt durch Gewalt vor.
Die Constituante hat die französischen Truppen für vogelfrei erklärt; das Volk durchzieht mit dem Rufe: „Tod den Franzosen! Es lebe die römische Republik!“ die Straßen; die Stadt ist
verbarrikadirt, und die Transteveriner,
welche durch ihre Lage die Franzosen vor den Vorstädten auf dem rechten Tiberufer zunächst aufhalten können,
haben sich zum ersten Angriff bereit
erklärt.
Der betreffende Brief des „Nazionale“ lautet:
„Die Constituante hat nach den Mittheilungen des Triumvirats demselben die Sorge für Rettung der Republik und Vertreibung der Gewalt durch Gewalt übertragen.
„Ein Dekret der Triumvirn verbietet Flugblätter, Anschläge und andere Mittel zur Verbreitung unbestätigter Neuigkeiten.
„(5 Uhr.) Die Stadt ist festlich und voll Freude. Jedermann bereitet sich zur Vertheidigung der Republik vor. Das Volk zieht mit dem Ruf: „Tod den Franzosen! Es lebe die römische
Republik!“ durch die Straßen. Man hat das Gerücht verbreitet, daß die Franzosen die Cholera mit sich brächten. Der Saal der Assemblée ist vom Volk überfüllt, und ein einmüthiger Jubel
hat die Verkündigung des Dekretes begleitet, wonach die Deputirten die französische Armee außerhalb des Gesetzes erklären. Alle Welt arbeitet an Verfertigung von Patronen. Ein Dekret der
Triumvirn verordnet, daß alle Pferde der Comarca (Gegend von Ancona) zur Verfügung der Regierung gestellt werden sollen; kurz, es werden alle Vorbereitungen zu dem energischsten Widerstand getroffen.
Es ist indeß schwer zu glauben, daß die französischen Republikaner die Sache so zum Aeußersten kommen lassen und zum Bombardement gegen die römische Republik schreiten sollten. Die Bäcker schaffen
ungeheure Vorräthe an. An der Seite des Thor's von Civita-Veechia hat man bereits mit Errichtung von Barrikaden begonnen, und ist im Gange den Ponto Molle außerhalb der Porta del Popolo zu
unterminiren, da man von hier den Hauptangriff der Franzosen erwartet. Alt und Jung schwört sich zu vertheidigen und die Waffen zu ergreifen. Ciceroracchio hat die Versicherung gebracht, daß alle
Transteveriner zum Angriff auf die Franzosen bereit seien.
„(7 Uhr.) Wir erwarten von einem Augenblick zum andern die Ankunft Rusconi's. Alles bereitet sich zur Vertheidigung. Die Barrikaden erheben sich wie mit Zauberschlag. Der geheime
Viadukt zwischen dem Vatikan und der Engelsburg ist zerstört worden, um weitere Materialien zur Fortsetzung des Vertheidigungswerkes zu erhalten. — Soeben ist Rusconi eingetroffen. Ich muß
wegen Schluß der Post die näheren Mittheilungen versparen.“
Die Römer sind übrigens vortrefflich mit Munition und Waffen versehen. Außer den bekannten Namen Mazzini, Avezzana, Garibaldi, haben sie noch namhafte polnische und deutsche Führer, darunter einen
früheren Adjutanten Bem's aus Wien. Die honette Pariser Presse versäumt nicht, bei dieser Gelegenheit voll Wuth in das bekannte Lied einzustimmen, welches schon die Polizeikastraten einer
„uns benachbarten Zeitung“ während der Belagerung Wien's sangen, daß nämlich der ehrbare Kern der Bevölkerung nichts mit diesen Anstalten zu thun habe, und der Kampf nur durch den
„revolutionären Auswurf aller Nationen fortgeführt werde.
Der Cercolo popolare hat einen Sicherheitsausschuß erwählt. Aus seinem Schoos ging zuerst das Gerücht hervor, daß die Franzosen die Cholera mit sich brächten.
Nach der „Revolution democratique et sociale“ sollen die geheimnißvollen telegraphischen Regierungsdepeschen die Nachricht enthalten, daß die franz. Truppen vor Rom eine erste
schwere Niederlage erlitten hätten. Wir halten diese Nachricht für voreilig, glauben aber vielmehr, daß die Soldaten der französischen Republik bei dem jetzt unzweifelhaften Widerstand der
römischen Republikaner die Prophezeiung Ledru-Rollin's wahr machen und ihre Führer selbst zum Rückzuge zwingen werden. Der Magistrat von Rom hat bereits folgende Proklamation an die
französischen Expeditionstruppen gerichtet:
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Bürger, man hat euch schmachvoll getäuscht, als man euch sagte, daß eure Anwesenheit auf dem Gebiete der römischen Republik zur Herstellung der Ordnung
nöthig sei. Die vollkommenste Ordnung herrscht unter uns. Eure Anwesenheit wäre unnütz in diesem Zweck. Wir aber, wir würden uns im Angesicht Europa's entehren und selbst in euren Augen den
Vorwurf der Feigheit verdienen, wenn wir zögerten, unser Land zu vertheidigen.
„Ja, wir lieben Frankreich, aber wir würden unsern Sympathieen Schweigen gebieten und uns bis auf den letzten Mann gegen euch schlagen, wenn ihr uns zur Vertheidigung unserer Rechte, zur
Vertheidigung unserer Regierung zwingen solltet, welche wie die eurige aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangen ist.
„Franzosen, wir können jedoch nicht glauben, daß ihr unter der republikanischen Fahne gegen eine Fahne ziehen wolltet, die keine andere als die eurige ist! Wir können nicht glauben, daß ihr
den 5. Artikel der Konstitution zu verletzen kommt, die ihr euch selbst gegeben habt? Republikaner, wir können nicht glauben, daß ihr eure republikanischen Brüder niederzukartätschen kommt. Es lebe
die Republik!“
Auch die in Rom lebenden Franzosen haben eine Proklamation in ähnlichem Sinne erlassen.
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@type | jArticle |
@facs | 1663 |
[
*
] Turin, 1. Mai.
Nach Korrespondenzen in französischen Blättern von vorstehendem Datum nimmt die Erbitterung in den lombardischen Städten in einer Weise überhand, welche binnen
kurzem auf einen neuen Ausbruch schließen läßt.
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@type | jArticle |
@facs | 1663 |
[
068
] Turin, 30 April,
Die „Democrazia Italiana“, das beste hier erscheinende Blatt ist jetzt zum 4ten Mal seit 14 Tagen mit Beschlag belegt worden. Die
Regierungsgewalt hat es längst auf den Untergang dieses Organes der demokratischen Partei abgesehen. Die Reaktion ist überall in vollem Gange; Oestreichs Wünsche werden in dieser Hinsicht auf's
Zuvorkommendste erfüllt. In Genua schaltet La Marmora en miniature, wie seine Standrechtsvorbilder Welden, Wrangel etc. in Deutschland. Das jetzige Ministerium erklärte bald nach der durch
piemontesischen Verrath herbeigeführten Niederlage von Novara, daß der Verlust der Piemontesen sehr bedeutend gewesen, deshalb sei der Abschluß eines Waffenstillstandes und weiterhin des Friedens
nothwendig geworden. Jetzt hat es die Unverschämtheit, in seiner offiziellen Zusammenstellung die Verluste an Todten und Verwundeten in der Schlacht von Novara sehr niedrig anzugeben. Dieser Eine Zug
charakterisirt das Ministerium Delaunay-Pinelli zur Genüge.
In Aleggio hat man eine kuriose Entdeckung gemacht. Der dort stationirte östreichische Major wie der Kapitän sind als 2 Jesuiten erkannt worden, die vor Vertreibung der Jesuiten aus Sardinien
öfters mit Zöglingen ihres Instituts zu Ferienbesuchen dort waren.
@type | jAnnouncements |
@facs | 1664 |
Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 7. Mai 1849.
Angekommen.
C. Hegewein vom Obermain.
Abgefahren.
H. Staab nach Heilbronn. Fr. Deiß nach der Saar, beide geschleppt.
In Ladung
Nach Ruhrort bis Emmerich Wwe. J. A. Orts. Nach Düsseldorf bis Mülheim a. d. Ruhr L. Ducoffre. Nach Andernach und Neuwied J. Krämer u. H. Schuhmacher. Nach Koblenz, der Mosel, der Saar und
Luxemburg D. Schlaegel. Nach der Mosel, der Saar u. Trier J. Castor Nach Bingen H. Harling. Nach Mainz Chr. Acker. Nach dem Niedermain Franz Spaéth. Nach dem Mittel- und Obermain Val. Ebert.
Nach Heilbronn L. Heuß. Nach Kannstadt und Stuttgart L. Bühler. Nach Worms und Mannheim B. Sommer, und (im Sicherheitshafen) Wwe. C. Müller.
Ferner: Nach Rotterdam Capt. Hollenberg, Köln Nr. 27.
Nach Amsterdam Capt. Singendonk, Köln Nr. 10.
Rheinhöhe: 7′ 10″. Köln. Pegel.
Bekanntmachung.
Der Absender eines vor einigen Tagen hier zur Post gegebenen Pakets mit Weizenproben an Wieler zu London wird ersucht, sich in meinem Büreau zu melden.
Köln, den 7. Mai 1849.
Ober-Post-Amt, Rehfeldt.
Licitation.
Das in einem der gewerbreichsten Theile der Stadt Köln, Maximinenstraße Nr. 53 gelegene, theils in massiven Mauern, theils in Fachwerkswänden erbaute zweistöckige Haus von 16 1/2 Fuß Breite und 32
2/3 Fuß Tiefe nebst etwa 16 Fuß breitem und 56 Fuß tiefem Hofraume, odann einem 12 1/2 Fuß langen und 13 1/2 Fuß breiten, in massiven Mauern erbauten, zu einer Schmiede-Werkstätte benutzten und gleich
dem Haupthause unterkellerten, einstöckigen Anbau, endlich mit Regensarg, Brunnen und Pumpe und dem in Fachwerk-Wänden erbauten einstöckigen, am hintern Ende des Hofes befindlichen Hinterbau von etwa
14 Fuß Länge und 13 Fuß Tiefe soll in Theilungssachen Jansen gegen Thelen am Dienstag den 15. Mai d. J., Nachmittags 3 Uhr, auf meiner Schreibstube, woselbst Expertise und Heft der Bedingungen
einzusehen, öffentlich versteigert und dem Meistbietenden definitiv zugeschlagen werden.
Köln, den 18. April 1849.
Fier, Notar Sachsenhausen 24.
Wein-Versteigerung zu Koblenz.
Auf Anstehen des zu Koblenz wohnenden Küfermeisters Herrn J. G. Dernbach, wird der Unterzeichnete am Donnerstag den 10. Mai dieses Jahres, Nachmittags zwei Uhr, im Saale des Gastwirths Herrn
Colling zu Koblenz nachverzeichnete, selbst gezogene und rein gehaltene Weine gegen 6monatlichen Zahlungs-Ausstand einer freiwilligen Versteigerung aussetzen, nämlich:
- A. Rheinweine.
- 1842r. Steeger 1 Fuder, 2 Ohm u. 1/2 Ohm,
- 1848r. Steeger 1 Fuder,
- 1842r. Engehöller 1 Fud., 1 Ohm u. 2/4 Ohm,
- 1848r. Engehöller 2 Fuder,
- 1842r. Zeltinger 1 Fuder,
- 1848r. Oberweseler 1 Fuder,
- 1846r. Bodenthaler 2 Fud., 1 Ohm u. 2/4 Ohm,
- 1846r. Dellhöfer, 1 Zulast und 2 Ohm.
- B. Moselweine.
- 1846r. Merler 2 Fuder, 1 Ohm u. 3 halbe Ohm,
- 1846r. Layer-Röttchen 1 Fuder,
- 1846r. Briedeler, 3 Fuder,
- 1846r. Winninger 1 Zulast, 2 Ohm u. 2/2 Ohm,
- 1848r. Petersberger Neefer 4 Fuder,
- 1847r. Petersberger Neefer 2 Fuder,
- C. Rohte Weine.
- 1848r. Oberweseler 2 Fuder, 1 Zulast, 1 Ohm,
1/2 Ohm und 2 Viertel Ohm.
Die Proben werden am Tage der Versteigerung und Tags vorher an den Fässern gegeben.
Koblenz, den 24. April 1849.
Laymann, Notar.
Bekanntmachung.
Donnerstag den zehnten Mai 1849, Vormittags eilf Uhr, sollen auf dem Marktplatze zu Deutz ein großer Wagen und verschiedene Hausmobilien gegen baare Zahlung versteigert werden.
Der Gerichtsvollzieher, Brochhausen.
Gerichtlicher Verkauf.
Am 9. Mai 1849, Vormittags 11 Uhr, wird der Unterzeichnete auf dem Heumarkte zu Köln, 1 Tisch, 4 Stühle, 1 Sopha, 1 Kommode, 1 Waschkommode, 1 Tafeluhr etc, gegen baare Zahlung öffentlich
meistbietend verkaufen.
Der Gerichtsvollzieher, Simons.
Gerichtlicher Verkauf.
Am Mittwoch den 9. Mai 1849, Vormittags zehn Uhr, wird der Unterzeichnete auf dem Altenmarkte zu Köln, eine Uhr, einen Ofen, einen Schrank, Tische, Stühle, etc., gegen baare Zahlung öffentlich
meistbietend verkaufen.
Der Gerichtsvollzieher, Simons.
Verkaufs-Anzeige.
Am 11. Mai 1849, Vormittags 10 Uhr, sollen durch den Unterzeichneten auf dem Waidmarkte zu Köln, verschiedene werthvolle Mobilar-Effekten, als: Tische, Stühle, Bilder, Oelgemälde, 1 antiker Schrank
mit Figuren, 1 großer Spiegel, dessen Glas circa 4 Fuß hoch und 3 Fuß breit ist etc., öffentlich meistbietend gegen baare Zahlung verkauft werden.
Der Gerichtsvollzieher, Hey.
Stehende Brücke.
Die in Nr. 289 d. Ztg. abgedruckte Adresse ist heute mit 2639 Unterschriften versehen an das königl. Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten nach Berlin abgegangen.
Köln, 7. Mai 1849.
Das Comite.
Bel. Dubelmann, Adv. J. M. Farina. F. Pannes. E. Peill.
Dem hämischen Verläumder erwidere ich auf den in Nro. 288 der „Neuen Rh. Ztg.“ gegen mich gerichteten Angriff, daß ich die betreffende Geldverpackung glücklicher Weise in Gegenwart
dreier Zeugen, nämlich der Herren: Bereiter Wiese, Schuhmacher Brülin, und Musiker Meier von hier, vorgenommen habe, welche letztere jederzeit bereit sind, sowohl diesem Menschen ins Gesicht, als auch
sonst überall, und erforderlichen Falles eidlich darzuthun, daß ich das erhaltene Geld richtig verpackt und den fraglichen Brief zur Beförderung auf die Post abgegeben habe. Wäre übrigens der
Verfasser jenes Inserates im hiesigen Staate domizilirt, so würde ich jede Erwiderung in einem öffentlichen Blatte verschmäht und einen solchen böswilligen Verläumder auf andere Art zurecht zu weisen,
gewußt haben.
Neuß, den 5. Mai 1849 Karrenberg Gastwirth zur „Rose“
Nachdem Schildergasse 46 das alte Lager durch Ausverkauf geraumt war, haben die Besitzer ein best assortirtes im selben Lokale errichtet, was sie um so mehr einem geschätzten Publikum zu empfehlen
sich veranlaßt fühlen, da sie durch vortheilhafte persönlich gemachte Einkäufe auf der jüngsten Leipziger Messe im Stande sind, die sie mit ihrem Besuche Beehrenden eine preiswürdige und äußerst
schöne Waare zu bieten.
Besonders zeichnen sich aus:
- 9/4 feine schw. Tuche von 35 bis 60 Sgr.
- 9/4 feine dessinirte Palletots-Stoffe 30 bis 60 Sgr.
- 4/4 feine Sommerbukskin 17 bis 32 Sgr.
- 4/4 feine 1/2 wollen dito 5 bis 10 Sgr.
- 3/4 feine Damentuche 18 bis 35 Sgr.
- 2000 Ellen Westen in schönsten Mustern von 6 bis 15 Sgr.
per große Elle.
In leinenen, halbleinenen und baumwollenen Hosenzeugen, schw. Seidentüchern, Foulards und verschiedenen andern Artikeln große Auswahl zu billigsten Preisen.
Schildergasse 46.
Für Geschäftsleute.
Ein kaufmännisch erfahrener Mann empfiehlt sich kleinern Geschäftsleuten zum einrichten und führen der Bücher und Correspondenz, zur Liquidation und Auseinandersetzung von Rechnungen während einer
Stunde täglich, gegen mäßiges Honorar. Anträge sub La Z. an d. Exp.
Englischer Hof empfiehlt einem reisenden Publikum bestens Köln im Mai 1849 H. J. Thibus.
Makulaturpapier.
Circa 500 Pfd. sind billig abzugeben. Bescheid bei der Expedition d. Ztg.
Täglich großer Maifischfang von Gebr. Wattler am Thürmchen.
Schildergasse 46 ist die zweite Etage zu vermiethen.
Geschäfts-Anzeige.
Mit dem 1. Juni d. J. geht die „Neue Rheinische Zeitung“ nicht mehr aus meiner Druckerei hervor. — Indem ich hiervon meine geehrten Geschäftsfreunde in Kenntniß setze, bitte
ich, die mir bisheran bewiesene Theilnahme auch ferner bewahren zu wollen. Ich bin nun wieder im Stande, allen Anforderungen im typographischen Fache in kürzester Frist entsprechen zu können, indem
das sämmtliche für den Druck der Zeitung bis jetzt verwendete Material zur anderweitigen Benutzung frei und durch neue Anschaffungen vervollständigt worden.
Mit Bezug hierauf erlaube ich mir, meine Buchdruckerei zur Ausführung von Aufträgen, als: Werke jeden Umfangs, Tabellen, Rechnungs-, Quittungs- und andere Formulare, Etiquetten, Frachtbriefe,
Karten, Todtenbriefe etc. etc. angelegentlichst zu empfehlen. — Pünktliche und billige Belieferung wird zugesichert.
Köln, den 3. Mai 1849.
J. W. Dietz.
Nach San Francisco in Californien via Valparaiso.
Von Antwerpen wird am 31. Mai bestimmt abfahren das schöne gekupferte belgische Schiff erster Klasse A.
Duc de Brabant, Capt. Dewilde.
Das Schiff hat Raum für 400 Tons Güter, in der Cajüte sind 7 Zimmer, deren Zahl noch vermehrt werden kann, und das 6′ hohe Zwischendeck bietet Bequemlichkeiten für hundert Passagiere
dar.
Zur Ersparung der theuern Transport- und Assuranzkosten kann baares Geld gegen Anweisungen à vue auf Valparaiso sowie auch auf San Francisco zu einem sehr vortheilhaften Course eingewechselt
werden.
Nähere Auskunft ertheilt auf franco Anfragen der Bevollmächtigte C. H. van Zütphen Spediteur in Köln Comptoir Perlengraben Nr. 70.
Regelmäßige Post-Schifffahrt zwischen Antwerpen u. Newyork.
Wir expediren:
am | 15. | Mai | den | amerikanischen | Dreimaster | Rondleff, | Capt. | Asgood. |
am | 20/25. | Mai | den | amerikanischen | Dreimaster | Hattrick, | Capt. | Rockwell. |
am | 1. | Juni | den | amerikanischen | Dreimaster | Shakspeare, | Cap. | Crombs. |
Vorgenannte Schiffe sind sehr bequem eingerichtet, mit außergewöhnlich hohen Zwischendeck und Cajüttenplätzen. Die Preise sind billigst gestellt und die Abfahrtstage werden genau eingehalten.
van Maenen & Comp. Thurnmarkt Nr. 73.
Niederl. Dampfschifffahrt-Gesellschaft.
In Ladung nach Mannheim, Mainz etc. das Dampfboot Stadt Düsseldorf. Abfahrt 9-10 dieses.
Näheres wegen den ermäßigten Frachten ertheilt der Agent Albert Heimann Köln, den 7. Mai 1849. Friedrich-Wilhelmstraße Nro. 4.
Arbeiter-Verein.
Versammlung im Eiser-(Dickopf'schen) Saale. Mittwoch den 9. Mai 1849. Abends 8 Uhr.
Eintrittspreis für Nicht-Mitglieder ein Silbergroschen. Damen frei.
Das Comite.
Die Kaltwasserheil-Anstalt Rolandseck bei Bonn a. R ausgezeichnet durch ihre sehr schöne Lage, im Angesicht des Siebengebirges, elegante und zweckmäßige Einrichtung, ist das ganze Jahr hindurch dem
hülfesuchenden Publikum eröffnet. Zur Kur eingewurzelter Krankheiten sind die Frühlingsmonate April, Mai, Juni passender, als der heiße Sommer. — Der wöchentliche Kurpreis beträgt, Alles in
Allem, je nach der Schönheit der Zimmer, 8 bis 15 Thlr. Verwandte und Bekannte der Kurgäste, die hier bei den Ihrigen verweilen wollen, ohne die Kur zu brauchen, finden stets in dem neben der Anstalt
liegenden großen Hotel Roland bequemes Unterkommen. Aerztliche Anfragen bitte ich an den in der Anstalt wohnenden Arzt Herrn Dr. Davey, ökonomische an mich postfrei zu richten.
Rolandseck, den 15. April 1849.
F. Küpper.
Ein routinirter Apotheker-Gehülfe, der sich stets die Liebe und das Vertrauen seiner Vorgesetzten mit guten Zeugnissen erworben hat, und wegen Krankheit seine letzte Stellung hat aufgeben müssen,
sucht sofort eine Stelle. Darauf bezügliche Briefe werden unter Adresse G. S. post restante Saalfeld an der Saale in Thüringen erbeten
Drei durcheinandergehende schöne möblirte Zimmer sind zu vermiethen. Kreuzgasse 15.
Ein der schönsten Monstranzen gothische Arbeit, 2 Fuß hoch, von Messing im Feuer vergoldet und von den ersten Kennern als eine der schönsten und besten Arbeiten, welche bis jetzt gefertigt
anerkannt worden ist, von demselben Stoff ist auch ein Kreuz zu haben bei J. P. Hospelt, Höhle 35.
Feinster Emmenthaler Schweizerkäse in ganzen und halben Laeben,
Alter holländischer Käse,
Beste Bamberger Pflaumen, per 20 Pfd. 1 Thlr.,
Butter in Fäßchen von 60 Pfd.,
Feinstes Provencer-Oel, billigst bei A. J. Baurmann Sohn, Breitestraße Nr. 45.
Ein runder kirschb. Patenttisch für circa 30 Personen steht zu dem billigen Preise von 14 Thlr. zu verkaufen. Domhof 13 bei Späner.
Alle fertig geriebene Oelfarben bei A. J. Baurmann Sohn, Breitestr. 45.