Deutschland.
@xml:id | #ar291-2_001 |
@type | jArticle |
@facs | 1651 |
[
*
] Köln, 5. Mai.
Die R. Oder-Zeitung enthält das Protokoll der am 14. April in Debreczin abgehaltenen Sitzung der ungarischen Nationalversamlung, in der die
Lossagung von Oestreich und die Absetzung der Dynastie Habsburg dektretirt, und Kossuth zum Regierungspräsidenten ernannt wurde.
Trotz der schlechten deutschen Uebersetzung geben wir den ganzen Artikel wörtlich wie folgt:
„Der 14. April des Jahres 1849 bleibt ein ewiges Denkmal in der Geschichte Ungarn's.
Die Vertreter der Nation versammelten sich an diesem Tage in Debreczin in ihrem gewöhnlichen Berathungssaale, um eine der Hauptfragen ihrer großartigen Aufgabe zu lösen; und um über das Loos
Ungarn's und des an dessen Spitze gestandenen Habsburg-Lothringischen Herrscherhauses zu entscheiden. Damit aber die zu fassenden Beschlüsse mit einer um so größeren Oeffentlichkeit und
Förmlichkeit stattfinden können, wurde die Sitzung in der großen Kirche der Reformirten abgehalten, in Gegenwart von Tausenden aus dem Volke.
Ludwig Kossuth, der Präsident des Landes-Vertheidigungs-Ausschusses, stattet Bericht ab über die gewonnenen Schlachten und von dem siegreichen Fortschreiten unserer tapferen Armee; er hob
besonders den Umstand hervor, daß jetzt die Zeit gekommen ist, daß Ungarn seine 300 jährigen Fesseln abschüttelte, im Familienkreise der europäischen Staaten seinen würdigen Platz einnehme, und daß es
mit jener Dynastie in's Reine komme, welche sich die Liebe und Treue der Großmüthigen, in der Treue unerschütterlichen Nation durch ihre ewigen Meineide und unerschöpflichen Verräthereien
leichtsinniger Weise auf immer verscherzt haben. Diesen Beschluß der Nationalversammlung verlangt die Nation, welche die Lasten unseres Freiheitskampfes treu und mit patriotischer Bereitwilligkeit
trägt; es fordert dieses von ihr die tapfere Armee, welche zur Rettung des Vaterlandes ihr Leben aufopfert; dies fordern die Umstände, daß man in den europäischen Kongreß, welchen man beabsichtigt
abzuhalten, ohne uns nicht beschließen könne, mit einem Worte, das Vaterland, die Welt und Gott fordert dazu das Repräsentantenhaus auf, daher auch der Regierungs-Präsident zu folgenden Beschlüssen
das Repräsentantenhaus aufforderte:
Im Namen der Nation werde bestimmt ausgesprochen:
1) Ungarn sammt dem damit gesetzlich vereinigten Siebenbürgen und allen dazu gehörigen Theilen, Ländern und Provinzen wird als ein freier, selbstständiger und unabhängiger europäischer Staat
öffentlich erklärt; die Flächeneinheit dieses ganzen Staates wird als untrennbar und seine Integrität als unverletzlich erklärt.
2) Das Habsburg-Lothringische Haus hat durch seinen Verrath, Meineid und Waffenergreifung gegen die ungarische Nation, nicht minder durch die Kühnheit, wodurch es vor der Zerstückelung der
Bodenintegrität des Landes, die Trennung Siebenbürgens und Croatiens von Ungarn und die Auslöschung des selbstständigen Staatslebens des Landes mit bewaffneter Macht zur Ermordung der Nation nicht
zurückbebte; mit seinen eigenen Händen die pragmatischen Sanktionen gebrochen, eben so, wie überhaupt jedes Band, welches auf Grundlage gegenseitiger Verbindung zwischen ihm und Ungarn sammt
seinen Ländern bestand. Dieses meineidige Habsburg - Lothringer Haus wird von der Herrschaft über Ungarn, dem damit vereinigten Siebenbürgen und allen dazu gehörenden Theilen und Ländern im Namen
der Nation auf ewig ausgeschlossen, entsetzt und von dem Genusse des Landesbodens und aller Bürgerrechte verbannt.
So wie dasselbe auch hiermit des Thrones verlustig, ausgeschlossen und verbannt, im Namen der Nation erklärt wird.
3) Indem die ungarische Nation zufolge ihrer unentthronbaren Naturrechte in die europäische Staatenfamilie als selbstständiger und unabhängiger freier Staat eintritt, erklärt sie zugleich, daß sie
allen andern Staaten gegenüber, wenn ihre eigenen Rechte nicht verletzt werden, in Friede und Freundschaft zu leben, besonders mit jenen Völkern, welche ehemals mit uns unter einem Oberhaupte standen,
wie auch mit dem benachbarten türkischen Reiche und den italienischen Staaten eine gute Nachbarschaft zu gründen, in derselben fortzuleben und auf Grundlage gegenseitiger Interessen sich in
freundschaftliche Verbindung einzulassen, ihr festester Entschluß ist.
4) Das künftige Regierungs-System in allen seinen Details wird die Nationalversammlung zu Stande bringen; so lange aber, bis dieses durch Grundprinzipien zu Stande kommt, wird das
Land in seiner gesammten Ausdehnung von einem Regierungs-Präsidenten mit ihm an die Seite gehenden Ministern unter seiner eigenen und der persönlichen Verantwortlichkeit der durch ihn zu
ernennenden Minister regiert werden.
Mit der Abfassung der in diesen Beschlüssen enthaltenen Principien wird ein Ausschuß, bestehend aus drei Gliedern, betraut.
Die Vertreter der Nation haben die Motionen des Regierungs-Präsidenten L. K. mit einem Willen und einstimmig zu den ihrigen gemacht, und Tausende aus dem Volke haben mit hehrer Begeisterung
der Stimme der Vertreter der Nation ihre Zustimmung gegeben.
Auf den vierten Antrag des Repräsentanten S. K. erklärte das Haus mit einem Herzen und mit einer Seele, daß es sein ganzes ungetheiltes Zutrauen der unerschütterlichen Vaterlandsliebe dem
bisherigen Herrn Regierungs - Präsidenten L. Kossuth schenkt, daher es ihn zum Regierungs-Präsidenten wählt und mit der Bildung eines verantwortlichen Ministeriums beauftragt. Mit der
Abfassung der in den gedachten Beschlüssen enthaltenen Principien aber sind die Herren Repräsentanten Ludwig Kossuth, Emerich Szacsvary und Stephan Gorove betraut.
Aus der am 14. April im Oberhause abgehaltenen Sitzung.
Der Präsident des Oberhauses, Baron Perény, hielt es für seine unablässige Pflicht, die in der heutigen Sitzung gefaßten Beschlüsse des Repräsentanten-Hauses dem Ober - Hause eilends zu
unterbreiten. Das Oberhaus nahm sie ohne fernere Debatte mit feierlicher Erhebung von ihren Sitzen mit Einstimmigkeit an.
@xml:id | #ar291-2_013 |
@type | jArticle |
@facs | 1652 |
[
*
] Frankfurt, 4. Mai.
Nationalversammlung.
Auf den Plätzen der Abgeordneten scheint schon bei Eröffnung der heutigen Sitzung kaum noch ein in Frankfurt anwesendes Mitglied der Versammlung zu fehlen. Sie erfolgt gegen 9 1/2 Uhr Vormittags
durch den Präsidenten Herrn Simson. Ausgetreten sind die Herren von Breuning aus Aachen, Martens aus Danzig, v. Beckerath aus Krefeld. Diese Ankündigung bringt eine Bewegung unwilligen Staunens
im Hause hervor.
Hr. Vischer aus Tübingen interpellirt das Reichsministerium wegen Mißachtung des Gesetzes vom 8. Januar, die Aufhebung der Spielbanken betreffend, die sich in Homburg kund gibt. Die
Interpellation ist erst heute Morgen eingebracht und es erfolgt noch keine Antwort darauf.
Darauf bemerkt der Präsident, daß sich in den Händen der Abgeordneten seit heute Morgen ein dringlicher Antrag des Dreißiger-Ausschusses befinde. Der Antrag ist gedruckt vertheilt und er zerfällt
in ein Mehrheitserachten und drei Minderheitserachten, die letzteren von Hrn. Vogt von Gießen, von Hrn. Venedey aus Köln und von Hrn. Simon von Trier gestellt. Das Mehrheitserachten lautet:
1) In Erwägung, daß es unmöglich ist, die Verfassung des deutschen Reichs auf dem in ihr selbst vorgezeichneten Wege ins Leben zu führen, so lange das erwählte Reichsoberhaupt dieselbe nicht
anerkannt hat und die Wahlen zum Reichstage nicht ausschreibt.
1) In Erwägung, daß die Regierungen mehrerer deutschen Staaten die Verfassung Deutschlands noch nicht anerkannt, daß die von Preußen und Baiern die entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen haben.
3) In Erwägung, daß auf der Grundlage der gegebenen Verfassung nur dann eine gedeihliche Entwickelung des öffentlichen Rechtszustandes für Deutschland zu erwarten steht, wenn die Würde des
Reichsoberhauptes mit der Krone Preußen verbunden wird.
4) In Erwägung, daß wenn nach dem Abschluß der deutschen Verfassung die deutsche Nationalversammung sich auflösen wolle, sie den ihr vom deutschen Volke unter Zustimmung der Regierungen ertheilten
Auftrag nur zur Hälfte erfüllen würde, indem die neue Konstituirung Deutschlands nicht mit dem Ausarbeiten einer Verfassung, sondern erst dann bewirkt ist, wenn Deutschland in Wirklichkeit unter der
beschlossenen Verfassung geeinigt ist.
5) In Erwägung, daß mit Auflösung der Nationalversammlung die provisorische Centralgewalt ganz gegen ihre Bestimmung in eine rein absolute Regierungsform umgewandelt, oder der Bedingungen ihrer
Existenz beraubt werden würde.
6) In Erwägung, daß die provisorische Centralgewalt, welch' hoher Werth auch darauf zu legen ist, daß sie bis dahin, wo eine neue verfassungsmäßige Gesammtregierung ins Leben getreten sein
wird, im Sinne des Gesetzes vom 28. Juni 1848 fortbestehe und fortwirke, gleichwohl nach eben diesem Gesetze, weder befugt noch verpflichtet ist, Handlungen vorzunehmen, zu welchen das Recht erst aus
der Verfassung selbst hergeleitet werden kann, namentlich das Ausschreiben von Wahlen, die Eröffnung des Reichstags.
7) In Erwägung, daß der Uebertragung dieser Funktionen auf die provisorische Central-Gewalt ebensowohl, als der Schaffung einer neben oder an die Stelle der Central-Gewalt tretenden neuen Gewalt
formelle und politische Bedenken entgegenstehen.
8) In Erwägung, daß in dem gegenwärtigen Augenblicke der Bundestag nicht mehr besteht, sondern ‒ und zwar mit Zustimmung der Regierungen ‒ aufgehoben ist, der wirklichen Durchführung
des beschlossenen Bundesstaates aber die auseinandergehenden und zu keiner anderweitigen Einigung gedeihenden dynastischen Interessen mehrerer Regierungen in dem Maße offen und heimlich
entgegenarbeiten, als das deutsche Volk andererseits sich überall zu dieser Verfassung bekannt, und nicht minder durch die entschiedene und friedliche Haltung seiner Bürger als durch den hohen Muth
seiner Krieger lautes Zeugniß ablegt, für seinen Beruf zu einer großen geschichtlichen Entwickelung.
9) In Erwägung, daß Deutschland, wenn die Nationalversammlung es in dieser Lage sich selbst, oder dem Ungefähr der sich mannigfach kreuzenden dynastischen Interessen überlassen wollte, einem
gänzlichen politischen Zerfallen, oder doch unsäglichen neuen Wirren, sein Wohlstand aber den vernichtendsten Schlägen entgegengehen würde.
10) In Erwägung, daß bei dieser Lage Deutschlands schon ein über dem geschriebenen Rechte stehendes Gesetz der Gesammtvertretung der Nation das Recht gibt und die Pflicht auferlegt, die Existenz
des gemeinsamen Vaterlandes zu sichern und zu thun, was dasselbe allein zu retten vermag, daß aber auch bis dahin, wo die Verfassung wirklich in's Leben getreten sein wird, die höchste
gesetzgebende Gewalt für Deutschland der Nationalversammlung von dem Volke anvertraut ist,
beschließt dieselbe wie folgt:
1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d.
J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen.
2) Sie bestimmt den 15. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat.
3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.
4) Sollte, ‒ abgesehen von Deutschöstreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, ‒ ein oder der andere Staat im
Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in
der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil
der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhanse wirklich gewählt haben, zu ermitteln.
5) Sollte insbesondere Preußen im Reichstage nicht vertreten sein, und also bis dahin weder ausdrücklich noch thatsächlich die Verfassung anerkannt haben, so tritt das Oberhaupt desjenigen Staates,
welcher unter den im Staatenhause vertretenen Staaten die größte Seelenzahl hat, unter dem Titel eines Reichsstatthalters in die Rechte und Pflichten des Reichsoberhauptes ein.
6) Sobald aber die Verfassung von Preußen anerkannt ist, geht damit von selbst die Würde des Reichsoberhauptes nach Maßgabe der Verfassung § 68 ff. auf den zur Zeit der Anerkennung regierenden
König von Preußen über.
7) Das Reichsoberhaupt leistet den Eid auf die Verfassung vor der Nationalversammlung und eröffnet sodann den Reichstag. Mit der Eröffnung des Reichstages ist die Nationalversammlung
aufgelös't.
Dazu werden als von außerhalb des Ausschusses kommend von folgenden Abgeordneten Verbesserungsanträge angemeldet.
Von den Herren Moritz Mohl, v. Reden und Erbe. Der Antrag von Mohl geht auf Bildung eines „Parlamentsheeres“ und auf eine schleunige Regelung der Oberhaus [unleserlicher Text]frage:
Minoritäts-Antrag 2. des Abgeordneten Vogt von Gießen.
„In Erwägung, daß Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, die auf ihn gefallene Wahl zum Kaiser der Deutschen definitiv abgelehnt hat und dadurch die getroffene Wahl erledigt ist, eine
andere Wahl derzeit aber unthunlich erscheint; in Erwägung, daß die Regierungen: Preußen, Baiern, Hannover und Sachsen die unbedingte Annahme der Verfassung verweigert haben; und in fernerer Erwägung,
daß die Regierung von Oestreich durch Anrufung russischer Hülfe ihre Bundespflicht verletzt hat, das Gebiet des deutschen Reiches von russischen Truppen wirklich überschritten worden ist und sowohl
hierdurch als durch die Weigerung der erwähnten Regierungen das Vaterland in Gefahr ist: beschließt die Nationalversammlung 1) die verfassungsmäßigen Befugnisse des Kaisers werden, bis zur völligen
Durchführung der Verfassung in ganz Deutschland, einem Reichsstatthalter übertragen, den die Nationalversammlung erwählt; 2) wählbar zu dieser Würde ist jeder volljährige Deutsche; 3) der
Reichsstatthalter leistet sogleich nach Annahme der Wahl vor der Nationalversammlung den Eid auf die Reichsverfassung; 4) sie bestimmt den 1. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag
auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammenzutreten hat;5 sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.; 6)
mit der Beeidigung des Reichsstatthalters hört die provisorische Centralgewalt auf; 7) die Nationalversammlung erläßt einen Aufruf an das deutsche Volk, in welchem sie zum Festhalten an der
Reichsverfassung und zur thatkräftigen Bekämpfung jeglichen Widerstandes gegen die Durchführung derselben auffordert; der Dreißiger-Ausschuß ist mit Vorlage eines Entwurfs zu diesem Aufrufe
beauftragt; 8) die Nationalversammlung fordert sämmtliche Regierungen auf ihre ganze bewaffnete Macht mit Einschluß der Bürgerwehren, sofort auf die Reichsverfassung vereiden zu lassen. Für den Fall,
daß einzelne Regierungen diese Vereidung bis zum 20. Mai nicht vollzogen hätten, werden sämmtliche Abtheilungen in den betreffenden Ländern ermächtigt und aufgefordert, diese Vereidung selbstständig
vorzunehmen; 9) sämmtliche im Dienste des Reichs stehenden Truppen werden sofort auf die Reichsverfassung vereidigt. Die Centralgewalt wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt; 10) die
vertagten oder aufgelösten Volksvertretungen der renitenten Regierungen werden aufgefordert und ermächtigt, sich sofort in ihrer letzten Zusammensetzung, aus eigener Machtvollkommenheit, an jedem
passenden Orte zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um den Widerstand ihrer Regierungen gegen die Reichsverfassung zu beseitigen; 11 in den größeren deutschen Staaten, welche die
Anerkennung und Durchführung der Reichsverfassung verweigern, sind die einzelnen Provinzen und Kreise ermächtigt und aufgefordert, die Reichsverfassung nebst dem Wahlgesetze selbstständig anzunehmen
und einzuführen; 12 die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen mit den Truppen solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben,
für unstatthaft, unwirksam und Verfassungswidrig; 13 die Nationalversammlung erklärt den Einmarsch russischer Truppen in Oestreich für eine Verletzung des Reichsgebietes, und erklärt diejenigen,
welche diesen Einmarsch russischer Truppen veranlaßten oder ihre Zustimmung dazu gaben, für Verräther am Vaterlande. Sie fordert das gesammte deutsche Volk auf, mit allen Mitteln diesem Verrath zu
widerstehen; entbindet diejenigen Truppen, welche zur Mitwirkung an solchem Verrathe befehligt werden sollten, des Eides gegen ihre Oberen und gibt der Centralgewalt auf, sofort in Gemäßheit dieses
Beschlusses den Reichskrieg gegen Rußland und die verräther sche Regierung Oestreichs zu erklären.“
Zusatzantrag des Abgeordneten Umbscheiden zum 1. Minoritätsantrage.
„Für die Wahlen zum ersten Reichstage wird von der Bildung neuer Wah bezirke, so wie von den hierauf Bezug habenden Bestimmungen des Reichswahlgesetzes Umgang genommen. Die Wahlen finden für
dieselben Bezirke statt, welche für die Wahlen zur Nationalversammlung gebildet waren. Sollten Einzelregierungen den Wahlakten die erforderliche Mitwirkung versagen oder denselben sogar Hindernisse in
den Weg legen, so wird von Reichswegen die genügende Vorsorge getroffen werden.“
Minoritätsantrag 2. des Abgeordneten Venedey.
Die Nationalversammlung beschließt:
„1) Die Wahlen zum ersten Reichstage auf den 15. Juli und die Zusammenberufung desselben Reichstags auf den 15. August anzuordnen. 2) Die unmittelbare Beeidigung aller Behörden und Truppen
auf die Verfassung in allen Ländern anzuordnen, wo die Verfassung bereits von den Regierungen angenommen ist.“
(Der zweite Theil desselben wird zugleich als Zusatz-Antrag zu dem Ausschußantrage bezeichnet).
Minoritätsantrag 3. des Abgeordneten Simon von Trier.
Die Nationalversammlung beschließt:
„1) Die Regierungen der deutschen Einzelstaaten haben nach Maaßgabe der §§. 14, 191 und 193 der Reichsverfassung sofort die Beeidigung sämmtlicher Beamten des Militär- und Civilstandes
auf die Reichsverfassung und die zur Durchführung derselben verpflichtete Centralgewalt vorzunehmen. 2) Die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag zwischen Einzelstaaten über Verbindung von
Truppenkörpern renitenter Regierungen, mit den Truppenkörpern solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für verfassungswidrig, unstatthaft und unwirksam.
Die Minoritäten verlangen getrennte Abstimmung auf ihre Anträge.
Die Dringlichkeit des Gegenstandes wird einhellig anerkannt und das Mehrheitserachten ist so eben von dem Berichterstatter, Hrn. v. Wydenbrugk, mit einigen Worten eingeleitet worden, als der
Präsident verkündet, daß der Unterstaatssekretär Hr. Widenmann Namens des Reichsministeriums das Gesuch an die Versammlung richtet, sich auf eine kurze Zeit zu vertagen, um dann eine Mittheilung des
Reichsministeriums zu empfangen. Das Haus entspricht dem Verlangen, indem es seine Verhandlung auf eine halbe Stunde aussetzt.
Um 10 3/4 Uhr tritt das interimistische Reichsministerium, Gagern an der Spitze, ein. Der Präsident der Versammlung verliest hierauf die folgende von dem interimistischen Präsidenten des
Reichsministerraths an ihn gerichtete Zuschrift:
„Am 28. v. M hat die königl. preußische Regierung, außer der Note, welche bezüglich der Verfassung des deutschen Reichs und bezüglich der auf Se. Majestät den König von Preußen auf Grund
dieser Verfassung gefallenen Wahl zum Reichsoberhaupt an den königl. Bevollmächtigten bei der Centralgewalt erlassen und in offiziellem Wege zur Kenntniß der provisorischen Centralgewalt und der
Nationalversammlung gebracht worden ist, eine weitere, denselben Gegenstand betreffende Circularnote an die königlich preußischen Missionen bei den deutschen Regierungen gerichtet. Von dieser
Circularnote ist zwar die provisorische Centralgewalt nicht in offizieller Weise in Kenntniß gesetzt worden; sie ist aber durch den preußischen Staatsanzeiger zur öffentlichen Kenntniß gebracht.
„Das Reichsministerium beehrt sich, ein Exemplar des betreffenden preuß. Staatsanzeigers an den Herrn Präsidenten der verfassunggebe nden Reichsversammlung, zur Vervollständigung des
Materials zu den bevorstehenden Verhandlungen gelangen zu lassen.
„Mit Bezug auf die Stelle der Note aber, welche sagt: „Im festen Vertrauen auf die Zustimmung, die ihr von allen gefunden und redlichen Elementen im eignen Lande zu Theil werden wird,
ist sie darauf gefaßt, den zerstörenden und revolutionären Bestrebungen nach allen Seiten hin mit Kraft und Energie entgegenzutreten, und wird ihre Maßregeln so treffen, daß sie den verbündeten
Regierungen die etwa gewünschte und erforderliche Hülfe rechtzeitig leisten könne. Die Gefahr ist eine gemeinsame, und Preußen wird seinen Beruf nicht verleugnen, in den Tagen der Gefahr einzutreten,
wo und wie es Noth thut“ erklärt das Reichsministerium Namens der Centralgewalt, daß, nachdem das Gesetz vom 28. Juni 1848 über Einführung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland,
die vollziehende Gewalt in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaates betreffen, der provisorischen Centralgewalt übertragen hat, sie der Rechte
wie der Pflichten, die ihr demnach obliegen, eingedenk, bei der Erfüllung derselben auf die Unterstützung der Einzelstaaten, eines jeden nach seinen Kräften rechnet; einen Anspruch aber auf allgemeine
Leitung gemeinsamer Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und des Reichsfriedens, insofern dieser in der angeführten Stelle liegen sollte, einem Einzelstaate nicht zugestehen könnte.
„Frankfurt, 4. Mai 1849.
„gez. Hr: Gagern.“
(Beifall.)
Auf das Verlangen der Versammlung wird hierauf auch die Note der preußischen Regierung aus dem preußischen Staatsanzeiger vorgelesen.
Der Präsident führt sodann die Berathung auf den vorhin abgebrochenen Gegenstand zurück, indem er verschiedene neue auf die Vorlagen des Dreißigerausschusses bezügliche Verbesserungs- und
Zusatzanträge zur Mittheilung bringt. Darunter ein Zusatz von Hrn. Schoder, unterstützt von Hrn. Eisenstuck u. A. zu allen bereits eingegangenen Anträgen:
die Centralgewalt aufzufordern, in Beantwortung der oben verlesenen preußischen Note ein Reichsheer aus den Truppen der beistimmenden Staaten aufzustellen.
Darauf ergreift im Namen der Mehrheit des Dreißigerausschusses das Wort
Herr Welcker: „Ich kann auf die so eben verlesene preußische Note nicht blicken, ohne sie im Zusammenhange zu betrachten mit einer langen Reihe anderer unerfreulicher Ereignisse.
Sammtliche deutsche Ständeversammlungen sprechen sich für die von dieser Versammlung geschaffene Reichsverfassung aus, die unendliche Mehrheit des Volks thuts aller Orten mit immer wachsendem Eifer.
Ein Jeder fühlt, daß von ihrer Erhaltung sowohl die Macht und Freiheit des Vaterlandes als die Freiheit und das Recht jedes Einzelnen abhängt und gegen dieses berechtigte Verlangen tritt eine
„unheilige Allianz“ der Regierungen wider die Völker auf. Allein trennen wir die geheiligten und unverletzlichen Persönlichkeiten der Fürsten von ihren Ministerien. Nur mit den letzteren
haben wir es zu schaffen und mit einem Etwas, was das konstitutionelle England längst nicht mehr kennt: mit den Kamarillen. Die deutschen Ständekörper sind, wo sie aufgelös t worden sind, aus
schlechten Gründen aufgelös't.“
Keinen einzigen der für die preußische Kammerauflösung aufgezählten Gründe findet der Redner haltbar, worauf er den Blick auf die Auflösung der Kammer in Sachsen, auf die Vertagung in Baiern und
Hannover richtet. Auch auf das Verhältniß zu Oesterreich kommt der Redner zurück, worauf ihm: „Der besondere Beruf“ den nach der baierischen Note ein „jedes Volk von der
Weltgeschichte überkommen hat“ sehr günstigen Anlaß g bt, zur Zurückweisung der harmlosen Anspruchslosigkeit, die Herr von der Pfordten auf Kosten der politischen Geltung Deutschlands verräth.
Das Staatsleben freier Nationen beruht auf dem Consensus omnium und aus dem letzteren rechtfertigt Herr Welcker namentlich die Bestimmungen der deutschen Verfassung über das Veto des Oberhaupts.
(Ungeduld.) Uebrigens habe die preußische Regierung selbst in ihrer Note vom 3. Januar die Nothwendigkeit anerkannt, daß die deutsche Reichsversammlung endgültig über die Verfassung entscheide. Statt
dessen verkündet sie jetzt ganz andere Grundsätze. Den letzten aber selbst und den kleinsten Fürsten zu einem hemmenden Einspruche gegen die Verfassung berechtigen ‒ das heiße die Anarchie
legitimiren. „Vorwand, nichts als Vorwand sei es,“ wenn die preußische Regierung an einzelnen Bestimmungen der Verfassung Anstoß nehme und dieselbe deshalb verwerfe; die wahre Absicht
des Ministeriums Brandenburg sei, die Freiheit des deutschen Volks wieder zu vernichten. (Beifall.) An den Vorgängen in Preußen, an der dort erfolgten Oktroyirung einer Verfassung und der dazu
gefugten Auflösung der Kammern solle man sich ein Muster nehmen für das was dem deutschen Michel bevorstehe. Nach dem Plane der preußischen Regierung soll die tapfere und edle (!) preußische Armee
dazu mißbraucht (!) werden, als Büttel und Profoß in Deutschland umherzuziehen und die Freiheit ihrer deutschen Brüder zu bekämpfen. Ob sich aber das Ministerium darin nicht verrechnen werde! Ferner
berufe das Ministerium Brandenburg die deutschen Regierungen zu einem Fürstentag nach Berlin. Ich aber weiß dreißig Regierungen, welche nicht kommen werden, und wenn sie kommen wollten, so mochten
ihre Throne hinter ihnen umstürzen. (Beifall) Diejenigen aber, welche kommen, werden indeß auch keine Lust verspüren, auf den Plan Preußens einzugehen, um dasselbe zu vergrößern ‒ Der Redner
schließt unter Beifall mit den Worten: „Ich sage zu den Fürsten vor Gott und ihrem Gewissen: Seid billig gegen das Volk, denn das Volk ist billig gegen Euch!“
Unter mehreren ferneren Anträgen, die auch jetzt wieder kundgegeben werden, ist einer von Herrn Haubenschmidt aus Passau auf wiederholte Vornahme des Abschnitts vom Reichsoberhaupte durch den
Verfassungsausschuß und Aussetzung der Berathung bis über neue desfallsige Vorlagen Beschluß gefaßt sei.
Moritz Mohl: Ich will nur eine Thatsache zu Ihrer Kenntniß bringen, von der Sie noch nicht wissen. In der heute angekommnen konstitutionellen Zeitung aus Berlin, die bekanntlich des
ministeriellen Vertrauens genießt, ist die Mittheilung enthalten, daß auch bei Erfurt ein preußisches Heer zusammengezogen werde. Gegen wen? Gegen uns. Waren wir nicht die lächerlichsten Dupen, wenn
wir uns das thatenlos gefallen ließen. Düpirt oder noch etwas Schlimmeres. Herr Moritz Mohl nimmt daraus ein neues Motiv für seinen Antrag auf ein Parlamentsheer. Denke man nicht, es sei zu klein,
weil wir es nur aus den kleinen Staaten sammeln können. Wenn wir aus dieser Armee dem zu bildenden Volksheere nur Offiziere und Unteroffiziere liefern können, so sind wir stark genug. Was Herr Mohl
ferner wunscht, um uns des Siegs unfehlbar zu versichern, ist ‒ die Wegschaffung des Erbkaisers aus der Verfassung. (Stürmische Zustimmung von der Linken)
Georg Beseler weist nach, wie die Verfassung ein unheilvolles Ganze sei, an dem keine einzige Bestimmung, kein Paragraph hinweggenommen werden könne ohne Gefahr für das Ganze. Rütteln Sie an
keinem Steine ‒ nehmen Sie keinen Stück aus dem Gebäude, auch nicht das kleinste. Sie könnten den Eckstein ergreifen und das ganze Gebäude bis auf den Grund erschüttert haben. Was nun die
Mittel anlangt, mit denen die Verfassung durchzusetzen ist, so kann sich der Redner für die von Herrn Vogt vorgeschlagenen Maßregeln erklären. Die Centralgewalt allein hat zu regieren, die
Centralgewalt allein hat das Recht und die Pflicht, diese Versammlung zu vertheidigen und deren Beschlüsse durchzusetzen. Dahingegen begründet er die Anträge der Mehrheit sowohl den Grundsätzen nach,
auf denen sie beruhen, als in ihren Einzelnheiten. Was den Eid anlangt, der auf die Reichsverfassung und auf die Reichsgewalt geleistet werden soll, so erinnere ich Sie daran, daß ein politischer Eid
nicht bloß eine zweischneidide Waffe ist, sondern daß wir auch uns der Gefahr aussetzen, daß uns diese Eidesleistung von verschiedenen Seiten her verweigert werde, besonders da die Verfassung
allerdings rechtsgültig besteht, dennoch aber noch nicht als vollzogen betrachtet werden kann. (Widerspruch von der Linken.) Das eben ist das Schlimme und das Gefährliche des Uebergangszustands in dem
wir stehen. Verleugnen wir uns nicht, welche Hindernisse uns unsere Gegner entgegensetzen werden. Achten wir die Gewissenhaftigkeit des deutschen Volks, womit es einen Eid zu betrachten pflegt, achten
wir die Bedenken, auf die der von uns geforderte Eid stoßen könnte. Die Frische (!) freilich, mit der wir hierher kamen (!), besitzen wir nicht mehr. Aber wir sind deshalb nicht schwach und ich für
meine Person bin sogar der festen Zuversicht, daß wir des Sieges sicher sind; denn das Volk (!), die Mehrheit (!), die besten Männer Deutschlands stehen zu uns und wenn wir fallen ‒ so fürchte
ich weniger, daß wir durch unsere Feinde fallen, als durch unsere Schuld.
Nachdem hierauf der Schluß der Debatte unter Vorbehalt des Worts für die Berichterstatter angenommen worden ‒ ergreift
Gagern das Wort. Erklärt sich für den Mehrheitsantrag des Dreißiger-Ausschusses. Kein verständiger Mann habe sich über die unermeßlichen Schwierigkeiten getäuscht, welche der deutschen
Einheit entgegenstehen mußten. Allein nicht mit Gewalt ist sie durchzusetzen, sondern der öffentlichen Meinung in den verschiedenen Ländern Zeit zum Durchbruche zu lassen. Nicht indem wir jeden
Widerstand gewaltsam über den Haufen werfen, sondern in jedem einzelnen Lande, bei jedem einzelnen Stamme Deutschlands muß sich nach und nach und wird sich die Mehrheit für die Verfassung als für eine
gemeinsame Errungenschaft erklären. Indem wir daher nur zu gesetzlichen Mitteln verschreiten, müssen wir vor Irrthümern warnen, wie sie nur zu leicht in einer Lage wie die unsrige vorkommen. Indem ich
die Mehrheitsanträge unterstütze, habe ich hauptsächlich im Auge, erstens: daß der allgemeinen Bewegung ein bestimmtes Bett angewiesen werde, daß sie
[1653]
nicht überschwemme und überfluthe, zweitens: daß sie der bisherigen Politik dieser Versammlung und den Beschlüssen auch in der Oberhauptsfrage entsprechen, indem sie die letztern aufrecht halten. Für
den Antrag der Mehrheit unter Nro. 1 schlage ich jedoch die veränderte Fassung vor:
Die National-Versammlung fordert auf ‒ ‒ an der Verfassung des deutschen Reichs festzuhalten. (Unruhe auf der Linken).
Was für mich das Entscheidende ist, was ich gegen die Vereidung des Heeres auf die Verfassung vorzubringen habe, ist Folgendes. Wir dürfen keine Einrichtung treffen, die eine Verschiedenheit in
unsere deutschen Heere bringen, den einen Theil dem andern feindlich gegenüber stellen müßte. Auch dürfen wir eben den Regierungen, die der Verfassung anhängen, keine Schwierigkeiten bereiten. Denn
allerdings ist die zu beschwörende Verfassung erst vollzogen, wenn das Oberhaupt nicht mehr fehlt. Dazu ist der Eid in den Staaten, wo man ihn leisten würde, nicht nöthig, denn dort ist die deutsche
Sache schon durch alle Schichten gedrungen. Endlich ist's das Verhältniß der Centralgewalt, worauf Hr. v. Gagern verweist, auf die Person, die sie handhabt, so wie auf das Gesetz ihrer
Begründung.
Vogt: Die Scheidung der Spreu von den Körnern hat begonnen. Es wird weiter gesiebt werden, um die zerstörenden Elemente zu trennen, zu beseitigen und das Gemeinwesen in Deutschland auf die
besonnenen absolutistischen Grundsätze Rußlands zu stellen. Die Dinge stehen auf der That und auf der gewaltsamen That. Da kann ich mich denn nicht mit dem Troste beruhigen, die Verfassung werde eine
Erbschaft für die spätern Geschlechter sein, sondern ich will sie sogleich, für die Gegenwart will ich sie haben. Von seinen Vorschlägen empfehlen sich die unter Nr. 1, 2, folg. dadurch, daß sie die
mangelnden Executive der Centralgewalt ersetzen. Was das Minderheitserachten in Bezug auf die Ausschreibung der Wahlen für den nächsten Reichstag beantrage, das habe zum Zweck, daß man im eignen Lager
jeden Zwiespalt entfernt halte. Auf gesetzliche Maßregeln will man uns beschränken. Ist es gesetzlich, wie die preußische Regierung verfährt? Zur blanken Nothwehr drängt sie uns. Das war das Unglück
der Märzbewegung, daß sie in die Hände von Leuten gerieth, die nur an die alte Staatsmaschine gewöhnt und mit ihr zu Werke zu gehen wußten. Die Gewalt bedroht uns, rüsten wir uns gegen sie. Der Redner
wendet sich gegen Hrn. Beseler und dessen Einwendungen gegen die Eidesforderung. In seiner Vaterstadt habe sich die Bürgerwehr freiwillig auf die Verfassung durch einen Eid verpflichtet, Offiziere des
würtembergischen Heeres hätten ihm dringend vorgestellt, daß ihre Verpflichtung auf die Reichsverfassung nöthig sei, um sie außer Möglichkeit zu stellen, feindselig gegen die Centralgewalt und die
Reichsversammlung selbst auftreten zu müssen. Allein weil einigen gekrönten Häuptern diese Eidesleistung mißfällig sein werde, weil sie sich dagegen stämmen und einen abermaligen Zwang, wie in
Würtemberg, nöthig machen würden, deshalb widerrathe man die Eidesabnahme. Unterstützen und legalisiren müsse man vielmehr die Bewegung des Volkes zu Gunsten der Versammlung, nicht blos sie geschehen
lassen. Vogt verweist deshalb besonders auf die Pfalz. Die preußischen Umtriebe seien bekannt, um die Kontingente der kleineren Staaten mit seinem Heere zu vereinigen. Trotz Ministerium, trotz Ständen
werde diese Vereinigung vollzogen werden, aber auch dagegen biete die beantragte Vereidung die Sicherheit dar. Endlich ist's ohne Zweifel, daß ein Bündniß zwischen Oestreich und Rußland
besteht, dessen Bedingungen selbst für einen Stadion zu absolutistisch waren und zu diesem Bündniß wird Preußen bald herzutreten. Eine Verordnung Manteuffels ist's, die Hr. Vogt zum Beweis
dessen verliest, wonach die niederschlesische Eisenbahndirektion zu russischen Truppentransporten angewiesen wird. Aber wenn auch weiter nichts konflatirt wäre, als die russische Hülfe in Oestreich,
welches sein Bundesverhältniß mit uns aufrecht zu erhalten erklärt, so ist dies ein schnöder, ein nichtswürdiger Verrath. Mit Entrüstung spricht sich Hr. Vogt gegen die Rolle aus, die dem preußischen
Heere zugemuthet wird. Das Herz wendet sich den preußischen Kriegern in der Brust um (!!), bei dem Gedanken, zur Unterdrückung der Ungarn geführt zu werden, oder gar zur Unterdrückung der deutschen
Freiheit (dauernder Beifall), dagegen ist ein Krieg mit Rußland ihre Sehnsucht (!), die Sehnsucht des deutschen Volkes und selbst von den Börsenleuten werde er als das konservativste Mittel
betrachtet. Wenn aber in Oestreich der Sieg des Absolutismus erfochten ist, glauben Sie, die siegenden Kabinette werden ihren Ursprung vergessen wie unsere Märzminister? (Beifall.) Sie werden ihrem
Ursprunge treu zu bleiben wissen. Nachdem der Redner zu zeigen gesucht hat, daß uns die Kräfte zum Kampfe nicht fehlen, um den beantragten Reichskrieg gegen Rußland und Oestreich zu führen, schließt
der Redner mit einer dringenden Mahnung zum Vertrauen auf die eigene Kraft.
Langdauernder Beifall und nachdem ein Versuch, die Berathung auf einige Stunden auszusetzen, scheiterte, wird die Reihe der Vorträge fortgesetzt von Hrn. Benedey, der das von ihm gestellte
Minderheitserachten mit der Hinw isung empfiehlt: Es ist in ihren Händen, ob Sie die Nation retten, oder ihr die Rettung selbst überlassen wollen. Begegnen Sie die Anarchie, indem Sie die Bewegung
leiten.
Da ein Ende der Verhandlung sobald noch nicht abzusehen und die ermüdete Versammlung bis unter die Hälfte aus dem Hause verschwunden ist, so vertagt das Präsidium aus eigenem Entschlusse die
Sitzung auf anderthalb Stunden.
Sie wird um 4 Uhr diesen Nachmittag wieder eröffnet.
Von den Berichterstattern der Minderheit hat noch Hr. Ludwig Simon zu sprechen, für die Mehrheit Hr. v. Wydenbrugk