Französische Republik.
@xml:id | #ar290_013 |
@type | jArticle |
@facs | 1642 |
[
12
] Paris, 2. Mai.
Richtig! Der Zwiespalt herrscht in der Rue de Poitiers, herrscht in allen Bourgeoisparteien, und die Bourgeoisparteien, durch die Gewaltmaßregeln des
Ministeriums zur Unterdrückung der Volkspartei aufgemuntert, glaubten schon so weit zu halten, um sich ungestraft in die Früchte des allgemeinen Stimmrechts theilen zu können. Die Wahlen g hen erst am
13. vor sich, und die Bourgeois disputiren sich bereits über die Stellen. Legitimisten, Bourbonen und Bonapartisten vertheilen sich bereits die Rollen, und jede der Parteien ist wüthend über die
andere, weil sie sich nicht hinlänglich in der Rue de Poitiers vertreten wähnt. Seht nur, wie klug, wie „bourgeoispfiffig“ diese Leute zu verfahren glaubten! Sie ließen anfangs eine
anonyme Liste cirkuliren, um das Terrain zu sondiren. Diese Liste enthielt rein monarchische Namen, wie Berryer, Thiers, Molé, Barrot, Hugo, Passy, Faucher u. s. w. Sie ward aber so ungünstig
aufgenommen, daß die Rue de Poitiers sich genöthigt sah, diese Liste zu desavouiren. Eine neue Liste ward angefertigt, neue Namen wurden den alten hinzugefügt; Cavaignac, Falloux, Marie, Coquerell u.
s. w. erschienen auf dem Tapet, d. h. auf der Liste. Da man mit den Orleanisten und Legitimisten nicht durchdrang, so suchte man in den Reihen der Reaktion alles Dasjenige auf, was der sozialen Partei
feindselig sein konnte und dies hieß dann in der Sprache der Bourgeois: „Wenn die jetzige Liste einem Jedem nicht Alles gibt, was er wünscht, so schließt sie doch Alles aus, was ein Jeder
befürchtet.“ Den Katholiken, die sich mit Thiers und Berryer nicht zufrieden gaben, wurde Montalembert und den Arbeitern der „falsche Arbeiter“ Peupin bewilligt. Sogar aus der
provisorischen Regierung nahm man die contrerevolutionären Elemente auf. Garnier-Pages, der die 45-Centimensteuer erfand, Goudchaux, der würdige Kollege des Hrn. Fould, beide „bürgerliche
Spekulanten“ in Papieren, die sich wechselseitig zu überrumpeln suchten, Arago u. s. w. Der Rue de Poiters steht die demokratisch-soziale Partei wie eine einzige feste, kompakte Masse
gegenüber. Ihre Liste, wie sie vom ersten Augenblicke an erschien, hat weder Verkürzungen noch Verlängerungen erfahren, und wenn die Spaltungen in der Rue de Poitiers so vorwärts gehen, dann ist der
Sieg der Demokraten in Paris gesichert.
Der Mann, welcher der Rue de Poitiers am meisten zu schaffen macht, ist ohne Zweifel Guizot. Wie er die Rue de Poitiers auf eine schmähliche Weise verhöhnt! Guizot ist überflüssig geworden. Man
braucht einen Guizot nicht mehr, um die Bourgeois-Interessen ideologisch und belletristisch zu vertreten: Zudem stehen diese Bourgeois-Interessen sich selbst einander dermaßen schroff gegenüber, daß
Guizot blos eine neue „embarras,“ ein neues Hinderniß sein würde. Aber Guizot ist in seinen Augen immer noch Guizot, der „die Bourgeois-Partei“ en gros bereits gerettet
hat, während die Rue de Poitiers die Bourgeois-Parteien en detail nach retten will. Guizot will Deputirter werden, und die Rue de Poitiers hat so viele Leute zu versorgen. Die Rue de Poitiers schreibt
ihm Briefe über Briefe: er möge abstehen von seiner Kandidatur. Aber wie antwortet Guizot auf diese Briefe: „Weit entfernt, in meiner Meinung erschüttert zu werden, ersehe ich aus dem, was in
Betreff meiner Wahl zu Paris und zu Lisieux vor sich geht, daß ich recht habe zu handeln, wie ich handele. Meine Anwesenheit zu Paris wäre nicht im Stande, so viele Feindseligkeit und Thätigkeit von
Seiten meiner Gegner, und so viel Zaudern und Anstehn von Seiten meiner Freunde zu überwinden.“ Die Gegner Guizot's, muß man wissen, sind keine andern als die Rue de Poitiers. Guizot
kennt noch immer keinen andern Feind als Thiers.
„Wenn ich, heißt es weiter, in diese Atmosphäre einträte, so würde ich, wie so viele andere, entnerot werden, oder ich würde die Reizung derjenigen verdoppeln, die schon so sehr in Betreff
meiner gereizt sind ‥‥ Es gibt keine Stelle, keine Rolle für mich zu spielen in den Antichambres, die zur Nationalversammlung führen, wären diese Antichambres die Salons der Rue de
Poitiers selbst.“
Wie man sieht, verschmäht Guizot die Salons der Rue de Poitiers; er will in die Kammer „auf spontane Weise“; er will zurückberufen werden direkt: leider existiren diese direkten
Wähler im Sinne Guizot's nicht mehr, diese Bourgeois-Wähler, die Census zahlten und die mit Guizot in direkter Verbindung standen. Ihre Zahl war so geringe, ihr Interesse so klar, so deutlich,
daß diese Wähler direkt mit Guizot unterhandeln konnten. Ganz andere Interessen haben sich Luft gemacht: die Bourgeois-Welt ist in der Auflösung begriffen; der Bourgeois-Vorstand des Hrn. Guizot lebt
noch immer in dieser aufgelösten Bourgeois-Welt und er spricht zu ihr, gerade als wäre er noch Minister, gerade, als hätte er keinen andern Feind, als Thiers: „Vor allen Dingen will ich
begriffen, verstanden werden, wenn gleich abwesend, so will ich gewählt werden; nicht meiner Eigenliebe zu Liebe, sondern wegen der Wirksamkeit meines Handelns“ (pour
l'éfficacité de mon action). Also Guizot glaubt noch immer an die Wirksamkeit seiner Aktion? Was war diese Aktion früher? Für die Pritchard'schen Interessen eine moralische
Formel auszufinden; die Concurrenz-Verhältnisse zu beschönigen, das Corruptions-System als nothwendigen Deckmantel aufzustellen.
Changarnier, Bugeaud und Faucher „sind nicht energisch genug, sie haben nicht „Aktion“ genug für den Kampf, in welchem Guizot seinen Platz haben will“. Und wenn
Guizot nicht gewählt wird, so wird er nach Val-Richer gehen, um seine „historischen Arbeiten zu verfolgen“. Das ist der letzte Trost dieser Männer: sie schreiben Geschichte, die das Volk
nicht mehr liest. Denn die Geschichte, wie sie jetzt massenhaft zum Vorschein tritt, die Geschichte der Masse, die kennen diese Leute nicht: sie schreiben die Bourgeois-Geschichte: welch ein Gewinn
für die Rue de Poitiers. Möge Guizot nur öfter noch solche Briefe schreiben; besser kann man die Rue de Poitiers nicht schildern.
Die jetzige Bourgeoiskammer endet, wie sie angefangen hat: sie hat die Junischlacht hervorgerufen, und am Vorabende ihrer Auflösung hat sie nicht einmal den Muth, eine allgemeine Amnestie
auszusprechen. Die Amnestie ist verworfen worden. Die jetzige Bourgeoiskammer ist zusammengekommen unter dem Drucke der 45 Centimessteuer, die auf dem Bauer vorzugsweise lastete. Der Bauer sieht ein,
daß er betrogen worden, und verlangt Entschädigung. Die Entschädigung kann ihm nur werden durch die Zurückforderung der Milliarde, und bereits allenthalben auf dem Lande ertönt der Ruf: „Heraus
mit der Milliarde“! Die „Revolution demokratique“, das Blatt Ledrü-Rollin's, das anfänglich durch die Wahlagitation der Rue de Poitiers niedergeschlagen, sich wenig von der
neuen Kammer versprach, fängt an, neuen Muth zu fassen. Die Kandidatenliste der Demokraten wird auf dem Lande mit Jubel aufgenommen, und die alte Kammer, die jetzt die Amnestie verweigert, wird bald
nothwendig haben, selbst um Amnestie anzuflehen.
@xml:id | #ar290_014 |
@type | jArticle |
@facs | 1642 |
Paris, 2. Mai.
Der Moniteur verkündet das Gesetz, das den Pflanzern 6 Millionen Franken fünfprozentiger Renten (120 Millionen Kapital) zuspricht, als Entschädigung für die
Sklaven-Emanzipation in den Colonien. Diese Renten versilbern sich seit dem 22. März c, die Staatspapiere selbst werden jedoch erst 1852 ausgetheilt, bis wohin sich die Eigenthümer untereinander
auszugleichen haben. Außer obigen 6 Millionen Renten werden den Sklaveneigenthümern 6 Millionen Franken baar ein für alle Male gezahlt, um die Arbeit in den Colonien nicht in's Stocken gerathen
zu lassen.
‒ Dupont (de l'Eure) der demokratische Nestor, soll an der Cholera gestorben sein.
‒ Eine telegraphische Depesche meldet ‒ heißt es im Conferenzsaale ‒ den Einzug der französischen Pabsttruppen in Rom.
‒ Der Fraternitätssaal ist geschlossen, diesmal jedoch nicht durch Militärmacht, sondern durch Expropriation der Aktionäre, die vom Grundeigenthümer entschädigt worden sind. Man spricht
bereits von der Anlage einer neuen kolossalen Volkshalle in einem andern Stadtviertel.
‒ Die henriquinkistische Opinion publique behauptet, der Regierung seien im Laufe des gestrigen Tages wichtige Depeschen zugegangen. Siebentausend Mann unseres Pabstgeschwaders seien gegen
Rom marschirt, das sie seinerseits in die Acht erklärt habe und ihnen mit 8000 Mann entgegenrücke.
(Die gewöhnliche Fahrpost aus Rom vom 23. und 24. April ist heute in Paris ausgeblieben.)
Im Moniteur vom 2. Mai keine Silbe.
‒ Cabrera traf am 28. April unter starker Bedeckung in Toulon ein, wo er in das Fort Lamalgue, das bereits den Progressisten-General Amettler einschließt, abgeführt wurde. Cabrera, 38 Jahre
alt und energischer Natur, ist an einem Beine in Folge einer seiner letzten Kampfwunden gelähmt. Er kann nur mit vieler Mühe marschiren.
‒ Der conservative Toulonnais vom 29. April spricht von ernsten Militärkrawallen, die unter der Besatzung des Mourillon ausgebrochen.
‒ Der „Tribüne“ zufolge hat Faucher sämmtlichen Gränzbehörden wiederholt die strengste Aufsicht und Zurückweisung politischer Flüchtlinge befohlen. Die östlichen und
südöstlichen sowie die nördlichen Gränzen sollen ihnen wo möglich luftdicht gesperrt werden, da das Cabinet mit seinen heimischen Demagogen schon genug zu thun habe und keinen fremden Zuwachs
brauche.
„La Republique“ meldet die Ausweisung eines polnischen Sozialisten, Namens Vincent Wierczbicki. Die Proscription wird täglich vollständiger.
‒ Seit acht Tagen liefen eilf Petitionen auf Restitution der Milliarde bei der National-Versammlung ein.
‒ Uebermorgen soll Präsident Bonaparte den Grundstein zur ersten Pariser Arbeiter-Kaserne an der Roche-Chonartstraße legen.
‒ Die Schatten im Elysium bekriegen sich gewaltig! Es scheint daß dort zwischen dem Präsidenten Bonaparte und seinem Vetter Napoleon Bonaparte, nach dessen Rückkehr aus Madrid, ein heftiger
Wortwechsel ausbrach. Louis Bonaparte soll zu seinem Vetter mit Stolz gesagt haben: daß sich die niederen Glieder der Dynastie im Interesse derselben unterordnen und einig halten müßten etc. Da
sWörtchen „niederen“ soll den Vetter zu so heftiger Replik veranlaßt haben, daß der Sohn der Königin Hortense die Beleidigung des Sohnes des Königs Jerome's nicht anders
als im Blut abzuwaschen gedenke. Ein Duell ist verabredet und Herr v. Morny, Soult's Schwiegersohn, wird als einer der Sekundanten des Prinzen-Präsidenten genannt.
[(Vraie Republique, 2. Mai.)]
‒ Changarnier soll zum Gouverneur von Paris ernannt werden, falls ihm die Kammer das Doppelkommando nehme.
‒ Proudhon richtet sich im heutigen „Peuple“ an die Wähler von Paris.
Der „Peuple“ ist wieder einmal mit Beschlag belegt worden.
‒ Die Cholera ist wieder im Zunehmen.
‒ Mit dem Dämpfer „Caroline“ liefen in Marseille sechs wunderschöne arabische Reitpferde ein, die der Iman von Muscate (Arabien) dem Präsidenten Bonaparte schenkt, um sich der
(franz.) Freundschaft zu versichern.
‒ Ex-Prinz Joinville's Kandidatur in der Haute Marne gestaltet sich mit jedem Tage günstiger!!
‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 2. Mai. Anfang 1 1/2 Uhr. Die Amnestiefrage für die transportirten Juniräuber macht die Versammlung sehr zahlreich.
Marrast eröffnet die Sitzung.
An der Tagesordnung steht obenan folgender Gesetzentwurf:
Artikel 1.
„Dem Minister des Innern ist auf das Büdget von 1849 ein Credit von 200,000 Fr. bewilligt, um die Kosten der ersten Jahresfeier der Proklamation der Republik durch die National-Versammlung
zu bestreiten, die am 4. Mai 1849 stattfindet.“
Wird ohne alle Debatte angenommen. Marrast liest weiter:
Artikel 2 (des Ausschusses).
„Volle und ganze Amnestie ‥‥“
Larabit (unterbrechend): Ich verlange das Wort!‥‥ Im Ausschußbericht heißt es: Die Heftigkeit der anarchischen Leidenschaften zog über uns die Fluth des Bürgerkrieges; das
Elend, die Aufregung und Unzufriedenheit wurden von Denjenigen unterhalten, die eine künftig unmögliche Vergangenheit träumen ‒ erhoben sich wechselweise drohend gegen das Bestehen unserer
jungen Republik etc. Da ich weder zu den Träumern einer unmöglichen Vergangenheit, noch einer unmöglichen Zukunft gehöre, so protestire ich hiermit gegen diese Stelle des Berichts. (Allgemeine
Heiterkeit. Protestiren Sie immer! ruft man vom Berge)
Marrast beginnt von Neuem zu lesen:
Artikel 2.
„Volle und ganze Amnestie ist allen Individuen gewährt, welche in Gemäßheit des Dekrets vom 27. Juni 1848 transportirt wurden. Artikel 1 jenes Dekrets ist abgeschafft.“
Faucher, Minister des Innern: Bürger Vertreter! Dieser Artikel ist nur die Wiederholung einer schon bereits mehrfach gestellten Proposition. Die Regierung wünscht den W g der Verzeihung
gleich dem Ausschuß einzutreten, aber noch ist der Augenblik hiefür nicht gekommen‥‥ Unter den Transportirten befinden sich gefährliche Individuen‥‥ Die
Freiheitsentwickelung und Aufrechthaltung der Ordnung kann eine so allgemeine Amnestie nicht gestatten. Ich bekämpfe die Maßregel und trage auf Verwerfung des Artikels an. (Murren links)
Gouttay: Der Ausschuß, in dessen Namen ich spreche, freut sich der Uebereinstimmung von Gefühlen für Milde, die zwischen ihm und dem Minister herrschen; aber er kann seine Befürchtungen
nicht theilen. Als Sie, Bürger Vertreter, jenes Dekret erließen, war der Staat in Gefahr und
[1643]
nur diese höchste Gefahr konnte Sie zu einem ähnlichen Beschlusse veranlassen. Mit der Staatsgefahr müssen auch Ihre Kriege verschwinden.… Der Ausschuß schlägt Ihnen weder für Angeklagte, noch
Verurtheilte seit dem 24. Feb. Amnestie vor, sondern er empfiehlt nur die auf den Pontons Schmachtenden Ihrer Milde. (Beifall vom Berge und fast der ganzen Linken. Nein! Nein! rechts.)
Faucher: Das Ministerium kann die Hinweisung auf die Geschichte nicht annehmen. Die Junitage haben in ihr keines Gleichen; sie waren kein bloßer Bürgerkrieg, sondern ein Krieg gegen die
ganze Gesellschaft Darum auch Ihre Ausnahmbeschlüsse. Wäre für die Vergeltung eines solchen Sturmes die Frist schon abgelaufen? Das Ministerium glaubt es nicht. Sie dürfen uns nicht entwaffnen. Der
Sturm würde von Neuem losbrechen Stehen wir nicht am Vorabende der Wahlen? Und Sie wollen 2 bis 3000 Männer nach Paris zurückschleudern, die noch nicht das geringste Zeichen von Reue ablegten.
(Agitation)
Laussedat und mehrere Bergglieder sprechen warm für die Amnestie. (Rechts aber unaufhörlich: Zur Abstimmung! Zur Abstimmung!)
Senard eilt auf die Bühne und stellt den Vermittlungsantrag als Zusatz:
„Dennoch wird der Regierung zur Ausführung der Maßregel eine Frist von 6 Monaten gegeben.“
Gouttay im Namen des Ausschusses tritt dem Zusatze bei, beantragt jedoch 3 statt 6 Monate. (Zur Abstimmung! Zur Abstimmung!)
Faucher bekämpft die 3 Monate und erklärt, 6 Monate sei Alles, was die Regierung gestatten könne. (Zur Abstimmung!)
Es entsteht einige Verwirrung wegen der Abstimmung.
Odilon Barrot zeigt sich auf der Bühne. (Ah! Ah!) Auch ich theile die Gefühle der Milde. … aber wenn Sie alle Thatsachen kennten, dann schlügen Sie keine solche Amnestie vor. Diese
Männer, die sie begnadigen wollen, erklären an jedem Tage, daß sie die Revolution sofort wieder beginnen, sobald sie frei seien. (Lärm.) Die Regierung theilt Ihre Gesinnungen für die Verurtheilten
dennoch vom menschlichen Standpunkte; aber sie hat auch die schwere Pflicht, die Gesellschaft zu schützen. (Diese lügenhafte Phrase ist nun von allen Volksfeinden in allen Ländern bereits so
abgenutzt, daß sie eben nur noch ganz kurze Zeit vorhalten kann.) In keinem Falle kann sie sich den Moment vorschreiben lassen. Ich bekämpfe daher jede Friststellung (Zur Abstimmung! Zur
Abstimmung!
Eine neue Verwirrung erhebt sich über den Modus der Abstimmung.
Taschereau verlangt Abstimmung durch Stimmzettel, die Jeder in die Urne wirft, während er über die Bühne schreitet.
Clement Thomas: Ich höre von der Rechten beleidigenden Verdacht über Stimmschmuggelei gegen die Linke ausstoßen. Ich protestire gegen dieses unparlamentarische Betrag n. (Tumult.)
Nachdem sich derselbe gelegt, schreitet das Haus zur Abstimmung über Art. 2. (Die Frist kommt später dran.)
Um 3 Uhr 40 Minuten beginnt das Passiren über die die Bühne und dauert zwei tödlich lange Stunden.
Kurz vor 5 Uhr proklamirt Marrast folg ndes Resultat:
Von 627 Stimmenden haben 339 gegen 288 für Verwerfung des Art. 2 und des Senardschen Zusatzes gestimmt. Die Amnestie ist also verworfen!
Degoussée stellt den Versöhnungsantrag:
„Es sollen die Akten jedes Transportirten nochmals durchgesehen werden.“
Faucher erklärt diesen Antrag unnütz, da ja bereits eine Kommission der Versammlung hierfür niedergesetzt sei.
Clement Thomas: Allerdings bestehe eine solche Kommission, aber man höre nichts von ihr. Auch er unterstützt, die Transportirten vor die Civilgerichte zu stellen.
Lagrange erscheint auf der Bühne. Er sieht furchtbar leidend aus. Mit schwacher, kaum hörbarer Stimme trägt er darauf an, die Juniopfer den ordentlichen Gerichten zuzuweisen, wenn man ihnen
keine Gnade angedeihen lassen wolle.
Odilon Barrot: Ich schätze den Edelmuth des Redners und verspreche seinem Antrag, als Justizminister möglichst nachzukommen. (Barrots Lob des sterbenden Lagrange macht großen Eindruck.)
Endlich wird Artikel 3 (jetzt Art. 2) zur Abstimmung gebracht und anenommen.
Ledru-Rollin erscheint auf der Bühne und erzählt, daß er mit zwei Collegen in Moulins (Richtung von Lyon) gewesen und dort von der Bürgerwehr fast gemeuchelt worden.
Barrot erklärt, noch keinen Bericht zu haben; verspricht aber strenge Untersuchung.
Morgen hierüber das Nähere.
Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.