[1641]
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 290. Köln, Samstag, den 5. Mai. 1849.
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Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.
Heute Morgen ist eine Beilage ausgegeben und so viel als thunlich versandt worden.
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Uebersicht.
Deutschland. Koblenz. (Amtsentsetzung eines Ex-Deputirten). Berlin. (Klatsch). Breslau. (Ein Rescript des Justizministers Simons ‒ Sitzung des demokratischen Hauptvereins. ‒ Rückkehr des Standrechtsherzogs von Parma). Wien. (Vermischtes. ‒ Stimmung der Wiener). Schleswig-Holstein. (Vom friedlichen Kriegsschauplatze). Fulda. (Volksversammlung). Frankfurt. (Ein Pröbchen von Bassermann'scher Wahrheitsliebe). München. (Bier-Aufregung). Nürnberg (Aufforderungen an die Soldaten polizeilich konfiszirt).
Ungarn. Görgey.
Franz. Republik. Paris. (Die Wahlagitation und Guizot. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung).
Italien. (Die Unterwerfung Palermos. ‒ Die Landung der Franzosen in Civita-Vecchia). Turin (Die östreichische Besatzung in Allessandria. ‒ Neapolitaner gegen Rom). Florenz (Nahe Rückkehr des Landesvaters). Mantua. (Contribution). Treviso. (Erschießungen). Brescia. (Verlust der Oestreicher während des Kampfes in Brescia). Mailand. (Ausgabe von Schatzbillets).
Großbritannien. London. (Unterhaus).
Schweden Gothenburg. (Verschwundener Dänenenthusiasmus. ‒ Kongreß der Reformvereine).
Ostindien. (Die Folgen des Sieges von Gudscherat).
Amerika. New-York. (Aus Canada, Californien, Yacatan, Südamerika und Port-au-Prince).
Deutschland.
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Koblenz, 3. Mai.
Der zur Fraktion Rodbertus gehörige Abgeordnete Müller aus Zell, welcher bei der Vereinbarungsversammlung und der eben geschlossenen zweiten Kammer den Kreis Zell vertrat und sich besonders für die Steuerinteressen der Mosel interessirte, ist ohne weitern Grund seines Amtes als Postexpediteur enthoben worden. Auf seine desfallsige Anfrage hat man sich sogar geweigert, irgend Motive anzugeben. Es kann also nicht zweifelhaft sein, daß blos seine, übrigens noch durchaus gemäßigte politische Gesinnung diese Maßregel hervorgerufen hat, und daß ein Mann, der das Vertrauen seiner Mitburger besitzt und deren besonderen Angelegenheiten sich mit Eifer widmet, eben dadurch die nöthige Qualität verliert, in dem „Königlichen“ Postdienste in erforderlicher Weise zu wirken. Wäre Müller ein politischer Lump, so würde er jetzt noch einen würdigen Beamten darstellen; immerhin ein schätzbarer Beitrag zur Charakteristik der „loyalen Gesinnung“ und des „Königlichen Bedienten-Geistes“.
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[ * ] Berlin, 2. Mai.
Der Ex-Abgeordnete Oberbürgermeister Ziegler war wegen Aufreizung zum Aufruhr und Verleitung zum Treubruch zur Untersuchung gezogen und der ersten Vorladung nicht nachgekommen. Er wurde zum zweiten Male, bei Strafe der Inhaftation, vorgeladen, ist aber jetzt nach Frankfurt abgereist, wo sich ein großer Kreis preußischer Abgeordneten zu sammeln scheint.
Der Wirth des Hotel London, der früher sehr freisinnig that, ist durch den Besuch der Rechten, welche bei ihm ihre Parteisitzung hatte, vollkommen reaktionär geworden. Er hat sein Hotel am Freitag ganz besonders zum Ausgangspunkt der militärischen Exekutionen gemacht und fürchtet nun die Rache des Volkes. Er wird deßhalb auch durch ein Picket Soldaten geschützt.
General Bem ist nicht allein als Feldherr so genial, er gehört auch zu den besten militärischen Schriftstellern. So ist es interessant, daß auf der hiesigen Artillerieschule nach seinem Lehrbuche docirt wird.
Eine sehr geschickte Betrügerei ist wieder zu Tage gekommen, die viele arme Handwerker mit ihren Familien unglücklich gemacht hat. Schon seit längerer Zeit hörte man bekanntlich von dem Plan einer hiesigen Gesellschaft, nach Spanien auszuwandern, an deren Spitze der Geheimrath Wedecke und der bekannte Charlatan Dr. Scheel stehen sollten. Der Letztere war der eigentliche Unternehmer, und hatte den Leuten vorgeschwatzt, einige sehr reiche Prinzen wollten das Geld hergeben, und verlangten nur ganz allmählige Zurückerstattung. Nähere Fragen wies er immer mit der Hindeutung auf das natürlich höchst delikate Verhältniß zurück. Herr Wedecke sollte nach Spanien reisen, um Alles dort vorzubereiten, wurde aber scheinbar krank, bis seine Abreise sich so lange verzögerte, daß die Auswanderungslustigen doch Verdacht schöpften und nach langen Bemühungen in der letzten Vereinssitzung Scheel gezwungen wurde, einzugestehen, daß an allen seinen Aussagen auch nicht ein Wort wahr sei. ‒ Wir wissen nicht, ob die Herren Wedecke und Scheel schon Geld bekommen hatten, es wäre das nicht unwahrscheinlich. Die meisten Familien aber, welche auf ihre Versprechungen hin auswandern wollten, haben alle ihre Verbindungen aufgegeben, ihr meistes Mobilar verkauft und sind jetzt im größten Elende.
Vielleicht gewinnt diese Geschichte etwas mehr Licht, wenn man sich erinnert, daß Wedecke der vertrauteste Freund der Königl. Prinzen ist, daß er besonders der Agent des Prinzen Karl, bei dem berüchtigten schlesischen Güterkauf war.
Während der Osterferien suchte der Herr Minister v. Manteuffel auf jede Art und Weise mit der Opposition der zweiten Kammer in Verbindung zu treten und knüpfte besonders mit den hervorragenderen Mitgliedern der Partei Unruh an. So haben z. B. die Herren Rodbertus und Arntz damals die dringendsten Einladungen erhalten zu einer Unterredung mit dem Minister. Sie glaubten mit Recht dem nachkommen zu müssen und gingen nach dem Hotel Manteuffel. Dieser sprach besonders über die deutsche Frage mit ihnen, verhielt sich jedoch fast ganz passiv und suchte mehr die Ansichten der Abgeordneten zu erforschen. Er ging alsdann auch auf die innere Politik des Ministeriums über, mußte aber auch hier sehr klare und entschiedene Ansichten hören. Die Unterredung hatte natürlich kein Resultat, sie zeigt aber, daß man außerordentlich bemüht war, die Oppositionsmänner zu gewinnen.
Man entblödete sich sogar nicht, einem der entschiedensten Mitglieder der äußersten Linken lockende Anerbietungen zu machen, wenn er seiner Opposition entsagen wolle. Auch darüber haben wir die genauesten Details, welche wir zu seiner Zeit der Oeffentlichkeit übergeben werden.
In einer Kneipe besprachen sich Mitglieder einer hiesigen Landsmannschaft über einen nächstens abzuhaltenden Kommers. Ein ihnen unbekannter Herr hatte bis jetzt ruhig zugehört, bis die Rede auch darauf kam, ob der Landesvater gemacht werden solle. Hier stutzte er und trat endlich mit den Worten heran, es dürften während des Belagerungszustandes keine politische Versammlungen gehalten werden, und er bäte deßhalb die Herren, sich zu entfernen, widrigenfalls er Hülfe herbeiholen müsse. Er zeigte zugleich einen Befehl vor, der ihn ermächtigte, politische Versammlungen aufzulösen!!
Die Publikation des Standrechtes, die in der That im Werke war, scheiterte an der Unabhängigkeit und Menschlichkeit der Auditeure. Diese haben bestimmt erklärt, daß die geltende Gesetzgebung die Verkündigung des Martialgesetzes in Berlin und zumal unter den hier herrschenden Zuständen nicht rechtfertige.
Bei den am Sonntage stattgehabten Kompagnieversammlungen der Landwehr ist den unverheiratheten Mannschaften des zweiten Aufgebots der Landwehr von den Feldwebeln mitgetheilt worden, daß sie sich auf ihre Einberufung und Einkleidung jeden Tag gefaßt zu halten hätten.
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[ 61 ] Breslau, 1. Mai.
Der in seiner rothen rheinischen Robe unter dem Säbel-Ministerium sich äußerst drollig ausnehmende Justiz-Minister Simons hat, unstreitig in Folge allzueifriger Lektüre der in Nr. 278 der N. Rh. Ztg. enthaltenen Korrespondenz, an den dort erwähnten Referendarius ohne Gott, König und Vaterland, folgendes höchst schmeichelhafte Handbillet erlassen:
„Auf Ihre Eingabe vom 30. Januar d. J. gereicht Ihnen (nach 3 Monaten!!) zum Bescheide, daß, nachdem Sie nicht nur seit langer Zeit der praktischen Beschäftigung im Justizdienste sich entzogen (hatte seine wohlbekannten, unwiderlegten Gründe), sondern auch (nun kommt's) durch die von Ihnen herausgegebene, dem Justiz-Minister (schon im August 1848) eingereichte Schmähschrift (? Schicksale eines rheinpreußischen Referendarius u. s. w.) an den Tag gelegt haben, daß es Ihnen an derjenigen sittlichen Befähigung (wie muckerisch-christlich-germanisch-komisch-wupperthalisch!), welche die Grundbedingung (Examina genügen also nicht?) eines erfolgreichen amtlichen Wirkens ist, durchaus gebricht (der Betroffene hat in der That keine kgl. preuß. Kreuzritter- dafür aber einige demokratische Standrechts-Befähigung), Ihre Anstellung im Justizdienste nicht erfolgen kann.
Sie werden vielmehr auf Grund des § 60 des Gesetzes vom 29. März 1844 (wozu so vieler Umstände im Angesichte der oktroyirten Heuchelei vom 5. Dez. (§ 86 u. 89) und der bewaffneten Königsbande?) aus dem Dienste entlassen. (Bravo!)
Berlin, den 23. April (unmittelbar nach der angedeuteten Lektüre) 1849:
Der Justiz-Minister, (gez.) Simons.“
Dadurch erklärt sich nun auch, wie Polizeiknecht Hinkeldey unsern Referendarius schon anticipando einen „vormaligen“ zu nennen sich erfrechen konnte. Die Kreuzritter-Spionage nach allen vier Weltgegenden hatte unsern Knecht auch zu seinem Standrechtsbruder Simons geführt, der ihm dann die Bescherung vorwies. Die sogenannte Schmähschrift enthüllt übrigens die von den Kreuzrittern der Themis zu Berlin und im damals veruckermarkten Rheinpreußen seines freisinnigen Charakters wegen wider den Referendarius verübten bureaukratischen Schurkereien. Der Referendarius, das mag Simons sich merken, wird auch gegen die Fortsetzung dieser Schurkereien protestiren, wenn der Protesttag des demokratischen Standrechts gekommen und, [unleserlicher Text] Herr Simons!
Der Gewitterschwefelduft, mit welchem die europäische Luft sich stündlich stärker anfüllt, hatte die Frequenz des demokratischen Hauptvereins gestern ansehnlich erhöht. Entzückend war der Anblick so vieler Soldaten, die der Kamaschenordre zum Trotz sich im Klub eingestellt hatten und regen Antheil an der Sitzung zu nehmen schienen. Man vertheilte sofort unter sie Pyat's Toast auf die Soldaten. Elsner übernahm den Vorsitz, worauf das Verlesen des Trennungsschreibens der äußersten Frankfurter Linken den Märzverein abermals auf's Tapet brachte. Ein Mitglied des bei dieser Gelegenheit von einem Redner als politisches Centrum bezeichneten Volksvereins hob nun als dessen demokratische Gipfelpunkte und Autoritäten die Herren Pflücker, Fröbel und Simon von Trier hervor und rechtfertigte damit das Festhalten des Volksvereins am Märzverein und sein Nichtanschließen an Frankfurt's „äußerste Linke. Nach ihm ergriff Elsner das Wort und sagte unter Anderem: Es gibt keine Versöhnung in der Politik, sie ist Verrath an der Partei. Auch die äußerste Frankfurter Linke hat solchen Verrath begangen, und ich selbst bin davon nicht frei geblieben. Doch nun bin ich aus meinem Traume erwacht, bin radikal kurirt. Ein Narr, ein Halunke ist, wer unter den gegenwärtigen Umständen nicht erwacht. Wer noch nicht im Stande, jetzt sich selbst und sein Hab und Gut zu opfern, der möge aus dem Vereine austreten. Die Versöhnung ist ein Bündniß mit dem Verbrechen; das Volk muß zu seinem Rechte kommen, sei's auch über unsere Leichen. (Ungeheurer Beifall.) Stein hat über zwei Lappalien (!?!) zu reden. Die erste betrifft die Auflösung der zweiten Kammer. Er sagt: Die erste Auflösung hatte etwas Imponirendes (auch Manteuffel's Ansicht, Manteuffel weiß also Herrn Stein zu imponiren!), es war ein Kampf zwischen zwei gleichberechtigten (ei, ei, Herr Stein! und Sie vertreten die Demokratie?) Gewalten. Hinter der einen standen die Bajonette, hinter der andern das Volk (und das nennen Sie Gleichberechtigung!). Jetzt ist die Auflösung ein Hohn. Man hat die Kammer gerade darum aufgelöst, weil Frankfurt die Regierungen ersucht hatte, dieselben zusammen zu lassen. Stein's zweite Lappalie betrifft die deutsche Frage. Statt selber Reue zu erwecken, wie Elsner, beschränkt er sich darauf, die Frankfurter Gesellschaft mit denen von Ihnen von Uranfang an vorgebrachten, allbekannten Vorwürfen zu überhäufen. Wir (die äußerste Linke), sprach Stein, haben die deutsche Frage von Anfang an für verloren (!!) gegeben, wir haben aber dennoch für die Verfassung gestimmt, weil wir die Frankfurter Versammlung, da sie aus Urwahlen hervorgegangen, für eine souveraine halten (sehr schmeichelhaftes Urtheil). Man muß sich jetzt (aha!) überzeugen, daß keine deutsche Einheit möglich ist, so lange es deutsche Fürsten gibt. Ich bin gestern Abend von Berlin abgereist, Berlin ist eine revolutionäre Stadt, revolutionärer als Breslau. Es ist mir merkwürdig gewesen, daß das Berliner Volk versucht hat, selbst diese zweite Kammer in Schutz zu nehmen.
Nachdem hierauf das in diesem groß werdenden Augenblicke gewiß höchst wichtige Antwortschreiben an Frankfurt's äußerste Linke angenommen und der Verfasser bestimmt ist, schreitet der demokratische Hauptverein zu seiner zweiten Hauptthat. ‒ Die in Nummer 283 der N. Rh. Ztg. enthaltene Breslauer Correspondenz gibt nämlich, wahrscheinlich auf andere Veranlassung, dem Herrn Schumann Veranlassung, gegen deren Verfasser einen höchst ledernen und nichtssagenden Vortrag zu halten, hinter welchem etwas ganz anderes hervorzugucken schien, als das wahre demokratische Interesse. Schumann stellte den Antrag, die Redaktion aufzufordern, einen andern Correspondenten zu ernennen. Die Versammlung ging jedoch auf einige sehr richtige Bemerkungen Elsner's zur Tagesordnung über. Auch Rübl wurde wegen des Aufsatzes: „die Sozialpfaffen“, interpellirt. Neid, Persönlichkeiten, deutsche Kleinkrämerjämmerlichkeit, scheinen im demokratischen Hauptverein noch starke Wurzeln zu haben und das Motiv zu Mancherlei zu bilden Es vergeht keine Sitzung, wo sie nicht fast den Hauptstoff liefern. Wenn der demokratische Hauptverein im Angesicht der gegen die Mordbanden von drei Kaiserreichen (das Reich Homunculi nicht einbegriffen) mit nie dagewesenem Heroismus kämpfenden Magyaren, im Angesichte der auf deutschem Boden stehenden asiatischen Barbarenhorden, im Angesichte der in Berlin jüngst verübten gottbegnadeten Scheußlichkeiten civilisirter Banditen nichts Besseres zu thun weiß, als sich mit den abgeschmacktesten Märzvereinplänkeleien, mit den abgemacktesten Persönlichkeiten und mit dem stupidesten, resultatlosen Vereinshader abzugeben, und damit namentlich das anwesende, willige Militär zu langweilen, so soll er zu Hause bleiben. Ich wenigstens schäme mich dann, über ihn ferner zu berichten.
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Breslau, 30. April.
Vorgestern langten der Herzog und die Herzogin von Parma auf ihrer Rückkehr von England nach Italien hier an, und setzten gestern Nachmittags auf der Oberschlesischen Eisenbahn ihre Reise nach Olmütz fort.
[(Schles. Z.)]
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[ * ] Wien, 30. April.
Gestern wurde auf einem Altan in der Vorstadt Wieden, von der daselbst wohnenden Besitzerin, eine Plache (Plaue oder Markise) vorgerichtet, worauf mit großen Worten stand: „Hoch lebe Kossuth!“ Es versammelte sich alsbald eine Menge Volkes, und der Auftritt endete mit Verhaftung der ungarischen Patriotin.
Der Austritt des Grafen Stadion aus dem Kabinet ist nunmehr gewiß; Dr. Bach tritt an seine Stelle und Dr. Fischer, Regierungspräsident in Linz, übernimmt das Portefeuille des Justizministeriums. Man sieht, die Hofpolitik verbraucht ihre Männer sehr rasch; Stadion war ein zu fester Charakter, um lange Zeit am Ruder bleiben zu können.
Der bekannte Literat und frühere Redakteur Andreas Schuhmacher, welcher zu zwölfjähriger schwerer Kerkerstrafe verurtheilt war, ist auf fünfjährigen einfachen Kriminalarrest begnadigt worden, und soll sich diese Nachsicht durch wichtige Enthüllungen erwirkt haben.
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Wien, 29. April.
Wenn gestern „die Gutgesinnten“ und die Neugierigen hinauseilten an die Eisenbahn, um Russen zu sehen, oder wenigstens mit Bestimmheit zu erfahren, ob „die Retter“ wirklich schon in Gänserndorf seien, so war es heute eine Bewegung anderer, mehr freudiger Art, welche unsere niedergedrückte bang athmende Bevölkerung in eine Aufregung versetzte, wie wir sie seit den Sommertagen des vorigen Jahres nicht kannten. Der herrliche, warme Sonnenschein hatte Alles aus den Häusern auf die Straßen, die Basteien und die Glacis gelockt; gedrängte Gruppen standen an allen Straßenecken, am Stephansplatz, am Graben und vor allen Kaffeehäusern; der Vorstädter, welcher lange jeden Gang in die innere Stadt gescheuet, der Arbeiter, welcher sich kaum in Blouse und Mütze hatte sehen lassen dürfen, auch einige „Bassermann'sche Gestalten“, wie Sie in Berlin sagen würden, mit mächtigen Bärten und Blicken, aus denen ein Dutzend geballter Fäuste droheten, ja selbst einige schmucke Akademiker mit dem Kalabreser und der wallenden Feder gaben der wogenden Menge einen Charakter, welcher an das belebte Bild unserer Straßen im Mai und September v. J. erinnerte. Dabei lag ein gewisser Frohsinn unverkennbar auf den Gesichtern der Meisten ausgedrückt, und offenbarte sich in lebendiger Gestikulation und einer Lebhaftigkeit der Unterhaltung in den verschiedenen Gruppen, welche vor acht Tagen noch hinreichend gewesen wäre, um mit wenigstens 24stündigem Stabsstockhaus-Arrest bestraft zu werden. Nur einzelne Gestalten, welche durch die frohe, bewegte Menge schlichen, erinnerten an die Zeit und Umstände, worunter wir leben. Es waren theils Flüchtlinge aus Pesth, Osen und Preßburg, welche meistens mit Sack und Pack dahergeschleppt kamen, theils ängst- [1642] iche Denunzianten-Seelen, welche befürchteten, daß der Tag der Rache und Vergeltung nahe sei, und vor jeder Laterne von einem kalten Grausen überrieselt wurden, theils verwundete Offiziere und Soldaten, welche aus dem ungarischen Feldzuge heimgekehrt, auf Stöcken und Krücken gestützt, oder von Verwandten geführt, in dem warmen Lichte der Sonne einige Erquickung ihrer gebrochenen und müden Glieder suchten. ‒
Plötzlich, wie ein elektrischer Schlag, durchzuckt alle die von Mund zu Munde laufende Nachricht, „man höre in der Richtung nach Preßburg hin den Kanonendonner einer Schlacht“, und wie in den bangen und heißen Tagen am Ende des Oktober erscholl das Wort „die Ungarn“ aus der aufgeregten Menge. Alles eilt hinaus auf die Wasserglacis und in den Prater, um durch das eigene Ohr sich zu überzeugen. Buben, aber auch alte Leute werfen sich auf die Erde, legten ihr Ohr knapp an den Boden, um den fernen Geschützdonner zu hören. Bei Einigen hatte die Sympathie für die ritterlichen Magyaren solchen Einfluß auf die Phantasie, daß sie deutlich die Schüsse zählten; die Meisten aber erhoben sich kopfschüttelnd und ungläubig, und schienen unbefriedigt zu sein. ‒ Als wir aus dem Prater heimkehrten, und in die Alservorstadt zurückkehrten, sahen wir vor vielen Häusern beladene Wagen und Fiakres, welche dann zum Thore hinaus eilten nach Nusdorf oder zum Gloggnitzer Bahnhof. Es waren bange „Schwarz-gelben“ mit bösem Gewissen, die mit dem Dampfer nach Linz oder mit der Eisenbahn nach dem glücklichen Baden eilten.
Sie haben hier ein Bild von der Lage und Stimmung unserer Stadt; es beschäftigt nur ein Gedanke alle Gemüther und der Gedanke konzentrirt sich in dem Worte: „Ungarn“. Die deutsche Kaiserfrage, Eure berliner Geschichten, der Krieg in Italien, selbst die uns nahe liegenden politischen Fragen, wie der Wechsel im Ministerium, Stadion's Wahnsinn, Windischgrätz's Ungnade, der Kampf in unserer Presse zwischen den Lanzenreutern der „Ostdeutschen Post“ und des „Lloyd“, das Zetergeschrei der „Presse“ gegen gefallene Größen, die Restauration in Florenz und die bevorstehende republikanische Schilderhebung in Süddeutschland ‒ alles kümmert und ängstigt, freut und beschäftigt uns gar nicht, und wie ein Gerbergaul um die Drehmühle, kreisen unsere Gedanken bis zum Wahnsinnigwerden nur um einen Punkt, nur um eine Frage: „Kommen die Ungarn eher, oder die Russen.“
[(N. Z.)]
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@facs1642
[ * ] Schleswig-Holstein, 30. April.
Außer einigen Truppenmärschen ist nichts zu sehen, was Einen erinnerte, daß wir im Kriege leben. Im Kriege? Nun so nennen's wenigstens die Diplomaten und Volksverräther; die Hellsehenden im Volke wissen sehr wohl, daß es eben nur eine Kriegskomödie, aber eine grausam-blutige ist, in welcher Tausende von unsern Brüdern zum Vortheil und zur Belustigung der Herren Landesväter hingeopfert werden.
Prittwitz hat sein Hauptquartier in Christiansfeld. Da die geheimen Pläne des preußischen Kabinets dieses Jahr schon allzusehr durchschaut worden: so will man sich endlich zum Einmarsch in Jütland bequemen. In diesem Sinne soll sich Prittwitz neuerdings zu den Truppen geäußert haben. Natürlich wird man diesen unfreiwilligen Schritt durch eine Art der Kriegführung, welche den Herren Dänen am Besten convenirt, und auf andere Weise wieder gut zu machen suchen. Schließlich folgende Mittheilung aus dem „Altonaer Merkur“:
Fünf von Alsen weggeführte Gefangene sollten gegen fünf dänische Gefangene ausgetauscht werden. Zu dem Ende stellt die Kommandantschaft in Rendsburg den dortigen Gefangenen frei, welche von ihnen zurückkehren wollten; es meldet sich Keiner; es wird hierauf gesagt, daß vorzugsweise die Verheiratheten und Familienväter die Rückkehr antreten könnten, worauf erwidert wird, daß solche nicht unter ihnen; endlich muß das Loos entscheiden, aber die solchergestalt Gewählten vertauschen demnächst zu verschiedenen Malen das Loos, worauf das ganze Verfahren sistirt wird: ein Zeichen, daß es den Dänen besser gefällt in der Gefangenschaft als in ihrer Heimath.
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@facs1642
Fulda, 29. April.
Gestern Abend hatten wir eine Volks-Versammlung, in welcher fast sämmtliche Bürger unserer Stadt anwesend waren und nach einer langen, sehr lebhaften Debatte einstimmig eine Adresse ans Parlament angenommen wurde, in welcher die sofortige Wahl eines Vollziehungs-Ausschusses verlangt wird. Um hiefür Einstimmigkeit zu erlangen, hatten unsere Demokraten zugegeben, daß auch die Anerkennung der Reichs-Verfassung darin ausgesprochen, und daß zugleich auch die Vereidigung des Militärs auf dieselbe von Seiten der Regierung dringend verlangt werde. Ein anderer Antrag auf sofortige Einberufung unserer Ständekammer zeigte dadurch, daß sich hierüber die Versammlung in zwei Parteien schied, welche die Bestimmung der Majorität fast unmöglich machten, wie wenig unsere gegenwärtige Stände-Kammer auch bei uns das Vertrauen des Volkes besitzt. Selbst unser Deputirte Weinzierl hatte dagegen gestimmt.
[(Fr. J.)]
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@facs1642
[ 145 ] Frankfurt, 2. Mai.
Hr. Bassermann, dieser bleiche Gestaltenseher aus Mannheim, hat seit dem Beginne der hiesigen Nationalversammlung schon manche Rede gethan. Er hat Vieles gesehen und noch mehr darüber gesprochen. Wir aber haben ihm nur sehr Weniges geglaubt; denn wir kennen seine stets aufgeregte Phantasie, die aus einer Fliege einen Elephanten, aus einem Mann mit Manschetten und Glacéhandschuhen gleich eine revolutionäre Gestalt zu machen beliebt. Nun, diese Schwachheit ist, weil allgemein bekannt, auch unschädlich. Ein solches unschädliches Individuum läßt man unbeachtet, fängt es aber an, sich notorische Lügen zu erlauben, so wird es wenigstens verachtet, wenn man auch sonst keinen Werth auf seine Aeußerungen legt. Hr. Vogt hatte kürzlich in der Paulskirche gesagt, das Volk in Süddeutschland hätte die Grundrechte nicht mit der Freude aufgenommen, wie dies von einigen Mitgliedern der Nationalversammlung behauptet worden sei. Zur Widerlegung dessen führte nun der phantasiereiche Buchhändler an, daß in seinem Wahlbezirke die Leute mit den Exemplaren der Grundrechte, welche er „massenweise seinen Wählern gesandt,“ nicht befriedigt worden seien, und sogar Hrn. Vogt um fernere Uebersendung gebeten hätten, wie letzterer selbst geäußert habe. Hr. Vogt war damals nicht in der Paulskirche und ihm daher eine Entgegnung unmöglich. Heute lesen wir in der Reichstagszeitung einen Brief von einem Wahlmann des Hrn. Bassermann, worin gesagt wird, daß von Seiten des Hrn. Unterstaatssekretärs zwar eine Unmasse gedruckter, von ihm selbst gehaltener Reden, aber auch nicht Ein Exemplar Grundrechte an die Wahlmänner seines Bezirks gesandt worden seien! So steht es um die Wahrheitsliebe dieses sogenannten Staatsmannes!
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@facs1642
[ * ] Frankfurt, 3. Mai.
In der Sitzung der Nationalversammlung zeigt der Ministerpräsident Gagern an, daß Reichskommissare nach Berlin, München, Dresden und Hannover abgesandt seien, um zur Anerkennung der Verfassung, des Wahlgesetzes und der Kaiserwahl (!!!) nochmals aufzufordern. Zugleich zeigt er an, daß heute neue wichtige Mittheilungen der preußischen Regierung (die Oktroyirungsnote) erwartet wurde, und bittet daher die Sitzung auszusetzen, bis das Ministerium hierüber Vorlagen machen könne.
Die Versammlung geht sodann über den dringlichen Antrag Kierulff's und Consorten, der sächsischen Regierung wegen der Kammerauflösung einen Tadel auszusprechen, zur motivirten Tagesordnung über.
Motive: Die bisher ausgesprochnen Tadelvota über die Kammerauflösungen reichten hin; und die Nationalversammlung habe vielmehr jetzt Maßregeln zu berathen, wodurch der Widerstand der remitenten Regierungen gebrochen werden könne.
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@facs1642
München, 30. April.
Zur Charakteristik der bierbegnadeten Zustände der bairischen Hauptstadt geben wir folgende Mittheilung des „Korresp. v. u. f. Deutschl.“
Die Aufregung, welche sich seit einigen Tagen der Bevölkerung bemächtigt hat, dauert fort und ist eher im Zunehmen, seit die Auflösung der Kammern in Hannover und Berlin bekannt wurde. Dazu kömmt leider die heute stattfindende Eröffnung des Bockkellers und morgen der in München's Biergeschichte verhängnißvolle 1. Mai. Man ist daher nicht ohne Besorgniß vor Ruhestörungen, zumal man zu wissen glaubt, daß einer gewissen Partei nichts willkommener wäre als Ruhestörungen und hierauf ‒ Belagerungszustand.
Von heute an muß, wie man vernimmt, während der ganzen Bockschenkzeit, die Sicherheitswache der Landwehr, die bisher Abends 6 Uhr aufzog, schon Nachmittags 1 Uhr ihr Wachlokal beziehen, das sich im Thal, unweit des Bockkellers, befindet. Daß noch anderweitige militärische Vorsichtsmaßregeln getroffen sind, läßt sich unter den jetzigen Bier-Verhältnissen leicht erklären.
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@facs1642
Nürnberg, 1. Mai.
Ein Aufruf an das bairische Heer zur Unterzeichnung von Adressen für die Reichsverfassung ist zahlreich verbreitet aber von der Polizei überall konfiszirt worden.
Französische Republik.
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@facs1642
[ 12 ] Paris, 2. Mai.
Richtig! Der Zwiespalt herrscht in der Rue de Poitiers, herrscht in allen Bourgeoisparteien, und die Bourgeoisparteien, durch die Gewaltmaßregeln des Ministeriums zur Unterdrückung der Volkspartei aufgemuntert, glaubten schon so weit zu halten, um sich ungestraft in die Früchte des allgemeinen Stimmrechts theilen zu können. Die Wahlen g hen erst am 13. vor sich, und die Bourgeois disputiren sich bereits über die Stellen. Legitimisten, Bourbonen und Bonapartisten vertheilen sich bereits die Rollen, und jede der Parteien ist wüthend über die andere, weil sie sich nicht hinlänglich in der Rue de Poitiers vertreten wähnt. Seht nur, wie klug, wie „bourgeoispfiffig“ diese Leute zu verfahren glaubten! Sie ließen anfangs eine anonyme Liste cirkuliren, um das Terrain zu sondiren. Diese Liste enthielt rein monarchische Namen, wie Berryer, Thiers, Molé, Barrot, Hugo, Passy, Faucher u. s. w. Sie ward aber so ungünstig aufgenommen, daß die Rue de Poitiers sich genöthigt sah, diese Liste zu desavouiren. Eine neue Liste ward angefertigt, neue Namen wurden den alten hinzugefügt; Cavaignac, Falloux, Marie, Coquerell u. s. w. erschienen auf dem Tapet, d. h. auf der Liste. Da man mit den Orleanisten und Legitimisten nicht durchdrang, so suchte man in den Reihen der Reaktion alles Dasjenige auf, was der sozialen Partei feindselig sein konnte und dies hieß dann in der Sprache der Bourgeois: „Wenn die jetzige Liste einem Jedem nicht Alles gibt, was er wünscht, so schließt sie doch Alles aus, was ein Jeder befürchtet.“ Den Katholiken, die sich mit Thiers und Berryer nicht zufrieden gaben, wurde Montalembert und den Arbeitern der „falsche Arbeiter“ Peupin bewilligt. Sogar aus der provisorischen Regierung nahm man die contrerevolutionären Elemente auf. Garnier-Pages, der die 45-Centimensteuer erfand, Goudchaux, der würdige Kollege des Hrn. Fould, beide „bürgerliche Spekulanten“ in Papieren, die sich wechselseitig zu überrumpeln suchten, Arago u. s. w. Der Rue de Poiters steht die demokratisch-soziale Partei wie eine einzige feste, kompakte Masse gegenüber. Ihre Liste, wie sie vom ersten Augenblicke an erschien, hat weder Verkürzungen noch Verlängerungen erfahren, und wenn die Spaltungen in der Rue de Poitiers so vorwärts gehen, dann ist der Sieg der Demokraten in Paris gesichert.
Der Mann, welcher der Rue de Poitiers am meisten zu schaffen macht, ist ohne Zweifel Guizot. Wie er die Rue de Poitiers auf eine schmähliche Weise verhöhnt! Guizot ist überflüssig geworden. Man braucht einen Guizot nicht mehr, um die Bourgeois-Interessen ideologisch und belletristisch zu vertreten: Zudem stehen diese Bourgeois-Interessen sich selbst einander dermaßen schroff gegenüber, daß Guizot blos eine neue „embarras,“ ein neues Hinderniß sein würde. Aber Guizot ist in seinen Augen immer noch Guizot, der „die Bourgeois-Partei“ en gros bereits gerettet hat, während die Rue de Poitiers die Bourgeois-Parteien en detail nach retten will. Guizot will Deputirter werden, und die Rue de Poitiers hat so viele Leute zu versorgen. Die Rue de Poitiers schreibt ihm Briefe über Briefe: er möge abstehen von seiner Kandidatur. Aber wie antwortet Guizot auf diese Briefe: „Weit entfernt, in meiner Meinung erschüttert zu werden, ersehe ich aus dem, was in Betreff meiner Wahl zu Paris und zu Lisieux vor sich geht, daß ich recht habe zu handeln, wie ich handele. Meine Anwesenheit zu Paris wäre nicht im Stande, so viele Feindseligkeit und Thätigkeit von Seiten meiner Gegner, und so viel Zaudern und Anstehn von Seiten meiner Freunde zu überwinden.“ Die Gegner Guizot's, muß man wissen, sind keine andern als die Rue de Poitiers. Guizot kennt noch immer keinen andern Feind als Thiers.
„Wenn ich, heißt es weiter, in diese Atmosphäre einträte, so würde ich, wie so viele andere, entnerot werden, oder ich würde die Reizung derjenigen verdoppeln, die schon so sehr in Betreff meiner gereizt sind ‥‥ Es gibt keine Stelle, keine Rolle für mich zu spielen in den Antichambres, die zur Nationalversammlung führen, wären diese Antichambres die Salons der Rue de Poitiers selbst.“
Wie man sieht, verschmäht Guizot die Salons der Rue de Poitiers; er will in die Kammer „auf spontane Weise“; er will zurückberufen werden direkt: leider existiren diese direkten Wähler im Sinne Guizot's nicht mehr, diese Bourgeois-Wähler, die Census zahlten und die mit Guizot in direkter Verbindung standen. Ihre Zahl war so geringe, ihr Interesse so klar, so deutlich, daß diese Wähler direkt mit Guizot unterhandeln konnten. Ganz andere Interessen haben sich Luft gemacht: die Bourgeois-Welt ist in der Auflösung begriffen; der Bourgeois-Vorstand des Hrn. Guizot lebt noch immer in dieser aufgelösten Bourgeois-Welt und er spricht zu ihr, gerade als wäre er noch Minister, gerade, als hätte er keinen andern Feind, als Thiers: „Vor allen Dingen will ich begriffen, verstanden werden, wenn gleich abwesend, so will ich gewählt werden; nicht meiner Eigenliebe zu Liebe, sondern wegen der Wirksamkeit meines Handelns“ (pour l'éfficacité de mon action). Also Guizot glaubt noch immer an die Wirksamkeit seiner Aktion? Was war diese Aktion früher? Für die Pritchard'schen Interessen eine moralische Formel auszufinden; die Concurrenz-Verhältnisse zu beschönigen, das Corruptions-System als nothwendigen Deckmantel aufzustellen.
Changarnier, Bugeaud und Faucher „sind nicht energisch genug, sie haben nicht „Aktion“ genug für den Kampf, in welchem Guizot seinen Platz haben will“. Und wenn Guizot nicht gewählt wird, so wird er nach Val-Richer gehen, um seine „historischen Arbeiten zu verfolgen“. Das ist der letzte Trost dieser Männer: sie schreiben Geschichte, die das Volk nicht mehr liest. Denn die Geschichte, wie sie jetzt massenhaft zum Vorschein tritt, die Geschichte der Masse, die kennen diese Leute nicht: sie schreiben die Bourgeois-Geschichte: welch ein Gewinn für die Rue de Poitiers. Möge Guizot nur öfter noch solche Briefe schreiben; besser kann man die Rue de Poitiers nicht schildern.
Die jetzige Bourgeoiskammer endet, wie sie angefangen hat: sie hat die Junischlacht hervorgerufen, und am Vorabende ihrer Auflösung hat sie nicht einmal den Muth, eine allgemeine Amnestie auszusprechen. Die Amnestie ist verworfen worden. Die jetzige Bourgeoiskammer ist zusammengekommen unter dem Drucke der 45 Centimessteuer, die auf dem Bauer vorzugsweise lastete. Der Bauer sieht ein, daß er betrogen worden, und verlangt Entschädigung. Die Entschädigung kann ihm nur werden durch die Zurückforderung der Milliarde, und bereits allenthalben auf dem Lande ertönt der Ruf: „Heraus mit der Milliarde“! Die „Revolution demokratique“, das Blatt Ledrü-Rollin's, das anfänglich durch die Wahlagitation der Rue de Poitiers niedergeschlagen, sich wenig von der neuen Kammer versprach, fängt an, neuen Muth zu fassen. Die Kandidatenliste der Demokraten wird auf dem Lande mit Jubel aufgenommen, und die alte Kammer, die jetzt die Amnestie verweigert, wird bald nothwendig haben, selbst um Amnestie anzuflehen.
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@facs1642
Paris, 2. Mai.
Der Moniteur verkündet das Gesetz, das den Pflanzern 6 Millionen Franken fünfprozentiger Renten (120 Millionen Kapital) zuspricht, als Entschädigung für die Sklaven-Emanzipation in den Colonien. Diese Renten versilbern sich seit dem 22. März c, die Staatspapiere selbst werden jedoch erst 1852 ausgetheilt, bis wohin sich die Eigenthümer untereinander auszugleichen haben. Außer obigen 6 Millionen Renten werden den Sklaveneigenthümern 6 Millionen Franken baar ein für alle Male gezahlt, um die Arbeit in den Colonien nicht in's Stocken gerathen zu lassen.
‒ Dupont (de l'Eure) der demokratische Nestor, soll an der Cholera gestorben sein.
‒ Eine telegraphische Depesche meldet ‒ heißt es im Conferenzsaale ‒ den Einzug der französischen Pabsttruppen in Rom.
‒ Der Fraternitätssaal ist geschlossen, diesmal jedoch nicht durch Militärmacht, sondern durch Expropriation der Aktionäre, die vom Grundeigenthümer entschädigt worden sind. Man spricht bereits von der Anlage einer neuen kolossalen Volkshalle in einem andern Stadtviertel.
‒ Die henriquinkistische Opinion publique behauptet, der Regierung seien im Laufe des gestrigen Tages wichtige Depeschen zugegangen. Siebentausend Mann unseres Pabstgeschwaders seien gegen Rom marschirt, das sie seinerseits in die Acht erklärt habe und ihnen mit 8000 Mann entgegenrücke.
(Die gewöhnliche Fahrpost aus Rom vom 23. und 24. April ist heute in Paris ausgeblieben.)
Im Moniteur vom 2. Mai keine Silbe.
‒ Cabrera traf am 28. April unter starker Bedeckung in Toulon ein, wo er in das Fort Lamalgue, das bereits den Progressisten-General Amettler einschließt, abgeführt wurde. Cabrera, 38 Jahre alt und energischer Natur, ist an einem Beine in Folge einer seiner letzten Kampfwunden gelähmt. Er kann nur mit vieler Mühe marschiren.
‒ Der conservative Toulonnais vom 29. April spricht von ernsten Militärkrawallen, die unter der Besatzung des Mourillon ausgebrochen.
‒ Der „Tribüne“ zufolge hat Faucher sämmtlichen Gränzbehörden wiederholt die strengste Aufsicht und Zurückweisung politischer Flüchtlinge befohlen. Die östlichen und südöstlichen sowie die nördlichen Gränzen sollen ihnen wo möglich luftdicht gesperrt werden, da das Cabinet mit seinen heimischen Demagogen schon genug zu thun habe und keinen fremden Zuwachs brauche.
„La Republique“ meldet die Ausweisung eines polnischen Sozialisten, Namens Vincent Wierczbicki. Die Proscription wird täglich vollständiger.
‒ Seit acht Tagen liefen eilf Petitionen auf Restitution der Milliarde bei der National-Versammlung ein.
‒ Uebermorgen soll Präsident Bonaparte den Grundstein zur ersten Pariser Arbeiter-Kaserne an der Roche-Chonartstraße legen.
‒ Die Schatten im Elysium bekriegen sich gewaltig! Es scheint daß dort zwischen dem Präsidenten Bonaparte und seinem Vetter Napoleon Bonaparte, nach dessen Rückkehr aus Madrid, ein heftiger Wortwechsel ausbrach. Louis Bonaparte soll zu seinem Vetter mit Stolz gesagt haben: daß sich die niederen Glieder der Dynastie im Interesse derselben unterordnen und einig halten müßten etc. Da sWörtchen „niederen“ soll den Vetter zu so heftiger Replik veranlaßt haben, daß der Sohn der Königin Hortense die Beleidigung des Sohnes des Königs Jerome's nicht anders als im Blut abzuwaschen gedenke. Ein Duell ist verabredet und Herr v. Morny, Soult's Schwiegersohn, wird als einer der Sekundanten des Prinzen-Präsidenten genannt.
[(Vraie Republique, 2. Mai.)]
‒ Changarnier soll zum Gouverneur von Paris ernannt werden, falls ihm die Kammer das Doppelkommando nehme.
‒ Proudhon richtet sich im heutigen „Peuple“ an die Wähler von Paris.
Der „Peuple“ ist wieder einmal mit Beschlag belegt worden.
‒ Die Cholera ist wieder im Zunehmen.
‒ Mit dem Dämpfer „Caroline“ liefen in Marseille sechs wunderschöne arabische Reitpferde ein, die der Iman von Muscate (Arabien) dem Präsidenten Bonaparte schenkt, um sich der (franz.) Freundschaft zu versichern.
‒ Ex-Prinz Joinville's Kandidatur in der Haute Marne gestaltet sich mit jedem Tage günstiger!!
Nationalversammlung. Sitzung vom 2. Mai. Anfang 1 1/2 Uhr. Die Amnestiefrage für die transportirten Juniräuber macht die Versammlung sehr zahlreich.
Marrast eröffnet die Sitzung.
An der Tagesordnung steht obenan folgender Gesetzentwurf:
Artikel 1.
„Dem Minister des Innern ist auf das Büdget von 1849 ein Credit von 200,000 Fr. bewilligt, um die Kosten der ersten Jahresfeier der Proklamation der Republik durch die National-Versammlung zu bestreiten, die am 4. Mai 1849 stattfindet.“
Wird ohne alle Debatte angenommen. Marrast liest weiter:
Artikel 2 (des Ausschusses).
„Volle und ganze Amnestie ‥‥“
Larabit (unterbrechend): Ich verlange das Wort!‥‥ Im Ausschußbericht heißt es: Die Heftigkeit der anarchischen Leidenschaften zog über uns die Fluth des Bürgerkrieges; das Elend, die Aufregung und Unzufriedenheit wurden von Denjenigen unterhalten, die eine künftig unmögliche Vergangenheit träumen ‒ erhoben sich wechselweise drohend gegen das Bestehen unserer jungen Republik etc. Da ich weder zu den Träumern einer unmöglichen Vergangenheit, noch einer unmöglichen Zukunft gehöre, so protestire ich hiermit gegen diese Stelle des Berichts. (Allgemeine Heiterkeit. Protestiren Sie immer! ruft man vom Berge)
Marrast beginnt von Neuem zu lesen:
Artikel 2.
„Volle und ganze Amnestie ist allen Individuen gewährt, welche in Gemäßheit des Dekrets vom 27. Juni 1848 transportirt wurden. Artikel 1 jenes Dekrets ist abgeschafft.“
Faucher, Minister des Innern: Bürger Vertreter! Dieser Artikel ist nur die Wiederholung einer schon bereits mehrfach gestellten Proposition. Die Regierung wünscht den W g der Verzeihung gleich dem Ausschuß einzutreten, aber noch ist der Augenblik hiefür nicht gekommen‥‥ Unter den Transportirten befinden sich gefährliche Individuen‥‥ Die Freiheitsentwickelung und Aufrechthaltung der Ordnung kann eine so allgemeine Amnestie nicht gestatten. Ich bekämpfe die Maßregel und trage auf Verwerfung des Artikels an. (Murren links)
Gouttay: Der Ausschuß, in dessen Namen ich spreche, freut sich der Uebereinstimmung von Gefühlen für Milde, die zwischen ihm und dem Minister herrschen; aber er kann seine Befürchtungen nicht theilen. Als Sie, Bürger Vertreter, jenes Dekret erließen, war der Staat in Gefahr und [1643] nur diese höchste Gefahr konnte Sie zu einem ähnlichen Beschlusse veranlassen. Mit der Staatsgefahr müssen auch Ihre Kriege verschwinden.… Der Ausschuß schlägt Ihnen weder für Angeklagte, noch Verurtheilte seit dem 24. Feb. Amnestie vor, sondern er empfiehlt nur die auf den Pontons Schmachtenden Ihrer Milde. (Beifall vom Berge und fast der ganzen Linken. Nein! Nein! rechts.)
Faucher: Das Ministerium kann die Hinweisung auf die Geschichte nicht annehmen. Die Junitage haben in ihr keines Gleichen; sie waren kein bloßer Bürgerkrieg, sondern ein Krieg gegen die ganze Gesellschaft Darum auch Ihre Ausnahmbeschlüsse. Wäre für die Vergeltung eines solchen Sturmes die Frist schon abgelaufen? Das Ministerium glaubt es nicht. Sie dürfen uns nicht entwaffnen. Der Sturm würde von Neuem losbrechen Stehen wir nicht am Vorabende der Wahlen? Und Sie wollen 2 bis 3000 Männer nach Paris zurückschleudern, die noch nicht das geringste Zeichen von Reue ablegten. (Agitation)
Laussedat und mehrere Bergglieder sprechen warm für die Amnestie. (Rechts aber unaufhörlich: Zur Abstimmung! Zur Abstimmung!)
Senard eilt auf die Bühne und stellt den Vermittlungsantrag als Zusatz:
„Dennoch wird der Regierung zur Ausführung der Maßregel eine Frist von 6 Monaten gegeben.“
Gouttay im Namen des Ausschusses tritt dem Zusatze bei, beantragt jedoch 3 statt 6 Monate. (Zur Abstimmung! Zur Abstimmung!)
Faucher bekämpft die 3 Monate und erklärt, 6 Monate sei Alles, was die Regierung gestatten könne. (Zur Abstimmung!)
Es entsteht einige Verwirrung wegen der Abstimmung.
Odilon Barrot zeigt sich auf der Bühne. (Ah! Ah!) Auch ich theile die Gefühle der Milde. … aber wenn Sie alle Thatsachen kennten, dann schlügen Sie keine solche Amnestie vor. Diese Männer, die sie begnadigen wollen, erklären an jedem Tage, daß sie die Revolution sofort wieder beginnen, sobald sie frei seien. (Lärm.) Die Regierung theilt Ihre Gesinnungen für die Verurtheilten dennoch vom menschlichen Standpunkte; aber sie hat auch die schwere Pflicht, die Gesellschaft zu schützen. (Diese lügenhafte Phrase ist nun von allen Volksfeinden in allen Ländern bereits so abgenutzt, daß sie eben nur noch ganz kurze Zeit vorhalten kann.) In keinem Falle kann sie sich den Moment vorschreiben lassen. Ich bekämpfe daher jede Friststellung (Zur Abstimmung! Zur Abstimmung!
Eine neue Verwirrung erhebt sich über den Modus der Abstimmung.
Taschereau verlangt Abstimmung durch Stimmzettel, die Jeder in die Urne wirft, während er über die Bühne schreitet.
Clement Thomas: Ich höre von der Rechten beleidigenden Verdacht über Stimmschmuggelei gegen die Linke ausstoßen. Ich protestire gegen dieses unparlamentarische Betrag n. (Tumult.)
Nachdem sich derselbe gelegt, schreitet das Haus zur Abstimmung über Art. 2. (Die Frist kommt später dran.)
Um 3 Uhr 40 Minuten beginnt das Passiren über die die Bühne und dauert zwei tödlich lange Stunden.
Kurz vor 5 Uhr proklamirt Marrast folg ndes Resultat:
Von 627 Stimmenden haben 339 gegen 288 für Verwerfung des Art. 2 und des Senardschen Zusatzes gestimmt. Die Amnestie ist also verworfen!
Degoussée stellt den Versöhnungsantrag:
„Es sollen die Akten jedes Transportirten nochmals durchgesehen werden.“
Faucher erklärt diesen Antrag unnütz, da ja bereits eine Kommission der Versammlung hierfür niedergesetzt sei.
Clement Thomas: Allerdings bestehe eine solche Kommission, aber man höre nichts von ihr. Auch er unterstützt, die Transportirten vor die Civilgerichte zu stellen.
Lagrange erscheint auf der Bühne. Er sieht furchtbar leidend aus. Mit schwacher, kaum hörbarer Stimme trägt er darauf an, die Juniopfer den ordentlichen Gerichten zuzuweisen, wenn man ihnen keine Gnade angedeihen lassen wolle.
Odilon Barrot: Ich schätze den Edelmuth des Redners und verspreche seinem Antrag, als Justizminister möglichst nachzukommen. (Barrots Lob des sterbenden Lagrange macht großen Eindruck.)
Endlich wird Artikel 3 (jetzt Art. 2) zur Abstimmung gebracht und anenommen.
Ledru-Rollin erscheint auf der Bühne und erzählt, daß er mit zwei Collegen in Moulins (Richtung von Lyon) gewesen und dort von der Bürgerwehr fast gemeuchelt worden.
Barrot erklärt, noch keinen Bericht zu haben; verspricht aber strenge Untersuchung.
Morgen hierüber das Nähere.
Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.
Italien.
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@facs1643
[ * ] Wir erfahren jetzt die Details über die Ausschiffung der Franzosen in Civita-Vecchia. Als die ersten französischen Schiffe signalisirt wurden, wurde in Rom angefragt, ob man Widerstand leisten solle. Das Volk war sehr aufgeregt und wollte die Truppen unter keiner Bedingung landen lassen. Der Circolo Popolare trat zusammen und erließ energische Aufrufe an die übrigen Circoli des Landes.
Auf die Erklärung Oudinots hat der Gouverneur eine energische Antwort erlassen, worin er gegen das Wort „Anarchie“ protestirt, das der legitimistische Oudinot, spezieller Freund des Kaisers Nikolaus, auf die römischen Zustände anzuwenden sich erlaubt. Er erklärt die bestehende Regierung sei getragen von der ungeheuren Majorität des Volkes.
Bei dem höchst ungünstigen Eindruck, den die Proklamation Oudinots zu machen drohte, scheint man auf ihre Publikation verzichtet zu haben. Dagegen ist eine Erklärung des Adjutanten Oudinots, Espivent, angeschlagen worden. In dieser heißt es, die Franzosen kämen bloß um ihren legitimen Einfluß sicher zu stellen, keineswegs aber um dem Willen der Majorität des römischen Volks Gewalt anzuthun.
Abends am 24. kam das Bataillon Mellara an.
Um drei Uhr in der Nacht kam der Befehl von Rom, sich der Landung zu widersetzen. Der Gouverneur und die Truppen wollten dem Befehl nachkommen. Aber die Bourgeoisie, die städtischen Behörden, die Handelskammern u. s. w. widersetzten sich. Endlich gibt der Gouverneur nach und geht mit einer Deputation an Bord des Admiralschiffs, um die Landung vorzubereiten.
Jetzt, um 9 Uhr Morgens am 25., kommt die Nachricht, daß Verstärkungen von Rom aus unterwegs sind. Aber zu spät. Die Deputation war schon fort.
Um ein Uhr begann die Landung.
Oudinot hat die Erklärung seines Adjutanten sanktionirt.
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@facs1643
[ * ] Toulon, 29. April.
Eine telegraphische Depesche soll der Regierung die Kapitulation Palermo's definitiv melden.
Der Conciliatore Toscano trifft so eben in Paris ein und meldet: „Palermo hat sich unterworfen. Eine Gesandtschaft von 18 Personen begibt sich zum König Ferdinand nach Gaëta, um ihm die Huldigungsakte zu überbringen. Seit zwei Tagen weht die neapolitanische Flagge auf allen Punkten Siziliens.“
Kein Zweifel mehr über die Unterwerfung Palermo's! Der Caton bringt sie eben nach Toulon. Mit dem Ariel werden offizielle Details hierüber von Bandin erwartet.
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@facs1643
[ * ] Turin, 28. April.
Sonnaz, Kommandant von Alessandria, dessen Demission neulich nicht angenommen wurde, hat sich mit dem österreichischen General Degenfeld rücksichtlich des Garnisondienstes in Alessandria verständigt. Alessandria ist jetzt so glücklich, 3190 Oesterreicher und 337 österreichische Pferde in seinen Mauern zu besitzen.
Der „Concordia“ wird geschrieben, daß die Hälfte der französischen Expedition Ancona besetzen solle. Ebenso läßt dasselbe Blatt 12 000 Neapolitaner gegen die römische Gränze marschiren.
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@facs1643
[ * ] Florenz, 24. April.
Der Großherzog hat aus Gaëta geantwortet, daß er bald in seine Staaten zurückkehren werde.
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@facs1643
[ * ] Mantua.
In demselben Maß als den Oestreichern die Möglichkeit genommen wird, Ungarn auszuplündern, in demselben Maß erneuern sie ihre Plündereien in Italien. In Mantua sind 31 Personen außerordentlich gebrandschatzt worden. Drei unter ihnen sollen binnen 6 Wochen 140,000 Lire zahlen, die Andern nach Verhältniß. Die gottbegnadete Spitzbüberei bleibt sich überall gleich.
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@facs1643
[ * ] Treviso.
Hier sind wieder auf standrechtliches Kommando drei Italiener, worunter ein Geistlicher, zu Pulver und Blei begnadigt und erschossen worden und drei Andre zu Schanzarbeit in Eisen verurtheilt.
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@facs1643
[ * ] Brescia, 25. April.
Jetzt erst erfährt man genau den Verlust der Oesterreicher während des Kampfes gegen das heroische Brescia. Der Verlust der Oesterreicher ist bedeutender, als der den sie in der Schlacht von Novara erlitten. Ein offizieller Bericht des österreichischen Militärkommando's gibt die Zahl der im Kampfe gegen Brescia Getödteten auf 1477 Soldaten, 29 Lieutenants, 3 Kapitäne, 2 Obersten und 1 General an (Nugent). Der Adjutant des Generals Nugent ist ebenfalls in Folge erhaltener Wunden dem Sterben nahe. Mehr als 700 Verwundete liegen in den Spitälern.
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@facs1643
Mailand, 22. April.
Wie die hiesige amtliche Zeitung mittheilt, werden vom 1. Mai ab Schatzbillette von 30, 60, 120 etc. bis zum Betrag von 70 Millionen Lire ausgegeben und mit 3 pCt. verzinst werden.
So wird die Lombardei auf alle Weise bis auf den letzten Blutstropfen ausgesaugt.
Schweden.
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@facs1643
Gothenburg, 28. April.
Der hiesigen Handels- und Schifffahrtszeitung wird aus Stockholm geschrieben, daß trotz aller Kuriere aus Kopenhagen, trotz der Nachrichten von einer neuen durch England vorgeschlagenen Friedensbasis und einem russischen Proteste gegen Jütlands Besetzung, ja trotz der dänenfreundlichen „potzlustigen Außerungen Sr. Maj. des Königs von Preußen an Krethi und Plethi,“ für Dänemark nicht an ein günstiges Resultat des Zwistes zu glauben sei, wenn nicht entweder Waffenglück oder Deutschlands Spaltung ihm zu Hülfe komme. Das genannte Blatt berührt dann kurz die innere und äußere Schwäche der dänischen Widerstandskräfte und wie es durch seine Nichtachtung der gegebenen Rathschläge und Friedensbemühungen sich das englische und schwedische Kabinet entfremdet, und widerlegt die Nachricht, als ob die schwedische Regierung auf Ansuchen Dänemarks schwedische und norwegische See-Offiziere bewilligt habe.
Die Deputirten der schwedischen Reformvereine wollen eine große Versammlung in Orebro halten. Bereits sind 21 Reformvereine zu diesem Zweck angemeldet.
Amerika.
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@facs1643
[ * ] New-York, 17. April.
Nach der übersichtlichen Zusammenstellung in der „New-York-Tribune“ hat sich seit der letzten Post nichts Besonderes in der Union zugetragen. Die neue Administration, sagt dieses Blatt weiter, hat einige anstößige Beamte entlassen und an ihre Stelle würdigere Männer gesetzt. Im Uebrigen geht Alles einen ruhigen Gang. Die Cholera fängt an, sich im Nordwesten auszubreiten. In einigen Theilen von Texas fordert sie viele Opfer; ebenso erfahren wir aus Privatbriefen von New-Orleans, daß dort Sterbefälle nicht selten sind. Sie nimmt ihren Weg jetzt aufwärts im Mississippi-Thal, und man hat Grund zu befürchten, daß sie im Verlaufe des Sommers ihre Verheerungen nach den Städten der atlantischen Küste ausdehnen wird.
Die Besorgnisse in Canada sind anscheinend vorüber. Die Tories haben das Schlimmste befürchtet, indeß nichts mehr gethan, als geredet. Die ganze Aufregung war von ihrem Ursprung an nichts als eine politische List, ohne einen andern Zweck zu haben, als den, die gegenwärtige Regierung zu stürzen.
Dieselbe Maßregel, über welche die Tories so viel Lärm gemacht, nämlich die Entschädigung für Revolutionsverluste, war von ihnen selbst ersonnen, als ein Vermächtniß für die am Ruder stehenden Männer. Es ist also leicht einzusehen, in wie weit sie sich ernstlich ihrer Ausführung widersetzten.
Von Californien nichts Neues. Der Ver.-St.-Post-Steamer „California“, welcher noch vor Abgang des letzten Steamers von Chagres, am 30. März, in Panama erwartet wurde, ist nicht eingetroffen. Es ist zu vermuthen, daß ihn in St. Franzisco die Mannschaft verlassen, um in den Goldminen ihr Glück zu suchen, In Panama ging zwar das Gerücht, daß die Maschine auf dem Wege nach St, Franzisco unbrauchbar geworden, aber wir schenken der ersteren Ursache seines Ausbleibens mehr Glauben. Mit derselben Schwierigkeit werden noch andere Schiffe zu kämpfen haben, und es wird noch für geraume Zeit leichter sein, Schiffe in die Bay von St. Franzisco zu bringen, als heraus.
In Yukatan gewinnen die Indianer die Oberhand, und es ist möglich, daß sie die Weißen noch gänzlich aus dem Lande vertreiben. Seit die amerikanischen Freiwilligen nach Hause zurückgekehrt sind, ist Niemand dort, um mit irgend einer Aussicht auf Erfolg gegen die Eingebornen zu fechten. Die Einwohner von Yukatan verkaufen die gefangenen Indianer für 25 Dollars den Mann. Sie werden nach Havanna gebracht, und die Zeit für ihre Sklaverei ist auf zehn Jahre festgesetzt. Diese neue Art, Feindseligkeiten fortzuführen, wird die Indianer ohne Zweifel veranlassen, alle in ihre Hände fallenden Weißen zu tödten und die Yukataner werden kein Recht haben, sich über diese Art von Wiedervergeltung zu beklagen.
In Guatemala war nach den letzten Nachrichten die Anarchie so groß, daß der amerikanische Gesandte sein Beglaubigungsschreiben nicht überreichen konnte, weil keine Regierung dort war, dasselbe zu empfangen. Vincent Cruz, gewesener Vicepräsident der Republik, unzufrieden mit der Wahl des Bernardo Escobar für die Präsidentschaft, hatte ein Corps von 1000 Bergbewohnern zusammengebracht und belagerte die Stadt Guatemala. Zwischen ihm und den Truppen der Stadt fand ein drei Tage dauerndes Gefecht statt, welches damit endigte, daß die kämpfenden Parteien auf unbekannte Bedingungen hin sich verständigten. Durch diesen Streit war kein großer Schaden verursacht worden.
Ostindien.
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@facs1643
[ * ] Die Folgen des Sieges der Engländer bei Gudscherat ergeben sich am besten aus folgender Proklamation des General-Gouverneurs von Ostindien, datirt „Lager Ferospur, 17. März“ (Wir gaben den Hauptinhalt in der Beilage zu Nr. 283 d. Bl.):
„Der General-Gouverneur hat die hohe Freude, die heute von dem Oberkommando und Generalmajor Sir. Walter Gilbert eingelaufenen Depeschen der Oeffentlichkeit übergeben zu können.
Alle britischen Unterthanen, die sich als Gefangene in den Händen des Feindes befanden, sind wohlerhalten zurückgekehrt.
Am 14. März haben Schuttur-Singh, Shir-Singh und die übrigen Chefs der Sikhs ihre Degen in die Hände des Generalmajors Sir Walter Gilbert abgeliefert.
Zu gleicher Zeit wurden 41 Kanonen übergeben, und der Rest der Sikh-Armee, 16,000 Mann, legten in Gegenwart der britischen Truppen ihre Waffen nieder‥…
Aber der Krieg ist noch nicht zu Ende und die Feindseligkeiten können nicht eher aufhören, bis Dhost Mohamet Khan und die Affghanen-Armee entweder aus der Provinz Peschawer vertrieben oder innerhalb derselben vernichtet sind.
Die briti che Armee hat ihren Marsch gegen Attock wieder aufgenommen‥‥.“
Die Engländer haben in diesem letzten Kriege gegen die Sikhs nicht weniger als 158 Geschütze von letzteren erbeutet. Der obengenannte Gilbert, der in Eilmärschen gegen Attock vorrückte, hörte kurz vor letzterer Stadt, daß diese geräumt worden und der Feind mit 3 Geschützen abgezogen sei, der nun die Brücke zerstören wolle, um die Engländer aufzuhalten. Alles war fruchtlos; die Engländer besetzten das Fort von Attock bereits am 17. März, und den folgenden Tag das kleine Fort von Hyedrabad.
Alle bisherigen Maßregeln deuten, obgleich offiziell hierüber noch keine Mittheilung erfolgt ist, auf die vollständige Annexation des Pendschab hin.
Eben eingehende Berichte, die bis zum 19. März reichen, theilen mit, daß Gilbert bereits mit 3 Regimentern über den Indus gesetzt war und daß die Affghanen im vollen Rückzuge begriffen sind.
[Gerichtsprotokoll]
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@facs1643
Düsseldorf. Prozeß gegen Lassalle und Weyers.
(Fortsetzung).
Zeuge Faßbender, Makler in Neuß. Lassalle habe in Neuß von drr Nothwendigkeit der Bewaffnung gesprochen, und gesagt, daß die Düsseldorfer dafür sorgen würden, daß die Verbindung mit Neuß durch die Brücke geschützt bliebe.
In Betreff des Instruktionsprotokolls erklärt der Zeuge:
„Die in dem Protokoll stehende Aeußerung, daß Lasalle zur Steuerverweigerung aufgefordert, und gesagt habe, man müsse dem Steuerboten den Hals brechen, diese Aeußerung habe ich positiv nicht gethan, und weiß nicht, wie sie ins Protokoll gekommen.
Nach seiner ganzen Aussage hat Lasalle nur für den eventuellen Fall eines äußeren Angriffs auf Düsseldorf die Neußer zum bewaffneten Aufbruch aufgefordert.
Zeuge Krinksem aus Neuß hat die Rede Lasalle's aus weiter Entfernung gehört, und weiß nur über einzelne Sätze, nicht über den Zusammenhang Aufschluß zu geben. Ob der Redner, der auf Lasalle folgte, Weyers gewesen, kann der Zeuge nicht aussagen; derselbe habe sehr aufgeregt über den Konig gesprochen, und in einer Phrase die Worte: „Tod ihm!“ gerufen.
Zeuge Wilhelm Beckers, Schuster aus Neuß. Lasalle habe in Neuß von dem Zwiespalt der National-Versammlung mit der Regierung gesprochen, und die National-Versammlug als die jetzt einzig rechtmäßige Gewalt bezeichnet. In seiner Rede sei er darauf eingegangen, daß es zum Kampfe kommen könne, und daß man sich für diesen Fall vorbereiten müsse. ‒Weyers habe von Ausbruch des Kampfes in Schlesien gesprochen und die Neußer aufgefordert, nicht hinter den Schlesiern zurückzubleiben.
Zeuge Stangier aus Wildenburg erkennt den im Anklageakt erwähnten Brief an, welchen Lasalle an ihn geschrieben, um ihn zum Zuzuge aufzufordern.
Schutzzeuge Hölterhof, gewesener Hauptmann der Bürgerwehr. Das Gesammtstreben Lasalle's war nur, Aufforderung zum Schutz der Volksrechte und errungenen Freiheiten gegen zu erwartende Attentate des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel.
Zeuge Kramer, Advokat. (Heuler). Ueber die Versammlung bei Geißler in Dusseldorf. Diese Versammlung sei von Bürgern der verschiedensten Parteien zusammenberufen worden, weil die allgemein beängstigenden Zustände ein Anschließen aller Parteien hervorgerufen habe. Lasalle habe zur Einigkeit und zu fortgesetztem gesetzlichem Ausharren bei den errungenen Volksrechten aufgefordert.
Zeuge Lorenz Cantador. Aufgefordert über das ganze Streben Lasalle's im Monat November Aufschluß zu geben: Lasalle habe mit aller Hingebung für die Wahrung der bedrohten Freiheiten gearbeitet, und namentlich für den Fall, daß die National-Versammlung das Volk zu ihren wirklichen bewaffneten Schutz auffordere, ein Fall, den Lassalle allerdings gehofft und erwartet habe, das Volk zur Bewaffnung aufgefordert.
Zeuge Esser, Makler. Schutzzeuge für Weyers.
Schluß des Zeugenverhörs. Die Sitzung wird für eine Viertelstunde ausgesetzt.
Nach Wiedereröffnung der Sitzung erhebt sich eine Debatte über die Fragestellung. Die Vertheidiger behaupten, daß die Frage gestellt werden musse, ob die Angeklagten aufgefordert hätten zur Bewaffnung, wie es Artikel 102 in Verbindung mit Artikel 87 fordere. Das öffentliche Ministerium beruft sich auf den Anklageakt. Der Gerichtshof entscheidet, die Frage solle so gestellt werden:
„Ist der gegenwärtige Angeklagte schuldig, die Bürger zu einer Bewaffnung unmittelbar aufgefordert zu haben.“
Staatsprokurator Potthof. Nach einigen Bemerkungen über den Beruf des Geschwornengerichts geht er über zur Auseinandersetzung des Verbrechens, worüber die Geschwornen heute zu urtheilen haben. Aufreizung ist der Versuch, den Willen eines Andern zu bestimmen! Sie muß eine direkte gewesen sein. Das Gesetz interpretirt den Begriff des Direkten nicht. In den Debatten des Staatsraths und in der Jurisprudenz keine Anhaltspunkte. Nach dem Sprachgebrauch ist zu entscheiden. Hiernach gehört zum Begriff direkt, daß die Worte klar, unumwunden, unzweideutig sind. Aber n cht so, daß eine direkte Aufreizung nur dann besteht, wenn der Redner auch Zeit und Ort der Handlung angegeben, nicht so, daß unmittelbar nach der Aufforderung zur Ausführung geschritten werden muß.
Es fragt sich nun, ob im gegenwärtigen Falle eine direkte Aufforderung stattgefunden. Offener Zweck des Düsseldorfer Volksclubs, dem die Angeklagten angehörten, sei die Einführung der s. g demokratisch-socialen Republik gewesen. Gleich nach dem eingetretenen Conflikt mit der National-Versammlung trat diese Partei auf. Volksversammlungen in der Bockhalle, Organi ation des bewaffneten Widerstandes, Bildung des Barrikadenvereins seien ihre Mittel, und Lassalle sei der Hauptführer gewesen. Ganz anders als in der Bockhalle war Lassalle's Benehmen in einer Bürgerwehrversammlung im Geißlerschen Saale, deren Ansichten wesentlich von denen der Bockhalle abwichen. Freilich der demokratische Centralausschuß in Berlin hatte die Weisung ertheilt, sich milde zu benehmen und gemeinsame Sache mit den Constitutionellen zu machen.
Das öffentliche Ministerium schildert dann die Thätigkeit Lassalle's in der Bürgerwehr. Er habe sich eingedrängt, da ihm gesetzlich der Zutritt zur Bürgerwehr verschlossen gewesen. Er brachte die Bürgerwehr zu all den Maßregeln, welche hier in Düsseldorf von ihr ausgegangen sind.
Daß aber Lassalle mit der ganzen Bewegung nur die Tendenz des Volksclubs, die demokratisch-sociale Republik verfolgt habe, will das öffentliche Ministerium aus den verschiedenen Proklamationen Lassalle's herleiten. Am deutlichsten sei es aus dem Briefe an Stangier ersichtlich. (S. diesen Brief im Anklageakt).
Lassalle, der sich selbst Revolutionär aus Prinzip nannte, wollte den Aufstand, die offene Empörung. Dies sein politischer Standpunkt, von dem seine ganze Handlungsweise ausging. Von diesem Standpunkte aus auch seine Thätigkeit in Neuß. Lassalle verordnete dort eine Volksversammlung, Weyers mußte sie ausrufen, trotz des Verbots der Ortsbehörde. Hier nun hält Lassalle eine Rede. (Folgt eine Erzählung des Inhalts der Rede.) Nach Lassalle sprach Weyers. Durch die Aussagen der Zeugen, welche den Inhalt der beiden Reden bekunden, ist nach meinem Bedünken die Anklage vollständig begründet. Auch die ganze Versammlung hat den Charakter der Reden so verstanden. Ich gebe übrigens Ihrem Ermessen anheim, zu entscheiden, ob eine direkte Aufforderung stattgefunden. Ich bemerke indessen: Die Aufforderung zur Steuerverweigerung, deren nächster Zweck Lassalle's Rede war, ist vom Lande beurtheilt worden. Die National-Versammlung war nach ausgesprochener Vertagung nicht befugt, weiter zu sitzen. Dem Beschluß zur Steuerverweigerung fehlte die zweite Lesung. Die National-Versammlung hat nie die Legitimität des aktiven Widerstandes anerkannt.
Als die beiden Angeklagten zu den Waffen riefen, war es eine schwer erregte Zeit. Wenn es nicht zum Kampf gekommen, so ist es nicht an dem Willen der Angeklagten gescheitert. Sie haben so den Bürgerkrieg erregen wollen und die bürgerliche Gesellschaft muß sie dafür bestrafen. Aus reinster Ueberzeugung beantrage ich gegen beide Angeklagte das Aussprechen des Schuldig.
Vertheidiger Bloem I. Es ist eine unerfreuliche Erinnerung, die Ereignisse des letzten November hier vorzuführen. So sagt das öffentliche Ministerium und darin hat es Recht. Es ist unerfreulich, die Thaten des November dem Urtheile unabhängiger Richter zu unterwerfen. Auch ich muß auf die Vorfälle des vorigen Jahres zurückgehen, aber etwas weiter. Der November brachte nur zum Ausbruch, was lange Monate vorher sorglich vorbereitet war. Das öffentliche Ministerium stellt es als eine Berechtigung der Krone hin, die National-Versammlung zu verlegen, zu vertagen, aufzulösen. Ich nenne es einen Frevel an den Vertretern des Volkes. Der Redner schildert in allgemeinen Zügen die Vorgänge in Berlin und im ganzen Lande; die Gewaltthaten der Regierung, die Unterdrückung der Volksrechte, die Versuche, der Contrerevolution gegenüber die Rechte des Volkes zu schützen und zu wahren, der Sieg der Contrerevolution und die Verfolgung derer, die für das Recht in die Schranken getreten. Hiermit, sagt er alsdann, könnte ich meine Rede schließen, doch ist es meine Pflichtder Rede des öffentlichen Ministeriums einzelne Bemerkungen entgegen, zustellen.
Das öffentliche Ministerium spricht viel von den Tendenzen Lassalle's, den Plänen der Umsturzpartei. Das öffentliche Ministerium hat hierüber keinerlei Beweise geliefert und seine Behauptungen sind so, wie sie vorgetragen worden, Verdächtigungen.
Sodann sucht der Redner auszuführen, daß die Gesetzgebung des französischen Code nicht auf die constitutionelle Monarchie passe.
[1644]
Was die Behauptung des öffentlichen Ministeriums anlangt, in der Rede Lassalle's sei eine provocation directe enthalten, so verweise er auf die Zeugenaussagen. Die Zeugen haben sämmtlich erklärt, daß Lassalle nur für eine Eventualität gesprochen und aufgefordert habe.
Schließlich erklärt der Vertheidiger, daß er nicht den Antrag auf Freisprechung stelle, sondern die Geschwornen um Verzeihung bitte, daß er überhaupt einer solchen Anklage gegenüber eine Vertheidigungsrede gehalten und nach dem Vortrage des öffentlichen Ministeriums nicht sofort den Geschwornen vertrauensvoll die Entscheidung anheimgegeben habe.
Vertheidiger Bloem II., spricht in ähnlichem Sinn für den Angeklagten Meyers, und fügt auf die Verbreitung der Proklamationen hinzu, daß eine Anklage auf Leben und Tod hier um so abgeschmackter erscheine, als der Beschuldigt bloß in seinem Gewerb als Colporteur gehandelt habe.
Der Präsident vertagt hierauf (2 Uhr Mittags) zum allgemeinen Erstaunen die Sitzung auf Morgen früh 8 Uhr.
Lassalle, der sich nach dem Schluß der Verhandlung mit einigen Bekannten unterhielt, wurde hierbei in einer der ganzen Prozedur würdigen Weise von dem Gerichtsvollzieher Ringsdorff maltraitirt. Herr Ringsdorff erklärte dies wackere Gensdarmen-Geschäft im speziellen Auftrag da jeune Potthoff zu vollziehen.
Fin anderes Incident zu der Verfolgung Lassalle's bildete die Verfaftung eines gewissen Dolleschall, aus der früheren Procedur Lassalle's bekannt als Agent des berüchtigten Stockum. Herr Dolleschall hatte eine Menge Bauern und Arbeiter in einem Wirthshaus traktirt, unter der Bedingung, daß sie die Rede Lassalle's entweder ganz unterbrechen, oder zur Räumung des Saales Veranlassung geben sollten. Seine Verhaftung fand statt, als er sich weigerte, den Bauern das ihnen vorgesetzte Bier zu bezahlen.
(Fortsetzung folgt).
Neueste Nachrichten.
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[ * ] Düsseldorf, 4. Mai.
Heute Morgen wurde in der Lassalle'schen Prozedur durch einen Gewaltstreich des Gerichtshofes die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. Selbst die Zeugen mußten den Saal verlassen. Lassalle weigerte die Vertheidigung und forderte die Geschworenen auf, da die Advokaten bloß in der Voraussetzung seiner späteren Selbstvertheidigung die allgemeine Vertheidigung geführt hätten, jedes Urtheil zu verweigern. Nach dem kurzen Resumé des Präsidenten zogen sich die Geschworenen zurück und verkündeten nach fünf Minuten die Freisprechung der Angeklagten.
Weyers wurde in Freiheit gesetzt, Lassalle auf Antrag des Staatsprocurators wegen der Verweisung vor das Zuchtpolizeigericht ins Gefängniß zurückgeführt, nachdem auch der Assienhof, also die dritte Instanz sich auf das Cautionsanerbieten Lassalle's für incompetent erklärt hatte!
Mit der Freisprechung Weyers haben die Geschworenen den Ruf:
Tod dem König!für straflos erklärt. Die Geschworenen haben diesmal in der That die Volksstimme der Rheinprovinz vertreten.
Avis au citoyen Hohenzollern!
[Redakteur en chef Karl Marx. ]
[Leserbriefe]
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@facs1644
Solingen, 1. Mai.
Nachstehende 3 Adressen sind gestern in einer hier abgehalten Volksversammlung angenommen und mit mehreren Tausend Unterschriften bedeckt heute an die Betreffenden abgesandt worden.
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@facs1644
Brüder Berlin's
Jenen heiligen Kampf des 18. und 19 März habt Ihr allein gekämpft, und bald darauf hat man Eure Todten im Strade geschmäht.
Nicht das allein! es soll, ‒ so wollen es die Fürsten,‒ das Blut jener für die Freiheit gefallenen Helden umsonst geschlossen sein. Aber seid getrost! ‒ es herrscht unter allen deutschen Bruderstämmen nur ein Gefühl,‒ und zwar das Gefühl der gerechtesten Wuth über jene Fürsten, die ewig versprechen, und nie Wort gehalten haben.
Was von ihnen zu erwarten, sagen uns die Ereignisse der letzten Tage!
Aber keine Macht der Erde ist stärker als der Wille des Volkes, eines Volkes, was so lange geduldet, so lange geschwiegen, jedes längere Schweigen für Verbrechen hält, und endlich seiner Kraft sich bewußt, für seine Freiheit und sein Recht zu leben und zu sterben weiß.
Solingen, den 30. April 1849.
Vertreter des deutschen Volkes!
Das längst verwünschte preußischen Ministeriums hat wiederholt unsere Kammern aufgelöst Klar erkennt nunmehr das ganze deutsche Volk, auch das , bisher Blindheit geschlagene, was von der preußischen Regierung für deutsche Freiheit und deutsches Recht zu erwarten ist. Jedes deutsche Gemüth ist empört, und kann nicht Anders wie empört sein.
Ihr, unsre Vertreter, deren Viele von Euch leider zu lang in dem traurigen Wahne befangen gewesen, daß das deutsche Volk von seinen freiheitsmörderischen Fürsten für wahres Vokswohl reelle Bürgerschaften zu erwarten, und die Ihr dadurch der Säbelherrschaft wieder Muth gemacht habt, ‒ Ihr allein seid nunmehr berufen, dem ganzen Volke zu seinem unveräußerlichen Rechte zu verhelfen, was ihm so lange vorenthalten war Ihr habt in der neuesten Zeit es uns klar bewiesen, daß Ihr Euch der der Souveränetät wieder bewußt geworden, die Euch das ganze deutsche Volk nach jenen heiligen März-Ereignissen zuerkannt.
Haltet an ihr fest, und wie dann auch die Würfel fallen, wir stehen und fallen mit Euch, und werden mit Jubel Alle Eure Maßregeln begrüßen, die dahin gerichtet sind, der unerträglichen Fürsten-Willkür für ewige Zeiten ein Ziel zu setzen!
Solingen, den 30. April 1849.
An das Würtembergische Volk!
Deutsche Brüder! Mit edlem Beispiele, mit deutschem Muthe, seid Ihr uns in dem Augenblicke vorangegangen, wo die Fürsten sich neuerdings wieder gegen die Freiheiten der deutschen Völker verschworen haben.‒
Nehmt indessen die heiligste Versicherung hin, daß Euch, ihr Vorkämpfer der deuschen Freiheit, die preußischen Bruderstämme nicht allein nachahmen werden, sondern auch in dem großen Kampfe für Freiheit und Recht treu zur Seite stehen.
Solingen, den 30. April 1849.
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1. „Herrn Minister v. Ladenberg in Berlin.
Es gereicht mir zur besondern Genugthuung, daß Ihr Schreiben vom 2. d., (gänzlich abgesehen von den vielen Unwahrheiten) grade das Gegentheil von dem enthält, was Sie mir (allerdings vor dem Staatsstreiche) im stenographischen Bureau der National-Versammlung so feierlich und fromm versprochen haben.
Wie man die Leute heißt, welche wie Sie Wort halten, brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu sagen.
Odenthal, 9. April 1849.
A. Gladbach.
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II: „Majestät.
Königliche Beamten und Behörden traten länger als zehn Jahre mein klares Recht schonungslos unter die Füße; insbesondere beraubten sie ohne gegründete Ursache, unter w rklich empörenden Umständen, mich meines vor 25 Jahren angetretenen Amtes als Lehrer.
Seit dem 1. Juli 1848 schwebte diese Angelegenheit im Unterrichts-Ministerium, als im Oktober desselben Jahres der damalige Ministerverweser, der jetzige Minister von Ladenberg, mir im stenographischen Bureau der National-Versammlung, aus eigenen Antriebe, das feierliche Versprechen gab, (es können dafür Zeugen gebracht werden) ich solle mein Amt zurückerhalten; er habe sich von der Leidenschaftlichkeit, mit der ich behandelt worden sei, völlig überzeugt
Unterm 2. c. verfügt derselbe jedoch sowohl unrücksichtlich seines Geständnisses als seines Gelöbnisses grade das Gegentheil, und er verletzt zusätzlich sogar die Wahrheit und nicht minder die oktroyirte, von ihm gegengezeichnete Verfassung, die doch für ihn bindend erscheint.
Das Alles dürfte nicht durch den Umstand gerechtfertigt werden, daß ich als Mitglied der National-Versammlung ihn, v. Ladenberg inzwischen aus voller Ueberzeugung für einen Hochverräther erklärt habe.
Ich flehe nicht um Gnade, sondern ich begehre Gerechtigkeit. Ich verlange Genugthuung wegen der Unbilden, welche mir eine lange Reihe von Jahren von der Bureaukratie zugefügt wurden. Ich fordere Rechenschaft wegen den Entstellungen und des Wortbruches des Ministers von Ladenberg.
Ein entgegenstehendes Erkenntniß der Regierung zu Köln kann meinem gerechten Anspruche keinen Abbruch thun: es liegt eine Revolution zwischen der bureaukratischen Entscheidung und der Jetztzeit.
In diesem Sinne wolle es Ew. Majestät gefallen, eine Prüfung der bezüglichen Akten vornehmen, die Schuldigen zur Verantwortung ziehen und nach Recht und Gerechtigkeit entscheiden zu lassen.
Odenthal, 9. April 1849.
A.Gladbach.
Handelsnachrichten.
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Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 3. Mai 1849.
Angekommen.
Ant. Fritz von Amsterdam mit 2369 Ctr.; J. Leidecker von Rotterdam mit 3123 Ctr.; J. Brillmeyer von Rotterdam mit 4546 Ctr., sämmtlich geschleppt; Ph. Würges vom Niedermain; Val. Pfaff von Mainz.
In Ladung.
Nach Ruhrort bis Emmerich Wwe. A. J. Orts. Nach Düsseldorf bis Mülheim a. d. Ruhr L. Ducoffre. Nach Andernach und Neuwied C. Kaiser u. M. Wiebel. Nach Koblenz, der Mosel, der Saar und Luxemburg D. Schlaegel. Nach der Mosel, der Saar u. Trier Fr. Deiß. Nach Bingen H. Harling Nach Mainz Chr. Acker. Nach dem Niedermain Franz Spaeth. Nach dem Mittel- und Obermain S. Schön. Nach Heilbronn H. Staab. Nach Kannstadt und Stuttgart L. Bühler. Nach Worms und Mannheim B. Sommer, und (im Sicherheitshafen) Wwe. C. Müller.
Ferner: Nach Rotterdam Capt. Demmer, Köln Nr. 25.
Nach Amsterdam Capt. Wemmers Köln Nr. 7
Rheinhöhe: 8′ 10″. Köln. Pegel.
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Sitzung des Gemeinderathes vom 3. Mai 1849.
Der Gemeinderath bewilligt zweien städtischen Beamten Pension auf Lebenszeit.
Zur nähern Untersuchung der Frage, ob die Stadt oder die Armenverwaltung zur Beschaffung des zum Fortbau des Spitalgebäudes erforderlichen Fonds verpflichtet sei, wird eine Kommission ernannt.
Ueber den Zustand eines um Unterstützung Bittenden, sollen ärztliche Erkundigungen eingezogen werden.
Der Gemeinderath erkennt das Bedürfniß des Neubaus der höhern Bürgerschule in größerm Umfange an, beschließt aber die desfallsigen Verhandlungen einstweilen auf sich beruhen zu lassen. Er wählt zwei Mitglieder, die mit dem Direktor der Anstalt, dem städtischen Schulinspektor und zwei noch zu bestimmenden, dem Handel- und Gewerbestand angehörigen Bürgern der Stadt das Curatorium der Schule bilden sollen, genehmigt den Antrag, betreffend die Theilnahme der Bürgerschule an den Studienstiftungen, und erhöht den jährlichen Kredit für Erweiterung des Schulapparats, so wie das Gehalt von 7 Lehrern der Anstalt.
Der Vertrag zwischen der Armenverwaltung und dem Herrn Erzbischof in Betreff der Uebergabe der Minoritenkirche an das hiesige Domkapitel wird genehmigt.
Der Antrag wegen Entfernung der Bauhütte vor dem Hauptdomportale und Gewährung des erforderlichen Raumes zur Erweiterung der Bauhütte auf der Ostseite des Domhofes wird zur nähern Berichterstattung an die Kommission für Privatbauten verwiesen.
@typejAn
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Bekanntmachung.
Alle Bürger, welche sich im vorigen Jahre durch Einzeichnung resp. Zahlung bei der freiwilligen städtischen Anleihe betheiligten, und bis jetzt die dafür ausgefertigten Obligationen noch nicht in Empfang genommen haben, werden ersucht, dieselben bei der Stadtkasse abnehmen zu wollen
Köln, den 3. Mai 1849.
Das Königl. Oberbürgermeister-Amt, Graeff.
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@facs1644
Bekanntmachung.
Von vielen Correspondenten geschieht es, und besonders ist das seit einiger Zeit von mehreren der bedeutendsten Banquier- und Handlungshäuser beabachtet worden, daß die Gelder, rekommandirte Briefe und Fahrpostgegenstände überhaupt in der letzten halben oder viertel Stunde vor der Schlußzeit in großer Anzahl zur Post geliefert werden.
Da die Schlußzeit für Fahrpost-Gegenstände schon sehr bemessen ist, so ist es einleuchtend, daß in dem letzten Augenblick nicht so viel Kräfte beschaffen werden können, um dieselben ‒ da jeder Gegenstnd gewogen und eingeschrieben, über Gelder, Werthstücke und rekommandirte Briefe Einlieferungsscheine ausgestellt werden müssen ‒ zur rechten Zeit an die Abfertigungs-Expeditionen abgeben zu können, wodurch bei der Eile Versendungen und Zurücklassungen fast unvermeidlich bleiben, vorzugsweise bei Posten, die durch Dampfwagen befördert werden, und präzise auf den vom Postlokale entfernt gelegenen Eisenbahnhöfen eintreffen müssen, wenn der Anschluß nicht verfehlt werden soll.
Im eigenen Interressen der Correspondenten ersuche ich dieselben, die Auslieferung bezeichneter Gegenstände, deren von einem Handlungs-oder Banquierhause oft 30-40 und noch mehr zugleich eingeliefert werden, in der Folge nicht bis zum letzten Augenblicke zu verschieben, sondern solche früher, und wenn es möglich ist successive zu bewirken, weil sonst die unvermeidliche Nothwendigkeit eintreten dürfte, dieselben bis zur nächsten Post zurücklassen zu müssen.
Köln, den 25.April 1849
Ober-Post-Amt, Rehfeld.
@typejAn
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So eben ist erschienen:
Meine Assisen-Rede gehalten vor den Geschwornen in Düsseldorf am 3. Mai 1849.
gegen die Anklage die Bürger zur Bewaffnung gegen die Königliche Gewalt aufgereizt zu haben.
Von Ferd. Lassalle.
Preis 7 1/2 Sgr.
Schaub'sche Buchhandlung (W.H. Scheller Düsseldorf).
Vorräthig in Köln bei Eisen. ‒ DuMont-Schauberg. ‒ A.Bädeker. ‒ Lengfeld. ‒ W. Greven. ‒ Welter.
@typejAn
@facs1644
Geschäfts-Eröffnung.
Ich beehre mich anzuzeigen, daß ich mit meiner Engros-Handlung in Material- und Farbwaaren ein Detail-Geschäft verbunden, u. mit dem heutigen Tage eröffnet habe. Mein auf's Vollständigste assortirtes Lager aller in dies Fach einschlagenden Artikel empfehle ich angelegentlichst zur geneigten Abnahme unter der Versicherung einer allzeitigen billigen und aufmerksamen Bedienung.
Köln, den 1 Mai 1849.
Franz Coblenzer, Material- und Farbwaaren-Handlung en gros & en detail
Höhle Nr. 22 nahe an St. Alban.
@typejAn
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Geschäfts-Verlegung.
Beehre mich meinen Freunden und Gönnern hiermit die Verlegung meiner Restauration und baierischen Bierwirthschaft am Appelhof, nach der Breitstraße Nr 19, dem „Stand un Dries“ gegenüber ergebenst anzuzeigen, und bitte um geneigten Besuch, unter Versprechung reeller und prompter Bedienung.
Köln, den 3. Mai 1849.
J. L. Horn, aus Baiern
@typejAn
@facs1644
Vakanter Prayon'scher Nachlaß.
Nachdem durch Urtheil hiesigen Königl. Landgerichts vom 5. Dezember 1848, mehrere hier in Köln wohnende Erbprätendenten als Intestaterben, der am 20. Februar 1800 dahier verstorbenen Lehrerin Cäcilia Prayon (auch Prion) anerkannt, und der Unterzeichnete zur Ausantwortung dieses nicht ganz unbedeutenden Nachlasses an dieselben, schuldig erklärt worden ist; so ergeht an alle diejenigen, welche als Erben, oder aus jedem andern Grunde auf diesen Nachlaß noch Ansprüche zu haben glauben, hiermit die wiederholte Aufforderung, nunmehr ungesäumt und längstens bis zum 21. d. M., gegen den Unterzeichneten ihre Ansprüche auf diesen Nachlaß geltend zu machen, resp. bei demselben anzumelden, als widrigenfalls nach diesem Tage, wo jenes Urtheil die Rechtskraft beschreitet, den in demselben anerkannten Erben dieser Nachlaß überantwortet wird.
Köln, den 3. Mai 1849.
Der Curator des vakanten Prayon'schen Nachlasses.
Flosbach, Advokat.
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Am verflossenen Samstag ist im Freischützen ei n Regenschirm stehen geblieben.
@typejAn
@facs1644
Verfassungs-Urkunden.
Bei Carl Hoffmann in Stuttgart ist so eben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Bromme, Cr. die Verfassungen der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, der Freistaaten Pennsylvania und Texas, der Königreiche Belgien und Norwegen, die Bundesverfassung der Schweiz und die englische Staatsverfassung. 2te, mit der Staatsverfassung Frankreichs und der neuen deutschen Reichsverfassung vermehrte Auflage. 14 Bogen gr. 8. Preis brosch. 20 Sgr.
Vorräthig in Köln in der F. C. Eisen'schen Sortiments-Buch-& Kunsthandlung Friedrich-Wilhelmstraße Nr. 2.
@typejAn
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Thüringer Volkstribun.
Einladung zur Subscription.
Als es im Herbste des vorigen Jahres der Reaktion gelang, die demokratische Bewegung in den sächsischen Herzogthümern durch Waffengewalt zu unterdrücken, erlag auch das Organ des Kreis-Ausschusses der Thüringer Demokratie, der „Thüringer Volkstribun,“ der Gewalt der Umstände Die Gründer und Redakteure desselben wurden plötzlich in den Kerker geschleppt, und der Tribun mußte verstummen. Seitdem ist ein neuer Frühling in das Land gekommen und mit ihm neue Hoffnungen für die geschlagene, aber nimmer besiegte Demokratie
Einer der frühern Redakteure, G. Rothe, ist der Freiheit widergegeben, und es ergingen sogleich nach seinem Austritt aus dem Kerker zahlreiche Aufforderungen an ihn, den Volkstribun wieder ins Leben zu rufen. Diesen Aufforderungen zu genügen und zugleich ein Werkzeug zur kräftigen Reorganisation der Thüringer Demokratie zu schaffen, haben sich mehrere bewährte Volksmänner zur Wiederherausgabe des „Volkstribuns“ vereinigt.
Die Tendenz des Blattes wird dieselbe sein, wie sie in den ersten 12 Nummern sich kundgegeben hat. Wir glauben, daß die reine Demokratie nur in einer solchen Staatsform sich verwirklichen lasse, in der die Würde des Menschen in Allem auf's Höchste geachtet wird, in der demokratischen Republik. Unser Wahlspruch ist der der europäischen Social-Demokratie:
„Freiheit, Wohlstand, Bildung für Alle,“
Der Volkstribun erscheint vom 1. Mai an vorläufig zweimal wöchentlich unter der verantwortlichen Redaktion von G. Rothe und unter Mitwirkung von Dr. Lafaurie, H. Jäde, Dr. Otto, Dr. Rollet, Carl Bean, Hans, Deinhardt und anderer Volksmänner im In- und Auslande.
Der Abonnementspreis beträgt auf allen Thurn- und Taxischen Postämtern vierteljährig 20 Sgr.
In der Expedition 15 Sgr
Alle Gleichgesinnte, sowohl Einzelne als Vereine, sondern wir auf, zur Verbreitung des Blattes im Interesse der Demokratie mitzuwirken und durch Correspondenzen uns zu unterstützen.
Jena, im April 1849.
Das Redaktions-Comite.
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Anzeige für Auswanderer nach Nord-Amerika.
Paket-Schifffahrt zwischen London und New-York.
Wir expediren von London nach New-York am 10. Mai das Schiff Nicolai E. Jovan, Capitain Marco Radulovich,
am 15. Mai das Schiff Rolla, Capt. Robert Keighly,
am 1 Juni das Schiff Albatroß, Capt. James Broughall, sämmtlich gekupferte, schnellsegelnde Schiffe erster Klasse Wegen der sehr billigen Ueberfahrtspreise und jeder anderen Auskunft beliebe man sich zu wenden an Zurstraßen & Diesch, Blaubach Nr. 8.
@typejAn
@facs1644
Warnung für den militärärztlichen Verein.
Aus authentischer Quelle ist uns bekannt, daß seit Kurzem sich ein dem militärärztlichen Stande angehöriges Subjekt in Köln oder Deutz befinden soll, dessen niederträchtiges Denunciren demokratischer Gesinnungen bereits eilf Personen in Untersuchung und Haft geführt hat. ‒ Aus Coblenz mußte dieser Schurke sich entfernen; wird ihn der militärärztliche Verein hier dulden???
Kein Militärarzt.
@typejAn
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Wiedereröffnung der städtischen Schwimmanstalt am 14. Mai d. J.
Köln, den 5. Mai 1849.
Die Verwaltung der Schwimm- und Badeanstalt.
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Täglich frische deutsche Pfannenkuchen bei Gebr. Fabry Altenmarkt Nr. 10
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Täglich großer Maifischfang von Gebr. Wattler am Thürmchen.
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Theater-Anzeige.
Sonntag den 6. Mai 1849:
Erste Gastdarstellung der Familie Kobler, auf ihrer Durchreise nach Paris.
1) Pas de deux, ausgeführt von Louise Kobler, und Herrn Kobler.
2) Pas de trois, ausgeführt von Rani Kobler, Louise Kobler und Herr Kobler jun.
3) Styrien, ausgeführt von Rani Kobler, Louise Kobler und Herrn Kobler jun.
Vorher:
Ouvertüre in drei Akten:
Ernani.
Oper von Verdi, und Ouvertüre in zwei Akten aus:
Martha, oder der Markt zu Richmond.
Oper von Flotow.
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Herausgeber: St. Naut.
Druck von J. W. Dietz, Hutmacher Nr. 17.