[1639]
Beilage zu Nr. 289 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag, 4. Mai 1849.
Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Der Dritte im Bunde, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
[ * ] Köln, 3. Mai.
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[ * ] Köln, 3 Mai, Abends.
Je wilder die Flucht der Kaiserlichen aus Ungarn, je unerbittlicher die Verfolgung durch die Magyaren wird, desto verworrener und widersprechender werden auch die Berichte über die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz. Nur in Einem stimmen sie überein: daß die Kaiserlichen täglich neue Niederlage erleiden.
Folgende Thatsachen treten indeß als sogut wie gewiß hervor: Erstens: Das Gefecht bei Acs, das die Kaiserlichen als einen Sieg darstellten, war eine Niederlage.Das geht daraus hervor, daß Schlick, der hier gesiegt haben will, gleich darauf nach Raab zurückgegangen ist. Auch meldet die lithogr. Corresp., daß das Treffen bei Acs nachtheilig für die Kaiserlichen ausgefallen und das Regiment Zanini bis auf wenige Offiziere zu den Ungarn übergegangen sei.
Zweitens: In der Gegend von ungarisch Altenburg (halbwegs zwischen Raab und Preßburg) sind am 28. April die Oestreicher abermals geschlagen worden. Dies wird von verschiedenen Berichten übereinstimmend gemeldet. Viele Verwundete werden über die Leitha gebracht, und die ganze Umgegend ist damit überfüllt. Nach Wien selbst sollen am 29. und 30. an 2000 gebracht worden sein. Weldens Hauptquartier soll nach Einigen in Preßburg, nach Andern in Bruck an der Leitha ( auf östreichischem Boden) sein. Auch bei Raab, wo Schlick am 27. gewesen sein soll, haben ihm die verfolgenden Ungarn, wie es heißt, ein mörderisches Gefecht geliefert.
Hiermit wäre das Gros der östreichischen Armee schon aus Ungarn hinausgedrängt. Daß es meist schon auf östreichischem Boden steht und in Ungarn nur noch Preßburg und Oedenburg besetzt hält, ist außer Zweifel. Dazu steht jetzt fest, was wir voraussagten, daß die Ungarn bei Komorn über die Donau gegangen sind und auf beiden Ufern dieses Stroms in konzentrischer Bewegung gegen Wien anrücken. Die Reinigung der Slovakei durch die Ungarn wird jetzt ebenfalls von der Wiener Zeitung bestätigt.
Drittens: Es ist so gut wie gewiß, daß Jelachich ebenfalls vollständig geschlagen ist. Er selbst ist bereits, wie die Wiener Zeitung meldet, in Esseg angekommen, hat also, da er erst am 23. oder 24. von Pesth abzog und schon am 26. in Esseg war, jedenfalls eine weit schnellere Reife gemacht als sein Korps. Man sagt,dies sei gänzlich vernichtet und der größte Theil der Ueberlebenden sei zu den Magyaren übergegangen. Ein Bericht sagt, die Schlacht, sei bei Kis-Bér vorgefallen, was aber unmöglich ist, da dieser wenige Meilen südlich von Komorn gelegene Ort ganz außer der Route Jelachichs liegt. Dieser Bericht enthält auch sonst allerlei Unmöglichkeiten. Die Nachricht von seiner Niederlage aber geht durch alle Blätter und Korrespondenzen.
Ein Manifest Koffuth's spricht die Unabhängigkeit Ungarns und seiner Nebenländer von Oestreich aus und sagt diese Länder von der habsburglothringischen Dynastie los, weil sie einen so unheilvollen Krieg über Ungarn herbeigeführt.
Aus dem Süden seine Nachrichten von weiteren Fortschritten der Magyaren. Perczel soll mit seiner Hauptarmee gegen Pefth gezogen sein. Rukavina hat Hülfe von den Serben verlangt, um Temeswar zu verschanzen, aber die Serben haben sie abgeschlagen. Sie verlangen im Gegentheil die sofortige Berufung der serbischen Nationalversammlung zur Wahl des Bojvoden und Konstituirung der Bojvodovina.
Die Ungarn sollen über die Türkei 80,000 Flinten aus England bezogen haben. Die Großwardeiner Fabrik liefert ihnen täglich 300 Stück.
Inzwischen herrscht in Wien Freude und Aufregung unter dem Volk, Bestürzung in der Regierung. Auf der Börse zeigte sich am 30. eine unbeschreibliche Muthlosigkeit. Aus den Vorstädten kamen Kleinhändler und erzählten von einer steigenden Unruhe. Auf den Straßen wurden Nachmittags bekannte Barrikadengesichter bemerkt.
Das Ministerium ist in voller Auflösung. Nicht nur, daß Stadion ausgetreten, die Reihe ist bereits an Schwarzenberg, den Colloredo-Wallsee ersetzen soll.
Die Russen kommen. Der russische General v. Berg ist bereits durch Krakau nach Wien gereist. 12-15,000 Russen aller Waffengattungen, worunter 4 Schwadronen Kavallerie und 2 Batterien Artillerie wurden am 1. und 2. Mai in Krakau erwartet. Der Prawoslawny Car soll selbst in die Nähe kommen und die Operationen überwachen wollen.
In der Bukowina sind die Russen bereits einmarschirt, wie ein Schreiben aus Czernowitz von 28. April meldet.
(Die Wiener und Prager Blätter sind uns heute Abend nicht zugekommen.)
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[ * ] Köln, 3. Mai.
Es sind uns heute mehrere Briefe aus verschiedenen Theilen Süddeutschlands zugegangen, die sämmtlich in der erfreulichen Mittheilung übereinstimmen, daß überall das Volk ungeduldig des Augenblicks harrt, um endlich der unverschämten Contrerevolution der Herren „von Gottes Gnaden“ und ihrer löblichen Spießgesellen mit einer wirklichen ‒ also mit keiner März- ‒ Revolution entgegenzutreten, und Rache zu nehmen für die schon so lange und Tag auf Tag gegen die Rechte des Volkes verübten Gewaltthaten und Infamieen. Ueberall organisirt sich das Volk in Kompagnien, wählt seine Führer, verschafft sich Waffen und Munition etc. Ganz besonders erfreulich aber ist's, daß dort unter dem größten Theil des Militärs ein Geist herrscht, der es unmöglich machen wird, die Soldaten nochmals als Mordhunde und wilde Bestien gegen ihre Brüder zu hetzen, und gegen ihr eigenes Fleisch und Blut wüthen zu lassen.
Der gerechte Zorn des Volkes hat eine Höhe erreicht, die an dem nahen Losbruch nicht zweifeln läßt. Hoffentlich wird der Sturm aber diesmal so gewaltig durch ganz Deutschland brausen, daß endlich die ganze gottbegnadete Standrechts-, Raubritter- und Volksverräther-Bande für immer und bis auf die letzten Wurzeln vom deutschen Boden hinweggefegt werde.
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Berlin, 2. Mai.
Der König hat den Staatsminister Grafen v. Arnim auf sein Ansuchen von der Leitung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten entbunden und dieselbe interimistisch dem Ministerpräsidenten Grafen v. Brandenburg übertragen.
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[ * ] Berlin, 2. Mai.
Der gestrige Tag ist ganz ruhig vorübergegangen und die Fanatiker der Ruhe jubeln schon darüber, daß jetzt die Unruhen beendet seien. Nous verrons!
Dagegen bringt der Publizist aus der Geschichte der vergangenen Tage manche Einzelheiten, welche so bezeichnend und interessant sind, daß wir ihm wenigstens eine Thatsache nacherzählen wollen.
Am Sonnabend Nachmittag (den 28. v. M.) begegnete eine höchst wahrscheinlich betrunkener Mann einem Detachement des Kaiser-Franz-Regiments und brach in Schimpfworte über die Soldaten aus. Der kommandirende Offizier, darüber empört, schlug in mit seinem Degen nieder. Der Verwundete erhob sich aber wieder und schimpfte weiter. Da kommandirte der Offizier seinen Flügelmann zum Feuer geben. Dieser sprang vor und schoß auf fünf Schritte den Menschen todt! Das ist das maßvolle Benehmen der militärischen Macht, welches so viel Gutes gewirkt hat. Man hat die Leute gleich familienweise niedergeschossen. So ein Ehepaar, welches ruhig nach Hause ging und durch eine Kugel getödtet wurde.
Der gestrige Abend brachte uns wieder eine Wiederholung der bestialischen Scenen, wodurch sich die Konstabler in der letzten Zeit ausgezeichnet haben. In der Königsstadt hatten sich, angelockt durch das milde Wetter, wiederum Attroupements gebildet. Einige Hundert Konstabler sollten das Volk mit Gewalt zum Auseinandergehen bewegen. Durch Steinwürfe gereizt, stieg die Brutalität eines Konstablers so weit, daß er einem unschuldigen alten Mann, der im Gedränge niedergestürzt war, den Kopf mit seinem Degen spaltete.
Die Polizei bemüht sich ganz besonders gegen Hrn. Jung Indicien herbeizuschaffen, um ihm das Verbrechen, im November sich verschworen zu haben, zu beweisen. So werden jetzt alle Dienstboten des Hauses, in welchem er früher wohnte, fortwährend verhört und man hat das Augenmerk vorzüglich auf den Portier geworfen. Man will durchaus wissen, welche Personen den frühern Abgeordneten in einer bestimmten Nacht des November besucht haben und behauptet, der Portier müsse das wissen.
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[ * ] Frankfurt, 2. Mai.
Wie die „D. Ztg.“ wissen will, sollen die hier garnisonirenden Reichstruppen vermehrt werden. Schmerling soll, nach dem nämlichen Blatt, über Berlin nach Wien zurückgereist sein.
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Speyer, 1. Mai.
Morgen wird, wie die „Speyerer Ztg.“ mittheilt, eine allgemeine Volksversammlung in Kaiserslautern stattfinden. Die auf diesen Tag bestimmt gewesene Volksversammlung zu Neustadt ist auf den nächsten Sonntag verlegt.
Die am vorigen Sonntage zu Philippsburg abgehaltene Volksversammlung soll von 7-8000 Menschen besucht gewesen sein.
Obiges Blatt meldet aus Frankenthal vom 30. April: Gestern fand zu Eppstein eine Volksversammlung statt, geleitet von hiesigen Demokraten. Redner wurden von Leuten aus Eppstein, welche zu dem Piusvereine gehören, mit Steinwürfen angefallen. Die Versammlung mußte aufgehoben werden. Aber die Fanatiker verfolgten nun noch die Wegziehenden; sie fielen mit Sensen, Mistgabeln und dgl. Waffen über die Unbewaffneten her; mehrere wurden verwundet, zum Theile schwer. Der Bürgemeister wird beschuldigt, er habe Sturm läuten lassen. Dies empörte. Die hiesige Bürgerwehr griff zu den Waffen und drang nach Eppstein. Der Pfarrer und der Bürgermeister mußten sich verstecken oder fliehen. Ein Haus ward arg beschädigt. ‒ Von den verwundeten Demokraten liegt einer auf den Tod darnieder. Von den Eppsteinern ist Niemand verletzt.
Nachschrift: Abends. Eben ist eine Truppenabtheilung von Ludwigshafen nach Eppstein verlegt worden, um weiteren Excessen daselbst vorzubeugen.
Schweiz.
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Lugano, 26. April.
Die neueste Note Radetzky's geht davon aus, es sei eine unleugbare Thatsache, daß während der Entblößung der Gränzen während des letzten Krieges nicht nur eine Masse bewaffneter Insurgenten mit ihren Führern, sondern auch bedeutende Waffen- und Munitionssendungen sammt aufreizenden Schriften in die Lombardei eingedrungen seien, welchen namentlich der Aufstand und das Unglück von Brescia zuzuschreiben sei. Mit scharfen Vorwürfen über dieses mit Hintansetzung aller Ordnung, aller internationalen Rücksichten, sowie der bessern Absichten des Bundesrathes beobachteten Verfahrens, wird dann angegeben, daß in Tessin noch immer Lombarden Revolutions-Comités bilden, und deren Ausweisung verlangt. Der Marschall habe die genaueste Kenntniß von der Wohnung der Revolutionärs, er kenne die „Schlechtigkeit“ oder die Schwäche der tessinischen Regierung, und wenn demnach binnen acht Tagen seinem Begehren nicht vollständig entsprochen sei, so werde die strengste Sperre gegen den Kanton eintreten. Bei der bekannten Redlichkeit und Aufrichtigkeit des Hrn. Sidler bezweifle er nicht, daß er durch sein einflußreiches Eingreifen im Sinne der Bundesregierung es dahin bringen werde, daß der Kanton Tessin aufhöre, der Feuerheerd der Revolution für die Lombardei zu sein. Der Staatsrath fand am 24. für angemessen, alle schon früher ausgewiesenen oder seit den letzten Ereignissen ohne regelmäßiges Gesuch in das Land gekommenen Emigranten aus dem Kanton zu weisen; am 27. soll deshalb strenge Hausdurchsuchung genommen werden; alle Emigranten, die keine Erlaubniß vorweisen, werden an die Gränze geführt, ihre Wirthe mit 25 Fr. Buße für Jeden belegt. Der Staatsrath Lavizzari ist der einzige, der gegen diesen Beschluß als eine Feigheit und Gemeinheit protestirt hat.
Französische Republik.
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[ 12 ] Paris, 2. Mai.
Nun, Ihr Deutsche, die Ihr noch immer die Franzosen nicht begreifen könnt, fangt Ihr jetzt bald an, zu begreifen, daß es zweierlei Franzosen gibt, und daß die schlimmste Sorte der Franzosen, die Bourgeoisfranzosen, Euch Deutschen noch immer weit überlegen ist? Und diese zweite Sorte, diese Bourgeoisfranzosen, das sind noch immer nicht die Franzosen, die wirklich an der Regierung sind, nein, sondern diejenigen, regieren lassen müssen, aber das eine Ende des Regierungsfadens halten und anspannen, bis es ihnen möglich wird, das andre Ende zu fassen. Und um die ganze Länge des Fadens stehen die Reihen der Proletarier und lassen die Bourgeoisfranzosen ruhig an den beiden Enden des Fadens ziehen. Aber was haben diese Bourgeoisfranzosen mit Euch Deutschen zu schaffen. Die drückende Nähe der Proletarier zwingt sie, frei mit der Sprache herauszurücken. „Fürsten, Prinzen, dynastische Interessen und Rechte, was geht das uns alles an? Vor allen Dingen müssen wir unser Eigenthum, unser Bourgeoiseigenthum retten, ruft die Rue Poitiers aus und deshalb gilt es, daß wir Alle, die wir Eigenthumsverhältnisse zu wahren haben, enge zusammenhalten.“ Nun stellte es sich aber heraus, daß die Eigenthumsverhältnisse der verschiedenen Bourgeoisparteien sich schroff gegenüberstehen. Wir haben bereits gesehen, daß unmittelbar nach der Februarrevolution der eine Theil der Bourgeoisie um sein Eigenthum zu retten, bereit war, den anderen Theil der Bourgeoisie aufzuopfern; daß die Bourgeois, in ihrem Eifer, sich der Republik anzuschließen, gegenseitig wetteiferten, wer den andern zuerst in's „Pech“ hineinrennte; daß Fould den Rothschild, Rothschild den Fould, und daß Delamarre sie alle der provisorischen Regierung denunzirt hatte. Da trat dann der National auf und sagte: Nein, Ihr Bourgeois, Ihr sollt alle bleiben, was Ihr seid, Euer Eigenthum ist heilig. Wir wollen Euch bewahren, Schufte und Schurken zu werden. Was wir wollen, ist bloß die Verwaltung, die oberste Leitung über Eure Eigenthumsverhältnisse.“ Der National mit einem Worte wollte bloß die Stellen: er wollte als die personifizirte Republik über dem Bourgeoisreichthum schweben, in den Soiree's glänzen, und den Bourgeoisweibern mit ihren Diamanten und Juwelen die Cour machen. Der National dachte: habe ich nur die Weiber, dann habe ich die Perlen von selbst. Während der National mit den Weibern und den Perlen spielte, trieb die Bourgeoisie ihr Spiel weiter fort mit den Staatspapieren, und je mehr die Staatspapiere in Gunst geriethen, je mehr verlor der National die Gunst der Weiber. Das geistige Band der Bourgeoisfamilien, das Band der Staatspapiere und der Renten entschwand dem National; er verlor die Weiber, mit den Weibern die Perlen, mit den Perlen die Soiree's und mit den Soiree's die Stellen und Plätze. Und das hat Alles Fould und Rothschild mit seinen Staatspapieren gethan, obgleich doch der arme National sogar die Kandidaturen für sie geschmiedet und durch dieses Papier allen anderen Papieren Festigkeit gegeben hatte. Aber der National hat zu sehr auf die Gunst der Bourgeoisweiber gezählt, gerade wie das Volk, das sich auf die Großmuth der Bourgeoismänner verlassen hatte. Das Volk, das schnell enttäuscht worden, hat jetzt seine bestimmte Stellung der Bourgeoispartei gegenüber angenommen.
Es hatte mit Männern zu thun, und diesen Männern erklärt es jetzt offen den Krieg in der großen Wahlagitation. Wie ganz anders der National! Von den Bourgeois-Weibern verlassen, von den Bourgeois-Männern verhöhnt, wenden sich diese „amis de la constitution“ zu den Proletariern und beten flehentlich, sich ihnen anschließen zu dürfen. Aber die Partei des Volkes will nichts mit dem Eunuchen zu thun haben, und weis't den National in allen Reunionen zurück. Der National betheuert abermals, daß er nichts mit der Rue Poitiers gemein habe, daß die Rue Poitiers sein größter Feind sei: er ist bereit, sogar den Ledru-Rollin als Candidaten anzunehmen, um sich an den Bourgeois-Weibern zu rächen; vergebens: die Volkspartei macht aus der gegenwärtigen Wahlagitation einen Männerkampf, und stört sich nicht an die Weiber-Intriguen des Herrn Marrast und die republikanische Garderobe des Herrn Bastide.
Die Rue Poitiers steht erschreckt da vor der Einigkeit der demokratisch-sozialen Partei. Bisheran hat die Rue Poitiers sich den Bonapartisten gegenüber mit großem Rückhalte betragen. Aber als sie sah die Bestimmtheit, mit welcher die demokratische Partei bei ihrer ersten Liste behaarte, während um die Rue Poitiers herum eine Menge anderer Comite's und anderer Listen auftauchten, da suchte die Rue Poitiers selbst nach einem Vereinigungspunkte, und dieser Vereinigungspunkt soll die ‒ Republik sein. Die Rue Poitiers hat zum ersten Male den Namen Republik ausgesprochen. In ihrem Schreiben nimmt sie sogar die Hülfe des Herrn Guizot
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an, der anfänglich von ihr zurückgestoßen ward, und die Union Electorale, diese Hülfsanstalt der Rue Poitiers setzt hinter einen Thiers und Molé noch republikanische Namen, wie Marie, Arago, Goudchaux und den honetten Junischlächter Cavaignac. Auch die Napoleoniden erhalten ihr gebührendes Lob: der Name Napoleon müsse ein Symbol sein, und man müßte in Napoleon die Besonnenheit und Festigkeit verehren. D Kalb von Straßburg, o Ochse von Boulogne ‒ du bist für Fould ein Elephant geworden!
„Die Republik, sagen diese Herren, ist gegründet; es handelt sich darum, die Politik auszumitteln, die ihr am meisten zusagt; es handelt sich darum zu wissen, ob die Familie, wie sie von Gott gegeben, dies Eigenthum, wie es durch die bürgerlichen Gesetze festgesetzt ist und die Religion, in ihrer Unverletzlichkeit aufrecht gehalten werden sollen.“ Alle Bourgeois-Parteien wollen also verzichten auf Könige und Fürsten, wie sie auch immerhin heißen mögen: Napoleon soll der Sündenbock sein, um den sie alle sich gruppiren wollen. Ja, und der Jude Fould räumt sogar dem Jesuiten Montalembert die Religion und den Pabst ein; Thiers muß sogar seinen Ingrimm gegen Guizot verbeißen; und das alles der demokratischen Partei zu Liebe, oder vielmehr dem Eigenthum, dem Bourgeois-Eigenthum zu Liebe, das in der Wahlagitation zum zweiten Male auf dem Spiele steht.
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[ 12 ] Paris, 2. Mai.
Die Bauern haben ihre eigene Logik: in einem Departement Frankreichs, wo der Herzog v. Joinville viele Güter hat, bestehen dieselben darauf, den Königssohn zum Deputirten wählen zu wollen, aus dem alleinigen Grunde, weil sie Napoleon zum Präsidenten gewählt hätten. Die Lage dieser beiden Männer scheint ihnen völlig identisch, ungeachtet aller Gegenvorstellungen Faucher's und Barrot's oder vielmehr gerade wegen dieser Gegenvorstellungen. Joinville ist verbannt; Joinville gehört zu jenen dynastischen Familien, deren Sprößlinge keine Volksrepräsentanten werden können? Und zu welcher Familie gehörte denn der Sprößling Napoleon? Die chronologischen Distinktionen des Herrn Barrot, der vor einem Jahre noch sich des Grafen von Paris so väterlich annahm, werden recht herzlich von ihnen verlacht. Es sind dies die possierlichen Zwischenspiele in der großen Wahlangelegenheit, und es ist immer erfreulich zu sehen, wie die Bourgeoisie in ihren eigenen Fäden gefangen wird.
Neben diesen dynastischen Unannehmlichkeiten hat Napoleon auch seinen Familienverdruß. Der Sohn des Exkönigs Jerome, Napoleon Bonaparte, Exgesandter in Madrid, ist aufrührerisch, rebellisch geworden gegen seinen leiblichen Vetter und Herrn, den Präsidenten Napoleon: so sagen die reaktionären Blätter. Er erlaubt sich, die politische Richtung seines Vetters zu tadeln, und die Bauern haben sich erlaubt zu denken: der Napoleon, den wir gewählt haben, ist doch nicht der rechte gewesen; wir können uns doch wohl geirrt haben: der wahre, echte Napoleon, das ist vielleicht Napoleon Bonaparte, Sohn des Jerome; den müssen wir dieses Mal wählen. Und so war es denn nahe daran, daß in den bevorstehenden Wahlen der Napoleon Bonaparte, Sohn Jerome's an Louis Napoleons Stelle in sehr vielen Wahlkollegen gewähl werden sollte, und das hätte förmlich den Ruhm des echten Napoleons verdunkelt. Da hatte dann der Präsident Napoleon den klugen Einfall, ihn öffentlich zu blamiren, durch die Zurückberufung von seinem Gesandtschaftsposten. Das war doch gewiß ein gewaltiger Staatsstreich! Armer Präsident!
Inmitten diesen kleinlichen Intriguen, fährt die Rue de Poitiers in ihrem Bestreben fort, „die Gesellschaft retten zu wollen.“ Es handelt sich für sie nicht um diese oder jene Branche, es handelt sich für sie um die Gesellschaft im Allgemeinen. Frägt man die Rue de Poitiers: Warum ist die ältere Branche der Bourbonen untergegangen? so lautet die Antwort, weil sie die Erhaltung der Gesellschaft zwar wollte, aber einer Gesellschaft nach ihrer Manier. Frägt man weiter: Warum ist die Dynastie Louis Philipps untergegangen? so lautet wiederum die Antwort: weil die Gesellschaft, deren Erhaltung sie zwar auch aufrichtig wollte, eine Gesellschaft in dem Sinne Louis Philipp's war. Und was ist die Gesellschaft in dem Sinne der Rue Poitiers? Die Religion, die Familie, das Eigenthum. Und Louis Philipp und Charles X. wollten sie vielleicht nicht die Erhaltung der Religion, der Familie, des Eigenthums? Doch gewiß; aber ihrer Religion, ihrer Familie, ihres Eigenthums, während die Rue de Poitiers die Erhaltung ihrer Religion, ihres Eigenthums, ihrer Familie will, das Eigenthum, die Familie und Religion der Thiers, Cavaignac, Falloux, Changarnier und Berryer etc. etc.
Als Fould zu Herrn Goudchaux kam, und ihm die Zahlungseinstellung der Rentencoupons vorschlug zu Gunsten des Handels und der Industrie, da wollte Fould vor allen Dingen das Eigenthum seiner Gesellschaft, der kleinen Bourgeois-Gesellschaft, retten, auf Kosten der großen. Die revolutionäre Partei hatte damals Mittel in Händen, die beiden konkurrirenden Gesellschaften zu vereinigen durch Beschlagnahme ihres beiderseitigen Eigenthums, d. h. indem sie sowohl Renten, als Aktien und Hypotheken einstweilen in Beschlag nahm. Mit der Vergütung hätte sie sich später abfinden können. Zudem hatte Rothschied ja noch sein unter Guizot geschlossenes Anleihen zu erfüllen, und der damalige niedrige Stand der Kurse hätte nothwendiger Weise den Ruin Rothschild's und die Rettung der Gesellschaft zu Wege gebracht. Die provisorische Regierung nahm keine von diesen Maßregeln vor, und sie ‒ fiel. Jetzt kommt die Gesellschaft der Fould und Rothschild vereint, und will die Gesellschaft retten: nicht die Gesellschaft der ältern und jüngern Bourbonen, nicht die Gesellschaft Napoleon's und Barroth's, sondern die Gesellschaft im Allgemeinen: d. h. Eigenthum, Religion und Familie. Heißt das etwas anderes als die Gesellschaft der Fould's und Rothschild's: die Gesellschaft der vereinigten Kapitalisten, Juden und Jesuiten, mit dem einzigen Unterschiede, daß, statt der königlichen Namen, der königlichen Titelträger, jetzt die wirklichen Eigenthümer, die wirklichen Religionssekten nahmhaft gemacht werden. Montalembert; Fould und Thiers: was bedarf es mehr, um die Geschellschaft zu schildern, die gerettet werden soll. Der ehrliche Barrot ist weiter nichts als die Etiquette, das unkauscher gewordene Aushängeschild dieser zu rettenden Gesellschaft.
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@facs1640
Paris, 1. Mai.
Programm der rothen Republik, wie es angeblich bei den verhafteten Gliedern der Solidarität gefunden wurde. Dekretsentwürfe: Erste Serie. 1) Volle Amnestie für alle politischen Gefangenen seit dem 24. Febr. 2) Widerruf des Dekrets der provis. Regierung, das die politische Todesstrafe abschafft. 3) Einstellung aller Zahlungen aus dem Staatsschatze. 4) Einstellung aller Zahlung von Haus- und Wohnungsmiethe. Verweigerung jeder gerichtlichen Verfolgung dieser Art. 5) Errichtung von Revolutionstribunalen in allen Gemeinden der Republik. 6) Aufhebung der großen Bank und Beförderung aller baaren Geldvorräthe in das Finanzministerium. 7) Alle Gehalte werden auf höchstens 5000 Frk. herabgesetzt. 8) Wer einen Paß in das Ausland haben will, erlegt 50,000 Frken. 9) Kein Priester oder Pastor erhält Staatsgehalt. 10) Es ist sofort ein überall anzunehmendes Papiergeld zu schaffen. 11) Die Bürgerwehr ist zu entwaffnen und eine Volkswehr zu errichten, und ein Dekret zu erlassen, daß alle Geldwechsler, Handelsleute, Krämer u. s. w. untauglich erklärt, in diese Volkswehr (garde populaire) aufgenommen zu werden. 12) Gegen alle Verfertiger antidemokratischer Gesetzentwürfe ist Untersuchung einzuleiten. 13) Jeden, der auch nur den leisesten Versuch zur Zerstörung der Centralstaatsverwaltung macht, zu deportiren und sein Eigenthum zu konfisziren. 14) Departements welche Miene machen, sich vom Centralstaat loszureißen und Föderationen zu bilden, mit Zwangssteuer zu belegen. 15) Strenge Geldstrafen für alle reaktionäre Blätter und Redaktoren. 16) Alle Stellen nur durch erprobte Patrioten und Märtyrer der Tyrannei zu besetzen. 17) Herstellung der rothen Fahne.
Zweite Serie: 1) Sobald die Volksrevolution siegreich, marschirt das Volk gegen die National-Versammlung und erschießt die Reaktionäre. Jedes Individuum, das diesen Akt der Gerechtigkeit verhindern will, wird erschossen. 2) Das Volk bemächtigt sich sofort des Ministeriums des Innern und aller telegraphischen Linien. An die Gränzämter ergeht der Befehl, kein Individuum ohne Erlaubniß, bei Todesstrafe auswandern zu lassen. 3) Die Präfektur ist zu erstürmen und alle darin befindlichen Individuen niederzuschießen. 4) Jedermann, der sich durch einen Paß flüchten will, ist niederzuschießen. 5) Die Regierung besteht aus Triumvirn. Jedes Gefühl der Uneinigkeit oder des Hasses unter diesen Dreimännern ist vom Volk sofort zu bestrafen. 6) Alle Mehl- und Getreidehändler haben gegen Entschädigung die nöthigen Vorräthe zu liefern bei Todesstrafe. 7) Paris und alle bedeutenden Städte sind in Kriegsstand zu erklären. 8) Die Bürgerwehr ist binnen 24 Stunden zu entwaffnen. Die diesfälligen Maßregeln sind den Juniverurtheilten zu übertragen. 9) Alle Fabriken, große Werkstätte, Bauhöfe etc. gehören dem Volke. Den Eigenthümern wird eine durch Sachverständige zu bestimmende Entschädigung gezahlt. 10) Alle Gefängnißwärter, die sich hart gegen die Junigefangenen betragen, sind zu erschießen. 11) Alle, welche die Republik verläugneten oder sie nur aus Politik und gezwungen annahmen, sind zu erschießen. 12) Alle Verwalter, Geranten und Redaktoren reaktionärer Journale sind ohne Weiteres zu erschießen. 13) Alle Polizeiagenten, welche in den Präfektur-Registern stehen, sind zu erschießen. 14) Alle diejenigen, welche muthwillig der Republik irgend eine Gefahr heraufbeschwören, sind zu erschießen. 15) Jedes Individuum, zu dessen Kenntniß der Bruch irgend eines der obigen Artikel gelangen sollte, und ihn nicht meldet, ist zu strafen. 16) Aller und jeglicher Zins, der vom Kapital bisher gezahlt wurde, ist von der demokratisch-socialen Republik abgeschafft.‥‥“
Solches berichtet die berüchtigte „Gazette des Tribunaux“ die bekanntlich in Polizei-Lügen ihres Gleichen sucht.
‒ Die Marseiller Post brachte der Union folgenden Brief Cabrera's:
Marseille, 27. April. An den Redakteur der Union. Ich wurde arretirt in einem Hause, das an der äußersten Gränze liegt und wohin ich mich begab, um eine Mission zu erfüllen und nicht als Flüchtling, wie man behauptet, denn ich schlug den Feind seit 3 Tagen und zerstreute ihn. Eben treffe ich in Marseille ein und erfahre, daß ich unter Eskorte nach Toulon transportirt werden soll. Ich habe nur so viel Zeit, um Ihnen diese Zeilen zu schreiben, damit Sie bei den Ministern und dem Präsidenten der Republik die zu meiner Befreiung nöthigen Schritte thun können. Wie? Unter der Herrschaft der Freiheit würde ein Fremder eben so behandelt, wie unter der infamen Tyrannei Louis Philipp's? Ich kann das nicht glauben und habe Vertrauen in Ihre Regierung! Ich erwarte Ihre Antwort mit Ungeduld. Sie wird hoffentlich von einem Befreiungsdekret begleitet sein und von der Weisung, mich an irgend eine Gränze der franz. Republik zu führen. Genehmigen Sie die Versicherung meiner innigsten Hingebung und meiner alten Freundschaft.“
(gez.) Cabrera.
‒ Die heutige Nummer der Gazette des Tribunaux macht ungeheueres Aufsehen. Sie bringt Auszüge aus den Papieren, die bei Entdeckung des Complotts vom 29. Jan. in den Clublokalen weggenommen wurden. Sind diese Auszüge kein Spionen-Gewächs?
Großbritannien.
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@facs1640
[ * ] London, 2. Mai.
Eine ostindische Post aus Bombay vom 3. April meldet, daß in Folge des Sieges der Engländer bei Gutscherat sich Schutter Singh, Schir-Singh und noch 14 andere Häuptlinge nebst 16,000 Mann und 41 Geschützen auf Gnade und Ungnade ergeben haben.
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@facs1640
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@facs1640
[ * ] Düsseldorf, 3. Mai.
Prozeß gegen Lassalle und Weyers. Um das Gerichtsgebäude sieht man in unerhörter Zahl die Schnapsgesichter preußischer Gensd'armen. Ueber sechszig dieser Gerechtigkeitssäulen haben alle Eingänge besetzt; wahrscheinlich um nicht sagen zu lassen, man habe Militär requirirt.
Um 8 Uhr tritt der Gerichtshof in den Saal. Präsident ist Herr Druffel, ein ehrenwerther Mann, in dessen Gesicht westphälische Bornirtheit und ultramontaner Fanatismus sich liebenswürdig paaren.
Auf Befehl des Herrn Druffel sind den Journalisten die üblichen Plätze verweigert worden. Treffliches Debut des biederen Präsidenten! Selbst in dem Berliner Polenprozeß unter dem alten Regime hatten die Journalisten Plätze.
Den Platz des öffentlichen Ministeriums nimmt Herr Potthof ein, von dessen Werth noch wenig zu sagen ist. Herr Potthof hat sich seine ersten politischen Lorbeeren in dem Prozeß Dronke's vor zwei Jahren in Koblenz verdient.
Lassalle und Weyers sitzen auf der Anklagebank; Stühle, wie in allen civilisirten Ländern, sind ihnen nicht gestattet worden.
Nach Wahl der Geschworenen wird die Sitzung um 8 1/2 Uhr eröffnet, und der Anklageakt verlesen.
Während dieser Verlesung sehe ich, daß der unparteiische Präsident einem schwarz-weißen Berichterstatter der Kölner Zeitung, früherem Mitredakteur der oberprokuratorischen Schnaase-Zeitung für den Niederrhein, einen Sitzplatz hinter den Angeklagten eingeräumt hat. Dem Berichterstatter der Neuen Rheinischen Zeitung wurde gestern ausdrücklich dieser Platz verweigert, und zwar unter dem Vorwande, daß auf die „Estrade“ Niemand zugelassen werden dürfe. Vielleicht aber betrachtet man die Berichterstatter der Kölnischen Zeitung als Null.
Der Staatsprokurator leitet darauf die Prozedur mit einem sogenannten geschichtlichen Kohl ein.
„Die Prozedur eröffne unerfreuliche Erinnerungen. Diese Unerfreulichkeit sei das Zerwürfniß der Vereinbarungsversammlung mit der Krone. Eine Partei des Umsturzes habe alle ihre Thätigkeit darauf in's Werk gesetzt. Die Geschworenen sollen jetzt die bedrohte soziale Ordnung rächen. Wenn man nicht gleich alle jene Leute vor Gericht gestellt, so geschah es, weil das Unternehmen nicht so weit vorgeschritten war. In Betreff Lassalle's aber hat die Staatsbehörde für gut befunden, auf alle Handlungen des Angeklagten, welche die Zwecke (Tendenz) von Lassalle und seiner Partei in's Licht setzen können, Rücksicht zu nehmen. Sie hat gegen Lassalle 13, gegen Weyers 7 Zeugen laden lassen“.
Die Zeugen werden aufgerufen und treten in's Zeugenzimmer zurück.
Zwei Acktenstücke, von denen im Anklageakt die Rede ist, werden verlesen und von Lassalle anerkannt.
Auf die thatsächlichen Fragen des Präsidenten erklärt Lassalle, daß er sich des Einzelnen nicht entsinne, aber Alle im Anklageakt behaupteten Thatsachen acceptiren wolle.
Die Verhandlung wird hier durch einen Zwischenfall gestört. Ein Polizist, Namens Grube, will den Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung, Herrn Bürgers, der auf dem Zeugenplatz zurückgeblieben ist, hinausweisen. Bürgers beruft sich auf den Präsidenten, welcher endlich nach einigen Aeußerungen des Unwillens im Publikum die Zulassung von Bürgers verfügt.
Der Angeklagte Weyers giebt ebenfalls die im Anklageakt behaupteten Thatsachen zu, worauf zum Zeugenverhör geschritten wird.
Zeuge Siebolt. Der Zeuge erinnert sich der Sitzung des Volksklubs, in welcher Lassalle gesprochen, und zur Wahl von Führern aufgefordert habe. Spezielles weiß er nicht mehr. Auf die Frage, ob er seine Aussage vor dem Instruktionsrichter anerkenne, sagt der Zeuge: „Ich habe das damals so gesagt, ich bin ein armer Familienvater…‥“ Der Präsident schneidet ihm mit andern Fragen das Wort ab. Auf nochmalige Fragen sagt der Zeuge: „Vor dem Instruktionsrichter war ich vor lauter Elend zu bang, um dem Richter zu widersprechen; ich weiß von nichts!“
Zeuge Rosselle, Schreiner, erklärt Mitglied eines Barrikadenclubs gewesen zu sein. Dieser Club wäre blos „Jux„ gewesen. Lasalle habe ihm keinen Auftrag zum Bau der Barrikade an der Ritterstraße gegeben. Seine gegentheilige Aussage vor dem Instruktionsrichter nimmt er zurück. In der Versammlung in der Bockhalle sei von Barrikaden gesprochen worden; man habe gerufen, Rosellen muß uns helfen, worauf er, der Zeuge, Ja gesagt. Lasalle, wiederholt er, habe ihm keinen Auftrag gegeben.
Zeuge Lorenz Grafen, Stellvertreter des Bürgerwehrkommandanten, erklärt auf die Frage, ob Lasalle der Bürgerwehr vorgeschlagen habe, die übriggebliebene Munition des Schützenvereins zu nehmen; die Aufregung nach der Auflösung der Vereinbarungsversammlung sei der Art gewesen, daß die Bürgerwehr allgemein das Bedürfniß zur Anschaffung der Munition selbst gefühlt habe.
Der Zeuge sagt, Lasalle habe nicht gegen die königl. Gewalt, sondern gegen das hochverrätherische Ministerium Brandenburg und zum Schutz der Volksrechte aufgefordert. Die Stimmung sei bei allen Leuten damals dieselbe gewesen. Er selbst, der Zeuge, habe die Ansicht Lasalle's den Worten der Fürsten nicht zu glauben, damals nicht getheilt (Gelächter), Lasalle aber habe nichts angerathen, was nicht er, der Zeuge, als nothwendig mitgefühlt habe.
Auf eine Frage des Staats-Prokurators, gesteht der Zeuge, im Volksklub oftmals in seiner Bürgerwehrstellung angegriffen worden zu sein, aber nicht deshalb seine Stelle niedergelegt zu haben. Der Zeuge war mit Lassalle damals nicht besonders befreundet, er war damals (Gelächter) Konstitutioneller und glaubte noch an eine ruhige Fortentwicklung; Lassalle that nichts weiter, als daß er diese Ansicht bekämpfte, und zum bewaffneten Schutz der Volksrechte auffordete. Der Zeuge wird bei Erwähnung des Ministeriums Brandenburg immer lebhafter und giebt eine vollkommene Apologie des „politischen Standpunktes“von Lassalle.
Zeuge Hesemann, Chef der Bürgerwehr von Neuß. In einer Bürgerwehrversammlung zu Neuß hatten sich fremde, nicht zu der Bürgerwehr gehörige Leute eingedrängt. Ob Jemand zur Bewaffnung aufgefordert, könne er nicht sagen; er habe nur gehört, daß Jemand den Leuten zugerufen, im Zeughaus seien Waffen vorhanden.
Der Vertheidiger macht darauf aufmerksam, daß der Zeuge keinen der beiden Angeklagten nenne und daß nicht die Angeklagten denselben vorgeladen.
Zeuge Hohmann, Geschäftsmann in Neuß. Weyers sei am 29. Nov. in Neuß in einem Bierhause erschienen und habe die Gäste zu einer Volksversammlung eingeladen. Gleich darauf sei auch Lassalle gekommen und habe auf die Nachricht, daß der Bürgermeister das Ausschellen der Volksversammlung so spät am Abend verboten, die Wirthshausschelle genommen und Weyers mit Ausschellen beauftragt.
Auf die weise Frage des unsterblichen Staatsprokurators Potthof, „ob bei Neuß eine Batterie sei.“ weiß der Zeuge nichts zu sagen.
Zeuge Eduard Kur. Lassalle habe in der Versammlung vom 29. Nov. zu Neuß über die Steuerverweigerung gesprochen, und zur Bewaffnung ermahnt. Die Düsseldorfer hätten vom Gemeinderath Munition erhalten und die Neußer müßten dasselbe thun. Ob Lassalle von der Eventualität gesprochen, wenn der Neußer Gemeinderath die Munition verweigere, weiß der Zeuge nicht zu sagen.
Nach Lassalle habe Weyers gesprochen, dessen Rede keinen Eindruck gemacht, und dessen Worten der Zeuge nicht gefolgt sei.
Zeuge Zinksem, Gerichtsvollzieher in Neuß. In der Neußer Volksversammlung habe Lassalle über die politischen Zustände gesprochen, von dem passiven Widerstand der Vereinbarer-Versammlung den man mit dem aktiven unterstützen müsse. Bei Gelegenheit der Steuerverweigerung habe er gesagt, wenn die Steuerboten kämen, müsse man ihnen den Hals brechen, worauf die Versammlung gelacht habe. Auch von „Losgehen in Düsseldorf“ habe er gesprochen; der Zeuge weiß jedoch nichts Bestimmtes darüber, da ihm der Zusammenhang durch die häufigen Beifallsunterbrechungen entgangen sei.
Zeuge Max Joseph Schmitz, Kaufmann in Neuß. Lasalle habe in Neuß zur Wahl einer Commission für Beschaffung von Munition aufgefordert. Nach ihm sei Weyers aufgetreten, der sehr heftig und grob gegen den König gesprochen habe und dem Zeugen sehr aufgereizt vorgekommen sei.
[Redakteur en chef Karl Marx. ]

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