Deutschland.
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@facs | 1589 |
Edition: [Friedrich Engels: Der ungarische Kampf, vorgesehen für: MEGA2, I/9.
]
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] Köln, 25. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
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@facs | 1589 |
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317
] Bensberg, 20. April.
Nicht nur der Adel, die Geistlichkeit und die Bureaukratie saugen das Volk aus; die „Gerechtigkeit“ selbst schleicht wie eine
giftige Schlange im Lande umher.
Folgende Rechnung eines Notars wird dieses bekunden:
„Die Immobilien verkauft zu | 1016 | Thlr. | 20 | Sgr. | - | Pfg. |
Das Schlaggeld beträgt | 84 | Thlr. | 21 | Sgr. | 8 | Pfg. |
| 1101 | Thlr. | 11 | Sgr. | 8 | Pfg. |
Ab für Theilungskosten:
Für | Advokat | N. | 211 | Thlr. | 22 | Sgr. | 7 |
Für | Advokat | N. | 50 | Thlr. | 12 | Sgr. | 5 |
Für | Advokat | N. | 32 | Thlr. | 17 | Sgr. | 9 |
Für | Advokat | N. | 52 | Thlr. | 9 | Sgr. | 3 |
Expertengebühren | 32 | Thlr. | 29 | Sgr. | 10 |
Verkaufskosten | 43 | Thlr. | 17 | Sgr. | 9 |
Empfangsgebühren | 6 | Thlr. | - | Sgr. | - |
| 429 | Thlr. | 19 | Sgr. | 6 | Pfg. |
| Es bleiben noch | 671 | Thlr. | 22 | Sgr. | 2 | Pfg. |
Es waren fünf Erben, welche die Theilung, weil sich ein Minorenner unter ihnen befand, gerichtlich vollziehen mußten. Noch eine Theilung und die Katze der Gerechtigkeit hat den gangen Käs
verschlungen.
NB. Die Prozedur wurde nur in einer Instanz, am Landgerichte, betrieben.
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@facs | 1589 |
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*
] Berlin, 23. April.
Aus dem preußischen Budget für das Jahr 1849 ersehen wir, welche Masse von Staatsgeldern für unnütze Gesandtschaften verschleudert wird, wie die
Steuerzahlenden bluten müssen, damit eine gottbegnadete diplomatische Raubritterschaar in den Hauptstädten der europäischen Reiche nicht blos ein fideles, sondern auch ein glänzendes Leben führen
könne. Zugleich lehrt uns auch das Budget, wie wenig andererseits für Konsular-Agenten, für die Zwecke des Handels und der Industrie gethan wird. Natürlich! Da das unnütze Gesandschaftspersonal
jährlich so ungeheure Summen verschlingt, so ist für nützliche Konsularagenten nicht viel übrig. Preußen hat im Ganzen nur 11 Konsularagenten, die zusammen 36,350 Thlr. kosten. An folgenden Orten
befinden sich jene 11 Konsular-Agenten:
- 1) Alexandrien mit 5000 Thlr.
- 2) Amsterdam mit 1500 Thlr.
- 3) Antwerpen mit 3600 Thlr.
- 4) Galatz mit 3600 Thlr.
- 5) Hamburg mit 1500 Thlr.
- 6) Jerusalem (!!!!) mit 3240 Thlr.
- 7) London mit 1800 Thlr.
- 8) New-York mit 500 Thlr.
- 9) Rio de Janeiro mit 2000 Thlr.
- 10) Syrien mit 5400 Thlr.
- 11) Warschau mit 8210 Thlr.
- 36350 Thlr.
Damit vergleiche man nachstehende Liste der preußischen Gesandtschaften und der ungeheuern Summen, die sie jährlich aus unsere Taschen zu schlucken bekommen:
Von den 28 Gesandtschaften nehmen London, Petersburg und Paris das Meiste in Anspruch. Es kosten nämlich:
- 1) London 39,850 Thlr.
- 2) Petersburg 37,900 Thlr.
- 3) Paris 31,100 Thlr.
Hierauf folgen zunächst:
- 4) Konstantinopel 26,900 Thlr.
- 5) Wien 25,400 Thlr.
- 6) Frankfurt a. M. 22,800 Thlr.
(Der Gesandte selbst bezieht 18,000 Thlr.)
- 7) Washington 20,000 Thlr.
- 8) Madrid 16,500 Thlr.
- 9) Haag 15,500 Thlr.
- 10) Neapel 13,850 Thlr.
- 11) Stockholm 13,000 Thlr.
- 12) Rom 12,550 Thlr.
- 13) Turin 11,970 Thlr.
- 14) Brüssel 11,500 Thlr.
- 15) Hannover 11,000 Thlr.
16), 17) und 18) Kopenhagen, Schweiz
und München, jede mit 10,800 Thlr.
- 19) Dresden 9,800 Thlr.
- 20) Stuttgart 8,800 Thlr.
- 21) und 22) Mexiko und Rio de Ja-
neiro, jede mit 8,400 Thlr.
- 23), 24) und 25) Hamburg, Athen und
Lissabon, jede mit 5,800 Thlr.
- 26), 27) und 28) Kassel, Karlsruhe und
Darmstadt, jede mit 4,600 Thlr.
Außerdem ist in dem Etat noch „zur Bestreitung aller amtlichen Ausgaben bei den Gesandtschaften“ ein Posten mit 55,000 Thlr. ausgeworfen.
Die Gesandtschaften in den deutschen Plätzen kosten zusammen 74,000 Thlr. (Kassel, Karlsruhe, Darmstadt, Dresden, Frankfurt, Hamburg, Hannover, München). Die Gesammtausgaben für die Gesandtschaften
und Konsulate betragen pro 1849: 500,170 Thlr. Es ist dies der bedeutendste Theil des auswärtigen Ministeriums, welches inclusive der genannten Summe 664,480 Thlr. absorbirt. Der Chef dieses
Ministeriums bezieht außer seinem Gehalt von 10,000 Thlr. noch 6000 Thlr. Repräsentationsgelder, ist also der am höchsten besoldete Minister, da für den Ministerpräsidenten nur 10,000 Thlr. ausgesetzt
sind. Hat freilich der Letztere außerdem noch ein Portefeuille, so stellt sich die Rechnung günstiger für ihn.
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@facs | 1589 |
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X
] Berlin, 23. April.
Die Kommission für das Justizwesen hat über die dringenden Anträge, betreffend die Amnestirung der seit dem 18. März 1848 verübten politischen
Verbrechen und Vergehen, durch den Abgeordneten Parrisius Bericht erstattet. Die Majorität der Kommission ist der Ansicht, „daß zu dem Erlasse, einer Amnestie dringende Veranlassung vorhanden
ist und erachtet den jetzigen Zeitpunkt für angemessen zum Erlasse des vorgeschlagenen Gesetzes.“
Die Justiz-Kommission empfiehlt daher folgenden Gesetzvorschlag zur Annahme:
§. 1. Alle wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 26. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen eingeleiteten gerichtlichen, militärgerichtlichen, ehrengerichtlichen und
Disziplina-Untersuchungen und Voruntersuchungen werden niedergeschlagen.
§. 2. Wegen politischer, in der Zeit vom 18. März 1848 bis 26. Februar 1849 verübter Verbrechen und Vergehen findet keine gerichtliche, militärgerichtliche oder Disziplinar-Untersuchung weiter
Statt.
Unter den Fachkommissionen der zweiten Kammer zeichnet sich die Justizkommission durch die Liberalität ihrer Majorität aus. Daher kam es denn auch, daß die Rechte darauf drang und es durchsetzte,
der Schulze'sche Antrag, auf Publikation der Grundrechte, solle der Verfassungs-Revisions-Kommission überwiesen werden, welche auf Verwerfung dieses Antrages in ihrem durch den Abgeordneten
Binke ausgearbeiteten Bericht anträgt. Die Justiz-Kommission hingegen hat die Anträge auf Amnestie befürwortet.
In kurzer Zeit wird die Einbringung eines Gesetzes von Elsner und Genossen, die schlesischen Weberverhältnisse betreffend, erwartet. Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, daß der Verein zur
Milderung des Nothstandes der schlesischen Weber, welcher im vorigen Jahre hier begründet wurde, an deren Spitze sich die Herren v. Strampf, Viebahn u. s. w. befinden, welche im vergangenen Sommer die
Abgeordneten Elsner und Milde zugezogen hatten, vor einigen Tagen seine Schlußsitzung hielt. Es sind im Laufe beinahe eines Jahres 534 Thlr., eingekommen, diese aber nicht, wie es geschehen mußte, im
Dezember, der Zeit der größten Bedürfnisse, vertheilt, sondern bis jetzt in der hochlöblichen Vereinskasse behalten worden. Die hungernden Weber werden den Herren des Vereins auch nicht für diese
Vorsicht allzu dankbar sein. Elsner konnte, nachdem die Nationalversammlung vertrieben worden, nichts für die schleunige Vertheilung thun.
Es liegt ein Antrag von Moritz und Genossen vor uns, die Kammer wolle zwei Gesetzentwürfen:
1) zu einem Grundsteuergesetz für die gesammte Monarchie,
2) zu einem transitorischen Gesetz über die Aufhebung der Grundsteuerbefreiungen, nach vorgängiger Berichterstattung der Finanzkommission ihre Zustimmung geben.
Der erste Gesetzentwurf enthält 50 §§. Der §. 1 lautet: „Alle Grundstücke im Staate, welche einen Ertrag gewähren, sind der Grundsteuer unterworfen.“ Ausgenommen sind im: §.
2. 1) Die Grundstücke, welche zum öffentlichen Gebrauche bestimmt sind;
[1590]
2) alle Brücken, Kunststraßen etc. Die Höhe des als Grundsteuer aufzubringenden Prozentsatzes wird alljährlich b dem Staatshaushalt durch ein Gesetz bestimmt (§. 4). Der Grundsteuerkataster soll den
Eigenthümer, Flächeninhalt und Reinertrag nachweisen (§. 5). §§. 10 - 14 bringen die Grundsätze, welchen bei der Abschätzung gefolgt werden soll; der Kataster soll periodisch revidirt werden
(§. 15). Neuentstehende Ländereien bleiben noch 2 Jahre nach ihrer Entstehung unbesteuert (§. 17). Die Katasterdokumente werden bei der Katasterkommission des Bezirks aufbewahrt (§. 21). Die
Leitung des gesammten Katasterwesens wird einem Kommissarius des Finanzministers übertragen (§. 29). Die Grundsteuer ist in den ersten 6 Tagen jeden Monats mit einem Zwölftheil des Jahresbetrags
fällig (§. 35). Steuerlaß §. 40. Transitorische Bestimmungen §§. 41 - 50. Die Motive stützen sich besonders auf die Arbeiten der Nationalversammlung.
Die Central-Kommission der ersten Kammer, für Begutachtung des Plakatgesetzes hat erklärt, daß es dasselbe jetzt nur als eine Vorlage der zweiten Kammer ansehen könne und sich durch die
Regierungsvorlage nicht werde stören lassen. ‒ Die Berathungen der Verfassungs-Revisions-Kommission dieser Kammer sollen wunderbarer Weise einen nicht so absolutistischen Geist athmen, wie
erwartet wurde. Lächerlich bleibt es aber doch, daß bei der Berathung über die Freiheitsrechte Leue und Rosenkranz der Kommission als Sachverständige beigegeben wurde.
Von den sieben Abgeordneten der äußersten Linken, welche gegen den Antrag des Hrn. Rodbertus stimmten, wird in diesen Tagen ein motivirtes Separatvotum erscheinen.
Als am 18. März d. J. in der Landsbergerstraße der Versuch gemacht wurde, eine Barrikade zu bauen, waren die Offiziere des dort aufgestellten Detaschements unvorsichtig genug, nicht gleich Feuer
kommandiren zu lassen. Es erregte diese unzeitige Humanität den Zorn Wrangel's, und es folgte bald der famose Tagesbefehl, Die 5 Offiziere aber sind nun vor ein Kriegsgericht gestellt und
sämmtlich zu längerm und kürzerm Festungsarrest verurtheilt. Man kann aus dieser Thatsache schließen, welchen Erwartungen das Reichsheer unter dem preußischen Kaiserthum sich hingeben kann.
Sitzung der zweiten Kammer.
Präsident Grabow eröffnet die Sitzung um 11 1/2 Uhr. Der Abg. Seeger, dem ein sechswöchentlicher Urlaub verweigert wurde, legt sein Mandat nieder.
Minister Manteuffel: durch eine königl. Ordre vom 20. d. M. bin ich ermächtigt der Kammer ein Gesetz die Ablösung der Lasten und ein Gesetz die Errichtung von Rentenbanken zu überreichen.
‒ Die Kammer beschließt diese Gesetz Entwürfe der vereinigten Justiz- und Agrar-Commission zur Berichterstattung zu überweisen.
Keller und Genossen stellen den dringlichen Antrag, daß Niemand mehr zu einer faktischen oder persönlichen Bemerkung das Wort gestattet werde. ‒ Dieser Antrag findet hinreichende
Unterstützung.
Bucher interpellirt den Minister wegen der vom preußischen General-Consul in London gegebenen falschen Nachricht, daß der Waffenstillstand mit Dänemark bis zum 15. April verlängert sei,
während die Feindseligkeiten schon am 3. April begannen, wodurch für die den Seehandel treibenden Provinzen, besonders Pommern, große Nachtheile entstanden. Der Interpellant geht näher auf die bei
dieser Gelegenheit befolgte Politik ein, erinnert an die Wildenbrughsche Note vom vorigen Jahre und an das Gerücht, daß die Unterhandlungen in London nur zum Scheine, dagegen die eigentlichen unter
dem Protektorat Rußlands geführt werden.
Minister Arnim antwortet, daß das erwähnte Gerücht unbegründet sei, und daß er sogleich nachdem er die vom Londoner General-Consul irrthümlich verbreitete Nachricht empfangen, dieselbe
sofort im Staatsanzeiger berichtigte.
Schneider (Westfalen) interpellirt den Kriegsminister, wesholb die westfälischen Landwehrbataillone nach Schleswig geschickt worden, warum verheirathete Männer einberufen worden, während die
jungen Männer der Linie ruhig in den Garnisonen liegen. Er erzählt mit welchem Widerwillen die Landwehr die Elbe überschritten und wie gemein sich der kommandirende General dabei benommen. Der
Interpellant sagt, daß er sehr gut weiß, daß seine Worte nichts nützen, denn wir leben nur in einem Constitutionellen Schwindelstaate, aber se ne Wähler, welche diese Ueberzeugung noch nicht zu haben
scheinen, drängen in ihn diese Sache zur Sprache zu bringen. ‒
Der Kriegsminister antwortet wie gewöhnlich. Von der Unzufriedenheit oder Widersetzlichkeit der Landwehr wisse er nichts, weil ihm der kommandirende General keine Berichte darüber gesandt habe.
Ueber die Anrede desselben könne er auch keine Auskunft geben, da die Anreden der Generale im Felde noch nicht stenographirt werden. ‒
Herr interpellirt den Minister des Innern, wegen der ungesetzlichen Abnahme der Gewehre der Bürgerwehr in seiner Kreisstadt Wetzlar. ‒
Manteuffel antwortet, daß er schon im März eine Eingabe über diese Sache erhalten und sofort die Regierung zu Coblenz um Berichterstattung darüber ersucht habe, welche aber bis heute trotz
wiederholter Erinnerung noch nicht geantwortet habe. ‒
Alsdann kommt man zum Clubgesetz. Statt § 12 wird folgendes Amendement von Wentzel (Ratibor) angenommen:
„Von allen öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel hat der Unternehmer, Ordner, Leiter oder derjenige, der den Platz dazu einräumt, mindestens 24 Stunden vor dem Beginn der
Versammlung unter Angabe des Ortes und der Zeit derselben, Anzeige bei der Ortspolizei-Behörde zu machen, welche darüber sofort eine Bescheinigung zu ertheilen hat. ‒ Die Bestimmungen der
§§ 2 - 6 finden auf alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel Anwendung.“
Statt § 13 wird folgender Entwurf der Kommission angenommen:
„Die Ortspolizei-Behörde ist befugt, jede Versammlung unter freiem Himmel bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu verbieten.“
Abg. Pape stellt das Amendement: „Dies Verbot muß schriftlich abgefaßt und motivirt sein“ ‒ Grabow erklärt, daß dies Amendement verworfen sei. Dies veranlaßt vielfache
Protestationen von Seiten der Linken, da diese behauptet, daß wenigstens eine Zählung bei dem zweifelhaften Resultat hätte vorgenommen werden müssen. Die Linke sei eben so stark als die Rechte. Aber
Ehren-Grabow stützt sich auf die Geschäftsordnung: er habe mit Uebereinstimmung der beiden Sekretäre erklärt, daß das Amendement verworfen sei und dabei müsse es bleiben ‒
Der Zusatz: „Das Verbot muß schriftlich abgefaßt sein“ wird mit 323 gegen 3 Stimmen angenommen.
D'Ester erklärt, daß man von der Linken jetzt die namentliche Abstimmung verlangt habe, damit zu konstatiren sei, ob sie vorher bei der zweifelhaften Abstimmung die Majorität gehabt
hätten oder nicht.
Dierschke stellt nun einen neuen Zusatz-Paragraphen:
„Die schriftliche Verfügung der Polizeibehörde muß die Gründe des Verbots enthalten,“ welcher nach namentlicher Abstimmung mit 167 gegen 166 verworfen wird. ‒
§. 14. „Während der ganzen Dauer der Sitzungs-Periode beider Kammern der Volksvertretung dürfen innerhalb der Entfernung von fünf Meilen von dem Orte des Sitzes derselben
Versammlungen unter freiem Himmel nicht stattfinden.“
Es werden Amendements gestellt, statt „5 Meilen“ nur „2 Meilen“ und 1/2 Meile zu setzen. Es wird zuerst über „5 Meilen“ abgestimmt und verworfen.
„Zwei Meilen“ mit 173 gegen 152 Stimmen angenommen. Der so amendirte §. wird nach namentlicher Abstimmung mit 186 gegen 146 Stimmen angenommen.
(Schluß der Sitzung.)
Sitzung der ersten Kammer.
Ministerpräsident Brandenburg: Ich habe mir das Wort erbeten, um der hohen Kammer eine Mittheilung zu machen über die Art und Weise, in welcher sich die Reg. Sr. Maj. des Königs zu
der in Frankfurt votirten Reichsverfassung zu stellen beabsichtigt. Bevor ich dies thue, halte ich es für meine Pflicht, sowohl vor der hohen Kammer und in eben so hohem Grade vor dem
Staatsministerium die Gründe anzugeben, weshalb es mir nicht möglich gewesen ist, schon bei der am Freitag hier stattgefundenen Interpellation die Erklärung des Ministeriums abzugeben. An demselben
Tage waren dem Ministerium Mittheilungen von Frankfurt verheißen. Diese sind auch im Laufe des Tages eingegangen und haben uns veranlaßt, sie am Abend desselben Tages in Berathung zu nehmen. In Folge
der Konferenz, die im Staatsministerium stattgefunden hat, ist der Beschluß gefaßt worden, welcher bei Gelegenheit des Antrags der zweiten Kammer dem Ministerium zu der Erklärung Veranlassung gegeben
hat, von welcher diese hohe Kammer vielleicht Nachricht erhalten haben wird. Dies ist der Grund gewesen, weshalb es mir nicht möglich war, am Freitage in dem Umfange zu antworten, wie ich es wohl
gewünscht hatte. Ich werde mir nunmehr erlauben, der hohen Kammer die Mittheilung zu verlesen, die ich ihr zu machen habe.
(Er verliest die vorgestern in der 2. Kammer abgegebene Erklärung.) Ich erlaube mir, hinzuzufügen, daß die Regierungen, welche ihre Erklärungen in Frankfurt nicht abgegeben haben, in der
Zwischenzeit von uns aufgefordert sind, sie ebenfalls abzugeben, namentlich die Regierungen der königlichen Hofe, die sämmtlich mit ihren Erklärungen noch im Rückstande waren.
Wir geben uns der Hoffnung hin, daß auf diesem Wege das Werk trotz allen Schwierigkeiten, die darin liegen, zu einem glücklichen, dem gesammten deutschen Vaterlande segensreichen Ende gebracht
werden wird.
Graf Dyyrns Antrag, die Instruktionen Camphausens, die Antwort auf die östreichische Rote und alle Papiere die deutsche Frage betreffend vorzulegen, wird nicht als dringlich anerkannt und deshalb
zurückgezogen.
Dagegen wird die Dringlichkeit anerkannt bei folgenden Antragen:
1. v. Ammon und Genossen:
Eine Kommission von 15 Mitgliedern zu ernennen, um die deutsche Verfassung in ihrem ganzen Umfange zu erwägen, sich genau zu informiren, schleunigst der Kammer Bericht zu erstatten und die
geeigneten Anträge zu stellen.
2. Hansemann und Genossen:
Dieser Kommission die Reichsverfassung mit seinen (!) Anmerkungen zur Erwägung übergeben zu wollen.
3. Graf I[unleserlicher Text]enplitz und Genossen:
1. Daß dieselbe Kommission Bericht erstatte, welche Bestimmungen der Reichsverfassung für Preußens Heil und Selbstständigkeit bedenklich erscheinen;
2. eine Adresse an den König zu richten, die Krone anzunehmen, wenn die National-Versammlung damit einverstanden sei, daß
a. der König die Krone übernimmt am 1. Mai nach den Grundsätzen der Verfassung vom 28. März,
b. die National-Versammlung wird aufgelöst und der Reichstag zusammenberufen;
c die Revision wird durch einfache Majorität beider Häuser herbeigeführt,
d nach der Revision erfolgt die Vereidigung,
e. erst d[unleserlicher Text]em nimmt das Oberhaupt den Kaisertitel an,
f. bis dahin gehen die Reichsgesetze den Landesgesetzen nicht vor,
g. auf dem ersten Reichstage soll auch das Wahlgesetz angemessen revidirt werden.
Nach dem Bericht der Petitionskommission wird die Sitzung geschlossen.
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@facs | 1590 |
Sonnenburg N. M., 16. April.
Heute wurde dem Superintendenten Schmutter, der sich an der Steuerverweigerung betheiligt zu haben, beschuldigt worden, das Erkenntniß der ersten
Instanz zu Frankfurt a. O. publizirt, nach welchem er einjährige Festungshaft, Kassation als Superintendent und Ober-Prediger und Verlust der National-Kokarde als Strafe leiden soll.
[(N. Z.)]
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@facs | 1590 |
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61
] Breslau, 21. April.
Die Mufti-Ordre, durch welche unsere Bürgerwehr auf sechs Monate suspendirt bleiben soll, hat dieselbe blos veranlaßt, den Magistrat zu veranlassen,
die Zurücknahme der Ordre zu veranlassen; der gewöhnliche deutsch-chinesische Revolutionsweg zu großen Thaten. Dazu hat Hansemanns konstitutioneller ex-rheinpreußischer Bourgeoisschlamm, der sich nun
an der Spree veredelt, vor ein Paar Tagen behauptet, die Breslauer Bürgerwehr habe überwiegend doch nur aus Gesindel bestanden. Im deutschen Volksvereine sagte neulich ein gewisser Friedmann:
„Die Partei der Republik um jeden Preis ist jedenfalls sehr klein. (Von früher bekannte Redensart). Ihr Organ ist die Neue Rheinische Zeitung, welche mit der Neuen Preußischen ein Zwillingspaar
bildet, wie einst Esau und Jakob. Sie hat auch Ludwig Simon der Reichssimonie angeschuldigt. Mit dieser Art und Weise von Kritik, welche statt an Thatsachen an Personen haften bleibt (die Thatsachen
der Personen sind so erbärmlich, daß man die Personen der Thatsachen dafür etwas berücksichtigen muß), kann ich mich nicht befreunden, und der größte Theil des deutschen Volks steht ihr ferne. Es hält
an der Verfassung und an den Kaiser!“ Sie sehen, der Bourgeoisgamin macht überall dieselben Phrasen der Feigheit und Gemeinheit. Er findet indeß hier noch wenig Verehrer, Verachtung und
Fußtritte sind seine Erndte. Darum wird auch dieser Volksverein wenig besucht. Besser wäre es allerdings, das Bewußtsein des Proletariats und der Bourgeoisie wäre stärker zum Durchbruch gekommen, als
es der Fall ist. Es ist z. B. lächerlich, daß ein verkümmerter Kleinbürger, wenn und so lange er noch einen Dreier in der Tasche fühlt, nicht zum Gesindel gehören will, wie man das Proletariat
hier nennt und es wird noch eine geraume Zeit dauern, bis er sich mit dem eigentlichen Volk in ein denkendes Proletariat verwandelt. Genug aber, daß einstweilen weder Reden noch die
Gotteserbärmlichkeitsblättchen der Herren Bourgeois hier viel Anklang finden. Ihre Zeitung trifft noch immer so unregelmäßig hier ein, daß ich sie nochmals darauf aufmerksam machen muß. Ich erhielt
nämlich eine Nummer 24 Stunden früher, als alle andere Abonnenten. Als vor einigen Tagen jemand auf Proudhons „Peuple“ abonniren wollte, erklärte die Post, daß sie für dies Blatt keine
Bestellung annehmen könne.
Es ist sehr mißlich, daß wir im Grunde hier kein demokratisches Blatt besitzen. Die Oderzeitung macht blos äußerst zaghafte Geschäfte in der Demokratie, bis sie wieder ultramontane machen kann. Man
sieht es auf den ersten Blick, daß die Pfuscherei ihr zuwider ist, wenn man das tägliche Register durchgeht, welches sie an der Stelle der Leitartikel gepflanzt hat, und wenn man auf den Mangel aller
demokratischen Citate achtet. In den letzten Tagen beschäftigte sich dieselbe gar mit Biographien des uckermärkischen Dreigestirns von Arnim und fährt fort, an die ewige Heiligkeit des östreichischen
Kaiserstaats zu glauben. Gebricht es den hiesigen Demokraten an Macht oder an Willen, sich der Redaktion dieses Blattes zu bemächtigen?
Vor einiger Zeit habe ich Ihnen prophezeit, die Habsburger würden den Windischgrätz noch als Hochverräther behandeln. Es scheint jetzt einzutreffen. Die Habsburger sind von jeher Scheusale gewesen,
die auch ihre Erretter erwürgt haben. Jetzt schieben sie den Nichterfolg des ungarischen Kriegs einem Manne in die Schuhe, der die Verhältnisse des Landes jedenfalls besser zu würdigen weiß, als der
gemeine Metzger Welden. Windischgrätz hat richtig erkannt, daß die brutale Bewältigung der Magyaren für Oestreich allein eine Unmöglichkeit geworden ist. Er hat nur gezaudert, weil die Natur ihn
zaudern hieß, ja er würde auf eine politisch-kluge Pazifikation eingegangen sein. Wir werden in einigen Tagen sehen, daß der brutale Mörder Welden noch viel weniger ausrichtet, als Windischgrätz und
die Magyaren sich über diese Umänderung im Kommando der östreichischen Armee nur freuen können. Es stellt sich nun klar heraus, daß die Bourgeoisie des Westens mit dem Absolutismus des Ostens eng
verbrüdert ist, darum hängt für die Freiheit alles vom Siege der Magyaren und vom Siege des französischen Proletariats ab.
Wenn die Berliner Demokratie, wie allgemein verlautet, sich in der That den schleichenden Schürzenritter Schütte zur Zeitungsleitung ihrer Angelegenheit von Hinkeldey aufoctroyiren
läßt, so verdient sie Ruthenstreiche. Der Belagerungszustand ist nicht länger haltbar, und da sollen die Bauchredner an der Spree doch begreifen, daß Hinkeldey, um ihre erste wilde fougue zu
filtriren, schon vorher ein polizeimäßig organisirtes demokratisches Organ in Bereitschaft halten muß, welches er durch Schütte den Bauchrednern vorhalten läßt. Das ist Schütte's Aufgabe und
Rolle. Ich könnte Ihnen überdies einige Dutzend elende Renomagen auftischen, die der demokratische Kumpan hier hinterlassen und womit er Mädels in den Bierkellern und blöde Demokraten interessirt hat.
So suchte der zukünftige Redakteur der Berliner Spreedemokratie z. B. hier überall das Gerücht zu verbreiten, als habe die Erzherzogin Sophie so gewaltig nach seiner Berühmtheit geschmachtet, daß sie
den Jelachich habe fahren lassen, um des großen Agitators zu genießen. Als Wiens Bevölkerung kämpfte, hielt Held Schütte sich mit dem Korrespondenten der Indépeudance auf einem schußfernen
Boden auf, wovon sie die Heldenthaten, mit denen der Windischgrätzisch-Hinkeldey'sche Demagoge hier herumgeprahlt hat, ganz gemüthlich aus der Vogelperspektive mit Fernröhren beäugelten.
Wie es heißt, sind hier Befehle angekommen, die schlesischen Festungen zu armiren.
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@facs | 1590 |
Von der Weichsel, 19. April.
Unter diesem Datum theilt die „N. Z.“ aus dem Briefe eines Landwehrmannes Folgendes mit:
„Ein Wehrmann hatte seinem Offizier die Waffen vor die Füße geworfen. Am folgenden Tage (Sonnabend, den 7. April) ließ der Major, ein eifriges Mitglied des Preußenvereins, unsere Kompagnie
einen Kreis schließen. „Sollte Einer von Euch, Kameraden, so dumm sein, zu glauben, daß ohne Gesetz und Ordnung die Welt bestehen könne, der trete vor!“ ‒ Keine Antwort. ‒
„Wehrmann Sch.! Sie haben sich gegen die Kriegsgesetze vergangen, treten Sie vor! Sie klagen über Bestechungen. Wer ist bestochen? Sprechen Sie sich deutlich aus!“ ‒ Sch. tritt
vor, klagt über die Begünstigung der Reichen, sagt, die Familien der Armen litten Noth, die Reichen könnten schon eher fertig werden, aber sie seien alle entlassen u. s. w. ‒ „Sie werden
nach der Strenge der Gesetze bestraft werden!“ ‒ (Murren in der Kompagnie.) „Unteroffiziere, Front! Melden Sie Jeden, der muckst! “ ‒ (Stärkeres Murren.)
„Nun, Kameraden, ich denke, Ihr werdet nichts dagegen einzuwenden haben. Das Gesetz müssen wir aufrecht erhalten. Wenn ich heute oder morgen abginge, so könnte ich dem Manne seine Strafe
erlassen. Aber da ich noch länger mit Euch zusammen zu bleiben denke, so ist mir das nicht möglich. Seid ihr zufrieden?“ ‒ (Einige wenige Stimmen: „Ja“; die große Mehrzahl
zischt.) „Nun, Euer Ja freut mich. Ich hoffe, daß wir gute Freunde bleiben werden. ‒ Ganzes Bataillon, kehrt! rechts und links schwenkt! Marsch!“ ‒ Nun wurde exercirt und
nachher in's Quartier gegangen, wo mehrere von denen, die „Ja“ gerufen hatten, von ihren Kameraden Prügel bekamen. Sonntag früh wurde dem Major eine mit zahlreichen Unterschriften
bedeckte Adresse übergeben, in welcher das Verlangen gestellt war, es solle der Angeklagte nicht vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Sonntag Mittag wurde das kriegsrechtliche Verfahren beseitigt
und dem Manne nur zwei Tage Arrest zuerkannt. Zugleich wurde uus eröffnet, daß dieser Beschluß schon vor dem Empfange der Adresse beschlossen sei. ‒ Medizin ist bitter, aber ‒ sie hilft.
Der Herr Kompagnie-Chef ist seitdem der beste Mann von der Welt geworden. Er hat sogar die deutsche Kokarde angelegt und nennt uns nur Kameraden.
Es mag vorkommen, was da will, er ist immer zufrieden. Beim Ausmarsch brachte der Major zuerst das herkömmliche Hurrah aus, das aber nur einen schwachen Wiederhall fand. Darauf aber ertönte ein
donnerndes, unendliches dreimaliges Hurrah auf die zurückbleibenden Frauen und Kinder. ‒ W. sagte mir, wir würden bei den Geschützen exerziren. Nun auch gut! Wer weiß, gegen wen ich noch einmal
die Kanonen zu richten habe.“
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@facs | 1590 |
Dresden, 21 April.
In der heutigen Sitzung der ersten Kammer war der Bericht über das wegen Blum's Ermordung erlassene Dekret an der Tagesordnung. Das Dekret besagt, daß die
Regierung auf die von den Kammern gestellten Anträge zur Zeit Bedenken trage, hauptsächliche Entschließung zu fassen. Der Ausschuß dagegen (Ref. Heubner) beantragt:
1) Beharren auf den früheren Anträgen;
2) Erklärung, daß die Kammer in der Verzögerung der Ausführung dieser Beschlüsse ein die Ehre und Selbstständigkeit des Sächsischen Volkes gefährdendes Regierungssystem und eine Unverträglichkeit
mit den Bedingungen erblicke, unter denen allein die Kammern mit der Staatsregierung zum Wohle des Vaterlandes fortzuwirken im Stande sind;
3) Beitritt zum Beschlusse der zweiten Kammer, daß die Regierung von der dermaligen Volksvertretung eine Genehmigung der Verausgabung des Aufwandes für die fortgesetzte Könneritz'sche
Gesandtschaft aus der Staatskasse nicht zu erwarten habe. Minister v. Beust: Die Regierung hätte sich auf die Verfassungsurkunde, welche die Schranken für die Kammern bezeichnet, beziehen können. Bei
dem Antrage, der Regierung ein Mißtrauensvotum zu geben, werde sie der Discussion nicht beiwohnen (verläßt den Saal). Der Ausschußantrag 1 wird gegen 1 Stimme, 2 gegen 4 und 3 gegen 1 Stimme
angenommen.
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@facs | 1590 |
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15
] Schleswig-Holstein, 22. April.
Das, was schon fast zehnmal in den hiesigen Blättern als Thatsache gemeldet und eben so oft widerrufen, ist endlich geschehen: die
Avantgarde ist in Jütland eingerückt. Sieht man sich aber die Details an, so wird dadurch nur unsere gestrige Behauptung, daß Verrath im Spiele sei, bestätigt.
Als der Waffenstillstand gekündigt war und der Krieg seinen Anfang nahm, hatte unsere Regierung endlich dem Drängen unserer Seifensieder-Versammlung nachgegeben, und Küstenvertheidigungen anlegen
lassen. Das war aber auch Alles für den Augenblick ‒ armirt wurden sie erst, nachdem der Krieg schon 14 Tage gedauert, und unsere uns aufoctroyirte Statthalterschaft sah, daß sie, ohne gar zu
handgreiflichen Verrath, nicht länger mit der Armirung zögern dürfe. Als Bonin, der diktatorische, nämlich gesehen, daß die Dänen vorläufig noch keine Lust zu einem Besuch in Eckernförde oder Kiel
hätten, hat er endlich die Erlaubniß gegeben! Aber wie?? Wäre z. B. beim Eckernförder Kampf keine Waffenruhe von einigen Stunden eingetreten, so hätten die Batterien die Flaggen streichen und sich an
die Dänen übergeben müssen; denn hauptsächlich in der Südbatterie trat schon Mangel an Munition ein. Zum Glück kam während der Waffenruhe Munition von Rendsburg.
Man hatte ferner die schleswig-holsteinische Armee längere Zeit ziemlich weit vorgeschoben, ohne einen genügenden Rückhalt an den Truppen des vorm. heiligen römischen Reichs zu haben. Die Absicht
war die: man wußte, daß die Dänen mit 30,000 Mann an der Gränze standen. Die schleswig-holsteinische Armee konnte 16,000 Mann stark sein. Man wußte ferner, daß diese Armee sich später nicht zum
Werkzeug eines gottbegnadeten Schurkenstreichs hergeben würde; man mußte sie also schlagen und desorganisiren lassen. Man führt daher nur sehr schwache Abtheilungen derselben einzeln gegen den Feind.
So z. B. jetzt beim Einmarsch in Jutland; hier schickt man das 1ste und 2te Jägerkorps, zusammen aus 1700 kampffähigen Soldaten bestehend, mit dem 9ten Bataillon, 800 M. stark, gegen 4 - 5 Bataillone
und 4 Schwadronen Husaren Dänen, also 2500 Mann gegen mindestens 4000 Mann Dänen zweier Waffengattungen. Diese müssen dazu eine feindliche Stadt, Kolding, die von der dänischen Macht besetzt, nehmen.
Selbstverständlich haben sich die Danen zurückgezogen, als sie sich, ohne selbst großen Verlust zu leiden, nicht mehr halten konnten; man ist auf diese Weise doch wenigstens 30 an Todten und 90 an
Verwundeten von diesem Demokratengesindel los geworden, von denen, wie ein gewisser, uns Schleswig-Holsteinern aufoctroyirter General sagt, hoffentlich noch recht Viele zu Krüppeln geschossen werden.
Wenn wir nun noch hinzufügen, daß das 2te Jägerkorps und 9te Bataillon
durchgehends aus Republikanern besteht, bei denen z. B. das Lied: „Fürsten zum Land hinaus“ nicht selten
gesungen wird, und das 1ste Jä
[1591]
gerkorps ebenfalls, mindestens
zur Hälfte aus thätigen Demokraten zusammengesetzt ist, wird man es ganz in der Ordnung finden, daß Bonin sie möglichst zusammenschießen äßt, und daß es selbst
wünschenswerth wäre, wenn sie ganz von der Erde vertilgt würden.
Ein anderer Beweis für den Verrath ist, daß in Hamburg noch immer ein dänisches Postamt besteht, daß mithin die Dänen mindestens eben so genau über die Stellung und Stärke unserer Truppen
unterrichtet sind als unsere ‒ wir wollen sagen die Reichsfeldherren, wenn nicht die Dänen oder vielmehr der „liebenswürdige“ Dänenkönig über Berlin oder Potsdam-Sanssouci direkt
von allem Nöthigen in Kenntniß gesetzt wird.
Eben so hat man der posener und rheinpreußische Landwehr den glorreichen Auftrag ertheilt, sich auf den Düppeler Schanzen zusammenschießen zu lassen.
Die Kreuzritterin wird wahrscheinlich, wenn sie die Nachricht empfangen sollte, daß letztere Truppen ganz verschwunden seien, nicht wie über den Verlust der Dänen bei Eckernförde in ein
Jammergeheul ausbrechen, sondern jubeln, daß wieder einige Feinde des wurmstichigen Hohenzollern'schen Thrones von der Erde verschwunden sind.
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München, 19. April.
Die Ernennung v. d. Pfordtens zum Minister des Aeußern ist erfolgt. Graf Bray wird, wie man hört, aus dem Staatsdienst sich völlig zurückziehen, nachdem er, von
Natur ein schlichter Mann, die Kunst der Diplomatie nur durch Erziehung gelernt und seit er zum ersten Male Minister gewesen, Gunst und Ungunst des Hofes in reicher Abwechslung genossen hat. Mit v. d.
Pfordten, der als sächsischer Minister sich als ein strenger Anhänger der particularistischen Politik erwiesen, wird wenigstens die Ungewißheit unserer Lage aufhören. Ich glaube, eine Kammerauflösung
wird das Nächste sein, was geschehen wird, und kann mir nicht denken, daß v. d. Pfordten, ein Constitutioneller vom reinsten Wasser, das Portefeuille übernommen hätte, wenn er nicht dächte, die
jetzige Kammer, mit der entschiedenen Majorität für Anerkennung der Frankfurter Beschlüsse, repräsentirte nicht die wahre Volksmeinung, und eine Neuwahl würde dem Particularismus den Sieg
verschaffen.
[(Fr. O. P. A. Z.)]
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[
8
] Wien, 20. April.
So eben, 12 Uhr Mittags, ist der englische Gesandte von hier abgereist. Die Ursache der Abreise konnte man nicht erfahren.
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[
8
] Wien, 21. April.
Einem Privatschreiben aus Temeswar vom 12. April zufolge, ziehen sich die Kolonnen der Magyaren, die gegen das Banat im Marsche waren, nach Hermannstadt
zurück. Bem trifft in Hermannstadt alle Vorkehrungen zur Vertheidigung. Der kommandirende General der russischen Truppen, Lüders, ist über Rimnik nach der Siebenbürger Gränze abgegangen.
In der Bacska und dem Czaikistenbataillon herrscht Perczel mit seinen fliegenden und siegreichen Kolonnen. Bei seiner kühnen Diversion nach Peterwardein, hat er die fast uneinnehmbare Festung mit
Geld und Lebensmitteln versehen, und wenn er auch nicht die Besatzung verstärkt, so hat er doch ihre moralische Kraft gehoben. Perczel ist hier im Süden, was Görgey im Norden, der verschmitzteste,
kühnste und klügste Guerillaführer, der in den neuesten Bürgerkriegen aufgetaucht ist. Als er am 29. März einen Theil der Peterwardeiner Besatzung zum Ausfalle gegen Kamenitz geschickt, und diesen
Schritt mit circa 300 Todten und Verwundeten büßte, wendete er sich gegen St. Tomas. Er hatte nur 3 Bataillone Infanterie, eine Division Kavallerie, eine Kavalleriebatterie, 2 Haubitzen und 2
Sechspfünder; die Besatzung von St. Tomas hatte nur 6 kleine Geschütze, auch das Kommando Biga's fehlte. Die für unüberwindlich gehaltene Schanze fiel daher in seine Hände, gleich darauf fiel
auch die Römerschanze. Damit war das Czaikistenbataillon preisgegeben, und heute kam uns die Nachricht zu, daß Perczel am Ostersamstage gegen 11 Uhr Vormittags auch Titel besetzt habe. Diese letzte
Nachricht besonders verbreitete panischen Schrecken, weil er dadurch eine sehr günstige Position gewonnen, die in der kürzesten Zeit eine schwer einnehmbare Festung werden kann, und den Uebergang nach
Syrmien sichert. Der Landsturm ist zwar aufgeboten, aber seine Vortheile sind blos sekundär im Gefolge einer regulären Truppe, ohne welche er nichts bedeutet. Hätten Biga in Karlowitz und Nugent in
Kamenitz disponible militärische Kräfte, dann könnte ein etwaiger Uebergang in die Gränze mit Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Das ist aber nicht der Fall, denn vor Peterwardein stehen nicht
über 6000 Mann. Die nächste Gränze ist schon entvölkert, und hat kaum Hände zum Feldbau. Auch offenbart sich schon überall Kampfesmüdigkeit und Sehnsucht nach dem Frieden. Daß Perczel den Plan führe,
in die Gränze eine Diversion zu machen, erzählen die gefangenen Slaven, Gränzer, die von Kossuth entlassen, die wahrscheinliche Mission haben, für die Magyaren in der Gränze Sympathien zu wecken.
In Pesth ist die k. k. Armee durch die unvorbereitete eilige Abreise des Fürsten Windischgrätz bedeutend verstimmt, besonders da er nicht das geringste freundliche Abschiedswort an seine Krieger
zurückließ. Ueberhaupt wissen diese Armeen gar nicht, wie sie daran sind, und was im Kriegsrathe beschlossen wird; wonach es auch der magyarischen Partei sehr schwer werden dürfte, etwas von den
Kriegsplänen zu erfahren. Am 18. früh ist ein Truppenkorps von 10,000 Mann durch die Stadt über die beiden Brücken nach Ofen, und von da auf der nördlichen Straße weiter gezogen wahrscheinlich gegen
Gran.
Der Figyelmezö widerspricht der Angabe, als ob Baron von Welden in Pesth angelangt wäre. Er ist in Gran bei dem dortigen Armeekorps geblieben, wird aber jeden Augenblick in Pesth erwartet.
Sämmtliche Minister sind seit Donnerstag den 19. April in Olmütz bei einer Konferenz bezüglich der Pacifikation Ungarns. Es dürfte etwas gewichtiges herauskommen, da das Ministerium noch nie so
lange in Olmütz weilte.
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[
*
] Frankfurt, 23. April.
National-Versammlung.
Simon eröffnet die Sitzung bald nach 9 Uhr.
Von den östreichischen Abgeordneten haben wiederum sieben ihr Mandat niedergelegt.
Vogt interpellirt:
„ob es wahr sei, daß das preußische Ministerium gegen den Einmarsch der Reichstruppen in Jütland Einsprache erhoben und protestirt habe?“
Eine Interpellation von L. und M. Simon lautet dahin:
„Auf wessen Befehl und zu welchem Zweck die im badischen Oberlande aufgestellten würtembergischen Truppen, deren Zurückziehung das Reichsministerium noch im März für unthunlich erklärte,
zurückgezogen worden seien?“
Reichsministerpräsident v. Gagern: Das preußische Ministerium hat gegen den Einmarsch der Reichstruppen in Jütland keine Einsprache und keinen Protest erhoben; es ist vielmehr mit dem
Reichsministerium darin einverstanden, daß der Krieg mit Energie fortgeführt werden müsse. Der vorrückenden Bewegung unserer Truppen steht also nichts im Wege (Beifall).
Reichskriegsminister v. Peucker: Das Reichsministerium hat die Zurückziehung der Truppen nicht angeordnet und auch keine amtliche Nachricht erhalten, daß sie erfolgt sei. Auf die Nachrichten
der öffentlichen Blätter hin hat aber des Ministerium gestern sofort einen Offizier zur Gewinnung näherer Aufklärung abgesandt. (Beifall).
Ein dringender Antrag des Hrn. Gräveil will die Mitgliedschaft der östreichischen Abgeordneten in der Reichsversammlung für erloschen erklären und denjenigen Oestreichern, die als Zuhörer in
der Paulskirche verbleiben, abgesonderte Ehrenplätze angewiesen sehen. (Pfui! Pfui! von der Linken.) Für die Dringlichkeit erhebt sich nur eine ironische Minderheit von der linken Seite des
Hauses.
Man kommt zum Hauptgegenstand der heutigen Tagesordnung, zu dem Bericht des Dreiß[unleserlicher Text]- oder Kaiser-Ausschusses, der in drei Theile zerfällt: 1. das Gutachten der Majorität ‒ Berichterstatter
Kierulf; 2. ein Minoritätsgutachten von L. Simon aus Trier; 3. ein dito von Fr. Raveanx aus Köln.
Detmold und Reichensperper haben noch ein Sondergutachten eingereicht.
Von schriftlichen Verbesserungsanträgen liegen sehr verschiedenartige vor: Von Gravell, von v. Ende, von Müller aus Würzburg, von v. Dieskau.
Der Müllersche Antrag verlangt Revision der Verfassung, nach Maßgabe der Regierungsbedenken etc, Vertagung der Reichsversammlung bis 14. Mai und Aehnliches!!
Schulz aus Darmstadt beantragt:
„daß die Regierungen, die ihre Beitrittserklärung nicht binnen einer bestimmten Frist abgeben, als auf die Regierung verzichtend betrachtet werden; ferner auf Niedersetzung einer
Regentschaft aus fünf Mitgliedern des Hauses, falls der Erzherzog Reichsverweser seine Theilnahme an der entschiedenen Durchführung der Verfassung verweigern sollte, Aufnahme einer Anleihe für das
Reich, Vereidung der Truppen und Bürgerwehren etc., allgemeine Amnestie, Rückberufung der Flüchtlinge und Verbannten“
Kierulf, Berichterstatter der Mehrheit: Einig sei der Ausschuß in dem zu erstrebenden Ziele, nämlich die Verfassung aufrecht zu halten. Die Meinungsverschiedenheit beruhe nur in der Wahl der
Mittel. Die linke Hälfte des Ausschusses warnt uns vor einer Politik der Zögerung und drängt zu entschiedenen Maßregeln. Vor solchen Maßregeln und vor einer Berufung an das Volk, scheuen auch wir
nicht zurück. Die definitive Entscheidung des Königs von Preußen sei noch nicht erfolgt. Daher konnten wir Ihnen zunächst nur solche Schritte anrathen, wodurch wir aus dieser Ungewißheit hinaus und in
klare Verhältnisse kommen und dies ist der Inhalt der Vorschläge der Ausschußmehrheit.
Diese lauten folgendermaßen:
1. die Reichsversammlung erklärt, in Uebereinstimmung mit ihrer nach Berlin gesandten Deputation, daß die Annahme der durch die verfassunggebende Reichsversammlung dem König von Preußen
übertragenen Würde des Reichsoberhaupts die Anerkennung, der Reichsverfassung voraussetze.
2. Die Reichsversammlung beschließt:
Die preußische Regierung, so wie die übrigen deutschen Regierungen, welche die Annahme der von der Reichsversammlung beschlossenen und verkündeten Verfassung noch nicht erklärt haben, sind
aufzufordern, ihre Anerkennung derselben nunmehr auszusprechen,
und erklärt:
daß zugleich mit der Anerkennung der Reichsverfassung Seitens der preußischen Regierung die Uebertragung der Würde des Reichsoberhauptes an den König von Preußen in Wirksamkeit tritt.
3. Sie beschließt, die provisorische Centralgewalt aufzufordern, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln für die Durchführung der Verfassung mitzuwirken.
4. Der erwählte Ausschuß bleibt bestehen, um je nach Lage der Dinge weitere Maßnahmen zu berathen und der Reichsversammlung vorzuschlagen.
Heckscher geht von der auch von der Deputation getheilten Ansicht aus, daß der König von Preußen die Oberhauptswürde abgelehnt habe. Dadurch sei aber die Erbkaiserwürde unmöglich geworden,
denn man werde doch weder den Kaiser von Oestreich, noch den König von Bayern wählen wollen. Darum komme er auf seinen Vorschlag einer Collectiv-Regierung zurück. Die Furcht vor Oktroyirung sei
kindisch. Man sagt, Preußen werde sich einem Direktorium nicht unterwerfen. Aber auf eine bloße Voraussetzung hin Verfassungsbestimmungen annehmen, welche Oestreich für immer ausschließen, ist höchst
ungerecht. Man sagt Oestreich fügt sich nicht, Preußen fügt sich nicht; also müssen wir Oestreich hinauswerfen und Preußen an die Spitze stellen. Die Aufgabe der Nationalversammlung ist, eine
Verfassung für ganz Deutschland zu schaffen; an den preußischen Kammern ist's, Preußen zum Eintritt in einen freiheitlichen Bundesstaat zu zwingen. Der Redner widerlegt dann die Einwendung, daß
ministerielle Verantwortlichkeit mit der Collectiv-Regierung unvereinbar sey. Die Hauptquelle der Zerrissenheit und des Meinungskampfes in Deutschland scheint ihm darin zu liegen, daß der Grundsatz
der Souveränetät des Volkes verkehrt angewendet wurde. Dieses Prinzip sei anwendbar auf Einzelstaaten; aber für einen Bundesstaat könne eine Verfassung nur auf dem Wege der freiwilligen Unterwerfung
oder des Vertrags geschaffen werden. Er empfiehlt seine Anträge als das Mittel, Oestreich zum Anschluß zu bewegen und die größeren Regierungen durch Betheiligung an der Cen algewalt zur Mitwirkung zu
bestimmen. Er erklärt sich schließlich gegen die Anträge des Ausschusses, den er einen Zeitgewinnungsausschuß nennt.
Münch vertheidigt die Majoritätsanträge.
Schmidt aus Löwenberg ist nicht darüber in Zweifel, daß die Antwort des Königs von Preußen eine ablehnende war. Noch nirgends in der civilisirten Welt sei ein Fußtritt für eine Danksagung
gehalten worden. Er macht der Minorität des Ausschusses den Vorwurf, daß sie, obwohl die Antwort als ablehnend erkennend, dennoch die Oberhauptsfrage nicht als eine neuerdings offene betrachtete und
die Gelegenheit unbenützt ließ, das Volk vor unheilvollen Institutionen zu bewahren. Man sagt, man nehme das Erbkaiserthum für das allgemeine Wahlrecht inKauf. Er aber sage: Zehn Wahlrechte hätten
keinen Werth mit dem Erbkaiserthum. Was seien bisher die papierenen Gesetze in den Händen der preußischen Erbmonarchie geworden? Dem preußischen Kaiserthum gegenüber werde man es höchstens bis zu dem
Possenspiel des Berliner passiven Widerstandes bringen. Wenn nun die kaiserliche Gewalt ihre Heere gegen die Ungarn sende, werde dann die Minorität auch das Volk mit dem allgemeinen Wahlrecht trösten?
Man spricht von den vielen Adressen zu Gunsten des Erbkaiserthums. Auch von der Reichsverweserschaft hegte man Anfangs große Erwartungen; allein nach einem Jahre schon ist die Enttäuschung erfolgt.
Der Ertrinkende hängt sich an jeden Strohhalm; allein noch nie hat der Strohhalm vom Ertrinken gerettet. Geben Sie nicht Anlaß zu der Vermuthung, daß Sie das Volk in die Lage des Ertrinkenden bringen
wollen, damit es nach Ihrem Strohhalm greifen müsse. Sie hoffen in Berlin durch neues Zureden und durch Palastrevolutionen zu Ihrem Ziele zu kommen ‒ ein Beweis, daß die Zeit über Ihre
Kaiseridee gerichtet hat. Soll etwa die Nation sich für den erblichen Kaiser erheben? Ich beantrage, die Oberhauptsfrage noch einmal zu berathen. Es ist möglich, daß auch das Direktorium an dem
Absolutismus der Fürsten zerschellt Setzen Sie aber dann nicht Ihre Ehre darein, eigensinnig an einem Beschlusse festzuhalten, sondern darein, daß Sie eingestehen, Sie seien in Folge Ihrer
Vergangenheit unfähig, etwas zu Stande zu bringen, und das Sie die Souveränetät, die Sie aus den Händen des Volks empfingen, in diese Hände zurücklegen. Ich kenne etwas Höheres als diese Versammlung
und ihre Ehre; es ist die Freiheit und die Wohlfahrt unseres Volkes, und um diese zu erhalten, wäre es ein geringer Preis, wenn diese Versammlung ruhmlos auseinanderginge. (Beifall von der
Linken.)
Welcker: Es scheint, wir stehen am Anfang des Endes; mit einer neuen Revolution werden wir bedroht. Aber die Männer der Paulskirche werden nicht zurücktreten, bis die Verfassung ins Leben
getreten ist. Auch wir wünschen, die Verfassung mit den Fürsten freundschaftlich zu vereinbaren; aber wir wollen sie nicht von dem guten oder schlechten Rath der Rathgeber der Fürsten abhängig machen.
Wir dürfen nicht wanken und weichen von dieser Stelle, so lange uns nicht Gewalt hinwegreißt; wir müssen hier bleiben, bis der ordentliche Reichstag da ist; wir dürfen kein Jota ändern, außer wenn uns
die Thatsachen dazu zwingen. Die Verfassung ist nicht mit Verletzung der Fürsten zu Stande gekommen; denn ihre Bemerkungen sind vor der zweiten Lesung gehört worden. und daß sie nicht alle gehört
werden konnten, das erklärt die preußische Regierung selbst als die Schuld der Regierungen, weil sie sich nicht einigten. Die Rathgeber, welche den Fürsten die Anerkennung der Verfassung widerrathen,
wird das Urtheil der Geschichte treffen. Welche Macht hatten denn die Könige von Bayern und Würtemberg unter der Bundesverfassung? Sie wurden von Oestreich und Preußen im Schlepptau gezogen. Sie
hatten nur die Macht, ihre Völker zu zertreten. Man wirft der Verfassung das Wahlgesetz vor. Allein das Wahlgesetz gehört nicht zur Verfassung; übrigens hat auch der König von Preußen in seiner
oktroyirten Verfassung kein besseres gegeben. Ich fürchte diese Freiheiten nicht. Auch ist das Staatenhaus ein Gegengewicht. Das suspensive Veto endlich ist für den Bundesstaat weit zweckmäßiger als
das absolute, und wenn einmal die Verfassung ins Leben getreten, wird kein Mensch mehr von dem absoluten Veto sprechen. Man sagt, wir hätten Oestreich ausgeschlossen. Oestreich hat uns ausgeschlossen.
Von dem Augenblick an, wo Oestreich sich für eine Centralmonarchie entschied, konnte es nicht mehr mit uns gehen. Das östreichische Kabinet hat ausgesprochen, daß es unsere Versammlung lieber heute
als morgen nach Hause schicken wolle, indem es sich gegen ein Volkshaus erklärte. Man will die alte Bundeswirthschaft wieder herstellen, aber auf noch schlimmerem Fuße. So lange Oestreich an der
Spitze Deutschlands stand, wurde Deutschland immer kleiner und Oestreich immer größer. Das Anerbieten des Eintretens mit allen 38 Millionen Einwohnern Oestreichs ist das schmachvollste, das je gemacht
wurde, die einzige Antwort war das preußische Erbkaiserthum. Oestreich würde seine Vorschläge nicht gemacht haben, wenn es nicht auf die Beistimmung einer Reihe von größern Staaten gerechnet hätte.
Darum müssen wir unsere fertige Verfassung entrollen vor dem Volk als Fahne der deutschen Einheit. Wir stehen an der Schwelle des Kampfes der deutschen Volksfreiheit gegen fürstliche Souveränetät.
Die Vertagung wird auf morgen beantragt und die Sitzung um 1 1/2 Uhr geschlossen.
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@facs | 1591 |
[
*
] Frankfurt, 23. April.
Der preußische und erbkaiserliche Vereinbarer, Hr. Camphausen, hat seine Entlassung als preußischer Bevollmächtigter eingereicht. Wenn es selbst
diesem Manne, der doch voriges Jahr als preußischer Minister sein Möglichstes gethan, das Volk an die Contrerevolution verrathen zu helfen, mit der preußischen Wirthschaft zu arg wird, dann kann sich
wohl Jeder denken, wie's mit den königl. preuß. Plänen und Intriguen stehenmag.
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@type | jArticle |
@facs | 1591 |
Stuttgart, 21. April, Abends.
Der Krieg zwischen der Krone und der Hofpartei einerseits und zwischen dem Ministerium, der Abgeordnetenkammer und dem Volke andererseits ist erklärt.
Die Aufregung stieg hier und im ganzen Lande heute bis auf einen unglaublichen Grad, gegen welche der März des vorigen Jahres eine Kleinigkeit ist. Aus allen Gegenden des Landes sind zahlreiche
Abgesandte hier, welche nur die Endentscheidung des Königs abwarten und der Volkspartei bewaffneten Zuzug in Massen für den Fall eines Kampfes anbieten. Nach langem Harren ist die Deputation der
Kammer endlich heute Nachmittag um 4 Uhr vor den König gelassen worden, hat aber von demselben den Bescheid erhalten, daß der König bei seiner den Ministern gegebenen Erklärung verbleibe und daß er es
der Kammer und dem Volk überlasse, sich auf den revolutionären Boden zu stellen. ‒ Die Bürgerwehr machte diesen Abend gleichfalls eine Demonstration zu Gunsten der Reichsverfassung und des
Ministeriums, indem sie trotz des schlechten Wetters und trotz des Widerspruchs ihres reactionären Oberkommandanten v. Alberti, der deßhalb zum Rücktritt veranlaßt wurde, parademäßig vor's
Rathhaus zog und sich dort zu einer vorberathenen Erklärung folgenden Inhalts vereinigte: „Die Stuttgarter Bürgerwehr, in Erwägung ihres Berufes, zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung
mitzuwirken, in fernerer Erwägung, daß die Reichsverfassung, welche sich das deutsche Volk durch seine freigewählten Vertreter gegeben, durch ihre Verkündigung Gesetzeskraft erlangt hat; erklärt, daß
sie, so viel an ihr ist, entschlossen sei, der Reichsverfassung Gehorsam zu leisten und zu verschaffen.“ Diese Erklärung wurde durch ein permanent bleibendes Comite der Bürgerwehr dem König
zugefertigt. Nachdem die Bürgerwehr der Reichsverfassung und dem Ministerium Römer wiederholte Hochs gebracht, rückten sie wieder ein. ‒ Die zum König gesandte Deputation der
Abgeordneten-Kammer berathet eben ihren Bericht, den sie morgen in einer, trotz des Sonntags abzuhaltenden außerordentlichen Sitzung erstatten wird. Gerüchte: der König schlief diese Nacht nicht hier,
sondern auf dem Rosenstein, bewacht von Feldjägern und Artillerie; ein Regimen Oestreicher ist von Bregenz unterwegs hierher. Prinz Friedrich und der Kriegsminister sind in argem Conflict, da Ersterer
ohn des Letztern Vorwissen ein Regiment Würtemberger aus Bode hierher berief. Der Minister kontremandirte und drohte dem Prinzen, ihn vor ein Kriegsgericht stellen zu lassen.
[(Fr. J)]
Andrerseits berichtet ein anderes Frankfurter Blatt, daß der Schwabenkönig folgende Erklärung den ständischen Abgeordneten ertheilt habe:„er gebe ihnen sein Ehrenwort, daß er die deutsche
Verfassung ganz so annehme, wie sie seiner Zeit im Reichsgesetzblatt werde verkündet werden. Was die Uebertragung der Kaiserwürde auf Se. Maj. den König von Preußen betreffe, so könne er darüber um so
weniger eine bestimmte Erklärung abgeben, [unleserlicher Text] der König von Preußen selbst sich über die Annahme dieser Würde noch nicht entscheidend ausgesprochen. So viel aber könne er versichern, daß wenn die
übrigen deutschen Fürsten mit dieser Uebertragung einverstanden seien, er sich von der Anerkennung nicht ausschließen werde.“
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@type | jArticle |
@facs | 1591 |
Stuttgart, 22. April.
Heute Morgens um 7 Uhr wurde eine Sitzung der Kammer der Abgeordneten eröffnet, die bis nach 12 Uhr währte. Abgeordneter Reyscher stellte folgenden
Antrag:
1) da das königl. Dekret vom 19. d. und die Erklärung des Königs in der Audienz an die ständische Deputation durch keine Unterschrift eines Ministers gedeckt ist, einer förmlichen Erklärung der
Staatsregierung entgegenzusehen;
2) eine Kommission niederzusetzen, welche über die dringliche Lage des Vaterlandes und die zu ergreifenden Maßregeln morgen zu berichten hätte.
Der erste Punkt wurde ohne Widerspruch genehmigt.
Abg. Stockmaier stellte den Antrag:
Die Kammer möge ihre Ueberzeugung dahin aussprechen:
1) daß die von der deutschen Nationalversammlung verkündigte deutsche Reichsverfassung in Würtemberg als Gesetz besteht;
2) daß jeder würtembergische Staatsbürger, gleichviel ob er dem Civil- oder Militärstand angehöre, zur Verfolgung und zum Schutz dieser Reichsverfassung eben so wie der würtembergischen
Landesverfassung verpflichtet ist;
3) daß jeder Angriff auf dieselbe ein Verbrechen sei, und daß deßhalb weder Civil- noch Militär-Beamte verpflichtet seien, einem Befehle Folge zu leisten, bei dessen Ausführung sie sich an diesem
Verbrechen betheiligen würden.
Derselbe wurde mit 46 gegen 23 Stimmen angenommen.
Abg. Zwerger beantragte zusätzlich:
1) in einer Adresse an die Nationalversammlung zu erklären, daß die Kammern der Abgeordneten die Reichsverfassung, so wie sie von ihr entgültig abgeschlossen und verkündet ist, als Gesetz
anerkenne, und die Nationalversammlung aufzufordern, an ihrem Verfassungswerk unverbrüchlich festzuhalten;
2) in der gleichen Adresse die Nationalversammlung von den weiteren Beschlüssen der Kammer der Abgeordneten in Kenntniß zu setzen.
Derselbe wurde mit großer Majorität angenommen.
[(Schw. M.)]
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@facs | 1591 |
[
*
] Stuttgart, 22. April.
In der Kammer der Abgeordneten, deren heutige Sitzung früh um 7 Uhr eröffnet wurde, verlas der Präsident die Antwort, die der König gestern
Nachmittag der ständischen Deputation ertheilt hatte. Diese Antwort lautet:
„Meine Herren! Ich danke Ihnen, daß Sie Mir Gelegenheit geben, Mich in dieser Angelegenheit offen aussprechen zu können. Sie kennen Meine Freimüthigkeit und Offenheit, die Ich in Meinen
Regierungshandlungen immer an den Tag gelegt habe, Ich werde es auch in diesem Falle thun. Ich muß Mich auf den Boden der Thatsachen stellen. Die Reichsversammlung hat eine Verfassung gefertigt, sie
ist aber noch nicht vollendet. Dar König v. Preußen hat die deutsche Reichsverfassung noch nicht anerkannt; er hat die Kaiserkrone abgelehnt. Nach heute erhaltenen Nachrichten hat Camphausen mit
Gagern über die Aenderungen der Verfassung unterhandelt; was soll Ich also schon jetzt anerkennen, was noch gar nicht existirt? Lassen Sie Mir Zeit. Ich versichere Sie, daß Ich die ganze
Reichsverfassung mit Ausnahme der Oberhauptsfrage anerkenne. Dem Hause Hohenzollern unterwerfe Ich Mich nicht. Ich bin dieses Meinem Lande, Meiner Familie und Mir selbst schuldig. Würden aber alle
Fürsten von Deutschland es thun, so würde auch ich dieses Opfer für Deutschland bringen, aber mit gebrochenem Herzen. Ich kann durch Ihre Erklärungen, durch Aufruhr im Lande dazu genöthigt werden.
Wenn Sie Sich auf den Boden der Revolution stellen und Mich zwingen, Mein Wort zu geben, so ist es kein freies. Das erkennen Sie selbst an und können es auch nicht wollen; denn ein erzwungenes Wort
wäre für Mich nicht bindend. Ich könnte es ja widerrufen, wenn Mein Wille wieder frei wäre. Die deutsche Verfassung werde Ich in Meinem Lande durchführen, wie Ich die Grundrechte zuerst
[1592]
eingeführt habe. Ich gebe Ihnen mein Wort, aber dem Hause Hohenzollern unterwerfe Ich Mich nicht, Mein Gewissen und Meine Ueberzeugung lassen es nicht zu. Dem Kaiser von Oestreich, wenn er gewählt
worden wäre (da Ich die Ueberzeugung habe, daß es für Würtemberg vortheilhaft gewesen wäre), würde Ich Mich unterworfen haben. Ich bin mit Meinem Ministerium nicht uneins, Ich bin mit Ihm bis diesen
Augenblick ganz zufrieden. Eine Meinungsverschiedenheit herrscht zwischen uns nicht, nur über die Zeit Meiner Erklärung bin Ich ich mit ihm nicht einig. Ich vertraue auf den guten Sinn Meines Golkes.
Der Kern des Volkes ist gut gesinnt. „Die Aufregung ist durch die Vereine, welche auch eine März-Errungenschaft sind, künstlich hervorgebracht. Wollen Sie Mich zwingen, Ich muß es darauf
ankommen lassen, Sie kennen Meinen Muth. Es ist nicht um Meinetwillen, Ich habe nur noch wenige Jahre zu leben, aber Mein Vaterland, Mein Haus, Meine Familie legt Mir diese Pflicht auf. Ich wurde es
sehr bedauern, wenn gerade jetzt in dieser wichtigen Sache die Stände mit der Regierung nicht Hand in Hand gingen.“
Nachdem einige Mitglieder Bemerkungen gemacht hatten und der Präsident beifügte, daß gerade die Zeit es sei, die so außerordentlich dränge, so, daß jede weitere Zögerung in Anerkennung der
deutschen Reichs-Verfassung die Folgen haben könnte, daß wir Alle Ruhe und Ordnung im Lande zu erhalten nicht mehr im Stande wären, und dieses Sr. Maj. im Namen der Abgeordnetenkammer aufrichtig
auszusprechen, sei unsere Pflicht ‒ erwiderte Se. Majestät:
„Wir wollen sehen, Ich muß es darauf ankommen lassen. Ich habe nach Meiner Ueberzeugung, nach Meinem Gewissen gesprochen.“
Die Kammer nimmt nach längerer Diskussion folgenden von Reyscher gestellten Antrag an, welcher lautet:
„Da das königliche Dekret vom 19. d., und die Erklärung des Königs in der Audienz an die ständische Deputation durch keine Unterschrift eines Ministers gedeckt ist, einer förmlichen
Erklärung der Staatsregierung entgegenzusehen.“
Hierauf wird ein Antrag von Stockmayer mit einiger Abänderung dahin lautend angenommen:
„Die Kammer wolle ihre Ueberzeugung dahin aussprechen:
1) daß die von der deutschen Nationalversammlung verkündigte deutsche Reichsverfassung in Würtemberg als Gesetz besteht;
2) daß jeder würtembergische Staatsbürger, gleichviel, ob er dem Civil- oder Militärstande angehöre, zur Befolgung und zum Schutze dieser Reichsverfassung, eben so wie der würtembergischen
Landesverfassung verpflichtet ist;
3) daß jeder Angriff auf dieselbe ein Verbrechen sei, und daß deßhalb weder Civil- noch Militärbeamte verpflichtet seien, einem Befehle Folge zu leisten, bei dessen Ausführung sie sich an diesem
Verbrechen betheiligen würden.“
Es werden nun auch folgende Zusatzanträge Zwerger's mit bedeutender Majorität angenommen:
1) „In einer Adresse an die Nationalversammlung zu erklären, daß die Kammer der Abgeordneten die Reichsverfassung, so wie sie von ihr endgültig abgeschlossen und verkündet ist, als Gesetz
anerkenne, und die Nationalversammlung aufzufordern, an ihrem Verfassungswerke unverbrüchlich festzuhalten.
2) In der gleichen Adresse die Nationalversammlung von den weiteren Beschlüssen der Kammer der Abgeordneten in Kenntniß zu setzen.“
Französische Republik.
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@facs | 1592 |
[
12
] Paris, 23. April.
Die Episode mit Fould und Goudchaux ist noch nicht zu Ende; der dramatische Theil folgt nach; Duell, Prozeß, oder etwas anderes der Art. Lustig ist es
zu sehen, welches lustige Ende die Bourgeois-Partei nimmt. Fould und Goudchaux sind das Gespräch von ganz Paris geworden. Ein Duell zwischen Fould und Goudchaux! Nein, nein! das ist unmöglich!
Eine andere Bewandtniß hat es mit Ledru-Rollin und Delamarre. In derselben Sitzung von gestern nämlich hat Ledru-Rollin auf ganz kennbare Weise den Banquier denunzirt, der ihm ein Zwangsanlehn auf
20 der ersten Kapitalisten der Stadt vorgeschlagen hat. Dieser Banquier war kein anderer als Delamarre, Eigenthümer von der „Patrie.“ Es bildet diese Geschichte das Seitenstück zu
Fould-Goudchaux. Einige Tage nach der Februar-Revolution kam Delamarre in aller Eile zum Minister Ledru-Rollin gelaufen, und sprach folgende Worte zu ihm: „Die Republik braucht Geld? Hier ist
eine Liste der vornehmsten Kapitalisten von Paris, mit genauer Angabe ihres Vermögenszustandes. Lassen Sie sie hierher bescheiden, und nicht eher von dannen ziehen, bis sie für 50 Millionen
unterzeichnet haben. Die Leute werden sich anfangs sträuben; aber sperren Sie jeden in ein besonderes Kabinet ein, und Ihr werdet sehn, in 24 Stunden sind die 50 Millionen ausgezahlt.“
Ledru-Rollin antwortete auf Delamarre's Vorschlag, indem er ihm die Thüre zeigte. Auch dieses kam gestern in der Kammer zur Sprache, und wird heute vom Journal Ledru-Rollins, der
Révolution démocratique et sociale. mit allen Details wiedererzählt. Delamarre will sich schlagen mit Ledru-Rollin. Aber Delamarre ist kein Banquier von Geburt, wie Fould und Goudchaux.
Delamarre ist ein Glücksritter. Leibgardist unter Louis XVIII. oder Carl X., hat er sich nachher den Börsenspekulationen hingegeben, und ein Vermögen von zehn Millionen erworben.
Wenn Leute, wie Delamarre und Fould, Leute aus „der Partei der Ordnung“ von Bankerotte und Zwangsanleihen sprechen, so ist damit die ganze Partei der Ordnung kompromittirt. Fould
stand an der Spitze der Rue de Poitiers; er war einer derjenigen Kandidaten von Paris, welche sich schmeichelten, die meisten Stimmen erhalten zu haben. Alle diese Stimmen waren pratiques, gute
Kunden, lauter Leute, die Disconto zahlen; und jetzt ist ihm nichts geblieben von allen diesen Kunden, als die Freundschaft des Prinzen-Präsidenten der Republik: wahrlich eine theure, kostbare
Freundschaft, fast ebenso theuer als die der famosen Tänzerinnen, aber vielleicht lange nicht so amüsant.
Was nun die Rue de Poitiers anbetrifft, so wird sie jeden Tag unverschämter in ihrem Korruptionssystem. Man sieht offenbar, daß sie Leute an der Spitze hat, die mit den kaufmännischen Operationen
vertraut sind. In der Wahlagitation spielt bekanntlich das Papier eine große Rolle: die Vertheilung der Bülletins, Programme ‒ Alles das macht eine Papier-Consumtion nothwendig, von der man
sich schwerlich eine Vorstellung macht. Am Wahltage ist das Pflaster von Paris von Papier wörtlich überschwemmt, und jeder Vorübergehende wird mit Papier so zu sagen überladen. Will man nun wissen auf
welchen Einfall die Rue de Poitiers gekommen ist, um sich das Monopol der Bülletins u. s. w. anzueignen? Sie will sich das Monopol des weißen, unbeschriebenen, das Monopol des Druckpapiers
verschaffen; sie will alles Papier an sich kaufen, um der demokratischen Partei die Mittel der Verbreitung ihrer Bülletins, Schriften u. s. w. abzuschneiden. Der Einfall ist ungemein charakteristisch
für diese Geldpartei. Die Caution der Journale bildet bereits ein Monopol für die Bourgeoisblätter; sie gibt dem Kapital allein das Recht, Journale zu gründen. Der Plan der Rue de Poitiers geht noch
weiter. Er will dem Kapital allein das Recht zu drucken und zu schreiben verschaffen. Ja, wenn es eben so leicht wäre, die Papierfabrikation zu okkupiren, wie die Quecksilbergruben, wenn Hr.
Rothschild das Druckpapier eben so sehr in die Höhe treiben könnte, wie die Staatspapiere, dann würde er sich wenigstens ein Verdienst um die Litteratur erwerben. Nur ein Spekulant konnte auf dieses
Radikalmittel gegen die schlechte Litteratur verfallen. Und wirklich stehen an der Spitze der Rue de Poitiers lauter Namen, wie Delamarre, Hottinger, N. Duchatel, Delessert, Fould etc.: lauter feines
Papier, das das gute französische Druckpapier beherrschen will.
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Paris, 23. April
Der Moniteur öffnet endlich den Mund über die Abfahrt des Pabstgeschwaders.
Laut einer telegraphischen Depesche des Präfekten der Rhonemündungen, verließ das Geschwader am 22. April Vormittags 10 Uhr den Hafen von Marseille.
‒ Der Moniteur widerlegt die Behauptung der Reform und des Peuple, nach welcher 280 Unteroffiziere während voriger Nacht in die Abbage geworfen worden seien.
‒ Kaum ist das Gesetz über die Druckfreiheit von Wahlschriften im Moniteur erschienen, ruft das Journal des Debats aus, so liest man auf allen Mauern von Paris folgendes Plakat:
Wahlprogramm der revolutionären Kommunisten.
„Wenn das Volk hungert, darf Niemand essen.“
(Blanqui vor dem Gericht in Bourges)
Im Angesichte des ganzen Landes stellen wir hiermit die Grundsätzeauf, welche die alte gesellschaftliche Ordnung regeneriren sollen, die eben zusammenstürzt. Unsere Lehre, welche alle Männer von
ehrlichem Gemüth annehmen, ist keine neue, sie ist die wahreste, revolutionäre Tradition; zu allen Zeiten hatte sie die ausgezeichnetsten Männer zu ihren Aposteln. Diese Lehre bemächtigt sich mit
jedem Tage mehr des menschlichen Geistes. Die Entdeckungen der Wissenschaft machen neue Entwickelungen derselben unerläßlich, deren Augenscheinlichkeit durch Argumente hervortritt, die eben jenen
wissenschaftlichen Entdeckungen angemessen. Wir erkennen allen menschlichen Wesen ein Ur-Recht an, das selbst jeder Gesellschaft vorangeht: das Recht zu leben. Wir verstehen unter leben, die
vollständige Entwickelung aller unserer Geistesanlagen und die gänzliche Befriedigung aller unserer Bedürfnisse.
Es ist die allgemeine Vereinigung aller Wesen, verbunden zum gemeinsamen Interesse, das allein das Criterium der Wahrheit unserer Grundsätze bildet. Alsdann kein Antagonismus, keine Tyranei, keine
Bruderkriege mehr; unsere gesellschaftliche Ordnung heißt: Gemeinschaft (communauté). Wir erkennen den Grundsätzen des Communismus ein Recht über alle künstlerische und unterdrückerische
Majoritäten an. Im Angesicht einer gesellschaftlichen Ordnung, die sich auflöst, muß eine starke Hand, ein überzeugungsvoller, entschlossener und fähiger Mann der Gesellschaft ihre wahre Bahn anweisen
und die Staatsgewalt nicht früher niederlegen, als bis die absolute Gleichheit unter allen Menschen hergestellt ist. Wir halten uns bei keiner transitorischen Idee auf, zum Beispiel: Progressivsteuern
u. s. w.
Was ist das in einer Welt, wo Alles Allen gehört? Wir wollen die Familie und das Eigenthum beibehalten, aber frei von allen Mißbräuchen und Vorurtheilen. Kommunisten! Wir müssen zusammenstehen.
Vereinzeln wir unsere Stimmen nicht, damit unsere Kandidaten in der legislativen Assemblée unterstützen und für den Triumph der Grundsätze einer allgemeinen Gemeinschaft arbeiten können.
Paris, den 22. April 1849.
Der Ausschuß der revolutionären Kommunisten.
Rasetti, Präsident. Gohé, Vizepräsident. Turgard, Schriftführer.
Obiger Ausschuß der revolutionären Communisten schlägt seinen Anhängern folgende fünf Kandidaten für die Kammer vor:
1) Eugen Fombertaux, Redakteur der Commune sociale.
2) Page, Juwelen-, Gold- und Silberarbeiter.
3) Morel, Schuhmacher.
4) Chardon, Schriftsteller.
5) Gibot, Buchhändler.
‒ Der Constitutionnel speit ebenfalls Feuer und Flammen gegen obige kommunistische Wahl-Propaganda.
Der Wahlkampf verspricht mit jedem Tage heisser zu werden.
‒ Die Nationalversammlung soll heute 500,000 Frk. Choleragelder votiren, welche wahrscheinlich zu Wahlbestechungen statt Cholerabinden benutzt werden sollen.
‒ Unsere indische Colonie Pondichery die etwa 30,000 Wähler zählt, hat den reichen Rheder Lecourt von Nantes mit 13,000 von 20,000 Stimmenden zum Volksvertreter gewählt.
Lecourt wird morgen proklamirt werden.
‒ Esquiros, Ex-Redakteur des Juni-Journals L'Aeonsateur public, hat sich vor den Kriegsgerichten gestellt.
Sein Prozeß wird heute, Montag 23., Vormittags begonnen haben.
‒ Aus Bordeaux meldet man vom 21., daß das dortige demokratische Journal „Le Peuple souverain“ von der Staatsanwaltschaft dem sechsten Preßprozesse unterworfen wurde.
‒ Seit acht Tagen tragen sich mehrere Pariser Journale mit der Idee eines allgemeinen Congresses in Mailand (statt Verona), in welchem ein lombardisch venetianisches Königreich, mit dem
Großherzog an der Spitze, verfaßt werden soll.
‒ Delamarre ließ an heutiger Börse eine lange Epistel zu seiner Rechtfertigung gegen Ledru-Rollin vertheilen.
‒ Im Conferenzsaale der Nationslversammlung trug man sich mit dem Gerüchte, daß eine Division der Alpenarmee abgezweigt und nach Piemont geschickt worden sei, um den übertriebenen
Forderungen Schwarzenbergs entschieden entgegenzutreten.
‒ Am nächsten Sonnabend giebt es wieder viel Tumult in der Nationalversammlung. An diesem Tage kommt die Rechnungsablegung der provisorischen Regierung zur Sprache.
‒ Die Honetten wollen die Rothen wegen ihrer Geldzahlungen an den Club der Clubs angreifen und Ledru-Rollin stürzen. Auch soll der Jude Rothschild, dem Ledru Rollin 10 Millionen Fr. habe
abfordern lassen wollen, bei dieser Parlamentskomödie eine Rolle spielen.
‒ Der Staatsrath hat seine Arbeiten begonnen. Eine seiner ersten Arbeiten soll die Begutachtung eines Begnadigungsgesuches der berühmten Giftmischerin Laffarge sein, die stark an der
Schwindsucht leide.
‒ National-Versammlung. Sitzung vom 23. April. Marrast, dessen Gattin noch an der Cholera darniederliegt, ist ziemlich wieder hergestellt und eröffnet um 12 1/2 Uhr die Sitzung.
An der Tagesordnung ist die zweite Deliberation über die Feststellung der Entschädigungssumme für unsere Pflanzer seit der Sclavenemancipation
Hierzu eine Beilage.