Deutschland.
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] Köln, 21. April.
In einer Reihe von Artikeln über die „schlesische Milliarde“ ist nachgewiesen worden, was Schlesien, und namentlich die
schlesischen Bauern, unter dem gottbegnadeten Regimente der Hohenzollern und ihrer untergebenen Raubritter, blos in den letzten dreißig Jahren theils auf Grund eines betrügerischen Ablösungsgesetzes,
theils in Form fortwährender Robotdienste oder Hofetage, Zinsen und Naturalleistungen an die Fürsten, Grafen und Herren zu zahlen gezwungen worden und endlich wie groß annäherungsweise die Summe ist,
welche das schlesische Landvolk von seinen Junkern und Heu-Baronen am Abrechnungstage zurückzufordern hat.
An den schlesischen Zuständen haben wir die Zustände des ganzen feudalen Deutschlands abgespiegelt. Die Ausbeutung des Landvolks durch das Raubritterthum „von Gottes Gnaden“ hat sich
lediglich dort durch ein Mehr, dort durch ein Minder unterschieden. Bei unsern Schilderungen hatten wir bisher hauptsächlich Niederschlesien, den deutschen Theil, im Auge.
Heute werden wir speziell von Oberschlesien, dem vorwiegend wasserpolnischen Theile sprechen. Schon der Wunsch nach einiger Vollständigkeit würde das verlangen. Viel mehr drängt uns aber dazu der
von Oberschlesien her auf's Neu sich erhebende Verzweiflungsschrei einer dem Hungertode und der Hungerpest in den Rachen gejagten Bevölkerung.
Um zu begreifen, wie es mit der bekannten „Perle“ in der Hohenzollern'sche Krone bis auf diesen äußersten Punkt hat kommen können, dazu bedarf es nach den vorausgegangenen
Artikeln über die „schlesische Milliarde“ nur noch einiger Worte. Denn das dort Gesagte gilt nicht blos vollständig, sondern noch in verstärktem Maaße für Oberschlesien. Hier
haus'ten die Raubritter noch unverschämter, hier prellten und plünderten sie die Bauern rücksichtsloser, hier behandelten sie ihn noch weit brutaler als im deutschen Theile, in Niederschlesien.
Der Eine ist die zweite Potenz des Andern.
Deutschland erinnert sich der Aufrufe, die im Winter 1847‒48 für die „bedrängten oberschlesischen“ Brüder, zur „Linderung und Abhülfe der erschrecklichen Noth“
von Breslau und andern Orten her erlassen wurden. Ganz Deutschland sammelte in dieses Sieb des Elends seine ersparten Heller, von denen, wie wir erfahren, ein recht artiger Rest von etwa 100,000
Thalern noch immer in den Händen der Regierung sich befindet. Wenige von denen, die ihre Pfennige mitleidsvoll nach Schlesien sandten, mochten daran denken, daß sie lediglich der preußischen
Regierung und ihrer Ritterschaft ein Almosen gaben. Es wären ohne die Beisteuern aus Deutschland nicht mehr Personen dem Hunger und dem Typhus zum Opfer gefallen, als es so geschehen. Entweder die
Regierung hätte eine eben so große Summe, als aus Deutschland zusammenkam, herbeischaffen müssen. Dann freilich konnte sie etwas weniger Erziehungsgelder, Gratifikationen und Geschenke an adlige
unverschämte Arme (arm mit 10, 15, 20 und mehr Tausend Thalern jährlichen Einkommens) austheilen und vielleicht einige Wildnetze weniger anfertigen lassen. Oder die oberschlesische Ritterschaft selber
mußte Einiges von ihren Raubthalern abgeben. Denn jener rein proletarischen Krankheit, dem Hungertyphus, durfte man nicht fortwährend ruhig zuschauen. Nicht wegen des „Bauernpacks“, wie
es die Herren Ritter nennen: was zum Henker! sollte man sich darum kümmern! Aber einmal fehlt es zeitweise an Arbeitern, wenn ungewöhnlich große Massen jenes „Bauernpacks“ hingerafft
werden. Wer verrichtet dem „gnädigen“ Herrn die Hofedienste? und wer zahlt ihm die gutsherrlichen Abgaben? Er muß stunden oder bekommt in vielen Fällen gar nichts. Drum leidet der
raubritterliche Geldbeutel und das ist ‒ auf Ehre ‒ gerade so der empfindlichste Theil bei einem „Gnädigen“ von 340 Ahnen, Stallknechte und Kuhmägde mit eingerechnet, wie
bei dem raffinirtesten Bourgeois oder dem schmutzigsten Börsenjuden. Zweitens ist jene proletarische Krankheit in ihrer weitern Entwicklung bösartig genug, die Todeshand bis in die raubritterlichen
Reihen selber auszustrecken. Die beiden theuersten Dinge: Leben und Geldbeutel, bedroht: das wäre genug gewesen, um die gnädigen Herrn zu einem vollen Griff in die Tasche, zu Maßregeln einiger Abhülfe
und Linderung, zu vermögen. Deutschland ersparte ihnen durch seine Sammlungen den größten Theil einer Ausgabe für das „Bauernpack“, das in den Augen des Ritters keinen andern Werth hat,
als sein Vieh, in soweit er eben das eine wie das andre ausbeuten kann.
Jetzt wüthet abermals der Hunger und sein Bundesgenosse, der Typhus, in jenen Distrikten, die bereits voriges Jahr so unendlich gelitten. Sogar die Krautjunker- und Geldsack-Kammer zu Berlin hat
den greulichen Zuständen in den Kreisen Rybnick und Pleß ihre hohe Aufmerksamkeit und ihre philantropischen Redensarten zugewandt.
Deutschland wird nun wohl um etwas klüger geworden sein und dem seit 30 Jahren angefüllten (!) Staatsschatze der Hohenzollern die Sorge für das oberschlesische Irland überlassen.
Der Hunger, der ganze Landstrecken Oberschlesiens verheert und die aus ihm erzeugte Epidemie: sie rühren wahrlich nicht von dem durchaus gefunden Klima und einer Mißärnte oder Ueberschwemmung her.
Es gab weder Mißärnte noch Ueberschwemmung. Hunger und Epidemie und das ganze oberschlesische Elend sind nur die unvermeidlichen Folgen der Unverschämtheit jener ausbeutenden Raubritter, jener
„todten Hand“ der Domänen-Wirthschaft, jener Indolenz der Regierung, die Alles gehen und geschehen ließ, was nicht wider das heilige preußische Landrecht und die Ruhe und Bequemlichkeit
einer christlich-germanischen Beamtenkaste verstieß.
Zur größern Hälfte ist Grund und Boden in den Händen großer Grundbesitzer, des Fiskus und der „todten Hand“. Nur zwei Fünftel der gesammten Ländereien sind in den Händen der Bauern
und mit Frohnden und Abgaben an die Gutsherrn, wie mit Steuern an den Staat, an Kirche, Schule, Kreis und Gemeinde auf's Unglaublichste und Schamloseste überlastet, während die
„gnädigen“ Herren im Verhältniß zu den Bauern höchstens eine wahre Lumperei an den Staat entrichten. Bebaut werden die zwei Fünftel Land der kleinen Leute von einer dreifach größeren
Zahl Menschen, als jene drei Fünftel Land der „gnädigen“ Herren. Der Bauer ist aus Mangel an Kapital und Einsicht in der Kultur zurückgeblieben, während die großen Gütermassen oft von
mehr als 30-40,000 Morgen aus Mangel an Arbeitskraft, Uebersicht und Sorgfalt ebenfalls einen weit geringern Ertrag liefern, als andere, aber besser verwaltete Länderstriche Deutschlands, wo bei
gleicher Bodengüte das Vierfache produzirt wird. Dem in der Residenz, in Bädern, auf Reisen etc. schwelgenden Standesherrn verschlägt es wenig, wie der Boden bewirthschaftet wird. Er bezieht bei der
Größe seines Besitzthums an Ackerland, Wiesen, Forsten, Teichen, Bergwerken, Schafheerden, Branntweinbrennereien etc., bei den geringen oder keinen Abgaben an den Staat und bei den desto größeren
Einnahmen an Laudemien, Silberzinsen etc. aus den bäuerlichen Taschen doch immer eine größere Summe, als er auf gewöhnlichem Wege zu vergeuden im Stande ist. Was frägt der Bureaukrat danach, ob die
Domänen brach liegen in den Händen fauler Schützlinge? Wenn der Tag der Rente kommt, werden die Silberzinsen mittelst der Knute vom Bauer eingetrieben, wenn er sie nicht freiwillig zahlen will. Und so
zwangen Mangel an Kapital und Kredit und Ueberfluß an Abgaben und Leistungen an die Raubritter, wie an Staat und Kirche, den Bauer, sich dem Juden in die Arme zu werfen und in den Schlingen des
pfiffigen Wuchrers ohnmächtig zappelnd zu verenden.
In der langen Erniedrigung und Knechtschaft, in welchen das oberschlesische Landvolk durch die christlich-germanische Regierung und ihre Raubritterschaft danieder gehalten worden, hat der Bauer
seinen einzigen Trost, wie seine Stärkung und halbe Nahrung im Branntwein gefunden. Man muß es den „gnädigen“ Herren lassen, daß sie dem Bauer diesen Artikel aus ihren großen
Brennereien reichlich und zu immer billigern Preisen verschafften. In diesem stärksten Consumtionsartikel des oberschlesischen Bauern, machten sie vortreffliche Geschäfte. Von welcher Seite man also
auch den Bauer betrachtet, überall erblickt man einen raubritterlichen Saugrüssel, der jeden neuen Blutstropfen des Landmannes an sich zieht und in seiner gottbegnadeten Wirksamkeit nur durch rasches
vollständiges Abhauen gehemmt werden kann.
Neben den Lehmhütten der wasserpolakischen Bauern, wo Hunger, Typhus und Verthierung ihre Stätte aufgeschlagen: nehmen sich die prachtvollen Schlösser, Burgen und übrigen Besitzthümer der
oberschlesischen Magnaten desto romantischer aus. Man braucht hier nur an die großen Herrschaften der Grafen Henkel und Renard (dieses Urheulers und philantropischen Fuchses mit 240,000 Thlrn.
jährlichen Einkommens), des Herzogs von Ratibor, des Grafen Hochberg, der Fürsten Hohenloh, der Herren von Tost, des Baron Rothschild und vieler anderer Grafen, Barone etc. zu erinnern. Dort in
Oberschlesien liegen auch die buchstäblich verschleuderten Staatsgüter, der ehemalige Schul- und Kirchenbesitz, dessen Revenuen noch immer als Renten in diese unverantwortlichen Kassen fallen. Auf der
einen Seite unglaublich schnelle Anhäufung von Reichthümern, kolossale Jahresrevenuen der „Gnädigen“. Ein unlängst verstorbener Hr. v. Godulla, zur untern Stufe der
„gnädigen“ Herren zählend, hinterließ bei seinem Tode ein Vermögen von 6 Mill. Thalern, das ihm während c. 40 Jahren durch Bewohner Oberschlesiens erarbeitet worden.
Auf der andern Seite fortschreitende Massenverarmung.
Der Tagelohn für ländliche Arbeiter ist äußerst niedrig: für den Mann 5-6 Sgr., für die Frau 2 1/2 - 3 Sgr. ist schon als ein hoher Satz zu betrachten. Viele arbeiten nothgedrungen um ein Tagelohn
von resp. 4 und 2 Sgr. und sogar darunter. Die Nahrung besteht fast einzig und allein aus Kartoffeln und Schnaps. Hätte der Arbeiter noch diese beiden Gegenstände in hinreichender Menge gehabt: so
wären wenigstens Hungertod und Typhus von Oberschlesien fern geblieben. Als aber in Folge der Kartoffelkrankheit das Hauptnahrungsmittel immer theurer und seltener wurde, der Tagelohn aber nicht blos
nicht stieg, sondern fiel: da griffen die Menschen nach Kräutern, die sie auf Feldern und in Wäldern pflückten, nach Quecken und Wurzeln und kochten sich Suppen aus gestohlnem Heu und aßen
krepirtes Vieh. Ihre Kräfte schwanden. Der Schnaps wurde theurer und ‒ noch schlechter als zuvor. „Schenker“ heißen die meistentheils jüdischen Personen, welche gegen eine enorme
Pacht an den „gnädigen“ Herrn den Schnaps an das Volk verkaufen. Der „Schenker,“ auch „Arendator“ genannt, war schon früher gewöhnt, den Schnaps, den er durch
gehörige Portionen Wassers verdünnte, um die hohe Pacht für den Gnädigen und auch ein hübsches Sümmchen für sich selber herauszuschlagen, durch allerlei Ingredienzen, worunter Vitriolöl eine
Hauptrolle spielt, zu kräftigen. Diese Giftmischerei nahm von Jahr zu Jahr zu und wurde nach dem Auftreten der Kartoffelfäule auf die höchste Spitze getrieben. Der durch Heu- und Queckensuppen und
durch den Genuß roher Wurzeln geschwächte Magen des Landmanns konnte solcherlei Medizin nicht mehr überwinden. Bedenkt man ferner die schlechte Kleidung, die schmutzigen ungesunden Wohnungen, die
Kälte im Winter, entweder Mangel an Arbeit oder an Kraft zur Arbeit: so wird man begreifen wie aus den Hungerzuständen sich sehr bald nicht mehr und nicht minder als in Irland der Typhus entwickelte.
„Die Leute hatten nichts zum Zusetzen!“ Damit ist Alles erklärt. Sie waren fortwährend von den Raubrittern und vom Staat so ausgesaugt und ausgepumpt worden, daß sie bei der geringsten
Steigerung ihres Elends zu Grunde gehen mußten, wofern nicht der Staat und die Raubritterschaft, oder beide vereint, sich ins Mittel legten. Wie sie letzteres gethan, davon haben die Tausende und aber
Tausende von Leichen, die der überfluthende Strom des Elends hinwegspülte, genügendes Zeugniß abgelegt. Die Raubritter, die Beamtenkaste und die ganze gottbegnadete königlich-preußische
Regierungsschaar machte Geschäfte, bezog Gehälter, vertheilte Gratifikationen und führte Prachtbauten auf, während da unten, in den gemeinen Schichten des Volks, die vom Hunger und Typhus Gepeitschten
hundertweise gleich dem Vieh zu krepiren anfingen und zu krepiren fortfuhren.
Nicht viel besser, als mit den gewöhnlichen Tagearbeitern, stehts mit den Wirthen oder denjenigen, die ein Haus und ein größeres oder kleineres Stück Land dazu besitzen. Auch ihre Hauptnahrung ist:
Kartoffeln und Schnaps. Was sie produziren, müssen sie verkaufen, um die Abgaben an den Gutsherrn, an den Staat etc. aufzubringen. Das Mästen von Schweinen, aus deren Verkauf sonst der Haupterlös
gewonnen wurde, mußte in Folge der Kartoffelkrankheit entweder theilweise oder ganz unterbleiben. Fehlte doch die eigne Nahrung. Und noch Hofedienste thun zu müssen, hier vom „Gnädigen“
oder dessen Beamten mit dem Kantschu barbarisch malträtirt zu werden, arbeitend, hungernd und geprügelt den Luxus und den Uebermuth der Raubritter und einer anschnauzenden Beamtenkaste mit ansehen und
ertragen zu müssen! Das war und das ist das Loos eines großen Theils der wasserpolnischen Bevölkerung. Der kleine Mann, der durch Robotdienst an seiner Arbeitszeit verkürzt und aus Mangel an Kapital
und Einsicht seine Aecker meist nur nach dem alten Schlendrian bestellt, mußte noch von dem in vielen Distrikten unendlich zahlreichen, weil zärtlich geschonten, herrschaftlichen Wilde seine Saaten
zerwühlen und verwüsten und oft sein Ein und Alles vernichten sehen.
Welche Behandlung dem „Hofgesinde,“ den Knechten und Mägden der „Gnädigen“ zu Theil wird, läßt sich schon aus derjenigen ermessen, welche die robotpflichtigen
Dorf-„Unterthanen“ und die sogenannten Lohnarbeiter zu erdulden haben. Der Kantschu ist auch hier das Alpha und Omega des raubritterlichen Evangeliums. Der Ritter lebt indeß nicht
umsonst im 19. Jahrhundert. Er hat von der Bourgeoisie tüchtig gelernt. Wie der Fabrikant durch eine Menge feinausgesponnener Strafbestimmungen seine Arbeiter um einen Theil ihres ohnehin niedrigen
Lohnes zu prellen weiß, so nicht minder der ahnenreiche Raubritter, der eben außer seinen Ahnen und den bäuerlichen Silberzinsen und Robotdiensten ganz modernisirt und zu 3/4 Bourgeois geworden ist.
Einer der oberschlesischen Standesherrn, der über 60,000 Morgen Land besitzt, hat auf seinen Gütern neben dem Kantschu auch fabrikmäßige Geldstrafen eingeführt. Wir wollen nur eins der tausend
Beispiele anführen, wie man diese anwendet, weil wir bei dieser raubritterlichen Prozedur zugegen waren. Ein Pferdeknecht auf den Gütern des Standesherrn hatte Sonntags ein Glas Schnaps über den Durst
getrunken: Er begegnet einem ahnenreichen Wirthschafts-Eleven, Hrn. v. N. N., von dem er sogleich mit den Worten angeredet wird: „Du verfluchter Schweinhund, wo kommst Du her? Du kommst gewiß
aus dem Wirthshause?“ (Wir bemerken, daß dies zur Zeit der „Enthaltsamkeits“-Tollwuth geschah). Der Knecht, der Soldat gewesen, erwiderte, das gehe heute, da Sonntag sei, den
gnädigen Herrn nichts an; er kümmere sich ja nicht, wie viel Flaschen Champagner die gnädigen Herrn ausgestochen hätten; er (der Knecht) könne bei seinem Lohn freilich nur Schnaps saufen.“ Auf
diese plebejische Antwort regnete es nicht blos zwei Backpfeifen, sondern dem Knecht wurden als Ordnungsstrafe und wegen „ungeziemender Begegnung“ eines Vorgesetzten 24 Sgr. am Lohne
abgezogen. Der Knecht hatte aber nur 25 Sgr. monatlichen Lohn, so daß ihm für einen ganzen Monat auf Kleider, Stiefeln, Taback etc. ‒ 1 Sgr. übrig blieb. Und nebenbei bemerkt, der gnädige Herr
war bei weitem mehr besoffen als der Knecht. Wird übrigens einer der herrschaftlichen Dienstboten alt oder sonst arbeitsunfähig, so entläßt man ihn und er fällt der Gemeinde, deren Gutsherrn er Jahre
lang gedient, zur Last.
Die Raubritterschaft schaltet und waltet nach Belieben. Aus ihren Reihen werden die Landräthe genommen; sie übt die Dominial- und Distriktspolizei und die ganze Büreaukratie arbeitet in ihrem
Interesse. Dazu kommt, daß dem wasserpolnischen Bauer nicht blos ein deutsches ‒ das wäre vielleicht zu humanisiren ‒ sondern ein altpreußisches Beamtenthum mit seiner preußischen
Sprache und seinem Landrecht gegenübersteht.
Von allen Seiten ausgesaugt, malträtirt, verhöhnt, gekantschut und in Fesseln geschlagen, mußte das oberschlesische Landvolk endlich auf den Punkt gelangen, auf dem es angekommen ist. Hun-
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gertod und Pest mussten nothwendig als letzte Frucht auf diesem ächt christlich-germanischen Boden heranreifen. Wer noch zum Stehlen die Fähigkeit hat, der stiehlt. Das ist die einzige Form, in
welcher der ver-irländerte Oberschlesier gegen das christliche Germanen- und Raubritterthum thatsächliche Opposition macht. Auf den nächsten Stufen wird gebettelt; schaarenweise sieht man die
verelendeten Gestalten von einem Ort zum andern ziehen. In dritter Reihe erblicken wir Diejenigen, welche weder zum Stehlen, noch zum Betteln Kraft und Geschick haben. Auf ihren Lagern von vermodertem
oder verfaultem Stroh hält der epidemische Würgengel seine ergiebigste Rundschau. Das sind die Früchte einer hundertjährigen, gottbegnadeten, monarchischen Regierung und der mit ihr verbundeten
Ritterschaft und Büreaukratie.
Hier hilft nur eine Radikalkur. Die Raubritter müssen ihre Beute, die sie dem Landvolk seit 30 Jahren abgezwungen, herausgeben; sie müssen das Landvolk für alle an ihm begangenen Prellereien und
Gaunereien entschädigen. Diese raubritterliche Entschädigungssumme wird genügen, um die Nackten zu kleiden, die Hungrigen zu speisen, die Kranken zu heilen und die Hungerpest zu bändigen. Damit
diese Zustände aber nicht bald wiederkehren, müssen die großen Standesherrschaften, Majorate etc. dismembrirt werden. Alle Robotdienste und Silberzinsen müssen, wie sich von selbst versteht,
unentgeldlich aufgehoben und die Ländereien, die den gnädigen Herrn verbleiben, eben so hoch besteuert werden, als die der kleinen Leute. Das Alles wird unter der jetzigen gottbegnadeten Regierung
nicht geschehen und deshalb werden auch, so lange Brandenburg-Manteuffel'sche und überhaupt gottbegnadete Maximen am Ruder sind, die Oberschlesier nach wie vor dem Hunger und dem
Hungertyphus schaarenweise zum Opfer fallen. Erst mit dem völligen Untergange des ganzen bisherigen raubritterlichen, gottbegnadeten Regierungssystems wird den Oberschlesiern der erste Hoffnungsstern
auf eine Besserung ihrer Lage, auf Befreiung aus den Krallen des Hungers und der Hungerpest aufgeben.
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X
] Berlin, 22. April.
Die Berathung der von dem Herrn Minister des Innern zusammenberufenen Versammlung von Gymnasiallehrern beginnt schon eine sehr unangenehme zu werden,
da dieselbe fast nur aus den treuesten Anhängern des alten Systems zusammengesetzt ist. Die Seele derselben ist Herr Geh. Regier.-Rath Brüggemann, hinlänglich bekannt um zu begreifen, wie gefährlich
der Einfluß eines solchen Mannes für unsere Schul- und kirchliche Angelegenheiten ist.
In einer der letzten Sitzungen wurde die Frage aufgeworfen, ob die Schulen confessionell sein sollten oder nicht. Man wurde darüber einverstanden, daß die des Staates es nicht sein dürften, wohl
aber diejenigen, welche ihren Ursprung aus alten Stiftungen herleiten, in denen es bestimmt sei, ohne auf den sehr begründeten Einwand zu achten, daß ja die meisten dieser Stiftungen vor der
Reformation entstanden seien und man nach dieser keineswegs solche Scrupel gehabt habe, sondern kurzweg dieselben für protestantische Schulen benutzte.
Während das Ministerium früher gar keine Commissarien in die Verfassungs-Revisions-Commission schickte, erscheint seit einiger Zeit Hr. v. Griesheim für den Kriegsminister in ihr, obwohl die
militärischen Angelegenheiten gar nicht mehr vorkommen. Er ist indeß eitel genug zu glauben, daß er selbst in anderen Angelegenheiten die Mitglieder gedachter Commission durch seine hohe Weisheit nur
erfreuen könne.
Der Fabrikant Thouret war bekanntlich einige Tage verhaftet, weil man bei ihm noch nicht abgegebene Dienstwaffen gefunden hatte. Am Tage nach der Verhaftung wollte ihn seine Frau besuchen, um ihm
einen wichtigen Geschäftsbrief zu bringen. Man verweigerte ihr die Erlaubniß dazu. Als nun Frau Thouret einwandte, der Brief sei ganz unverfänglich und könne ja vorher gelesen werden, das Geschäft
müsse ja zu Grunde gehen, wenn man so allen Einfluß ihres Mannes auf dasselbe verhindere, antwortete der betreffende Polizeibeamte mit großem Gleichmuth: „Ach was, es sind schon mehr Geschäfte
zu Grunde gegangen, da kann auch das noch zu Grunde gehen!“
Am vergangenen Sonntage brachte es in Frankfurt der Vorsitzende des dortigen „Vereins für König und Vaterland“ zur Sprache, es sei ihm von hoher Stelle der Auftrag oder Wunsch
mitgetheilt worden, man möge doch ja für Adressen gegen die Aufhebung des Belagerungszustandes und gegen die Bürgerwehr Sorge tragen. Er bedaure aufrichtig, daß sich nur 123 Unterschriften dafür
gefunden hätten. Da trat ein anderes Mitglied dieses gottseligen Vereins auf und erklärte, es wolle die Sache in die Hand nehmen, und verspreche bald viele Hundert Namen zusammenzubringen. Um dies zu
ermöglichen, werde es in jedem Bezirk einen Colporteur engagiren und solchem für je hundert Unterschriften einen Thaler zusichern.
Aus Calau ist dem Abg. Görtz-Wrisberg eine mit zahlreichen Unterschriften bedeckte Adresse zugekommen, worin erklärt wird, daß nur dadurch, daß der Kreis für die Wahlen zu drei verschiedenen
Wahlkreisen zugetheilt worden, die Wahl so ganz reactionärer Abgeordneter, wie v. Werdeck und Peschke, möglich geworden, daß sich Calau in diesen Männern in keiner Weise vertreten sähe.
Bei der zweiten Kammer sind zwei Petitionen mit vielen Hundert Unterschriften versehen, den Minister v. d. Heydt und den Ex-Minister Bodelschwingh betreffend, aus Solingen
eingegangen:
Die erste nimmt Bezug auf eine Rede, welche der ehemalige Volksredner, jetzige Handelsminister v. d. Heydt im vorigen Jahre hielt, worin er wörtlich sagte:
„Wir dürfen dem Könige nicht mehr trauen, der Mensch hat uns so oft belogen, wir müssen Garantie haben etc. etc.“
und schließt daraus, daß der jetzige Minister nur dem Scheine nach seine Gesinnung geändert hat, denn wie könnte er sonst bei den früher ausgesprochenen Grundsätzen in ein Ministerium eintreten,
welches das Vertrauen des Volkes nicht besitzt!? Die Petition beantragt daher:
„Die hohe Versammlung wolle den Minister v. d. Heydt auffordern, dem Preußischen Volke oder dessen Vertretern gegenüber baldigst und auf das Bestimmteste zu erklären, wie er die damalige
Aeußerung mit seiner jetzigen Stellung zu vereinigen im Stande ist!“
Die zweite Petition beantragt, da sich aus dem im November v. J. veröffentlichten Bericht der Finanz-Commission der National-Versammlung ergeben, daß viele Gelder unverrechnet ausgegeben, welches
der Vermuthung Raum giebt, daß diese Gelder den preußischen Staatsbürgern gegenüber einen zweckwidrigen und ungesetzlichen Weg eingeschlagen haben,
„den ehemaligen Minister Bodelschwingh, jetzigen Abgeordneten zur zweiten Kammer schleunigst zu veranlassen, nachträglich Ausweis darüber zu geben, resp. auf das Bestimmteste zu
erklären, wo die unverrechnet gebliebenen Summen sich befinden.
“
Das Votum der zweiten Kammer in der gestrigen Sitzung über die deutsche Frage dürfte sehr leicht ein, der Linken sehr unangenehmes Ereigniß nach sich ziehen. Die Fraction der Polen nämlich, welche
bisher wenigstens größtentheils mit ihr stimmte, ist schwer durch die Verwerfung des Amendements Libelt verletzt worden; es erhob sich nur die äußerste Linke dafür. Durch die Anerkennung der deutschen
Verfassung ist die Demarkationslinie jedenfalls bestätigt worden. Die Polen glauben also, daß sie demgemäß aus der Kammer austreten müßten, ja man spricht schon [unleserlicher Text]von, daß von der rechten Seite aus ein
dahin zielender Antrag gestellt werden soll.
Großes Aufsehen in kaufmännischen Kreisen hat die Nachricht aus Oestreich erregt, daß man dort das letzte verzweifelte Mittel angewandt, und einen Zwangscours für das neuauszugebende Papiergeld
einführte.
Es ist höchst bemerkenswerth, daß von der polnischen Landwehr-Compagnie, welche noch bei Düppeln ins Gefecht kam, fünf Offiziere und vier Gemeine gefallen sind, die Ersteren gehörten
zu den polenfeindlichsten Reaktionären. Ebenso war heute allgemein das Gerücht verbreitet, der General von Bonin sei von einem Sachsen erschossen worden.
Wir tragen die letzten Worte des Ministerpräsidenten Brandenburg nach Verlesung seiner gestrigen Erklärung in der 2. Kammer nach: „Meine Herren! Ich erkenne die Macht der öffentlichen
Meinung an, aber wie die Schiffsleute das Branden der Elemente um sich her… (er stockt)… man darf das Schiff nicht den Strömungen hingeben. Wir werden das niemals, niemals,
niemals!“
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@facs | 1586 |
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X
] Berlin, 22. April.
Was wird nach dem Resultat der Sitzung das Ministerium thun? wir hoffen, daß es seinen Platz nicht verlassen wird und zum Nutzen der
Demokratie, zur Schande der Rechten, uns noch länger seine Gegenwart schenkt. Die Sachen stehen, wie im November. Das Ministerium hat ein eklatantes Mißtrauensvotum bekommen. Lößt es die Kammer nicht
auf und bleibt dennoch, so liegt darin die schmählichste Verhöhnung des „constitutionellen Rechts“ und es wird eine Ehrenpflicht für Vinke, und Consorten ebenso aufzutreten wie einst die
National-Versammlung, deren Verhalten sie früher nicht genug zu schmähen wußten.
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@facs | 1586 |
Danzig, 18. April.
Ich eile, Ihnen die Nachricht mitzutheilen, daß sich in dieser Nacht eine dänische Kutterbrigg eine Meile von unserem Hafen vor Anker gelegt hat, um die Blockade
faktisch zu vollziehen. Eine Kutterbrigg also reicht hin, um einen der größten Ostseehäfen zu schließen, dahin sind wir gelangt, nachdem ein Jahr lang von der deutschen Flotte geredet ist. Bei ganz
ruhigem Wetter wäre es möglich, dem Schiffe mit unseren Kanonenjollen zu Leibe zu gehen.
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@facs | 1586 |
Danzig, 19. April.
Zu der Kutterbrigg gesellte sich im Laufe des gestrigen Vormittags noch ein Briggschiff, und nachdem beide Signale gewechselt und durch Böte mit einander
verkehrt hatten, entfernte sich das größere Schiff in nördlicher Richtung. Die Kutterbrigg blieb liegen. Aber auch sie hat gezeigt, daß sie faktisch nicht im Stande ist, die Blockade wieder
auszuführen, denn ein englisches, mit Ballast gehendes Schiff, kam gestern, trotz der eifrigen Verfolgung des Dänen, und trotz seiner scharfen Fehlschüsse, in den Hafen. Gegen Abend entfernte sich die
Brigg, augenscheinlich, um die zurückgewiesenen Schiffe auch zu verhindern, in Pillau einzulaufen. Indessen hat sich eins von diesen über Nacht in unserem Hafen eingefunden. Im Laufe des Vormittags
ist die Kriegsbrigg wieder nach unserem Hafen zurückgekehrt. Sie heißt St. Croix, geführt vom Kommandeur Holm.
[(Osts.-Z.)]
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Königsberg, 17. April.
In den letzten 8 Tagen sind über 2000 Mann Militär von hier nach Danzig und 2 Kompagnien Landwehr nach Memel ausgerückt. Unsere Garnison wird dafür aber
binnen Kurzem durch eine entsprechende Anzahl Landwehr ergänzt werden. ‒ In Insterburg haben bei der Einkleidung der Landwehr einige Widersetzlichkeiten stattgefunden, und es sind in Folge
dessen 10 Mann verhaftet worden, die vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollen.
[(Osts.-Z.)]
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@facs | 1586 |
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15
] Schleswig-Holstein, 21. April.
Unsern Bericht über die Affaire bei Duppel vom 15. d. müssen wir dahin berichtigen, daß weder der Brückenkopf genommen ist, noch Kanonen
erbeutet sind, im Gegentheil erbeuteten die Dänen zwei sächsische in einem Morast stecken gebliebene Kanonen. Daß nicht blos wir, sondern auch alle übrigen nicht auf dem Kriegsschauplatz sich
aufhaltenden Leute, nicht besser unterrichtet waren, lag daran, daß selbst unsere „unter einer Krone Dach“ vereinigte zweiköpfige, aus dem Aristokraten Revenlou und dem
Renegatenbourgeois, Volksverräther Beseler bestehende, im Namen des unfreien Herzogs regierende, unverletzliche, den Schleswig-Holsteinern von dem Reichs-Eisele Souchay aufoktroyirte Statthalterschaft
nicht mehr oder auch zuviel wußte. An diese, was Feigheit und Knechtsinn betrifft, in ihrer Art einzig dastehende Statthalterschaft war nämlich der Bericht so gekommen, wie wir ihn mittheilten; wir
erhielten ihn aus der Hand eines bei dem Kriegsdepartement angestellten, sehr gut unterrichteten Mannes. Nach den spätern Nachrichten stellt es sich heraus, daß die deutschen Truppen weit mehr
gelitten haben, als die Dänen. Die Nachricht von der Eroberung der Kanonen ist durch den Umstand hervorgerufen, daß ein Augenzeuge nach der Einnahme der Düppeler Schanzen, die Dänen sich ohne Kanonen
in die Verschanzungen des Brückenkopfs am Alsener Sunde zurückziehen sah; die Dänen konnten aber keine Kanonen aus den Düppeler Schanzen mitnehmen, weil sie dort zur Zeit des Angriffs, der Morgens in
der Frühe begann, gar keine hatten. Die Dänen gebrauchten nämlich die Taktik, jeden Morgen die Kanonen auf die Verschanzungen bei Düppel zu schaffen und des Abends wieder zurück in die Verschanzungen
des Brückenkopfes, wo sie die Nacht über blieben, um gegen Ueberrumpelung sicher zu sein. Es standen übrigens sechs Bataillone dänischer Infanterie in den Verschanzungen, gegen die sich zwei
Bataillone Baiern sehr tapfer schlugen; da es aber darauf abgesehen, dieselben nur zusammenknallen zu lassen, so ließ man sie wohlweislich lange allein fechten. Daß Verrath so gut wie voriges Jahr
unter Wrangel, so jetzt unter Prittwitz wieder im Spiel ist, daran darf man nach den vorliegenden Thatsachen gar nicht mehr zweifeln. Ueberdies gewinnt das Preußenthum immer mehr Boden, so daß unsere
„gespießten“ Bourgeois in schwarz-weißen Jubel ausbrachen, wie die tragische Kunde von der Wahl Friedrich Wilhelms hierher drang. Als aber bald darauf der unfundirte Beseler aus einem
allerhöchsten Munde erfahren, daß der König von Dänemark ein ausgezeichnet liebenswürdiger Mann (beim Champagner und unter vier Augen mit Lola Rasmussen) sei ‒ ward ihnen seltsam zu Muth. Eine
neue Einrichtung des christlich-germanischen Musterstaats, mit denen Se. Wohlweisheit „Bürgergeneral“ Bonin die „schleswig-holsteinischen Unterthanen“ beglückt hat,
besteht in einem „Gensdarmeriekorps.“ Angeblich sollen diese dem schleswig-holsteinischen Militär entnommenen Gensdarmen, denen man diese Auszeichnung ihrer
„patriotisch-loyalen“ Gesinnung wegen ertheilte, auf dänische Spione vigiliren. Dies mag allerdings einer der Vorwände ihres aus den Taschen der Kanaille bezahlten privilegirten
Müßiggangs sein; ihre Hauptaufgabe besteht aber darin, ein wachsames Auge auf alle mißliebigen Subjekte, besonders auf die für das Wohl des verrotteten absolut-feudalistischen resp. konstitutionellen
Musterstaats gefährlichen Rothrepublikaner, zu haben. Da nun jeder, der nicht den ordinärsten bürgerlichen Enthusiasmus zur Schau trägt, gleich in den Geruch eines Rothrepublikaners kommt, so ist es
rein unmöglich, wenn man nicht als ganz loyal bekannt und als „guter schleswig-holsteinischer Unterthan“ Empfehlungen hat, nach dem Norden bis zu den Vorposten zu kommen, um dort den
Verrath mit eigenen Augen anzusehen. Wenn also blos Berichte voller Siegesjubel nach dem Süden dringen, so ist das sehr natürlich.
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Gravenstein, 20. April.
Sicherm Vernehmen nach, ist endlich von Frankfurt die Weisung ergangen, daß jetzt unverzüglich in Jütland eingerückt werden soll.
Die preußische Brigade aus Westphalen ist schon nach Hadersleben marschirt, General Bonin wird jetzt sein Hauptquartier schon nach Christiansfelde vorgeschoben haben, und fast die gesammten
schleswig-holsteinischen Truppen stehen nun unlängst der jütländischen Gränze, völlig bereit, dieselbe in den nächsten Stunden, wo es befohlen wird, zu überschreiten. Auch Kavallerie der deutschen
Reichstruppen ist schon an 2000 Mann stark, dem General Bonin zur Verfügung gestellt worden, und wird er über weitere drei Regimenter in diesen Tagen noch zu gebieten haben. Die Quartiermacher neuer
deutscher Reichstruppen treffen schon hier ein, und werden 3000 Mann nassauische und braunschweig'sche Infanterie erwartet. Auch der Herzog von Nassau wird eine Brigade unter dem unmittelbaren
Befehl des Generals Prittwitz kommandiren.
So eben trifft die Meldung hier ein, daß schleswig-holsteinische Truppen vor Kolding marschirt sind, ohne auf Feinde zu stoßen. Die Dänen sollen die 14,000 Mann, die sie in Jütland stehen haben, in
Fridericia zusammengezogen haben, um einen Versuch zu machen, diesen in letzter Zeit befestigten Ort zu vertheidigen.
Wie wir hören, wird die Landesversammlung sich nicht, wie die Regierung beantragt hat, auflösen, sondern bis zur völligen Feststellung der Landesverfassung, wie auch ihr ursprünglicher Plan und
Beschluß war, auf ihrem Posten verbleiben.
Um so wichtiger ist das Fortbestehen dieser Landesversammlung, da sie bei ihrem einmaligen Beschluß, daß Schleswig-Holstein in jeder Beziehung ein deutscher Staat sein müsse, fest beharren
wird.
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@facs | 1586 |
Apenrade, 20. April.
Heute ist die Avantgarde der schleswig-holsteinischen Armee, nämlich das 1. Jägerkorps, das 9. und 10. Infanterie-Bataillon nebst Artillerie und Kavallerie
in Jütland eingerückt.
[(H. B.-H.)]
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@facs | 1586 |
Frankfurt, 22. April.
Im Badischen werden immer noch die Wahlen zur Abgeordnetenkammer verweigert. In Stockach gaben 68 Wahlmänner von 95 die Erklärung ab, daß sie es mit ihrer
Ueberzeugung nicht vereinbaren könnten, eine Wahl vorzunehmen.
Hr. v. Schmerling ist von seinem Ausfluge nach Stuttgart und Karlsruhe, wie es heißt, sehr zufrieden, wieder zurückgekehrt.
[(F. J.)]
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@facs | 1586 |
[
*
] Stuttgart, 20. April.
Viel Geschrei, ‒ wie's mit der Wolle stehen wird, werden wir bald sehen. In einem deutschen Vaterlande und einem deutschen
Landesvater gegenüber heißt's schon viel, wenn die Schaafheerde der „geliebten“ Unterthanen auch nur etwas lauter blöckt als gewöhnlich. Ein Volk, das nicht blos schaafsmäßig zu
blöcken verstünde, sondern männliche Kraft besäße und sie zu benutzen wüßte, hätte dem theuren Landesvater, diesem Hofeknecht von Metternich und Consorten, längst einen Schubs gegeben, daß er über die
Gränze und vielleicht bis mitten in ein 6. oder 7. deutsches Vaterland in der Umgegend hineingepurzelt wäre. Statt dessen schickt man Deputationen und Adressen an den „Guten, Lieben und
Theuren“: er möge doch das Ministerium Römer-Duvernoy ja nicht entlassen. Daneben giebts Volksversammlungen, viele Reden und mehrere Beschlüsse; auch Commissionen werden ernannt und andere
Anläufe genommen, um das „Spiel der konstitutionellen Gewalten“ vollständig durchzumachen und abzuwickeln.
Bei Hofe ist viel Luft und Wonne; dem Gottbegnadeten und seinen Lieben und Getreuen macht die ganze Geschichte viel Spaß. Denn während die guten Unterthanen sich an dem „Spiel der
konstitutionellen Gewalten“ erlustiren: werden still von allen Orten der Soldaten und Kanonen heranbeordert, um bei jenem konstitutionellen Spiel den beliebten Trumpf auszuspielen, falls das
geliebte Volk den Spaß zu lange fortsetzen oder gar Ernst daraus machen sollte.
Französische Republik.
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@facs | 1587 |
[
*
] Paris, 22. April.
Die Journale bringen folgende Protestation des römischen Gesandten gegen die Expedition nach Civita-Vecchia.
„An den Minister der auswärtigen Angelegenheiten.
„Herr Minister! Eine französische Expedition wird in diesem Augenblick ausgerüstet, Truppen nach Civita-Vecchia zu bringen. Diese Thatsache wurde mir von Ihnen selbst mitgetheilt, als ich
vorgestern die Ehre einer Unterhaltung mit Ihnen hatte; seit gestern Abend ist sie im Moniteur wiederholt.
„Die italienische Nation, vom Unglück betroffen, hatte durch den Zwischenhändler ihrer Repräsentanten, Frankreichs brüderlichen Beistand gegen die fremde Unterdrückung angerufen. Sie haben
unsere Städte verwüsten lassen, und uns nicht einmal einer Antwort werth gehalten.
„Das römische Volk, vertreten durch seine aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangene Regierung, war bereit in seinen Differenzen mit dem h. Vater, seinem geistigen Oberhaupt, die hohe
Vermittlung Frankreichs anzunehmen. Dieser Wunsch war sogar direkt in einer Note ausgesprochen, welche meine geehrten Vorgänger an Sie gerichtet haben, und deren Wortlaut ich Ihnen verflossenen
Dienstag von Neuem mitzutheilen die Ehre hatte. Ich habe Sie beschworen, einen brudermörderischen Krieg zu vermeiden; ich zeigte mich zu jedem ehrenvollen Vergleich geneigt, vorausgesetzt, daß Sie
einwilligten, den Boden der römischen Republik als Freund zu betreten. Ihre ganze Antwort bestand darin: „daß Sie mit Niemand zu unterhandeln vermöchten, der für Sie nicht existirte; daß Rom
für Sie der Papst und sein Recht sei; daß Frankreich einschreite, damit eine allzustarke Reaction verhütet und das Prinzip der Sekularisation in dem möglichst weitesten Maßstabe in der
Staatsverwaltung zur Geltung gebracht werde.“
„Es blieb nunmehr für mich, den Bevollmächtigten eines Volkes, welches Sie im Voraus zum Tode verdammt haben, nichts übrig, als gegen jede mögliche, und ohne vorhergegangene Erklärung
versuchte Verletzung des Territoriums der römischen Republik zu protestiren, welche mich als ihren Vertreter hierhergesandt hat.“
„Und doch schwankte ich noch. Ich erbot mich zu warten, und Ihnen nicht eher eine schriftliche Protestation zuzusenden, bis ich hierzu den Befehl meiner Regierung erhielte.
„Dieser Vorbehalt meinerseits hat Sie, Herr Minister, nicht abgehalten, mir meine Beglaubigungsschreiben zurückzusenden, welche Sie bereits gelesen hatten, und welche demnach Ihnen selbst
angehörten, und dabei in einer Weise von meiner Regierung und dem von mir vertretenen Volke zu sprechen, welche ich gelinde gesprochen, nur hart nennen will.
„Sie haben endlich erklärt, daß, wenn ich Ihnen eine Protestation übersenden würde, Sie dieselbe nicht annehmen würden.
„Ich konnte mich bisher noch immer nicht überreden, daß die Waffen der französischen Republik sich gegen ein Volk richten könnten, dessen einziges Verbrechen darin besteht, durch das
allgemeine Stimmrecht und fast mit Einstimmigkeit sich eine Regierung seiner Wahl gegeben zu haben; sich desselben Rechtes bedient zu haben, nach welchem die gegenwärtige Regierung Frankreichs
besteht. Ich konnte noch immer nicht glauben, daß es in der That die Absicht der französischen Regierung ist, den Pabst und die der kaiserlichen Sachen ergebenen Creaturen an die Spitze der römischen
Regierung zu stellen, und den Oestreichern in einem Augenblick zu Hülfe zu kommen, wo dieselben gezwungen sind, einen großen Theil ihrer Truppen aus Italien zurückzuziehen, um ihre eigne bedrohte
Hauptstadt gegen die siegreichen Ungarn zu schützen.
„Allein die Sprache, deren sich der Hr. Minister-Präsident in der Nationalversammlung bedient hat, und das, was der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten mir selbst mittheilte,
erlauben mir keinen Zweifel mehr, daß es der Hauptzweck der französischen Expedition ist, durch ihren moralischen Einfluß und dann durch Einschüchterung den Umsturz der nach dem Willen des römischen
Volkes bestehenden Ordnung und die Vernichtung seiner unveräußerlichen Rechte herbeizuführen. Ich halte es daher für meine Pflicht, hier mit allen meinen Kräften gegen irgend eine Ausschiffung
französischer Truppen auf das Territorium der römischen Republik, welche ohne vorherige Erklärung und ohne Beistimmung des durch die Stimme des Volkes in allgemeinem Wahlrecht berufenen Gouvernements
erfolgen sollte, feierlichst zu protestiren.
„Die französische Nation und Europa mögen wissen, daß das römische Volk die Söhne Frankreichs als Brüder und Freunde zu empfangen wünscht. Wenn das Unglück ein Anderes will, wird die
Verantwortlichkeit nicht auf uns und unsere Kinder fallen.
„Genehmigen Sie, Hr. Minister etc. etc. Paris, 19. April. Oberst L. Frapolli, außerordentlicher Gesandter der römischen Republik bei der Regierung der französischen Republik.“
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@facs | 1587 |
[
12
] Paris, 22. April.
Wir müssen zum Talmud unsere Zuflucht nehmen, um die Scene gehörig verstehen zu können, welche heute in der Kammer zwischen den beiden ersten
israelitischen Handelshäusern Statt fand. O, Haus Hillel, Haus Schameh, wer hätte gedacht, daß ihr aufleben würdet in Paris, mitten in der National-Versammlung! Das Haus Schameh und das Haus Hillel,
das sind die beiden jüdischen „Häuser“ oder Schulen, die vor Alter sich beständig in den Haaren lagen. In der Natur des Hauses Schameh lag es, beständig das Gegentheil von dem zu
behaupten, was das Haus Hillel als unumstoßbar aufstellte. Nun heißt's im Talmud: „Wenn Rabbi Hillel und Rabbi Schameh mit einander kriegen (in irgend einer religiösen Streitfrage), so
hat das Haus Hillel jedesmal Recht. Rabbi Hillel das ist Rothschild, Rabbi Schameh das ist Fould. Vor 9 oder 10 Jahren, als die beiden Eisenbahnen nach Versailles projektirt wurden, da hatte sich zum
ersten Male der Streit zwischen Rabbi Fould und Rabbi Rothschild entsponnen. Rothschild trat als der Rabbi für die Bahn auf dem rechten Seine-Ufer, Fould als der Rabbi für das linke Seine-Ufer auf,
und an den Kampf zwischen den Oberrabbinern vom linken und rechten Seine-Ufer schlossen sich die großen und kleinen Banquiers, Boutiquen und Geldbesitzer an, und ganz Paris war damals in zwei Hälften
getheilt, die eine für Rabbi Rothschild, die andere für Rabbi Fould. ‒ Die Eisenbahnen kamen zwar auf beiden Seine-Ufern zu Stande, aber da es im Talmud heißt: das Haus Hillel hat immer Recht,
das Haus Schameh, wenn es mit Hillel im Streite begriffen ist, muß, als das schwächere, den Kürzern ziehen, so begreift man, wie Rabbi Rothschild in seinem Kampfe mit Rabbi Fould die Oberhand behielt
und letztern mit Verlust in seine engere Sphäre kleinerer Schachers, Wuchers und Wechsels, in die Sphäre kleinerer Eisenbahnen zurückschlug.
Die Interessen Rothschild's sind wesentlich verschieden von den Interessen Fould's, obgleich beide gemeinsam die Bourgeois-Interessen vertreten. Aber Rothschild vertritt das größere
Kapital, dasjenige Kapital, das keine Nationalität hat und das im Stande ist, alle Nationen ohne Unterschied auszuplündern. Fould steht dagegen als der Vertreter des kleinern, des französischen
Kapitals, des Kapitals da, das höchstens die Franzosen ausplündern kann Rothschild's Gläubiger ist der Staat: die Anleihen, die der französische Staat geschlossen, sind größtentheils durch
Rothschild vermittelt, ob nun die Kapitalien, die er dem Staate gestellt hat, von England oder andern fremden oder inländischen Kapitalisten herrühren, ist gleichgültig. Genug, der Staat hat direkt
mit Rothschild contrahirt und ist sein Schuldner. Fould dagegen hat als Schuldner den französischen Handelsstand, die kleinere Industrie und die kleineren Eisenbahn-Aktionäre, seine Geschäfte sind
nicht so sehr Staatspapier-, als Wechsel- und Aktien-Geschäfte.
Beim Ausbruche der französischen Revolution 1848 geriethen die beiden Rabbiner Fould und Rothschild in schwere Bedrängniß. Der Eine zitterte für seine Wechsel und Aktien, der Andere für seine
Staatsschulden-Zinscoupons Die alten Hohenpriester waren fortgejagt worden und man wußte noch nicht, welchem Götzen die neuen Hohenpriester opfern würden. Da ging Rabbi Fould in aller Stille zu
Goudchaux, dem Hohenpriester der Finanzen. „Goudchaux,“ sagte er zu ihm, „hüte dich wohl, die Renten-Quartalzinsen zu zahlen; denn sonst kömmst Du zu kurz mit der Zahlung der bons
de tresor, der Sparkassen u. s. w. Dann stockt der Handel und die Industrie, und Du mitsammt dem National, Ihr seid um die Revolution geprellt. Stellt Ihr dagegen die Zahlung der Staatsschulden ein,
so verlieren bloß die großen Banquiers, wie Rothschild und Konsorten; dagegen werden der Handel und die Industrie gerettet.“ Der Hohepriester Goudchaux lief in aller Eile zu Rabbi Rothschild
hin und hinterbrachte ihm die Worte Rabbi Fould's. „Du siehst, Rabbi Rothschild, das Beste ist, Dein altes, mit Guizot abgeschlossenes Anlehn jetzt zu erfüllen, sonst bin ich genöthigt,
mit einem von den beiden Rabbinern, mit Fould oder mit Dir zu brechen.“ ‒ „Wie, Goudchaux, mein Freund, Du wolltest mit Rabbi Fould Dich verbinden und Banquerott machen? Nein! Du
bist ein Banquier, wie ich, hast Staatsrenten, wie ich ‒ Du wirst mit mir halten. Das alte Anlehn kann ich zwar nicht erfüllen, aber Goudchaux, Du bist ein Mann von Geist und Verstand; Du wirst
schon andere Mittel finden.“
Rothschild kannte seinen Goudchaux: dem Banquerott wurde vorgebeugt durch die 45 Centimen-Steuer, und das später nach der Juni-Schlacht neu geschlossene Anlehn mit Goudchaux und Rothschild. Und
Rabbi Fould? Rabbi Fould hatte das Loos des Hauses Schameh, und so ging abermals der Spruch vom Talmud in Erfüllung, wonach es heißt: Wenn Rabbi Hillel und Rabbi Schameh mit einander Krieg führen, so
ist Rabbi Schameh immer von vornherein verurtheilt, den Kürzern zu ziehen.
Die heutige Kammersitzung war eine förmliche Synagoge: die alte Geschichte, der alte Judenschacher brach an's Tageslicht. „Meine Herrn,“ schrie der ehemalige Hohepriester,
„man will mich zum Opferlamm gebrauchen, die Rue de Poitiers hat verbreitet, ich habe den Banquerott vorgeschlagen in der provisorischen Regierung: so wahr mir Gott helfe, ich war immer ein
ehrlicher Mann. Ja, ein Mann ist gekommen und hat den Banquerott vorgeschlagen, aber ich werde den Mann nicht nennen. ‒ Den Namen! den Namen! ‒ Goudchaux sträubt sich. ‒ Da
besteigt Ledru-Rollin die Tribüne und nennt den Namen Fould. „O wai, o wai, schreit Fould, ich bin ein ehrlicher Mann! ich und Banquerott! (Bekanntlich hat das Haus Fould drei oder viermal
fallirt.) ‒ Da besteigt Cremieur die Tribüne und beschuldigt ebenfalls den Rabbi Fould, und nun Marrast auch, und spricht ebenfalls gegen Rabbi Fould ‒ da war's um Rabbi Fould
geschehen, und so ging zum drittenmale der Spruch in Erfüllung: „Wenn Rabbi Schameh und Rabbi Hillel im Krieg begriffen sind, so muß Rabbi Schameh Unrecht haben.“
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@facs | 1587 |
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12
] Paris, 22. April.
Wahrhaftig, die Deutschen sind lächerlich, wenn sie mit gewichtiger Miene fragen: Nun, was haben denn die Franzosen mit allem ihrem Thun bisheran
fertig gebracht? Und wenn die Franzosen weiter nichts gethan hätten, als daß sie die „bürgerlichen Tugenden“ zu Schanden gemacht, daß sie die bürgerliche Ehrlichkeit gezwungen, offen mit
der Schuftigkeit herauszutreten, daß sie überhaupt alle Biedermänner zu Schurken gestempelt haben, so wäre dies schon unendlich viel. Die Deutschen hätten erst dialektisch nachgewiesen, wenn sie
überhaupt eine auf den Klassenkampf beruhende Gesellschaft erfaßt, wie in Folge dieses Antagonismus jede Tugend das ihr entsprechende Laster zum Gegensatz hat, und aus sich herausarbeitet. Die
Franzosen, statt auf die dialektischen Prozesse einzugehen, haben diese Tugenden zum praktischen Handeln gebracht; sie haben die republikanische Tugend des National und die Biedermännnigkeit
an's Ruder gebracht und durch ein argumentum ad hominem den Beweis führen lassen, daß diese schönen Eigenschaften, wenn sie aus dem engen Kreise des Privatlebens an das öffentliche
Bourgeoisleben dem Proletariat gegenüber treten, in ihr Gegentheil umschlagen müssen. Odilon-Barrot ist der letzte „honette“ Mann der Geschichte.
Vor sechs Jahren wurde der damalige Minister des Unterrichts, Hr. Villemain, plötzlich verrückt. Nous pouvons bien, être des gredins. ‒ „Es ist vielleicht möglich, daß wir
Schurken sind.“ Das waren die ersten Worte, die er in seiner Verrücktheit aussprach, und die er seinem Kollegen Guizot beständig ins Ohr raunte. Er war durch die Sprache der Journale so gewöhnt
daran, sich für den Mann der Tugend zu halten, daß er den in der Brust verborgenen bürgerlichen Schurken ganz vergessen hatte. In der Verrücktheit fing er an, denselben zum ersten Male zu ahnen. Die
Verrücktheit brachte den dialektischen Prozeß zur Reife und förderte den Gegensatz an's Tageslicht.
Villemain kam im Irrenhause zur Erkenntniß der Wahrheit. Was für den Deutschen der dialektische Prozeß, für Villemain das Irrenhaus ‒ das hat für die jetzige Bourgeoisregierung die
Revolution fertig gebracht. Der honette Odilon-Barrot ist genöthigt gewesen, durch die Expedition von Eivita-Vecchia sich als Schurke offen seinen Freunden darzuthun.
Der „honette Barrot“ war von jeher für die eigentlichen Bourgeois eine lächerliche Figur gewesen, aber in der Kammer repräsentirte er sehr gut das ehrliche Gewissen und bot dem
Journal des Debats einen Gegenstand der Verhöhnung dar. Anhänger hatte er nie, und konnte auch keine haben, da er ja die Interessen keiner Partei vertrat: er hatte nur Leser und Zuhörer. Der größte
Hohn, den die Revolution der Bourgeoispartei anthun konnte, war, daß sie ihr diesen Barrot als Minister aufdrang, und der größte Gewinn, den die revolutionäre Partei aus Barrot zieht, ist eben, daß
sie aus Barrot den latenten Schuften herausgezogen und öffentlich an's Tageslicht befördert hat.
Die Klugheit besteht darin, die Schurkigkeit als die nothwendige Grundlage der Ehrlichkeit, in der auf dem Antagonismus beruhenden Gesellschaft, zu bemänteln. Die Revolution hat die Klugheit Louis
Philipps gestürzt, und Napoleon trägt auf seiner dummen Stirn die grundehrliche Schuftigkeit des hochstirnigen Barrot geschrieben. Die Expedition von Eivita-Vecchia, wie sie sich herausstellt, ist der
klarste Beweis. Bekanntlich hieß es Anfangs: wir müssen in Rom interveniren, sonst kommt uns Oestreich zuvor. Also um die Einmischung von Oestreich zu verhindern, wollte Barrot-Napoleon den Pabst in
Rom wieder einsetzen. Man weiß ferner, daß bereits am 18. Februar der Pabst die Intervention verlangte, und daß Spanien und Neapel bereit waren, dieselbe in Ausführung zu bringen; Oestreich und
Frankreich sollten dieselbe moralisch unterstützen. Aber Spanien hatte kein Geld
[1588]
und die Intervention unterblieb. Jetzt tritt Oestreich auf und schlägt der franz. Regierung eine kombinirte Intervention vor und Barrot geht darauf ein. Es ist also keine Conkurrenzfrage zwischen
Frankreich und Oestreich, sondern eine reine Association; und Barrot hat zweifach gelogen und dreifach betrogen, wenn er in der Kammer sagt. Wir müssen Oestreich zuvorkommen.
Werden Franzosen und Oestreicher zusammen kämpfen gegen die Römische Republik? Das wird allgemein in Zweifel gesetzt. Für Barrot ist Rom der Pabst; er hat es offen dem römischen Gesandten erklärt,
den er gar nicht anerkennen will. Für die französischen Soldaten ist Rom die Republik, während Pabst und Oestreich und Windischgrätz für sie gleichbedeutend ist. Die Expedition von Civita Vecchia muß
unfehlbar zu ganz neuen Complikationen führen.
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@type | jArticle |
@facs | 1588 |
Paris, 22. April.
Der Moniteur promulgirt den gestrigen Beschluß der Nationalversammlung, rücksichtlich der Zeitungspresse, der uns wenigstens 45 Tage lang vor den Generalwahlen
freie Hand läßt
Oudinot ist erst am 18. April in Marseille eingetroffen.
Im Operngang herrscht einige Aufregung. Vielleicht gibt folgender Artikel hierüber Aufschluß:
„Man sagt, daß im Laufe des vorgestrigen Tages ein Befehl aus dem Ministerium nach Marseille abging, der das Pabstgeschwader im Hafen zurückhalte oder ihm andere Verhalungsbefehle
nachschicke. Wir wissen nicht, ob wir diesen plötzlichen Umschwung dem Empfange der mehrerwähnten Palmerston'schen Note (welche offenbar der Lansdowne'schen Erklärung im Oberhause vom
19. April auf die Interpellation des Lord Beaumont widerspricht) oder den unverschämten Forderungen Radetzki's, welche im Gegensatze zu der geschlossenen Uebereinkunft stehen, zuschreiben
sollen. Soviel ist sicher, daß einer der Gesandten der römischen Republik plötzlich Paris verlassen hat und nach Gaëta abgereist ist.“
[(Liberté, v. 22. April.)]
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@type | jArticle |
@facs | 1588 |
‒ (Militärbewegung.) Die Royalisten und Sozialisten, welche uns regieren, fürchten das allgemeine Stimmrecht. Heute verhinderten sie wieder die Soldaten an der Wahl ihrer
Kandidaten. Eine Wahlversammlung war ausschließlich für das Militär im Fraternitätssaale um 5 Uhr Abends anberaumt. Fm 2 Uhr wurde aber die ganze Martelstraße von einer starken Abtheilung
Stadtserganten besetzt. Der Ausschuß hatte erfahren, daß die ganze Pariser Garnison auf drei Tage configuirt sei, mithin kein Soldat die Kaserne verlassen könne. Ferner brachte man in Erfahrung, daß
280 Unteroffiziere in voriger Nacht arretirt und in die Abbaye geworfen worden seien u. s. w. Unter diesen Umständen wurde um 3 Uhr folgendes Plakat an die Eingänge des Fraternitätssaales
geheftet:
„Heute Sonnabend 21. April, Abends 5 Uhr war eine Wahlversammlung für die Armee angesagt. Mittelungen von der ernstesten Natur laufen jedoch eben bei dem Exekutiv-Ausschuß ein, welche die
Ergreifung anderer Maßregeln nöthig machen würden. Da es hierfür jedoch zu spät ist und der Ausschuß jeden Conflict vermeiden will, so benachrichtigt er hiermit die Wähler der Armee, daß die
vorbereitende Wahlversammlung nach Ergreifung der gehörigen gesetzlichen Maßregeln an einem durch die Journale bekannt zu machenden Tage der nächsten Woche stattfinden wird.
Paris, 21. April 3 Uhr.
Der demokratische Exekutiv-Ausschuß.“
[(Peuple, v. 22.)]
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@type | jArticle |
@facs | 1588 |
‒ Die „Democratie pacifique“ meldet, daß trotz der Consigne viele Militärs durch den Polizei-Cordon bis in den Fraternitätssaal drangen, und daß drei derselben
verhaftet worden sind.
‒ Die „Revolution“ veröffentlicht die Protestation mehrerer Soldaten eines Linien-Infanterie-Regiments gegen die gestrige Willkür des Ministeriums am Fraternitätssaale.
‒ Ledru-Rollin ist nach dem gestrigen Sitzungsschluß mittels eines Nachtzuges auf der Centralbahn nach Toulouse abgereist.
Er wird nur einige Tage dort bleiben und am Dienstag schon
wieder in Paris zurückerwartet.
Auch Joly, junior, ist nach Toulouse abgegangen. Ferner hören wir, daß Marrast das kommunistische Journal „L'Emancipation“ an sich gekauft habe.
‒ In den heutigen sogenannten großen Morgenjournalen wimmelt es von Protestationen Fould's, Bethmont's, Lamarre's und sonstigen Finunzwölfen.
Die Stelle, welche zu all' diesem Geheul die meiste Veranlassung gibt, lautet nach dem Moniteur folgendermaßen:
„Ledru-Rollin: „‥‥ Dieser Bankier (Lamarre) drang lebhaft in mich, ihm eine Audienz zu bewilligen. Als ich ihn in Gegenwart eines Zeugen endlich vorließ, sagte er zu
mir: Ich gehörte einem der bedeutensten Finanzhäuser von Paris an; ich kenne das Vermögen der meisten Kapitalisten in Paris; ich glaube, die Bank bedarf 30 Millionen Franken baares Geld, um die
Geschäfte nicht zu unterbrechen und die Eskomptirungen fortzusetzen. Man müßte die Mehrzahl dieser Kapitalisten in das Ministerium des Innern rufen und sie ein Engagement unterschreiben lassen (Oh!
Oh! Gährung), d. h. sie nicht von der Stelle lassen, bis diese Unterschrift erfolgt ist. (Exklamation und Gelächter.) Ich bleibe hinter dem Vorhange und werde nöthigenfalls die Exekution
leiten.“ (Große Agitation.) ‥…
@type | jAnnouncements |
@facs | 1588 |
Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 23. April 1849.
Abgefahren.
Jakob Tillmann nach Koblenz; P. Kohlbecher nach der Saar; J. Kiefer nach Mainz; M. Görgens nach Mannheim, alle geschleppt durch „Ruhrort Nr. 5“.
In Ladung.
Nach Düsseldorf bis Mülheim an der Ruhr J. Budberg; nach Andernach und Neuwied M. Pera; nach Koblenz, der Mosel, der Saar und Luxemburg Jos. Zeiler; nach der Mosel, der Saar und Trier Jac Bayer;
nach Bingen A. Hartmann; nach Mainz J. Hirschmann; nach dem Niedermain Seb. Schulz; nach dem Mittel- u. Obermain M. Roty; nach Heilbronn H. Staab; nach Kannstadt und Stuttgart L. Hermanns; nach Worms
und Mannheim And. Rauth; und (im Sicherheitshafen) Wwe. E. Müller.
Ferner: nach Rotterdam Capt. Willemsen, Köln Nr. 6.
Ferner: nach Amsterdam Capt. Wemmers, Köln Nr. 7.
Rheinhöhe: 8′ 8 1/2″ köln. Pegel.
Oeffentliche Sitzung des Gemeinderathes vom 26. April.
Tagesordnung.
- 1. Erweiterung des Kirchhofs.
- 2. Alignement in der Gereonsmühlengasse.
- 3. Erwerb des Wächterhäuschens am Sicherheitshafen.
- 4. Erbauung eines Pfarrhauses in der St. Mauritius-Pfarre.
- 5. Antrag des Kirchenvorstandes von St. Martin auf Reparatur der Kirche.
- 6. Alignement im Martinsfeld.
- 7. Zuschuß zu der Gewerbschule.
- 8. Die unerledigten Gegenstände der frühern Tagesordnungen.
Civilstand der Stadt Köln.
Den 19. April 1849.
Geburten.
Adelheid, T. v. Pet. Klöver, Gerisarb., Ketteng. ‒ Joh., S. v. Pet Jos. Gau, Steinh., Perlenpf. ‒ Hel. Ther, T. v. Joh. Dav. Schnorrenberg, Kfm, Hochstr. ‒ Friedr. Wilh, S. v.
Benj. Schmidt, Assistent bei der Steuerdirektion, Plankg. ‒ Aug. Mart., S v. Alb. Meyer, Schlosserm., Mörserg. ‒ Joh. Jos., S. v. Mart Aldenhoven, Bäcker, Follerstr. ‒ Gertr., T.
v. Jac. Breuer, Tischler, Heum.
Sterbefälle.
Jos. Jouy, 9 M. alt, Tempelstr. ‒ Sib. Jouy, 3 J. alt, Altengr. ‒ Johanna Großheim, Wwe. Blatzbecker, 70 J. alt, Eigelstein. ‒ Adelh. Kremer, 3 M. alt, Beyenstr. ‒ Math.
Schuch 3 1/2 J. alt, Hundsg. ‒ Cath. Schiefer, 11 T. alt, gr. Griechenm. ‒ Ald. Giesen 3 1/2 M. alt, Thieboldsg. ‒ Gud. Junk, geb Groß, 83 J. alt, Cäciliensp. ‒ Anna Maria
Urs. Adam, 1 J. 3 M alt, Follerstr. ‒ Johanna Hubert. Conraths, 1 J. alt, Cartbäuserg.
Den 20. April.
Heirathen.
Jos. Hub. Ludwig, Färbermeister, v. hier, u. Maria Cath. Sybertz, v. Elberfeld.
Geburten.
Anna, T. v. Ludw. Rademacher, Tagl., Butterm. ‒ Marg., T d. Joh. Wilh. Steisch, Gefang.-Aufseher, Ursulastr. ‒ Anna Maria Christ., T v. Nikol Cürnel, Omnibus-Condukteur, Lintg.
‒ Joh., S. v. Joh. Wenz, Hauskn., kl. Sandkaul. ‒ Elis., T. v. Wilh. Batzen, Schuster, Kranenbäumen. ‒ Math. Jos, S. v. H inr. Scheer, Tagl., Friesenstr. ‒ Bern., S. v.
Joh. Riemann, Tagl., Spinnmühleng. ‒ Ferd. Franz Xav., S. v. Ant. Thissen. Kfm., Plankg. ‒ Paul, S v. Theod. Gleuel, Tagl., Weißbütteng ‒ Joh., S. v. Jos. Menninger, Dachdecker,
Thieboldsg. ‒ Zwei unehehl. Mädchen.
Sterbefälle.
Maria Louise Henr. Koeber, 9 M. alt, Straßburgerg. ‒ Ciara Bungartz, geb. Schmitz, 37 J. alt, Burgm. ‒ Lambert Koerver, 6 J. alt, gr. Griechenm. ‒ Joh. March, 24 J. alt,
Musketier im 34. Reg., unverh, Garn.-Lazar. ‒ Petron. Mensinger, Wwe, Jansen, 56 J. alt, Schilderg. ‒ Anna Marg. Fink, geb. Schattal, 48 J. alt, Severinstr.
Den 22. April.
Heiraths-Ankündigungen.
Nikol. Bensberg, Schuster, Wwr., kl. Griechenm, u. Elis. Mathon, Poststraße. ‒ Joh. Heinr. Schieffer, Zuckerarb., Wwr, Entenpf., u. Kath. Schmitz, Eigelst. ‒ Peter Heltorff, Pumpenm.,
Butterm., u. Anna Kath. Florent. Wolff, Pantaleonstr. ‒ Georg Alb. Jos. Hub. Apol. Heimann, Kfm, Friedr.-Wilhelmstr., u Maria Sab. Josepha Walb. Plasmann, Wolfsstr. ‒ Peter Theod.
Müthralh, städtischer Fruchtmesser, Weiherstr., u. Agnes Groß, Fleischmengerg. ‒ Gerh. Schmitz, Drechsler, Glockenring, u. Christ Hanseler, Kammerg. ‒ Karl August Thiemann, Schuster,
Marspforten, u. Cäcil. Massau, Sassenhoff. ‒ Jos. Gielen, Kutscher, Holzg., u. Magd. Klein, zu Pesch, früher Rechtschule. ‒ Joh. Strunck, Schiffbauer, Spulmannsg., u. Kath. Elis. Küpper,
Heum. ‒ Wilh. Kaiser, Schreinerm., Gottesgnaden, u. Maria Chr Wolf, Hochstr. ‒ Joseph Friedr Lorenz. Schuster, u. Elisabeth Hector, b. Hochstr. ‒ Pet. Jos. Metternich, Schneider,
Blaubach, u. Anna Sib. Siebertz, Kämmerg. ‒ Heinr. Cremer, Schlosser, Blaubach, u. Agnes Volbach, Mülheim. ‒ Joh. Wilh. Jos. Bodden, Zuckerarb, Follerstr, früher zu Mainz, u. Gertr.
Delonge, Follerstr. ‒ Friedr. Breuer, Gärtnerknecht, Lungeng, u. Marg. Schneider, Mohrenstr. ‒ Joh. Jod. Lüchte, Schneider, Zeughausstr., u. Anna Hel Petzel, Steinfeldergasse. ‒
Joh. Dan. Julius Schmidt, Gelbgießer, und Maria Magd Ludwig, b. Huhnsg. ‒ Friedr. Wilh. Ferd. Gruch, zu Köln, u. Henr. Louise Schwarze, zu Jülich. ‒ Heinr. Kuhl, zu Bonn, früher zu Köln,
u. Maria Sophia Franz Kreuzer, zu Bonn. ‒ Andreas Milz, Schuster, Großbüllesheim, früher Lungeng., u Anna Sophia Puppe, zu Euskirchen, früher Poststraße. ‒ Pet. Heinr. Wilh. Thyron,
Schreiner, Marspforten, u. Odilia K enen, zu Zons. ‒ Gerh. Schieffer, Ackerer, zu Müngersdorf, u. Margare ha Hoffmann, zu Stotzheim, früher Ehrenstr. ‒ Theod. Boury, Bürstenm., zu
Neuwied, u. Kath. Großgarten, Follerst., früher zu Mülheim. ‒ Karl Friedrich Prahl, erster Gensdarmeriewachtmeister, gr. Brinkg., u. Karol. Hel. Dahlmann, zu Elberfeld. ‒ Joh. Knauf,
Eisenbahnarb., Thürmchensw., u. Anna Maria Schmitz, zu Merheim. ‒ Herm. Anton Biedendik, sive Bendik, Bäcker, Rheing., u. Maria Katharina Grötzenbach, zu Mülheim.
Bekanntmachung.
Die Verhandlungen über die Abschätzung des Brandschadens an den Häusern Nr. 15, 17, 19 und 23 in der Schaafenstraße liegen dem §. 45 des Rhein. Provinzial-Feuer-Societäts-Reglements gemäß von
heute ab, 8 Tage lang auf dem städtischen Steuerbüreau im Rathhause zu Jedermanns Einsicht offen.
Köln, 24. April 1849.
Das Ober-Bürgermeister-Amt, Justizrath Schenk.
Bekanntmachung.
Die Verhandlungen über die Abschätzung der Brandschäden an den Häusern Nr. 46, 48, 50, 52, 54, 56, 60, 62, 70 in der Friesenstraße, Nr. 9, 11, 13-, 13, 15, 10, 12 in der Salzgasse, Nr. 9, 4 auf dem
Rothenberg und Nr. 25 auf dem Buttermarkt liegen dem §. 45 des Rhein. Prov. Feuer-Societäts-Reglements gemäß von heute ab, 8 Tage lang auf dem städtischen Feuer-Büreau im Rathhause zu Jedermanns
Einsicht offen.
Köln, den 18. April 1849.
Das Ober-Bürgermeister-Amt, Justizrath Schenk.
Licitation.
Das in einem der gewerbreichsten Theile der Stadt Köln, Maximinenstraße Nr. 53 gelegene, theils in massiven Mauern, theils in Fachwerkswänden erbaute zweistöckige Haus von 16 1/2 Fuß Breite und 32
2/3 Fuß Tiefe nebst etwa 16 Fuß breitem und 56 Fuß tiefem Hofraume, sodann einem 12 1/2 Fuß langen und 13 1/2 Fuß breiten, in massiven Mauern erbauten, zu einer Schmiede-Werkstätte benutzten und
gleich dem Haupthause unterkellerten, einstöckigen Anbau, endlich mit Regensarg, Brunnen und Pumpe und dem in Fachwerk-Wänden erbauten einstöckigen, am hintern Ende des Hofes befindlichen Hinterbau
von etwa 14 Fuß Länge und 13 Fuß Tiefe soll in Theilungssachen Jansen gegen Thelen am Dienstag den 15. Mai d. J., Nachmittags 3 Uhr, auf meiner Schreibstube, woselost Expertise und Heft der
Bedingungen einzusehen, öffentlich versteigert und dem Meistbietenden definitiv zugeschlagen werden.
Köln, den 18. April 1849.
Fier, Notar Sachsenhausen 24.
Verkaufs-Anzeige.
Am Donnerstag den 26. April 1849, Vorchittags 11 Uhr, sollen durch Unterzeichneten auf dem Waidmarkte zu Köln, verschiedene Mobilargegenstände, als: Tisch Stühle, Ofen, Schreibpult, kupferne Kessel
etc., gegen baare Zahlung öffentlich dem Meistbietenden verkauft werden.
Der Gerichtsvollzieher, Hey.
Verkaufs-Anzeige.
Am Freitag den 27. April 1849, Vormittags 11 Uhr, sollen durch den Unterzeichneten auf dem Altenmarkte zu Köln verschiedene Mobilargegenstände, als: eine Fournaise, Tisch, Stühle, Schildereien
etc., gegen baare Zahlung öffentlich dem Meistbietenden verkauft werden.
Der Gerichtsvollzieher, Hey.
Geburts-Anzeige.
Meinen Freunden und Bekannten mache ich hierdurch die ergebene Anzeige, daß meine Frau diese Nacht von einem gesunden Knaben entbunden worden ist.
Köln, den 24. April 1849.
Wilh. Kleinenbrosch Maler.
Kendall'sche Seifen-Parfümeriefabrik.
(H. Pohlen) Hochstraße Nr. 146.
Harte Haushaltungsseife à Sgr. 3 1/4 per Pfd. 10 Pfd. für 1 Thlr. Wohlriechende Seifen à 4 1/2, 5, 6, 9 & 11 Sgr. per Pfd.
Für Auswanderer „Die Hoffnung“, konzessionirte deutsche Bureaux für Auswanderung nach Amerika.
Sämmtliche Schiffe, welche im Monat April expedirt werden, sind besetzt, dagegen werden für die am 3., 10., 17., 24. und 31. Mai von London nach New-York abfahrenden Dreimaster-Schiffe 1. Klasse
noch Anmeldungen angenommen.
Köln, 21. April 1849.
Die General-Agentur für Preußen: Vogel & Mack.
Hafenbau Rheinau.
Unter dieser Rubrik gibt uns der Stadtbaumeister Herr Harperath die Gründe an, warum ihm ein tüchtiger Landbaumeister zur Ausführung der betreffenden Bauten weit lieber ist, als ein
Wasserbaumeister, dessen Qualitäten ihm jetzt noch unbekannt sind ‒ Wir können diesen Gründen unsere Anerkennung um so weniger versagen, als wir in den fraglichen auszuführenden Bauten durchaus
keine Wasserbauten erblicken; wenn man nicht etwa die Wasserwältigung in den Fundamenten, das Baggern, die Anfertigung einer Steindossirung und das Anlegen der Fundamente im Wasser hierzu rechnen
will.
Wehe aber dem Landbaumeister, der dieses nicht gründlich versteht, er dürfte gewiß nicht in sumpfigen und quellenreichen Gegenden seine Praxis ausüben, denn dort würden dann nur Wasserbaumeister
ihre Stelle finden.
Wenn Herr Harperath nur hiesige Baumeister bei dem Hafenbau angestellt wissen will, so zeugt dieses von Patriotismus für seine Vaterstadt, indem er das Verdienst für diese Arbeiten seinen
Mitbürgern gönnt, wohl wissend, daß in Köln Kräfte genug vorhanden sind, um derartige Werke ohne Beihülfe von fremden Architekten untadelhaft auszuführen, wie uns die Werftmauer am Frankenwerfte
hinlänglich bekundet.
Wir denken, daß es daher einmal an der Zeit sein muß, alles unnöthige Heranziehen von fremden Kräften zu sistiren, so lange die eigenen ausreichen und können wir hier den Wunsch nicht unterdrücken,
daß es den Stadträthen gefallen möge, einen Beschluß in dieser Richtung zu fassen.
Köln, den 23. April 1849.
B.
Gastwirthschafts-Verlegung.
Meinen geehrten Freunden und Gönnern widme ich die Anzeige, daß ich von heute ab bis zur baulichen Herstellung meines Hauses zum Drachenfels in der „Salzgasse“, die seither in
demselben geführte Gastwirthschaft einstweilen in das wenige Schritte davon entfernte, zu diesem Zweck mit hinreichenden Räumen versehene und aufs bequemste eingerichtete Haus aufm Rothenberg Nr. 5
verlegt habe. Ich werde daselbst meine Gastwirthschaft in gewohnter Weise fortsetzen und Alles aufbieten, das Vertrauen eines verehrlichen auswärtigen wie hiesigen Publikums aufs Beste zu
rechtfertigen.
Köln, den 22. April 1849.
Mathias Hoffmann.
An die Civil-Musiker in Rheinland und Westfalen.
Die Musiker aus den Kreisen Dortmund und Bochum waren am 16 April c. versammelt, um eine Petition zu entwerfen über Beeinträchtigung durch Militär-Musiker etc. etc und überhaupt über Verbesserung
ihrer Existenz. Sämmtliche Civil-Musiker werden ersucht, sich dieser Petition anzuschließen, um durch zahlreiche Unterschriften die Sache zu fördern. Es ist daher nöthig, daß dieselben sich in ihren
Kreisen versammeln, berathen, und einen Deputirten wählen, um durch denselben ihre Wünsche resp. Anträge bei dem am 2 Mai c., Mittags 2 Uhr, am Bahnhofe zu Schwelm stattfindenden Kongreß vorzutragen
und weitern Beschluß zu fassen. Sollte es gewünscht werden, vom vorzutragenden Entwurf der Petition Kenntniß zu erhalten, so wende man sich an den Schriftführer Berghautboisten Gräfe in Bochum. Die
erwählten Deputirten werden zur obenb stimmten Zeit und am gedachten Orte zu erscheinen, eingeladen.
Die Civil-Musiker aus den Kreisen Dortmund und Bochum.
Anzeige für diejenigen resp. Familien, die sich in Frankfurt a. M. niederlassen wollen!
S. Wohl's General-Agentur in Frankfurt a. M.
Zeil Nr. 13 vis-a-vis dem römischen Kaiser benachrichtigt das auswärtige Publikum, daß sie beständig ein komplettes Verzeichniß von zu vermiethenden Lokalitäten jeder Art unterhält, und dadurch in
den Stand gesetzt ist, allen Anfor erungen auf das Prompteste zu entsprechen. ‒ „Briefe werden franco erbeten.“ ‒ „Nur nach erfolgtem Abschluß wird eine festgesetzte
Provision berechnet.“ ‒
Frankfurt a. M., im April 1849.
S. Wohl, General-Agent.
Auch 'ne Antwort auf die vielen Anfragen.
Der Zweck heiligt das Mittel. Es ist klar, daß es unzweckmäßig für die Contre-Revolution sein müßte, wenn nicht dafür gesorgt würde, daß alle Neu- und Ersatz-Wahlen, wo man nicht sicher ist
Verstärkung zu erhalten, möglichst lange hinausschoben werden. Augenblicklich ist, die Linke in Berlin schwächer wie die Rechte.
Da nun der Landkreis Köln und der Kreis Mülheim gar sehr demokratisch gesinnt ist, darf natürlich sobald nicht gewählt werden. Verstehen Sie mir?!
Brücken-Angelegenheit.
Einladung.
Alle Bürger von Köln und Deutz, denen das Wohl und Weh der beiden Städte wahrhaft und ohne Klüngel am Herzen liegt, werden hiermit zu einer Versammlung auf heute Mittwoch, den 25. April. Abends 8
Uhr, im großen Saale der Mailuft in Deutz eingeladen. um sich über den ungeheuren Nachtheil, welchen die Verlegung der Rheinbrücke und resp. Erbauung der projektirten Kettenbrücke herbeiführen würde,
zu besprechen.
Der Herr Oberbürgermeister Graeff hält die Sache gemäß seinem Schreiben an den Bürgermeister Schauerte in Deutz für sehr unwichtig, ja nicht einmal der Mühe werth, Schritte zu thun, und scheint
erst abwarten zu wollen, bis der Plan zum Angriff fertig ist, und zu glauben, daß nur Deutz allein gefährdet und daß es für Köln gleichgültig sei, wohin die Brücke verlegt würde.
Es ist demnach dringend nöthig, daß die Bürger ihrerseits um so wachsamer sind, und gemeinschaftlich einen Ausschuß wählen, der mit allen Kräften einem so großen drohenden Unglück entgegenarbeiten
muß.
Mehrere Bürger von Deutz.
Einem hohen Adel die ergebene Anzeige, daß heute Abend hierselbst „im bedrissenen Kittel“ (kurfürstl. Hotel) ein auf Spiritus gesetztes, k. preuß. Ehrenwort zu sehen sein
wird.
Hafenbau-Rheinau.
Die gestrige Köln. Zeitung brachte von einem Techniker eine Ansprache an den Herrn Stadtbaumeister, worin gesagt wird, daß der von dem Herrn Sonorée zum Hafenbau octroyirte Herr Siegling,
blos Ingenieuroffizier sei Wußte denn der unterzeichnete Techniker nicht, daß Herr Sonorée auch blos Ingenieuroffizier war; und was hat der Herr Sonorée als solcher nicht schon Tüchtiges
geleistet. Will man wissen, worin solches bestand, so wende man sich nach Bensberg und man wird Wunderdinge der Bau- und Niederreißungskunst hören. Und von einem solchen Manne will sich nun der
Stadtbaumeister keinen tüchtigen Hafenbaumeister octroyiren lassen. Der Herr Sonorée weiß was er thut, und wenn er einen eben so tüchtigen Ingenieuroffizier wie er ist vorzieht, so hat Hr.
Sonorée von seinem Standpunkte aus Recht.
Ein Nichttechniker.
Ein Flügel von Streicher aus Wien. Der Kasten v. Ahorn mit einem zweisitzgen Stuhl, worin die Noten aufbewahrt werden, und im ganzen so gut gehalten, das nichts zu wünschen übrig läßt hat
1600 Gulden gekostet, wird zu 140 Thlr. gegeben, und der Platz von 7 Fuß hat um ihn zu stellen, hat er den vierfachen Werth.
J. P. Hospelt, Höhle.
Unterrichts-Anzeige.
Es werden mehrere junge Mädchen zum unterrichten gesucht, sowohl im Feinleinwandnähen, als auch K eidermachen, Sticken und sonstigen feinen Handarbeiten.
Sibilla Fröhlich, Herzogstraße Nr. 8 eine Treppe hoch.
Theater-Anzeige.
Mittwoch den 25. April:
„Die Nachtwandlerin.“
Große Oper in 3 Akten von Bellini.
Amina, Frl. Nathalia Eschborn, als erster theatralischer Versuch.