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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 270. Köln, Donnerstag, den 12. April 1849
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Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.
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Uebersicht.
Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde. [Das Schutzgeld]). Winterscheid. (Auch ein Beispiel von Raubritterei). Trarbach. (Die Grundsteuer). Cleve. (Der v. Lützow). Berlin. (Klatsch). Königsberg. (Der Preußenverein). Falkenburg. (Eine Petition des Arbeitervereins). Aus dem Sachsenlande. (Die Kammern. ‒ Die Wiener Flüchtlinge). Kassel. (Verurtheilung eines Soldaten). Aus Franken. (Das Reichsheer). Mannheim. (Prozeß Bornstädt und Fickler).
Ungarn. (Vom Kriegsschauplatz).
Italien. Turin. (Trübe Nachrichten aus Genua). Genua. (Details).
Französische Republik. Paris. (Prozeß Menard. ‒ Soldatenklub. ‒ Verhaftungen in der Armee. ‒ Die beiden Wahlparteien. ‒ Italien und die Orangen. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung).
Spanien. Madrid. (Karl Albert nach Portugal).
Belgien. Brüssel. (Aus dem Musterstaat).
Großbritannien. London. (Statistisches).
Westindien. (Negeraufstand in St. Lucia.)
Deutschland.
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[ * ] Köln, 11. April.
Seit einiger Zeit haben wir uns mit den gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen der preußischen Ostprovinzen, insbesondere Schlesiens, beschäftigt.
Es ist auseinandergesetzt worden, welche enorme Summen die schlesische Raubritterschaft durch direkte und indirekte Prellerei aus ihren Dorf-„Unterthanen“ herausgepreßt hat und daß, wenn von „Entschädigung“ die Rede sein soll, nur das Landvolk das Recht hat, sie zu beanspruchen. Wir zeigten, daß die Herren Ritter wohlgethan hätten, das Wort „Entschädigung“ nach dem März 1848 in tiefster Brust zu versenken, um nicht einen nerven-erschütternden Gegenruf des „kleinen Mannes“ heraufzubeschwören. Aus einer noch brüderlichen Rechnung ergab sich, daß allein das schlesische Landvolk und lediglich für die letzten 30 Jahre c. 280 Millionen Thaler ‒eine französische Milliarde ‒ und einige raubritterliche Allotria noch hinzugenommen, ungefähr 300 Millionen preußische Thaler von den wieder so entschädigungslüstern gewordenen Feudalherren zurückzufordern hat.
Was von den raubritterlichen Zuständen Schlesiens gesagt worden, gilt theils in gleichem, theils in etwas geringerem Maße von ganz Deutschland, mit Ausnahme der Rheinlande, in denen die erste französische Revolution den ganzen Feudal-Mist gründlich hinwegfegte, mit Ausnahme eines Theils des rechten Rheinufers, namentlich der Gerichtsbezirke von Ehrenbreitstein und die Gegend nördlich von der Ruhr.
Indem wir also von Schlesien sprachen und von den glänzenden Geschäften der dortigen Ritterschaft unter der Firma und dem Schutze „von Gottes Gnaden“ auf Kosten des Landmannes: so spiegelt sich darin getreu jeder andere Theil Deutschlands, in welchem das Volk unter dem Alp des Mittelalters, der Zehnten, Frohnden, gutsherrlichen Zinsen etc. bisher geseufzt hat oder noch seufzt. Handelt es sich dagegen um das durch die moderne Industrie erzeugte Proletariat und dessen irische Lage, um die Aussaugung des Volks durch das bürgerliche Kapital, durch christliche und jüdische Fabrikherren und Finanzbarone: so bietet Schlesien wiederum mehr als hinreichendes Material.
Auf dem platten Lande schleppt der mittelalterliche und moderne Raubritter, der Feudalherr mit 16 Ahnen, wie der Bourgeois mit seinem Kapital, zu gleicher Zeit so viel fette Beute hinweg, als den Herren nur möglich ist, und bis wohin diese Möglichkeit geht oder vielmehr bisher gegangen ist: haben wir nach der einen Seite hin in den früheren Artikeln dargethan. Feudalherr und Finanzbaron wachsen und gedeihen nicht bloß separat nebeneinander im Blut und Schweiß des Volkes: sondern Feudalherr und Finanzbaron bilden sehr oft, wie das ebenfalls schon erwähnt worden, eine und dieselbe Person. Obgleich nun fast überall nebeneinander geübt, ist doch in dem einen Orte oder Distrikte mehr die feudale, in einem andern die moderne, die Bourgeois-Raubritterei, vorherrschend.
Später werden wir die Segnungen der Letzteren beleuchten. Heute wollen wir noch einige Annehmlichkeiten der Dominalvergnügten, Proben von „wohlerworbenen Rechten“, spezieller in's Auge fassen.
Zu jenen Annehmlichkeiten gehörte das Schutzgeld.
Zum Verständniß dieser prachtvollen christlich-germanischen Abgabe einige Worte:
Wie der „gnädige“ Gutsherr den poffessionirten Landmann, vom Bauer mit zwei und mehr Hufen bis zum Freigärtner, Frei- und Auenhäusler mittelst Grundzins, Wächtergeld, Spinngeld, Eiergeld, Besengeld, Hühnerzins, Garnzins, Wachszins, Bienenzins, Haferzins, Robotdienste, Laudemien, Marktgroschen u. s. w., u. s. w., u. s. w. auszuquetschen wußte: das haben wir bei der Berechnung der schlesischen Milliarde gesehen.
Nun gab und gibt es aber eine zahlreiche Klasse, die weder bei den „gnädigen“ Herren als Knechte, Mägde etc. in Dienst steht, noch ein Haus, auch nicht einmal ein Häuschen, die auch keinen Acker, selbst nicht einen Quadratfuß Landes, besitzt. Es ist dies die Klasse der Inlieger, der Zuhausinnewohner, der Inwohner kurzweg, Leute, die bei Bauern, Gärtnern, Häuslern eine Stube, meist ein Hundeloch, für 4-6-8 Thaler jährlich, gemiethet haben. Entweder sind's Auszügler, d. h. Personen, welche die Wirthschaft ihren Kindern übergeben oder an Fremde verkauft und sich in das zum Hause gehörige oder gar darin befindliche Stübchen mit oder ohne Ausgedinge zur Ruhe gesetzt haben, oder ‒ und diese bilden die Mehrzahl ‒ es sind arme Tagelöhner, Dorfhandwerker, Weber, Grubenarbeiter etc.
Sie Alle haben kein Haus und keinen Acker und keinen Kaufbrief, in den doch die „gnädigen“ Herren im vorigen wie in diesem Jahrhundert unter Beihülfe freundlicher Institiarien oder Patrimonialrichter gutsherrliche Abgaben einzuschmuggeln wußten, für die sie nicht einmal ein sogenanntes raubritterliches Recht aufzuweisen vermochten. Da wurde Laudemienzwang hineingebracht, wo sonst keiner bestanden, da wußte die gottbegnadete Raubgier Frohnden und Silberzinsen zu erhöhen oder neue zu schaffen, daß es eine Luft war, die so vermehrte Dominialvergnügtheit mit anzuschauen. Durch solche Zuchthausmanöver kamen dann nach einigen Jahren ganz niedliche „wohlerworbene (!!) Rechte“ zu Stande.
Aber wie den „Inliegern“ ankommen? Sollte dieser zahlreiche Theil der ländlichen Bevölkerung von den seinen Händen schlesischer Land-Piraten ganz unberupft bleiben? Nimmermehr! Man würde jene gottbegnadete Sippschaft äußerst mißkennen, wollte man voraussetzen, sie habe kein Mittel gefunden, um auch den Inliegern so viel Wolle abzuscheeren, als nur immer thunlich. Was sie ersann und ausführte, das geschah im Interesse und unter Gutheißung des Königs, der Prinzen, der Minister etc. die Alle selbst Rittergutsbesitzer, von jeder Schinderei, die gegen den oder jenen Theil des Landvolks ausgeübt wurde, ebenfalls ihren Antheil zogen und ihren Geldbeutel damit füllten.
Möge das Landvolk, wenn es sich über seine bisherigen Leiden Rechenschaft geben will, nie vergessen, daß zu seinem Nachtheil Alles, vom König bis zum untersten Patrimonialvergnügten hinab, durch ein und dasselbe Interesse zu einem Knäuel verschlungen war und noch ist, der noch fester zusammenhält, als jene Knäuel von Schlangen oder Ottern, die sich im Frühling zur Zeit der Begattung in einander schlingen und unter dem Namen „Schlangenkönige“ beim Volke bekannt sind.
Der raubritterliche „Schlangenkönig“ ringte sich um die Inlieger und forderte drohend Schutzgeld oder, wie die vornehmere Benennung lautet ‒ Jurisdiktionsgeld.
Die Patrimonialgerichtsbarkeit mußte hier den Vorwand zum Raube an den Aermsten unter den Armen dienen. Jene Gerichtsbarkeit bringt es mit sich, daß der gnädige Gutsherr die Kosten tragen muß, wenn einer seiner Dorf-„Unterthanen“ wegen eines Vergehens oder Verbrechens zur Untersuchung und weiterhin ins Correktions- oder Zuchthaus kommt. Dafür fallen auch alle Sport in der Patrimonialgerichtsbarkeit in die Kasse des Gnädigen, wobei wir von den Silberzinsen, den Robotdiensten und Naturallieferungen der poffessionirten Wirthe wie von der ungeheuern Bevorzugung der Herren bei Zahlung der Grund- und Klassensteuer, der Kreis- und Gemeindebeiträge etc. ganz absehen.
Wer ein Haus allein oder mit Acker besitzt und wegen eines Vergehens oder Verbrechens in Untersuchung und zur Verurtheilung kommt, der zahlt die Kosten selbst; sein Eigenthum wird nöthigenfalls subhaftirt.
Beim Inlieger soll im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Gutsherr für die Kriminalkosten aufkommen.
Um sich angeblich nach dieser Seite hin sicher zu stellen, wurde eben das Schutzgeld erfunden und von den Inliegern erhoben. Einige der gnädigen Herrn begnügten sich mit Einem Thaler jährlich; Andere erhoben 1 1/2 Thlr. und noch Andere treiben die Unverschämtheit so weit, 2 Thlr. jährlich diesem Theil des ländlichen Proletariats abzuverlangen. Mit diesem Blutgelde spielte und hurte es sich dann desto besser in der Hauptstadt und in den Bädern.
Wo durchaus kein baares Geld herauszupressen war, da verwandelte der gnädige Herr oder sein Amtmann das Schutzgeld in 6, 10 bis 12 unentgeltliche Hofetage. Baar Geld lacht! Wenn daher der Inlieger nicht zahlen konnte, so wurde ihm gewöhnlich der Exekutor auf den Hals geschickt, der ihm die letzten Lumpen, das letzte Stück Bett, Tisch und Stuhl wegnehmen mußte. Einige Wenige unter den gnädigen Herrn enthielten sich der Barbarei und forderten kein Schutzgeld, aber nicht, weil es ein angemaaßtes Recht war, sondern weil sie in patriarchalischer Milde keinen Gebrauch von diesem angeblichen Recht machen wollten.
So ist denn, bis auf wenige Ausnahmen, der Inlieger zu Gunsten des gutsherrlichen Beutels jahraus jahrein schändlich geplündert worden. Der arme Weber, z. B. den der Fabrikant auf der einen Seite aussaugte, mußte auf der andern bei einem Verdienst von 3-4 Sgr. täglich bei 1/2 Thaler Klassensteuer an den Staat, bei Abgaben an Schule, Kirche und Gemeinde auch noch dem gnädigen Herrn 1 bis 2 Thlr. jährlich Schutzgeld, das recht eigentlich Blutgeld zu nennen ist, entrichten. So der Bergmann, so mit einem Wort alle übrigen Inlieger.
Welchen Vortheil hat er, der Inlieger, davon?
Daß, wenn er durch Noth, Elend und Rohheit zum Stehlen oder andern Verbrechen getrieben und zur Strafe gezogen wird, er mit dem frohen Bewußtsein im Zucht- oder Correktionshause sitzen kann, daß er und die Klasse der Inlieger, der er angehört, die Gefängnißkosten dem gutsherrlichen Beutel schon hundertfach vorausbezahlt hat. Der Gutsherr hat daher ein direktes Interesse nicht etwa: Verbrechen zu verhindern, sondern nicht zur Untersuchung gelangen zu lassen. Die gutsherrliche Polizei-Praxis in Schlesien weiß davon zu erzählen.
Der Inlieger, der das Schutzgeld ‒ nehmen wir's durchschnittlich zu 1 1/3 Thlr. jährlich, 30 Jahre lang gezahlt und nicht ins Zuchthaus kommt, hat dem gutsherrlichen Beutel, von Zins und Zinseszinsen abgesehen, 40 Thlr. baar hinwerfen müssen. Dafür verzinst der Herr ein bei der Landschaft aufgenommenes Kapital von mehr als 1000 Thlr.
Welch' ergiebige Quelle die Herren Raubritter im Schutzgelde fanden, ergiebt sich aus der Thatsache, daß in den meisten Dörfern eben so viel, oft noch mehr Inlieger als Wirthe sind.
Wir erinnern uns eines der kleinsten Raubritter, der drei Dominien besaß, und von den in seinen drei Dörfern befindlichen Inliegern jährlich 240 Thlr. Schutzgeld erpreßte, womit er ein landschaftliches Kapital von circa 6000 Thlrn. verzinste.
Bedarf es noch weiteren Zeugnisses für die christlich-germanischen Segnungen? Kann die gottbegnadete Frechheit weiter getrieben werden, als wenn der arme Taglöhner mit 60 bis 80 Thlrn. jährlichen Verdienstes für seine meist zahlreiche Familie den Raubritter noch jährlich mit 1 bis 2 Thlr. Schutzgeld weiter mästen zu helfen gezwungen wird?
Nicht zu vergessen. Die das Schutzgeld zahlen, müssen, obgleich armselige Teufel, ihre Kinder auf eigene Kosten erziehen, für eigenes Geld in die Schule schicken etc. Jene Herren aber, die das Schutzgeld erpressen und empfangen und die außerdem jährlich Tausende einnehmen: erhalten zum Theil noch vom preußischen Könige aus den Steuern des niedergedrückten, zertretenen Volkes „Erziehungsgelder“. Wer das noch nicht wissen sollte, der lese das nach, was die betreffende Kommission der im vorigen Jahr auseinander gejagten Vereinbarer aus den Staatsrechnungen darüber ans Tageslicht gezogen hat.
Nicht umsonst sind die Herren Raubritter für die Staatsstreiche im November und Dezember vorigen Jahres, für die octroyirte Verfassung, für zwei Kammern, von denen die erste ihnen stets gesichert ist, und für das Königthum „von Gottes Gnaden“ mit allen wohlbekannten Anhängseln so sehr begeistert. Sie wissen sehr gut, weshalb sie's sind. In ihrem beutegierigen Geldsack sprudelt recht eigentlich die Quelle ihres Enthusiasmus.
Ist nicht z. B. der Präsident des jetzigen Belagerungsministeriums, Hr. Brandenburg, auch Einer von denen, welche direkt bei der Erhaltung des christlich-germanischen Raubsystems betheiligt sind? Dieser Mann, der jährlich 30-40,000 Thlr. Einkünfte hatte, dem in Breslau auf Kosten des steuerzahlenden Volkes ein Pallast erbaut und da hinein blos aus Berlin für 40,000 Thlr. Möbeln, dito auf Kosten des Volks, beschafft wurden: dieser selbe Mann hatte noch lange nicht genug. Als „gnädiger“ Herr der Herrschaft Domanze unweit des Zobtenberges hat er keinen Augenblick angestanden, die Inlieger in seinen Dörfern ebenfalls zur Zahlung des Schutzgeldes zu zwingen. Von ausgehungerten armen Taglöhnern, die für ihre Kinder nicht genügend Kartoffeln, geschweige denn Brod, erschwingen konnten: bezog dieser Mann „Schutzgeld“, während er für die Erziehung seiner Kinder, wie wir das in Betreff früherer Jahre bestimmt wissen, jährlich noch 800 Thlr. sogenannte „Erziehungsgelder“ bekam und wir schließen für heute mit der Frage, ob der octroyirte Ministerpräsident in Berlin, bei seinem nicht unbedeutenden Privatvermögen und seinem enormen Gehalt, auch jetzt noch jenes jährliche Almosen von 800 Thlr., wovon 10 seiner ihm Schutzgeld zahlenden Inlieger mit Weib und Kind auskommen könnten, fortbezieht oder nicht?
(Fortsetzung folgt.)
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@facs1521
[ 17 ] Cleve, 7. April.
Es ist doch ein wahrhaft beneidenswerthes Loos, als Wehrmann einem Bataillon anzugehören, dessen Kommandeur resp. Major ein so exquisiter Offizier ist, ein Offizier nach dem Herzen des Königs der Könige.
Abgesehen davon, dast Familienväter in den Krieg ziehen müssen, während die größte Masse des Linienmilitärs in den Garnisonen bleibt; abgesehen davon, daß bei der Mobilisirung der hiesigen Landwehr hauptsächlich die demokratisch gesinnten Wehrmänner brrücksichtigt worden (lag doch am Sammelplatz Wesel der Protest vor, den die Wehrmänner Cleve's im November 1848 dem Ministerium eingeschickt hatten); abgesehen davon, daß Se. Gnaden v. Haeften einigen Landwehrleuten ein wahrer Vater gewesen, ist doch Gnadens eigener Bedienter ein los und lediger Mann nicht einberufen, während an die 30 Familienväter von hier zur Land wehr abgehen mußten; abgesehen von alle dem ist folgender Fall aus des Zopfthums neuester Phase zu merkwürdig, als daß er der Oeffentlichkeit vorenthalten bleiben sollte. Unteroffizier Foerg von hier wird eines Fußübels wegen (übereinanderliegende Zehen) vom Bataillonsarzt Pankritzius, für nicht tauglich zu forcirten Märschen erklärt und die Uebertretung in das 2. Aufgebot verfügt. Hierüber kommt der ehrenwerthe v. Lützow, Major des Bataillons, und stellte dem untauglich Erklärten die Frage: Wie heißen Sie? Foerg aus Cleve. Ha so! O das hat nichts zu sagen, machen Sie nur ruhig mit, Sie haben ja damit auch bei der Linie gedient. Darauf der Wehrmann Foerg: Wenn er damals freiwillig mehr gethan, als wozu er verpflichtet gewesen, so könne dies nur anerkannt werden, keineswegs dürfe hieraus gefolgert werden, daß er jetzt „mitzumachen“ verpflichtet sei; außerdem habe sich sein Uebel jetzt noch verschlimmert. Der Arzt bemerkte noch, es sei gegen die gesetzlichen Bestimmungen, wenn pp. Foerg marschiren müßte und ersuchte seinen Ausspruch zu achten. Der Major, kurz angebunden, erwiderte hierauf: nur mitgemacht! Später versuchte Foerg noch einmal, den harten gesetzwidrigen Sinn des Herrn Majors durch Vorstellungen zu ändern. Vergebene Mühe! mit Einem „ach was dummes Zeug!“ wurden alle Gründe des Foerg niedergedonnert. Jetzt bat Foerg um Erlaubniß zur Betretung des bei Beschwerden über Vorgesetzte vorgeschriebenen Instanzenwegs mit dem Bemerken, „er sei für jetzt dem Hrn. v. Lützow gegenüber ein willenloses Geschöpf, aber kein Mensch könne ihm verbieten in dieser ihn so nahe betreffenden Angelegenheit an die öffentliche Meinung zu appelliren.“ Ich werde schon Alles verantworten, sagte der etc. Lützow. Der Bataillonsarzt ebenso human, als der Major inhuman, drang mit Entschiedenheit auf Erfüllung der gesetzlichen Bestimmungen, und was war das Ende vom Liede? Der Major erklärte: nun, wenn er nicht marschiren kann, dann soll er Trainsoldat werden. Mit Entrüstung wies Foerg dieses zurück, denn man hätte, würde [1522] er darauf eingegangen sein, dieses als Feigheit ausgeschrieen haben; hatten doch gewisse Herren beim Bataillon, die andere Männer stets nach sich selbst beurtheilen, schon ähnliches verlauten lassen. Diese Herren können den Bürgerwehroffizier Foerg nicht verdauen! Der Bataillonsarzt erklärte nun, er habe hier zum ersten Male gehört, daß es eine Bestimmung gebe, dergemäß Landwehrleute dem Train überwiesen werden könnten, nie aber wäre diese Bestimmung angewandt, wenigstens bei den vielen Kommissionen und Aushebungen, denen er beigewohnt, habe nie eine solche Ueberweisung stattgefunden. Mag nun diese alte Bestimmung auch bestehen, so liegt es auf der Hand, daß es nur eine Präventivbestimmung ist für den Fall, daß an Trainsoldaten Mangel und an Wehrmännern Ueberfluß ist; aber empörend ist eine Anwendung dieser Bestimmung bei einem Landwehrmann zu machen, der seiner Militärpflicht genügt und schon seit sieben Jahren vom Regiment entlassen ist. Bei den Aushebungen werden zum Train in der Regel solche genommen, die untauglich zu irgend einer Waffengattung sind, und giebt es der dem Train Ueberwiesenen eine Unmasse. Es ist klar, Foerg soll büßen, weil er mißliebige Ansichten hat und liegt es auf der Hand, daß eine Gesinnungsverfolgung bei der Mobilmachung einzelner Landwehrmänner stattgefunden.
Ihr Brüder habt Geduld,
Wir wissen, wer's verschuld't
Daß ihr so exerzieret
Mit steifen Knien marschiret.
Foerg ist mit dem Bataillon nach Schleswig ausgerückt; der Dr. Pankritzins ist in Essen zurückgeblieben, weil der Aesculap im Majorskleide einen vom Doktor für's Lazareth bestimmten Fieberkranken für nur mit Kopfschmerzen behaftet erklärte. Hr. Lützow ist jedenfalls ein Wunderkind.
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@facs1522
[ 113 ] Trarbach, 7. April.
Wie in der Moselgegend die Grund steuer ungleichmäßig und ungerecht, namentlich bei Weinbergen im Vergleich mit Ackerland, vertheilt und erhoben und der ohnehin so stark gedrückte Winzer seinem Ruin immer mehr zugeführt wird, davon will ich Ihnen blos ein Beispiel anführen. Dieser Tage überzeugte ich mich zu Enkirch beim Güterfortschreiben, daß ein Weinberg, 14 Quadrat-Ruthen enthaltend, der schon vor ein paar Jahren, als die Preise höher standen und Vertrauen im Verkehr vorhanden war, zu 17 Thlr. 15 Sgr. versteigert wurde, mit 6 Sgr. 8 Pfg. Grundsteuer belegt ist. Er ist, nebenbei bemerkt, von solcher Steilheit, daß man sich nur mit Mühe darin aufrecht erhalten kann. Das Ackerland, namentlich das der Hundsrückener Bauern, die denn auch „schwarzweiß“ genug aussehen, ist dagegen außer allem Verhältniß niedrig bedacht. Ein Bauer aus jener Gegend erhielt kürzlich beim Verkauf seiner Besitzung etwas über 1000 Thlr. Und wieviel zahlte er Grundsteuer? Einen Thaler! nicht mehr und nicht weniger. Die Grundsteuer als Maßstab des Werthes angenommen, hätte oben erwähnter Weinberg 222 Thlr. 6 Sgr. 8 Pfg., statt 17 ½ Thlr. kosten müssen, oder mit andern Worten: die Grundsteuer des Weinberges dürfte, da jener Bauer nur 1 Thlr. zahlt, höchstens 6 Pfg. betragen.
Dieser Tage hatten wir hier 30 Mann Einquartierung von den Koblenzer Pioniren, die Arm in Arm durch die Straßen ziehend, uns mit dem Heckerlied erfreuten. Es sind die nämlichen, zu denen früher in Saarlouis der jetzige Kriegsminister Strotha sagte:
„In Euch herrscht kein guter Geist!“
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@facs1522
[ 143 ] Winterscheid, 8. April.
Ueber den Zehnten, welcher in hiesiger Gegend dem Grafen Droste zu Vischering, Neßelrode-Reichenstein entrichtet wird, kann ich Ihnen einige nähere Auskunft ertheilen. Dieser Zehnte bestebt in der Bürgermeisterei und Gemeinde Ruppichteroth.
Ueber den Ursprung desselben sind keinerlei Nachweise vorhanden. In frühern Jahren wurde er in folgender Weise erhoben:
Der Graf schickte zur Zeit der Erndte seine Jäger in die betreffenden Ortschaften; diese unterhandelten dann mit den Einwohnern und letztere lieferten gewöhnlich nur einen unbedeutenden Betrag ab.
Späterhin wurde der Zehnte an einen Unterpächter verpachtet. Dieser richtete sich Anfangs etwas nach den früheren Abgaben, doch nach einigen Jahren wurde schon das Doppelte erhoben und wieder über eine gewisse Zeit das Drei- bis Vierfache. Zuletzt wurden gar alle eingeordneten Felder, deren hier eine Menge sind, und vordem frei waren, mit als zehntpflichtig behandelt.
In den Jahren 1829 bis 1832 hatte der Zehnte endlich eine Höhe erreicht, daß ihn die Leute nicht mehr aufzubringen wußten. Sie weigerten sich, ihn zu entrichten und endlich kams zu einem Prozesse.
Die Gemeinde Winterscheid sah sich am Ende genöthigt, ihren Zehnten abzulösen, indem sie auf dem gerichtlichen Wege wenig ausrichtete. Im Jahre 1842 wurde ihr ein Ablösungskapital von 7000 Thlr. zudiktirt.
Den Ortschaften Haenscheid, Nieder- und Oberlückerrath wurde das Ablösekapital zu 4000 Thlr. gestellt. Die Einwohner hielten sich um so mehr für geprellt, als sie wohl wußten, was sie früher entrichtet und in welchem Mißverhältniß dazu diese raubritterliche octroyirte Summe stand. Noch ärger wird diese Räuberei, wenn man bedenkt, daß ihnen die Zehntpflichtigkeit nicht einmal nachgewiesen werden konnte.
Der betreffende Prozeß ist im Jahre 1848 zu Gunsten des Grafen entschieden worden, wonach die drei letztgenannten Ortschaften ein Kapital von 7300 Thlr. (!!) zu bezahlen haben!!
Der Graf schickte neulich den Gerichtsvollzieher in die genannten Ortschaften, um die armen Leute vor Gericht zu laden. Diese Ortschaften sind so arm, daß man kaum 100 Thlr. baares Geld in ihnen auffinden würde. Die Leute ließen es aber nicht beim passiven Widerstand, sondern empfingen den Gerichtsvollzieher mit Bohnenstangen und dergleichen Instrumenten, daß demselben sein Pferd endlich vor Mattigkeit niedersank. So eben höre ich, daß deshalb eine Untersuchung eröffnet worden.
Neulich wurde dort ein Gü#chen subha#tirt, circa 40 Morgen mit Wohnung. Es wurde für 45 Thlr. verkauft, während 48 Thlr (!!) Zehnten darauf lasteten.
Was hier angeführt ist, beruhet in Wahrheit, worauf Sie sich verlassen können.
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@facs1522
[ X ] Berlin, 9. April.
Bodelschwingh war, wie wir schon vor einigen Tagen angaben, zum Konseilpräsidenten bestimmt. Es erklärt sich dieser Wunsch des Königs auch aus zwei, für seine Charakteristik merkwürdigen Momenten. Einestheils soll die Revolution und ihr Andenken ausgelöscht werden bis auf das letzte Atom, man muß zurückkehren zu dem Stand der Dinge vor dem 18. März, und auch zu den betreffenden Personen. Deshalb muß der Premier, welchen damals das Volk stürzte, seinen frühern Sitz wieder einnehmen. Andererseits aber besitzt der König ein furchtbares Mißtrauen gegen seine ganze Umgebung. Die Prinzen sind mit Spionen umgeben, der König glaubt sich von ihnen und allen seinen Dienern verrathen und verkauft. Dies Mißtrauen wendet sich sogar jetzt schon gegen die Kompagnie Manteuffel, auch dieser Mann der „rettenden That“ ist für seinen königlichen Herrn ein Untreuer geworden. So sprach er vor wenigen Tagen erst es offen aus: „Bodelschwingh ist der einzige Mann, der es mit mir noch redlich meint!“
Nach Ertheilung der Antwort an die Frankfurter hat die Prinzessin von Preußen, unsere Erzherzogin Sophie, höchstselbst in ihrem einsamen Zimmer Thränen des Schmerzes und des Kummers vergossen. Ebenso geberdet sich ihr hoher Gemahl. Als der König vorgestern zu ihm schickte, um ihn zum Kabinetsrath einzuladen, ließ er zurücksagen, „Se. Maj. möge ihn mit der Politik verschonen, so lange Sie solche Rathgeber um sich hätten!“ Man will sich für gewisse Eventualitäten populär machen, aber „man merkt die Absicht.“
Das arme Ministerium hat einen schweren Kampf. Nicht nur die Linke greift es an, auch in der Rechten ist ein tiefer Groll gegen Manteuffel etc. Wenn sie einmal, sagen selbst die Auerswald, Vincke etc. contrerevolutionär gehandelt hatten, so wäre es ihnen leicht geworden, das allgemeine Wahlrecht, mit dem sich, wie die Erfahrung zeige, nicht regieren lasse, ebenfalls zu eskamotiren. Es sei dasselbe aber jetzt ein förmliches Dogma geworden, welches sich auf gesetzlichem Wege, ohne Gewalt, nicht wieder ausrotten lasse.
Trotz der vielen Summen, welche auf unsere Polizeiverwaltung gewendet werden, trotzdem man die alten Polizisten der Zahl nach nicht vermindert und ihnen noch Constabler zur Seite gestellt hat, ist es merkwürdig, wie sehr gerade jetzt Diebstähle etc. zunehmen. Das ist erwiesen, die Constabler nutzen nichts, man kann sie höchstens zur Spionage gebrauchen, aber sie haben nicht allein den Haß des Volkes, der ihnen bei einer großen Bewegung das Schicksal der Pariser Munizipalgarde verspricht, sondern auch den der Soldaten auf sich geladen. Täglich kommen zwischen beiden feindlichen Mächten Prugeleien vor, auf welche also, wie es scheint, die erste Kammer nicht das Privilegium hat.
Der dankbaren Kaiserfarce hat sich natürlich auch der Witz bemächtigt. Buddelmey# und Andere unserer Komiker haben neuen Stoff zu jüdischen Briefen à la Moses Hersch etc. bekommen. Auch Louis Drucker läßt es an einer bezüglichen Einladung in seine vergnügte Weinhandlung nicht fehlen. Unter Andern zeigt der Tabakshändler Fahndrich an: „Kaisercigarren mit östreichischer Einlage und preußischem Deckblatt.“
Der Sieg des Herzogs von Coburg bei Eckernförde über die dänischen Kriegsschiffe wird im Kleineu ein neues Navarin werden. Der Herzog ist nämlich sehr unvorsichtig gewesen, man wäre hier zufriedener, wenn er die Dänen hätte entkommen lassen, da man beabsichtigt, den Krieg gegen den „aimablen“ König mit zarter Rücksicht zu führen. So ist aber die Geschichte ein sehr unbequemer Sieg geworden und an der Börse äußerte man schon, „wahrscheinlich würden beim Friedensschluß die Schiffe doch aus unserer Kasse bezahlt!“ Das ist doch noch ein edelmüthiger Krieg!
Die Gesellen aller Gewerbe hatten hier bis jetzt besondere Kranken und Sterbekassen, zu denen jeder beitragen mußte, um als Kranker entweder in der Charite oder durch einen besondern Arzt in seiner Wohnung verpflegt zu werden. Der Magistrat hatte bis jetzt durch einen besondern Kommissarius die Oberaufsicht und es wurden demungeachtet manche Unterschleife bemerklich. Die Gesellen machen gegen ein solches Protektorat Opposition und wollen jetzt ihre Kassen selbstständig verwalten.
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@facs1522
[ * ] Falkenberg, 6. April.
Arbeiter! Wir haben die nachstehende Petition an die zweite Kammer gerichtet; wir fordern euch auf, in unser aller Interesse dieselbe oder ähnliche Petitionen recht zahlreich zu unterzeichnen, und ebenfalls an die Kammer einzureichen, damit diese kräftig daran gemahnt werde, was sie uns schuldig ist. Von den Demokratenvereinen, die es wirklich redlich mit der Sache der Arbeiter meinen, erwarten wir, daß sie bereitwillig die Petition unter die Arbeiter verbreiten und deren Unterzeichnung veranlassen werden. Es ist das um so mehr ihre Pflicht und nothwendig, als die Arbeiter noch so wenig organisirt sind und Mittel haben, es zu können, und als sie selbst kaum wissen, was und wie viel sie bedürfen.
Die socialen Zeitblätter dürfen wir nicht erst bitten, sich der Sache anzunehmen.
Der Arbeiterverein des Kreises Falkenberg in Schlesien.
Hohe zweite Kammer.
Wieder greifen die Hungerseuchen um sich und erinnern von Neuem furchtbar mahnend unsre Regierung an ihre Pflicht, aber wir hoffen von ihr, der alten Genossenschaft Bodelschwing's, keine Hülfe, wir wissen, sie wird uns fort und fort verhungern lassen, wie sie es bisher gethan hat, darum wenden wir uns an Euch, unsre erwählten Vertreter und Fürsprecher, an Euch, die ihr unsrer Wahl Eure Parlamentssitze verdankt, und fordern von Euch:
Brod.
Allerdings hat in der ersten Kammer der Kattunfabrikant Herr Milde beantragt, zur Beruhigung der Arbeiter in der Adresse die sociale Frage zu berühren, und wir wollen glauben, daß dieser Herr wirklich in dem Wahne steht, uns mit solchen Redensarten satt machen zu können, aber bei Euch, den Abgeordneten des Volkes, setzen wir eine andere Anschauung der Sache voraus, von Euch erwarten wir nicht herzruhrende ausgesprochene sociale Redensarten, sondern wirkliches ernstes Eingehen in die materiellen Einzelnheiten der Frage und danach schleunige, kräftige Hülfe, durch entsprechende Gesetze. Darum erlaubt uns eine kurze Schilderung des Bedürfnisses und der Lage der Arbeiter, weil wir glauben, daß diese Euch zur Richtschnur Eures Handelns dienen wird.
Die Statistiker rechnen eine Familie gewöhnlich zu 6 Köpfen, Mann, Frau und 4 Kinder; eine solche Familie bedarf zu ihrem nothdurftigen Lebensunterhalt im Jahr
Brod, 2 Erwachsene täglich 1 ½Pfd., jedes à 6 Pf. das Pfd. macht 18 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf.
4 Kinder täglich 3 ¼ Pfd., jedes á 6 Pf. das
Pfd. macht
18Thlr.7Sgr.6Pf.
Gemüse, als Hülsenfrüchte. Kartoffeln u. dgl.
2 Erwachsene, jedes für 6 Pf. täglich, macht
12Thlr.5Sgr.Pf.
4 Kinder, jedes fur 3 Pf. täglich, macht12Thlr.5Sgr.Pf.
Fleisch, Butter, Käse u. s. w., 2 Erwachsene, jedes für 1 ½ Sgr. täglich, macht36Thlr.15Sgr.Pf.
4 Kinder, jedes für 9 Pf. täglich, macht36Thlr.15Sgr.Pf.
Salz 3Thlr.Sgr.Pf.
Bier, 2 Erwachsene, täglich jedes für 6 Pf. macht12Thlr.5Sgr.Pf.
Milch, 4 Kinder, täglich jedes für 6 Pf. macht12Thlr.5Sgr.Pf.
Kleidung, der Mann Rock, Arbeitskittel, Beinkleider12Thlr.Sgr.Pf.
Hemden3Thlr.Sgr.Pf.
Tucher, Kopfbedeckung, Kleinigkeiten3Thlr.Sgr.Pf.
Schuhwerk6Thlr.Sgr.Pf.
Die Frau, Kleider, Unterrock8Thlr.Sgr.Pf.
Hemden3Thlr.Sgr.Pf.
Tücher, Hauben, Strohhut, Kleinigkeiten4Thlr.Sgr.Pf.
Schuhwerk4Thlr.Sgr.Pf.
Die 4 Kinder à 6 Thlr.24Thlr.Sgr.Pf.
Wohnung12Thlr.Sgr.Pf.
Heizung und Licht16Thlr.Sgr.Pf.
Unterhaltung des Hausrats und Bettzeugs10Thlr.Sgr.Pf.
Arbeitszeug8Thlr.Sgr.Pf.
Steuern und Abgaben2Thlr.Sgr.Pf.
Außerordentliches17Thlr.25Sgr.Pf.
Zusammen 300 Thlr.
Da nun der Mann 300 Tage im Jahre arbeitet, und die Frau, die viel schwächer ist und viel durch die Besorgung des Häuslichen abgehalten wird, nur etwa so viel verkäufliche Arbeit leisten kann, als 150 Mannsarbeitstage betragen, so müßten durch 450 Mannesarbeitstage 300 Thlr. verdient werden können, oder der Mannestagelohn müßte auf 20 Sgr. stehen, sollte eine Arbeiterfamilie so leben können wie hier veranschlagt worden ist.
Je weniger wir nun glauben, daß irgend Einer unter Euch, unseren Abgeordneten, ist, der nicht anerkennt, daß dieser veranschlagte Lebensunterhalt, der, um ihn haben zu können, einen Lohn von 20 Sgr. täglich erfordert, das Wenigste ist, was man noch menschliches Leben nennen kann, desto mehr sind wir überzeugt, daß Ihr sofort die Nothwendigkeit schleunigster thatsächlicher Hülfe begreifen, vom tiefsten Mitleid mit uns durchdrungen sein werdet, wenn Ihr bedenkt, daß wir mit der schwersten angestrengtesten Arbeit nur den fünften Theil jenes nöthigen Lohnes verdienen können, da der Tagelohn des Mannes hier 3, 4 bis 5 Sgr., der der Frau 2, 3 bis 4 Sgr. steht. Wenn Mann und Frau zusammen trotz alles Sinnens und Denkens auf Besserung mit allem Fleiß die Woche nur 1 Thlr. 12 Sgr., oder auf den Tag 6 Sgr. verdienen können, sagt Ihr Herren Abgeordneten, was sollen sie dafür wohl zuerst anschaffen; satt Brod und Kartoffeln für sich daß sie wieder arbeiten können, und für die Kinder? Wohl, aber wo wurde dann Wohnungsmiethe herkommen, wo im Winter Holzgeld, daß unsere, nur mit Leinwandlumpen bedeckten Kinder in den dünnwandigen Lehmkammern nicht erfrieren, wo das Geld, um die, wenn auch ärmliche, doch reinliche Kleidung, die die Vornehmen immer bei uns verlangen, zu bezahlen?
Ihr Herren Abgeordneten der zweiten Kammer werdet nun wissen, warum Ihr so viele, nur mit schmutzigen Lumpen bedeckte kraftlose Gestalten in Eurer Heimath seht, Ihr werdet sie ferner nicht mehr für liederliche Vergeuder des Verdienten halten, denen Ihr, wie der geh. Hofrath Dieterici in d#r 7. Sitzung der ersten Kammer that, auf ihr Bitten rathet, helft Euch selbst durch Thätigkeit und Sparsamkeit, sondern Ihr werdet einsehen, daß solches, heute gegen uns ausgesprochen, Hohn ist, und Ihr werdet den Grimm gegen Alles verstehen, der uns erfüllt, wenn z. B. vor unsern Augen nsrer Gutsherren fette Merinos und Rinder die Kartoffeln in reichem Maß verzehren, von denen wir so gern nur einige wenige hätten, unsere verhungernden Kinder damit zu sättigen. Ja, fragt Eure Statistiker, fragt selbst Herrn Geheimrath Dieterici und er muß sagen, daß es unsere Kinder sind, die massenweis verschmachten, die die Sterblichkeitslisten so schreckenerregend fullen, und glaubt Ihr da nicht, daß auch wir Vatergefühle kennen, daß auch in der bleichen Arbeiterin ein Mutterherz schlägt, das gern für sein Kind einen andern Wunsch haben möchte, als den: stirb, damit du solcher Noth entgehst
Bei Euren Kindern! Ihr müßt uns h#lfen, Ihr müßt das ändern, darum, so oft Ihr in Berlin des Hofes glänzende Uniformen sehet, denkt auch unsrer Lumpen, und wenn Ihr für die Arbeit des bloßen Schreibens eines Namens eine Civilliste von Millionen dekretiren werdet, dann erlaßt auch ein Gesetz, das bestimmt, daß für unsre schwere Arbeit uns
ein Tagelohn von 20 Sgr.
werden muß, ein Lohn, doch hinreichend unsern Hunger zu stillen, unsere Bloße zu decken.
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@facs1522
[ X ] Königsberg, 5. April.
— „Die Königsberger Demokraten haben sich um das Vaterland wohl verdient gemacht.“ Wir unterschreiben diesen Satz nicht, aber einsichtsvolle Preußenvereiner — es giebt deren — sagen es sich im Verborgenen und unsere Demokraten müssen beschämt eingestehen, daß sie eine Partei, die während ihrer Geburt schon der Verachtung preisgegeben, erst gekräftigt und organisirt haben. Wir sind am Ausgange des Winters. Die Reaktion blüht und der Starrkrampf hält unsere Demokratie darnieder. Wohl wird die Frühlingssonne die Träumer wachrütteln; mögen sie dann aber auch die bittere Erfahrungen, die sie seit Jahr und Tag gemacht, nicht verschlafen haben, sondern zeigen, daß sie was gelernt! Einstweilen spielt der Preußen-Verein die erste Geige. Er hält seine Versammlungen der großen Anzahl seiner Mitglieder wegen noch immer gleichzeitig in vier verschiedenen Lokalen und übt täglich merklichern Einfluß, der hauptsächlich Lieferanten, Arbeitsunternehmern und Handwerkern fühlbar ist. Nach und nach werden diese von allen Arbeiten, die von königlichen Instituten vergeben werden, ausgeschlossen, wenn es ihrer politischen Ueberzeugung widerstrebt, dem schwarz-weißen Verein beizutreten. Vielleicht heißt der letzte Paragraph der Statuten dieser „toleranten“ Preußen: „Wer dem Vereine nicht beitritt soll verhungern!“
Nächster Tage schicken die wüthenden Reactionärs eine herrliche Adresse an das Kaiserl Königl. Preuß. Staatsministerium, in der sie dieses anflehen, der Stadt jede Betheiligung an der „unnützen“ Bürgerwehr zu erlassen. Wir haben ja „mein herrliches Kriegsheer“, das seinen Ruf in Friedenszeiten glorreichst bewährt, wozu so plebeje bürgerliche Institute?! Die Petition lag an 8 verschiedenen Orten aus und trägt zahlreiche Unterschriften.
Anders noch offenbart sich der Kretinismus der „Grauen“ in einer Aufforderung zu Beiträgen für das den berliner Märzschlächtern zu errichtende Denkmal: „Tapferkeit vor dem Feinde (dem Volke) ist eine glänzende Selbstbeherrschung und hingebende Entsagung, dem höhern Willen gegenüber, eine stille, deßhalb aber nicht minder erhabene Tugend des Soldaten. In den denkwürdigen Märztagen des Jahres 1848 sind beide von preußischen Soldaten in Berlin in einer Art geübt worden, wie sie geeignet ist, einen neuen Zweig in den nie welkenden Kranz des Ruhmes der Armee zu flechten, und patriotische Männer sind dort zusammengetreten, um durch Errichtung eines Denkmals hiervon vor der Nachwelt Zeugniß abzulegen. Auch unsere Provinz wird Verlangen tragen u. s. w. — — “
Das von Preußenvereinern gebildete „Provinzial-Wahl-Comité für Volksfreiheit (schlau!) und konstitutionelles Königthum“ (sehr schlau!) hat Wasser auf seine Mühle erhalten. Es jubelt laut über die „feierliche Anerkennung“ seines „unerschütterlich festgehaltenen Grundsatzes“ durch beide Kammern, in deren Antwort-Adressen auf die Thronrede klar und deutlich ausgesprochen stehe: „daß die Verfassung vom 5. Dezember pr. das rechtsgiltige Grundgesetz des preußischen Staates sei etc.“, und indem es erklärt: es wäre „jeder Protest dagegen null und nichtig“ fordert es alle mit ihm „auf gleichem Boden stehenden Mitbürger“ auf, solchen Zweifeln und Protesten überall entschieden entgegen zu treten.“ — Unsern lieben Kammern sollen wir von diesen lieben Herren einen Knix machen, ihnen schönsten Gruß entbieten, und freundlich danken für die Liebe, mit der sie sich der „guten Sache“ so hübsch angenommen haben.
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[ 15 ] Aus Sachsen, 9. April.
Erlauben Sie mir einen Beitrag zu Ihren jüngsten Korrespondenzen über unsere schulmeisterlichen Vaterlandslappen.
Sachsen hat sich von jeher und in jeder Beziehung für ein unübertroffenes Eldorado von Volkommenheit gehalten und wer einem Liliput- und Ameisendasein Geschmack abgewinnen kann, wird ihm die naive Schulmeisterüberzeugung nicht ganz verargen können. Wären die von der Metternichspolitik künstlich geschaffenen Schwerpunkte des absolutistischen Deutschlands nicht in Wien und Berlin, oder wären dieselben so leicht zu kassiren, man würde behaupten können, Sachsen allein könne der naturwüchsische Centralpunkt des nun abermals reichsbankrotten einen und freien Deutschlands sein. Dazu gehört indessen die Pulsader der revolutionären Gewaltigkeit, und diese ist bei uns am allerwenigsten zu Hause. Sachsen hat niemals eine Revolution gemacht, der Pariser Sturm hat hier nur kaum sichtbare Welchen angeregt Man zog es vor, sich gar nicht zu regen; man behielt die alte patriarchalische Bundestagsverfassung mit ihrem Landtag, ihrem absoluten Veto, ihrer Steuerverweigerungsohnmacht, ihren zwei Kammern und ihrem andern mitteralterlich aufgewärmten Brei, statt dieselbe mit einem energischen Ruck, der im März wenig Kühnheit erforderte, über den Haufen zu werfen. Dafür ergab man sich einer sächsischmatten politischen Ameisenthätigkeit. Mit einem neuen, ganz den Ausdruck des Landes tragenden guten und gemüthreichen Ministerium ohne Stachel und Geist, fabrizirte man vom März bis November an einem liberalen Wahlgesetz, an einem liberalen Preßgesetz, an einem liberalen Vereinsgesetz. Im November hatte die Reaktion auswärts gesiegt, die Kammern stürzten daher, wie sie blödsinnig behaupten, das liberale, gutmüthige Ministerium, und ließen sich rasch ein reaktionär-fanatisches Ministenium Held aufoctroyiren. Da sie dasselbe angeblich bona fide, d. h. in germanischer Bornirtheit, gestürzt hatten, so behielten sie vorläufig noch die öffentliche Meinung des Volks und galten in den Augen der zwischen Olmütz und Potsdam Spießruthen laufenden sächsischen Reaktion (Contrerevolution geht zu sehr über sächsische Mattheit hinaus) selbst für republikanische Hochverrathskneipen. Man hatte unter dem verzagten Ministerium Braun schöne, immer aber höchst bescheidene Phrasen gemacht, welche das gegenwärtige Spießruthen- [1523] ministerium den argen Muth hatte, zu ignoriren, die Ausführung zu verweigern. Jetzt galt es, sich zu zeigen, die Ehre des Landes zu retten. Wirklich entschloß man sich zu einem Mißtrauensgalopp, stolperte jedoch dabei über sächsische Mattheit und sächsische Feigheit. Auf diese Weise hat es sich entschieden herausgestellt, daß der energische, freisinnige Nymbus, mit welchem die sächsischen Kammern seit den Wahlen und durch dieselben umhüllt worden, nichts gewesen und nichts ist, als sächsisch-liberaler Dunst.
Die sächsischen Kammern, wie die sächsische Presse stehen in ihrem centraldeutsch-furchtbarsten Aufschwung kaum an der Linie der liberalen Bourgeoisie. Joseph z. B., der Präsident der ersten Kammer, welcher bei uns als radikal gilt, ist nichts weiter, als einer der intriguantesten und raffinirtesten Bauernschinder des Landes; der Egoismus ist das einzige Motiv seines Handelns, er paßt daher an die Spitze der ersten sächsischen Bourgeoiskammer. Hensel, der Präsident der zweiten Kammer, ist eine an sich unbedeutende Persönlichkeit, die sich von Joseph leiten läßt und in Bertling ihren gehorsamen Generaladjudanten besitzt. Wer einem Schock Sitzungen beider Kammern beiwohnt, dem durfte das innere Triebrad derselben schwerlich lange ein Geheimniß bleiben. Dies innere Triebrad heißt: ministerielle Ambition, Verfolgung ganz gewöhnlicher Bourgeoisinteressen. Unter diejenigen, welche die ministerielle Kandidatur am unverschämtesten treiben, gehören neben den Genannten der bauernschindende Advokat Wehner, der Schulmeister Köchly, die mauvais sujets Meyer und Blankmeister nebst einigen Mädchenfibelvirtuosen à la Berthold. Die meisten dieser Herren machen Opposition, sind aber keine und würden als Minister die unverschämtesten Bourgeoisritter. Das Proletariat nennen sie Pöbel, dem der Präsident Joseph am allerwenigsten hold ist.
Daß der Wiener Flüchtling, genannt Dr. Chaiffes, in Dresden falscher Wechsel wegen verhaftet worden, wird Ihnen bereits bekannt sein. Der größte Theil der Wiener Flüchtlinge spielt im Exile die Rolle fort, die in Wien gespielt wurde. Die östreichische Bewegung ist bekanntlich nur darum untergegangen, weil sie in den Händen blödsinniger Schuselka's, schacherschuftigen Juden und bestiendummer Czechen (Zigeuner) geblieben. Beobachten Sie z. B. die Juden in ihrem Exile, so werden Sie finden, daß sie überall wie zu Hause sind. Sie exploitiren den Titel Wiener Flüchtling börsenmäßig geschickt, dienen überall der geheimen Polizei, arbeiten in alle Blätter, die viel abwerfen, sind, wie mans für einige Thaler nur haben will, gleichzeitig Socialisten, Kommunisten, Konstitutionelle, vor allem aber immer Juden, Bourgeois. Die Religion ist ihr Schacher und ihre Politik, und die Politik und der Schacher sind immer und ewig wieder ihre Religion.
Nachdem Chaisés (Kaïses ist sein wahrer Name) in Wien den Danton-Achilles ohne besondere Gefahr gespielt, floh er zuerst nach Breslau und dann nach Dresden. Man warf ihm vor, er habe seinen Klub geplündert und Summen aus einer ihm anvertrauten Kasse entwendet. Chaisés ließ sich's wohl sein in Dresden, und stellte sich regelmäßig auf der Brühl'schen Terrasse mit dem Motto ein: Ich bin der berühmte Chaisés und Barrikadenheld. Viele Zeitungen ließen sich in Alarm setzen. So auch die demokratische Dresdener Zeitung, welche eine ellenlange Rechtfertigungsschrift Chaisés's über die Kassenentwendung aufnahm, und sich wie ihre Sache damit blamirte. ‒ Mit Kaïses ganz in demselben Range dürften die als Wiener Flüchtlinge spekulirenden Juden stehen: Silberstein, Kolisch (politischer Taglöhner bei dem Buchhändlerbourgeois Wigand), Reinisch (Korrespondenzschacherer in Breslau), Deutsch (auf der Wanderung), Neustadt (czechischer Korrespondenzler und profitwüthiger Giftmichel des konstitutionellen Blödsinnes aus Böhmen, auf der Wanderung am Rheine), Friedmann (früher Gerad' aus, jetzt krumm für die Grenzboten), Ekard (demokratischer Feldprediger), u. s. w. Der gewesene Oberrabiner der Wiener Demokratie, ensin Tausenau, befindet sich in Paris Als es in Wien Ernst wurde, floh der Kumpan nach Ungarn; als es in Ungarn Ernst wurde, floh der Kumpan als Pelzhändler nach Paris. ‒ Trotz alledem und alledem gelten diese Leute beim Volke noch immer für Märtyrer und hochherzige Demokraten. Sie werden daher ihre Haupterndte noch halten, wenn Wien wieder zugänglich wird, und sie als berühmte Dulder dahin heimkehren. Neben und mit den Benannten macht sich in Dresden noch ein Subjekt Namens Dr. Ebeling bemerkbar. Derselbe gab sich in Wien für einen Agenten der sächsischen Regierung aus, betrug sich als solcher sehr privilegirt, heirathete verschiedene magyarische Magnatinen, stellte den Redakteur Schwarzer im Namen der sächsischen Regierung über sein Benehmen gegen die Journalisten zur Rede, und floh dann zurück nach Sachsen. Hier vertraute er einem Sorglosen, er sei niemals Agent der sächsischen Regierung gewesen, sei überhaupt kein Sachse, sondern paßloser Preuße und Wiener Flüchtling. Ein stolzes Leopardengewand macht den Herrn auf 200 Schritte Entfernung in der Straße kenntlich; ein Polizeikommissarius ist gewöhnlich sein Vertrauter, nachdem es in Wien die rothe Feder gewesen. Der Spion hat ach die Mühe gegeben, dem österreichischen Gesandten in Dresden siuch einige frühere Nummern der Neuen Rheinischen Zeitung, welche Korrespondenzen aus Wien enthalten, gehorsamst zu überreichen, und fünf Thaler, welche ihm zur Abgabe an den im Oktober so tapfern Wiener Flüchtling, den ehemaligen k. k. Lieutenant Kuchenbäcker (jetzt in Brüssel), von einem Dresdener Wohlthäter anvertraut worden, für sich zu behalten. Ich würde sie nicht mit diesen infamen Jämmerlichkeiten unterhalten, wenn es nicht höchst nöthig wäre, die Böcke von den Schafen zu sondern. Ich kann edle, aufrichtige und reine Demokraten nicht genug vor diesem Gesindel warnen, das namentlich den Arglosen mit seiner Freundschaft beehrt, um ihn dann zu verrathen oder zu plündern.
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@facs1523
[ 15 ] Kassel, 9. April.
Die Hochverrathsprozesse kommen allmählig wieder in Aufnahme. Heute stand vor den Schranken des Militärgerichts ein Soldat, angeklagt der Majestätsbeleidigung, weil er einhier sehr gewöhnliches Lied:
Vivat die Republik Unsern Fürsten haben wir dick etc.
auf der Straße gesungen. Ein Korporal hatte ihn denuncirt. Nun bestritt zwar der Vertheidiger des Angeklagten, Herr Heise, die Competenz des Gerichtshofes nach Artikel 9 der Grundrechte, doch wurde der arme Sünder des Vergehens schuldig erkannt und in Rücksicht auf sein sonstiges Verhalten zu 4 1/2 Monaten Dienst in der Strafkompagnie, die ihre besondere Freuden haben soll, verurtheilt. Vielleicht wäre er anderswo noch nicht einmal so billig weggekommen
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[ 224 ] Aus Franken, 4. April.
Das sonst so gemüthliche Frankenland war in neuester Zeit sehr bewegt und lebhaft geworden durch die Mobilisirung unseres „Reichsheeres“, das ganze Land wimmelte plötzlich von blauweißen Reichskroaten und durch alle Straßen der Stadt tönte kriegerischer Lärm. Den Tag über nichts zu hören als das Gerassel der Pulver- und Munitionskarren, das widerliche Kommandorufen, die sekundenweise Wiederholung des auch bei Ihnen vielbeliebten und vielbekannten Rufs: „Zarucker;“ dazu die possierlichsten Erscheinungen zurückberufener zerlumpter Reichsgensd'armen, die scheußlichen, aller Disciplin und Menschlichkeit hohnsprechenden Gebehrden des ganzen trunkenen Kriegsheeres, das Verhöhnen und Insultiren aller Nichtkroaten, das Alles gehörte in den letzten Tagen zu unseren täglichen Erlebnissen. Rechnen Sie dazu die neugierigen Mienen der erstaunten Menge, die einfältige Sprache politischer Bourgeoiskannegießer, die naive Rede des verdutzten Landmannes: „Sollt' ma dann nit denka, daß die Fransusa seyn im Land!“ endlich das ewige Einerlei in dem Bierkneipengeheul, nämlich das den Soldaten zum Bänkelgesang oktroyirte herzzerreißende Lied:
„Heil dir in König Maximilians Kronenglanz,
Heil bairische Treu!!!“ ‒
und Sie werden mir Recht geben, daß die ganze Wirthschaft auf den Unbefangenen einen höchst komischen Eindruck machen mußte. Nach diesen „kleinen Vorbereitungen“ ging erst recht der eigentliche Kriegstumult los.
Den Tag über durchzogen mobilisirte Kolonnen Städte und Märkte, um sich nach Schleswig bringen zu lassen, des Nachts wirbelte der Generalmarsch durch alle Gassen, um den friedliebenden Schlafhaubenbürger aus der süßen, langewohnten Ruhe aufzurütteln und auch den erbärmlichsten Winkel auf die Wichtigkeit des Ausmarsches aufmerksam zu machen. Früh Morgens beim Ausmarsch ihrer saubern Schutzbrüder hatten manche Städte sogar die Straßen illuminirt, durch welche sie ziehen mußten, die Meisten natürlich aus Freude über den Abschied. (Eitle Freude!) Vor der Stadt draußen wurden sie jedesmal en masse auf Wägen gepackt, um ja recht behutsam nach Schleswig-Holstein gebracht zu werden. Dennoch ereigneten sich dabei mehrere Unglücksfälle, was sich bei der barbarischen Trunkenheit dieser Menschen nicht anders erwarten ließ, vielleicht die ersten und die letzten Unfälle auf dem ganzen Dänenzuge. Der Eine brach den Arm, der Andere das Bein, der Fahnenjunker des 13. Regiments stolperte gar über einen Steinhaufen und brach die schmutzige Fahne mitten entzwei (völlig wahr!), was sogleich von den holzköpfigen Bourgeois für ein unglückliches Vorzeichen ausgebeutet wurde. Allerdings wird euer Panier, hinter dem ihr euch feig verkriecht, sammt seinen Trägern bald zerrichtet werden, aber nicht in dem Schleswig'schen Diplomatenkrieg, sondern in dem nächsten bevorstehenden Volkssturm! Wohlgemerkt, ein Theil der Armee ist nicht nach Schleswig, sondern nach Thüringen bestimmt, um die sächsischen Reichsbrüder in ihren Banditenstreichen abzulösen, resp. zu übertreffen. „Es kommt nichts Besseres nach,“ diese Worte müssen wir dabei leider unsern armen, schon so vielfach gequälten Thüringischen Brüdern nachrufen! Uns aber leben sie einstweilen Alle recht wohl!
Jene in der Stadt Bayreuth verübten Schandthaten unsrer bairischen Kroaten sollten bald eine würdige Nachahmung finden. Der in Nürnberg stattgefundenen „Exzesse“ gar nicht weiter zu gedenken, war es in den jüngsten Tagen der Stadt Würzburg vorbehalten, dieselben auch in diesem Theile von Franken zur weiteren Ausführung und standrechtlich-historischen Geltung zu bringen. Die in einem dortigen Brauhause versammelten Proletarier hatten, wie von allen Seiten unbedingt zugestanden wird, den Soldaten auch nicht die geringste Veranlassung zum Streite geschweige denn zu einer blutigen Metzelei gegeben, als mehrere dieser tapfern Bursche (feig vor dem wehrhaften Feind!) mit Gewalt sich an die Proletarier hinüberdrängten und sie so lange, anfänglich mit Worten, dann auch thatsächlich neckten, bis sich allmählig ein hitziges Gefecht entspann. Die Proletarier waren dabei entschieden im Nachtheil theils an Zahl, theils an Waffen; denn jene Mordgesellen zogen allsogleich wieder ihre haarscharf geschliffenen Säbel und hieben auf ihre glücklichen Reichsbrüder recht wacker ein, wie wenn es gegen den hitzigsten Feind ginge, wogegen die Arbeiter nur spärlich mit herbeigeholten Knitteln sich vertheidigen konnten. Auf beiden Seiten gab es indeß viele Verwundete, Schwerverwundete natürlich nur auf Seite des Proletariats. Später wendete sich die rasende Tapferkeit dieser Helden gegen das Eigenthum des Wirthes. In der ganzen Lokalität wurde unbarmherzig Alles demolirt, kein Fenster, kein Geschirr blieb ganz, Tische und Stühle wurden in tausend Trümmer geschlagen kurz, was nicht den Weg auf die Straße fand, wurde von den haarscharfen Messern rein weggefegt. Die Zerstörung war gräulich, dazu mußte sich der Wirth selbst vor den Unmenschen eine Zeitlang aus seinem eignen Besitzthume flüchten, bis die Kroaten ausgetobt und sich höchst befriedigt über ihr ungestörtes Bluthandwerk zurückziehen konnten. Weder der in andern Fällen so geschäftigen Polizei, noch irgend einer anderen Schergengewalt hatte es nämlich beliebt, sich ins Mittel zu schlagen. War ja doch das Militär mit seiner trefflichen Bewaffnung mehr als hinreichend „Ordnung und Ruhe,“ wenn auch nur in ächt krosatisch-kosakischem Sinne herzustellen!
An demselben Tage gab die Haute-Bourgeoisie diesen Reichsbanditen einen Ehren- und Dankschmaus für ihre „taktvolle“ Aufführung (?!) und ihre traute Gesinnungsgenossenschaft; ja viele behaupten, manche der dort von der Bourgoisie traktirten Unteroffiziere und sonstiger Reichshelden hätten unmittelbar selbst Theil genommen an der abscheulichen Kroatenorgie!
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@facs1523
Mannheim, 9. April.
Folgendes offizielle Aktenstück in Betreff des Prozesses gegen Fickler, Bornstedt, Steinmetz und Genossen, ist dem Angeklagten Bornstedt am 28. vorigen Monats eröffnet worden.
Großherzoglich badisches Hofgericht.
Freiburg, den 24. März 1849.
H. G. Nr. 1704. II. Senat.
Dem A. v. Bornstedt zu eröffnen, daß die ihn betreffenden Untersuchungsakten wegen ihres Zusammenhangs mit den Untersuchungen gegen andere gleichzeitig vor das Schwurgericht zu stellende Angeklagte dermalen hier nicht entbehrt werden können, daß man aber dafür sorgen werde, daß er vor den Verhandlungen zur gehörigen Zeit (!) noch Einsicht davon nehmen könne. „Zu gleicher Zeit ist diesem (Bornstedt) zu bemerken, daß man beabsichtige, nach den gegenwärti g stattfindenden Verhandlungen gegen Struve und Blind vor allen andern weitern Verhandlungen gegen andere Angeklagte in einer 2. Urtheilssitzung als erste Sache den Prozeß gegen Fickler, Bornstedt und Genossen zur Verhandlung zu bringen, zu welchem Behufe ihm in kurzer Frist die zu bestimmende Tagfahrt eröffnet und die Liste der dazu vorzuladenden Zeugen zugestellt werden wird.“
(Folgen die Unterschriften.)
Aus diesem seltsamen Aktenstück ersieht man,
1) daß Fickler, Bornstedt und Krebs, welche nur des ersten republikanischen Zuges wegen verhaftet sind als Opfer der großherzoglich badischen Untersuchungs-Methode und obgleich gänzlich unschuldig an dem Struve'schen Zuge, dennoch aber dieses Zuges wegen, (als Vorwand) erst nach einjähriger Haft, Bornstedt und Krebs überdem nach mehr als 6 Monat einsamer Zellenhaft, vor Gericht erscheinen werden!
2) daß Fickler von dem mit Bornstedt vorgenommenen Verhöre, ihn betreffend, erst nach 4 Monaten Kenntniß erhielt, weil es nur so möglich war, die Untersuchungshaft gegen Fickler zu verlängern.
3) daß Bornstedt, selbst im 12. Monat seiner Haft noch nicht ein einziges Zeugenverhör zur An- und Durchsicht erhalten!!! daß demselben Angeklagten unmöglich ist, auch nur einen einzigen Entlastungszeugen zu stellen, da alle Mitglieder der „Pariser Legion“ schon seit vielen Monaten aus dem Gefängnisse von Bruchsal theils entlassen, theils nach Frankreich geführt, theils an andere deutsche Staaten ausgeliefert worden sind. Da nun kein einziger Zeuge mit seinen Aussagen zur Zeit dem Angeklagten gegenüber gestellt und confrontirt worden, so ist eine solche Untersuchungs-Methode jedenfalls noch nie dagewesen! Dixi.
[(M.A.Z.)]
Ungarn.
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@facs1523
Edition: [Friedrich Engels: Vom Kriegsschauplatz, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
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Italien.
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@facs1523
[ * ] Turin, 5. April.
General La Marmora hat aus seinem Hauptquartier Ronco unterm 3. April ein Manifest erlassen, worin er die Stadt Genua auffordert, sich zu ergeben oder er werde die härtesten Maßregeln des Krieges gegen sie anwenden. Das Gerücht verbreitet sich, La Marmora habe bereits das Fort Belvedere bei Genua eingenommen.
(In Paris hieß es am 9. April an der Börse, Nachmittags 3 Uhr:
Es sei eine telegraphische Depesche aus Genua v. 6. April mit der Anzeige an die Regierung gelangt La Marmora habe an demselben Tage, Abends 6 Uhr, nach einem mörderischen Kampfe in den Straßen, als Sieger die Stadt in Besitz genommen Diese Niederlage der Republikaner veranlaßte große Lebhaftigkeit an der Börse.
Der Tod der Völker ist das Lebender Börse.
Die Oestreicher sollen in der Lomellina fürchterlich gehaust haben. In Nizza haben einige Zusammenstöße zwischen Linie und Bürgerwehr stattgefunden. Die Bürgerwehr verlangt jetzt vom Ministerium die Abberufung der Linientruppen.
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@facs1523
[ * ] Genua, 1. April.
Wir haben noch einige Details über den heldenmüthigen Kampf der Genuesen gegen die piemontesischen Truppen nachzutragen. Eine Menge Frauen haben mitgefochten. Zwei Damen unter andern haben mit der Flinte in der Hand in den ersten Reihen gekämpft und beide sind verwundet worden. An hundert Geistliche haben ebenfalls mitgekämpft. Der Stadtrath soll sich gegen den Sicherheitsausschuß erklärt haben, aber die ungeheure Majorität der Nationalgarde hat sich auf Seite des Ausschusses geschlagen. Mehrere Deputirte sind bereits angekommen, andere werden erwartet. Fünfzehntausend Gewehre, die aus Frankreich auf einem Dampfschiff ankamen und nach Savona dirigirt werden sollten, wurden mit Beschlag belegt. Siotto Pintor, Deputirter, ist nach Sardinien abgefahren.
Belgien.
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@facs1523
[ * ] Brüssel, 10. April.
Je mehr Polizei in einem Staat, desto freier ist er. So lautet einer der vielen Grundsätze des preußischen Ex-Ministers Kühlwetter. Der Mann hat in der Nähe der belgischen Gränze „konstitutionelle“ Studien gemacht und an dem „Musterstaate“ Belgien seine gediegendsten Prinzipien abstrahirt. Belgien war und ist auch hinsichtlich der Polizei ein Muster, ja die gesammte Regierung vom Minister Rogier und seinem Busenfreunde Vidocq-Hody an bis zu dem untersten Beamten herab wirkt und gilt nur als Polizei-Institut, dessen Kern die Polizisten im engern Sinne ausmachen. In keinem Lande der Welt findet sich eine solche Auslese von Galgenphysionomien und Vagabundengesichtern, als unter der Musterpolizei des europäischen Musterstaats. Besonders reichlich damit versehen sind Brüssel, wie sich das für die Hauptstadt des Koburgers geziemt, die Gränze bei Aachen und einige an Frankreich stoßende Polizeistationen.
Dem Aussehen der Musterpolizei entsprechen ihre Thaten. Wie sie gegen Fremde, namentlich gegen deutsche und französische Flüchtlinge verfahren, ist in diesem Blatt wiederholt berichtet worden. Nicht genug, daß solche den koburg'schen Vidocq's verhaßte Fremdlinge mit der größten Brutalität verhaftet und wochenlang im Gefängniß festgehalten worden: man plündert sie systematisch, um den „täglich steigenden Wohlstand“ der koburger Thronreden noch mehr steigen zu machen. Erst wenn man sie gehörig ausgezogen hat, werden sie in Zellenwagen gepackt und über die Gränze geschafft, wo sie dann reklamiren mögen, so viel sie wollen. Der Musterstaat weiß die einmal gemachte Beute mit allen Händen festzuhalten.
Indeß die belgische Polizei oder Regierung wendet ihren eignen Landeskindern nicht minder Aufmerksamkeit zu, als den Fremden. Das hat sich seit Februar vorigen Jahres deutlich genug gezeigt; am deutlichsten zu Ende vorigen Monats bei folgender Gelegenheit.
Der meist aus Arbeitern bestehende Verein „Reunion fraternelle“ hatte für den 25. März sein drittes demokratisches Bankett veranstaltet. Gegen 6 1/2 Uhr Nachmittags wurde es in den Sälen des Prado eröffnet. Etwas über 1000 Personen hatten sich dazu eingefunden. Vor der Zulassung mußte jeder auf sein Wort versichern, daß er keine Waffen bei sich trage. Die Constitution des „Musterstaats“ garantirt allen Bürgern das freie Vereinigungsrecht ohne Waffen. Wie dieses Recht geschützt wird, davon sollte bei Gelegenheit dieses Banketts ein neuer Beweis geliefert werden.
Mitten unter den Trinksprüchen und den sie begleitenden Reden [1524] trat ein Polizei-Kommissar in den Saal und theilte den Versammelten mit, daß ein Menschenhaufe mit Gewalt in den vordern Hofraum und einen Theil der zum Prado gehörigen Gärten eingedrungen sei. Einer der Präsidenten des Banketts protestirte sofort gegen jeden Antheil an diesen Manövern der „Ordnungs“-Männer und schlägt, um dies recht klar vor der Welt darzuthun, vor, daß sich die Versammlung in aller Ruhe entfernen möge. Es wird jedoch beschlossen, nicht wegzugehen, sondern ruhig und friedlich dazubleiben. Erst nach Absingung mehrerer demokratischen Lieder und einer neuen Anrede des Präsidenten entscheidet man sich, ruhig und stillschweigend aus einander zu gehen.
Der eingedrungene Haufe bestand aus Leuten, welche von der Regierung, von den Agenten Rogier's und Hody's zu diesem Zweck gedungen waren. Die Regierung hoffte die Demokraten dadurch in die Falle zu locken und dann mit ihren Seïden und Bravo's über sie herzustürzen und so ein Geschäftchen in Menschenschlachterei und in Verhaftungen en masse machen zu können.
Die mit Gewalt Eingedrungenen bestanden aus Abladern am Kanal und aus einer Masse entlassener Züchtlinge, wie sich schon jetzt bei der Untersuchung herausgestellt hat. Es waren Individuen, die der Regierung für das Gold der Steuerzahlenden jederzeit zur Durchführung aller Niederträchtigkeiten bereit stehen. Daß die ganze Angelegenheit von der Regierung vorbereitet worden, bewies nicht bloß das Herbeirufen der Gensd'armeriebrigaden von Waterloo, Genappe, Nivelles, Hal etc. mitten in der Nacht und unter dem Vorgeben, daß ganz Brüssel in Flammen stehe, sondern noch mehr der Umstand, daß ein Brüsseler Regierungskorrespondent der Pariser „Gazette des Tribunaux“ schon 12 Stunden vor Anfang des Banketts ausführlich über einen ausgebrochenen Aufstand und das „eben entdeckte, scheußliche Komplott“ mittheilte. In Brüssel und Umgegend verbreiteten die Agenten der Firma Rogier, Hody und Comp. ebenfalls die lächerlichsten Gerüchte von einem Komplott, das bei dem in Rede stehenden Bankett zum Ausbruch kommen solle. Die Verschworenen ‒ die am Bankett theilnehmenden demokratischen Arbeiter ‒ würden sich in der Nacht der Kasernen und aller Regierungsgebäude bemächtigen, sie anzünden etc. und mitten in der Verwirrung eine provisorische Regierung einsetzen.
Die ruhige Haltung der Theilnehmer am Bankett machte durch Rogier-Hody's Pläne einen argen Strich. Obgleich die betreffende Polizeibehörde auf die sofort von den Demokraten erfolgte Requisition zuerst gar nicht und dann höchst lässig einschritt, obgleich das ganze Verfahren der Beamten im höchsten Grade empörend und provozirend war: ging die Versammlung, ohne sich zum geringsten Widerstande hinreißen zu lassen, auseinander. So war die Hoffnung der Herren auf einen Kampf in den Sälen des Prado, der sich dann auf der Straße fortsetzen sollte, zu Schanden gemacht. Umsonst war alles Militär in den Kasernen konsignirt, umsonst Maßregeln getroffen worden, als ob eine große feindliche Armee vor den Thoren der Stadt erscheinen würde. Oel, Mühe und Geld waren diesmal verloren.
Um diese Blamage einigermaßen zu verbergen, ließ die Regierung nicht blos neue Details über das angebliche furchtbare Demokraten-Komplott durch die erkauften Züchtlinge mündlich und durch die ministeriellen Journale ausstreuen, sondern um den Leuten den Sand recht dick in die Augen zu streuen, auch eine Masse Verhaftungen unter den demokratischen Arbeitern vornehmen. Ein Theil derselben mußte alsbald wieder entlassen werden, weil selbst die Hody'schen Spione und agents provocateurs den sonst gefälligen Staatsprokuratoren und Instruktionsrichtern auch nicht den leisesten Verhaftungsgrund herbeizubringen wußten. Der andere Theil der Arretirten wird noch einige Zeit festgehalten, und dann ebenfalls in Freiheit gegeben werden, denn obgleich die Spione gegen einige Arbeiter theils selbst, theils durch andere „Getreue“ mit Denunziationen aufgetreten, so ist es doch den Parkett und Publikum sehr wohl bekannt, daß das Lügengebäude nicht lange aufrecht erhalten werden kann.
Französische Republik.
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@facs1524
[ 43 ] Paris, 8. April.
Das Junigespenst steht von Neuem an den Thoren der honnetten Gesellschaft. Die Insurgenten, welche in den Souterrains der Tuilerien, in den Catakomben, in den Steinbrüchen des Mont-Martre, an den Quais, an allen öffentlichen Plätzen und Straßenecken massenweise füsillirt, welche von den Mordtribunalen exquisiter Soldaten in den Forts und Pontons begraben und zum Hohn der Fraternitätsphrasen vom Februar endlich auch auf das politische Blutgerüst geschickt wurden, die gemordeten und lebendig begrabenen Insurgenten haben noch immer nicht aufgehört, die „Bürger untereinander zum Haß und zur Verachtung anzureizen.“ Die honnette Gesellschaft hat zur Aufrechthaltung ihrer Ruhe ein neues Verdikt gegen sie nöthig! nicht aus der honnetten Gesellschaft, auch aus der Erinnerung, aus der Geschichte müssen die „Juniräuber“ transportirt werden, denn ihre bloße Geschichte ist eine Aufreizung zum Haß der verschiedenen Klassen untereinander, von ihrer bloßen Erinnerung ist die „Sicherheit der gegenwärtigen Regierung“ und die Ruhe der zitternden, feigen Bourgeois gefährdet!
Das ist in kurzen Worten der Inhalt eines neuen Prozesses gegen den Geranten und den Feuilletonisten des „Peuple“, welcher gestern vor den Geschworenen verhandelt wurde, und mit Verurtheilung zu dreijährigem und fünfmonatlichem Gefängniß und solidarischer Geldbuße von zehntausend Francs endete. Louis Menard hat in wöchentlichen Feuilletons im „Peuple“, vom 11. Dezember bis 19. Februar eine Geschichte der Junischlacht unter dem Titel: „Prolog einer Revolution“ veröffentlicht, und steht dafür mit dem Geranten unter der doppelten Anklage der „Aufreizung zum Haß gegen die gegenwärtige Regierungsform“ und der „Aufreizung zum Haß und zur Verachtung der Bürger untereinander“ vor Gericht. Louis Menard ist Arbeiter; die Konstitution verordnet, daß Jeder von „seines Gleichen“ gerichtet werden soll; aber unter den Geschwornen sitzen nur wüthende Bourgeois denen jede Erinnerung an die Juniinsurrektion schon nach ihrem eignen Zittern eine Störung der Ruhe und Aufreizung zum „Haß der verschiedenen Klassen untereinander“ ist. Das incriminirte Feuilleton enthält nichts als eine historische Darstellung der Junischlächtereien, Thatsachen und Namen zu den von den Mobilen und Nationalgarden verübten Plünderungen und Mordscenen, in welchen man Wehrlose und Unschuldige in ihren eignen Häusern nicht schonte; Louis Menard, der alle diese Details mit der größten Vorsicht, nach den gewissenhaftesten Untersuchungen veröffentlichte, hat zum Beweis der Wahrheit aller von ihm erwähnten Thatsachen 62 Zeugen, darunter die Repräsentanten Berryer und Pierre Lefranc, vor die Schranken geladen und 20 schriftliche, ordentlich legalisirte Depositionen beigebracht: aber die Richter erklären auf Antrag des öffentlichen Ministeriums den Beweis der Wahrheit für unzulässig, denn die bloße Geschichte des honetten Junisieges ist schon eine Aufreizung zum Haß gegen die gegenwärtige Republik, zum Haß und zur Verachtung zwischen der Bourgeois- und Proletarierklasse. Der Generaladvokat selbst ruft in edler Unverschämtheit den Geschworenen bei Entwickelung der Anklage zu, nicht zu vergessen, daß sie selbst Nationalgarden waren, und die Anschuldigungen gegen die Garden als „Mörder“ stumm zu machen haben; er erklärt, daß der Angeklagte kein Recht zu seiner Geschichtserzählung gehabt, auch wenn dieselbe bis zum letzten Buchstaben die vollste Wahrheit enthielte, ‒ denn diese bloße Geschichtserzählung ist schon eine „Wiederaufrichtung der unheilvollen Barrikaden, welche im Namen der Gerechtigkeit vernichtet werden müssen“ Der Generaladvokat sagt es, und der Generaladvokat ist ein ehrenwerther Mann: Nicht parteilose Geschworene sind es, welche hier die Wahrheit der Thatsachen nach dem Zeugenverhöre prüfen sollen, die beleidigte und bedrohte Bourgeois-Partei ist es, welche hier über ihre Ruhe und Sicherheit zu Gericht sitzt und die in einer bloßen Geschichtserzählung der Junischlacht bereits constituirte „Thatsache ihrer Unruhe und Unsicherheit,“ die „Wiederaufrichtung der unheilvollen Barrikaden“ vernichten soll.
Die Geschworenen haben ihre Aufgabe begriffen. Der Gerant Duchêne wurde in dreijährige, der Autor Louis Menard in fünfzehnmonatliche Gefängnißstrafe und Beide solidarisch in eine Geldbuße von zehntausend Francs verurtheilt, weil sie durch den im „Peuple“ abgedruckten „Prolog einer Revolution“ zum Haß gegen die (Bourgeois-) Republik und zum Haß und zur Verachtung der Bürger untereinander aufgereizt haben. Die Brutalität, mit der hier die Bourgeoisie gegen die demokratische Presse auftritt, übertrifft an Gemeinheit Alles, was die Monarchie Louis Philipp's gegen die republikanische Bourgeois-Opposition des „National“ aufbot.
Dennoch aber hat die Jury Recht in ihrem Ausspruch, den wir vollständig acceptiren. Die „Geschichte der Junischlacht“ wird nie etwas Anderes, als eine Anreizung zum Haß zwischen Bourgeois- und Proletarier-Klassen, ein Appell zum „Wiederaufbau der Barrikaden“ sein. Und diese „Geschichte der Junischlacht“ wird trotz aller Verdikte „im Namen der Gerechtigkeit“ nicht „vernichtet,“ dieser Appell zum Haß und zum Sturz der herrschenden Klassen weder von den französischen, noch von den Proletariern aller andern europäischen Völker vergessen werden.
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[ * ] Paris, 9. April.
Man kennt die verzweiflungsvollen Anstrengungen des alten, von Steinschmerzen wüthend gewordenen Bugeaud, um die Soldaten vor dem Gift der Demokratie zu bewahren. Translocirung der Truppen, Suspension der Garnison-Offiziere von Bourges während des Prozesses der Maigefangenen, Verbot des Zeitungslesens in den Kasernen, und selbst die Standreden des greisen Marschalls gegen die Sozialisten, welche fast an die Deklamationen eines talentvollen deutschen Königs erinnern, haben indeß die „gute Sache der Ordnung“ in der Armee nicht weiter gebracht, und zum Hohn des Constitutionnel und aller Honnetten theilt heute „Le Peuple“ den compte-rendu eines Soldatenklubs aus der Kaserne mit. Wenn im Dezember das Ministerium einen Offizier wegen „Betheiligung an Klubs“ aus Paris entfernen konnte, so haben die Klubs jedenfalls nichts verloren, wenn sich ihnen zum Ersatz die Kasernen selbst öffnen.
Das Büreau bestand aus dem Präsidenten, einem graubärtigen Krieger, der als langjähriger Republikaner bekannt war, und einem Fourier als Sekretär; ein Adjudant nahm den Platz des Polizeikommissars zur „Wahrung der gesetzlichen Schranken“ ein. Auf der Tagesordnung stand die Frage „von dem passiven Gehorsam“, ins Preußen-Kroatische übersetzt: vom „Odre pariren“.
Zuerst trat ein Offizier auf die Tribüne, um den Anwesenden klar zu machen, daß „ohne Disziplin keine Armee möglich sei“, und daß der Soldat nicht darüber „nachzudenken“, wenn ihm der Vorgesetzte auch auf seinen Bruder zu schießen befehle.
Ein Sergeant-Major antwortete dem Lieutenant, daß die Revolution von 1848 der Armee das allgemeine Stimmrecht, das Recht durch Repräsentantenwahlen sich indirekt an der Regierung zu betheiligen, erworben habe, und daß die Soldaten daher keineswegs mehr als die willenlosen Maschinen anzusehen seien, welche die Monarchie aus ihnen gemacht. Der Soldat gehorche als Bürger der Republik nicht blos den Befehlen seiner Vorgesetzten, sondern seiner eigenen Vernunft; er gehorche im Kampf gegen den äußern Feind, habe sich aber in Sachen, welche die republikanische Konstitution gefährden können, in etwaigen Befehlen gegen die Bürger oder die Republik zu ziehen, vor Allem zu erinnern, daß er Franzose und Republikaner sei. (Großer Beifall.)
Hierauf erschien ein Tambour auf der Tribüne, um gegen die „rothe Republik“ Rappel zu schlagen. Nach dem Tambour ist die Republik Schuld an allem Elend. Weil die „rothen Republikaner“ die Gesellschaft alarmiren und das Volk zu Tumult und Emeuten anreizen, sind die Soldaten, den Tambour an der Spitze, täglich von Morgen bis Abend auf den Beinen, oder eingeschlossen und abgesperrt in den Kasernen, der teufelmäßigsten Kälte und Langweile ausgesetzt. Der Tambour ruft aus, daß die rothen Republikaner Plünderung und Gütertheilung bezwecken, die Familie zerstören wollen, keine Völkerunterschiede und kein Vaterland kennen, und daher nicht von „Brüdern“ reden könnten, wenn die Soldaten Feuer auf sie geben.
Die kriegerische Rede des Tambours wird von häufigem Gelächter unterbrochen.
Ein Gemeiner erhält das Wort zur Vertheidigung der „rothen Republik“ gegen den Tambour. Er spricht mit Humor von den Gelüsten der „weißen Republikaner“, die Privilegien, Monopole und alten Mißbräuche herzustellen, und von dem Schmutz der „Blauen“, jener „kleinen, schacherwüthigen Minorität, welche die große Majorität, das Volk, giftspinnenartig aussaugt.“ Dann folgt ein Seconde-Lieutenant, um die Prinzipien der „Rothen“ darzulegen, und die Hoffnung auszusprechen, daß die Armee bald die „rothe Theorie der Völkerverbrüderung“ realisiren und zur Befreiung Italiens, Ungarns, Polens mitwirken würde. Großer Beifall begleitete beide Redner von der Tribüne herab. Den Schluß bildete eine improvisirte Fabel, welche ein Gemeiner vortrug, um die Erfolglosigkeit der Bugeaud'schen Conspirationen gegenüber einem auch nur „passiven Ungehorsam der Armee“ klar zu machen, und die Versammlung trennte sich unter dem Ruf: „Es lebe die Republik!“
Ohne Zweifel werden Constitutionnel und die Juden de sCharivari diesen Kasernenklub gleich dem berühmten Unteroffizierbankett wegen mangelnden Denunciantenbeweises zur Fabel erklären. Wir brauchen dagegen nicht zu erinnern, wie diese Soldatenversammlungen schon unter der Monarchie ihre stille Propaganda trieben, und wie gerade aus ihnen die thätigsten Verschwörer der geheimen Gesellschaften von 1833, 1834 und 1839 hervorgingen.
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Paris, 9. April.
Das heutige Peuple enthält die Erklärung, daß bereits 2352 Frs. 50 Centimen zur Deckung seiner Geldstrafe eingegangen. Selbst ein goldenes Armband wurde von einer Dame eingeschickt, was den digne Proudhon sehr gerührt haben soll.
‒ Die deutschen Flüchtlinge in Verdun, welche die Regierung von Straßburg dahin gelockt, sind wieder ins Gefängniß geworfen worden. Ueber Willichs schmachvolle Behandlung erfährt man nichts Neues, als daß, wie der Peuple sagt, dieselbe auf ausdrückliches Verlangen Oesterreichs erfolgte. Auch Brisbane, der amerikanische Sozialist, ist ausgewiesen worden.
‒ An der Barriere von Sévres sprengte gestern die Polizei wieder ein Studentenbankett auseinander, das sich die Anwesenheit der heil. Hermandad nicht gefallen lassen wollte.
‒ La Liberté, das Journal Jerômes, sagt: Wir melden zu unserem Leidwesen, daß das franz. Cabinet wirklich gegen Annahme der Kaiserkrone in Berlin hat protestiren lassen (?!)
‒ Die Sitzung der Nationalversammlung verspricht heute interessant zu werden.
‒ Die Lyoner Journale vom 8. April melden, daß alle Maurer Arbeiter ihre Arbeiten eingestellt haben.
‒ Wir hören so eben im Conferenzsaale, daß Charles Lagrange (vom Berge) nach 8tägichem Krankenlager gestorben ist.
‒ Girardin hat das Viktor Hugo'sche Klatschblatt „Evenement“ gekauft, und wird daraus ein Abendjournal à 1 Sous machen. Mehrere andere conservative Klatschblätter leiden an der Abzehrung.
National-Versammlung. Sitzung vom 9. April.
Um 11 Uhr sammeln sich die Deputirten in den Abtheilungssälen, um zwei Kommissionen zu wählen: a) Journal-Cautionswahlen, Verlängerung des Preßzwangsgesetzes von August 1848; b) Choleramaßregeln.
In erstere Kommission werden gewählt: Emanuel Arago, Baze, Larabit Chevoix, Schoelcher, Pascal-Duprat, Dupont de Bussac, Menard, Creton, Bedin, Favart, Etienne, Latrade, Darn, Rolland. Diese Namen klingen ziemlich roth und es wäre somit eine Aenderung der Preßfesseln möglich. Die Cholera-Kommission namentlich aufzuführen, hat hier für's Ausland kein Interesse.
Um 1 Uhr beginnt die öffentliche Sitzung. Marrast präsidirt und das Protokoll wird verlesen.
Foy lenkt die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Lage der entlassenen Forstbeamten. Er schildert ihr Elend und beschwört das Haus, sich nicht zu trennen, ohne ihr Schicksal zu regeln. (Soll auf die Tagesordnung gesetzt werden.)
Die Versammlung nimmt die Büdgetdebatte wieder auf.
Corne erklärt im Namen des Ausschusses, daß sich derselbe mit der Prüfung von drei Vorschlägen rücksichtlich des Unterrichtsbüdgets beschäftigt habe: 1) Francisque Bouvet will den Schulhausfonds auf 3 Millionen Frc. erhöht wissen; 2) Depasse möchte den Fonds der Asylhäuser um 100,000 Frc. stärker und 3) Pascal-Duprat das Gehalt der Dorfschulmeister auf 600 Frc. stellen, was 1,600,000 Frc. Mehrausgabe verursache. Der Ausschuß bewilligt für Bouvet 200,000 Frcs. u. s. w.
Bouvet verlangt 3 Millionen!
Corne bekämpft dies.
Die Versammlung bewilligt die 200,000 Frcs.
Der Ausschuß will den Schulmeistern vorläufig 500 Frcs. bewilligen, mehr sei bei dem jetzigen Stande der Dinge nicht möglich.
Pascal-Duprat adherirt.
Den Schulmeistern werden 500 Frcs. zugesprochen.
Glückliche Schulmeister!
Der Depasse'sche Antrag fällt durch.
Marrast: Nachdem diese Nachträge zu Kapitel 16 erledigt, können wir zur Gesammtabstimmung über das Unterrichtsbüdget schreiten.
Dasselbe wird mit 636 gegen 0 Stimmen angenommen.
Dufournel bittet ums Wort über die Tagesordnung. Ich wünsche, sagt er, daß sich die National-Versammlung mit Etablirung von Arbeiter-Lohn-Abzugs- und Javaliden-Kassen beschäftige, ehe sie sich trenne. Es wäre gut, wenn sie Abendsitzungen hielte. (Oh! Oh!)
Der gute Dufournel fällt radikal durch und die Versammlung geht zum Büdget des Ministers des Aeussern über.
Bastide: Ich benutze diese Generaldebatte dieses Büdgetszweigs, um an die jüngste Diskussion über Italien zu erinnern. Man hat behauptet, oder man schien zu glauben, daß das französische Gouvernement vom 24. Febr. bis 20. Decbr. 1848 die Zurechtsbeständigkeit (virtualité der Wiener Verträge von 1815 moralisch oder faktisch anerkannt habe. Ich protestire gegen diese Ansicht. Der Herr Minister des Aeussern, mein Nachfolger, sitzt auf seiner Bank; er mag die Wahrheit dessen, was ich hiermit feierlich erkläre, bescheinigen. Ich brauche übrigens nur einige Depèschen aus jener Periode vorzulesen. (Nein! Nein!)
Beifall vom Berge
Drouyn de Lhuys bleibt stumm auf seinem Platze.
Die Generaldebatte ist geschlossen und man geht zu den einzelnen Kapiteln des Büdgets über, die alle durchgehen.
Dann will man zum Kultusbüdget übergehen.
Ehe dies geschieht, soll über 40,000 Frc. Installations- und Repräsentationsgelder für Boulay, Vicepräsident, abgestimmt werden.
Dieselbe werden mit 393 gegen 198 Stimmen verworfen. (Agitation.)
Etienne (Berichterstatter): Sie haben die Installations- und Repräsentationsgelder verworfen. Ich frage hiermit an, ob Sie nicht wenigstens die bis dato fälligen Gehaltsgelder votiren wollen? (Ja! Ja!)
Es werden diese Gehaltsgelder votirt. (Jährlich 45,000 Fr.)
Die Versammlung votirt hierauf alle Kultusbüdgetartikel bis auf drei, welche reservirt werden. Darum kann das Gesammtbüdget nicht votirt werden.
Die Versammlung geht zum Justizbüdget über.
Barrot, Victor Lefranc und Senard streiten sich lange wegen Inkompatibilität der Advokaten bei den Untergerichten herum und kommen überein, das streitige Kapitel noch einmal an den Ausschuß zu weisen.
Die Sitzung wird um 6 Uhr aufgehoben.
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[ * ] Paris, 9. April.
Das Journal de la Braie Republique theilt eine neue Reihe von Verfolgungen in der Armee mit. In Perigueux sind wieder mehrere Soldaten in Arrest geworfen worden, weil sie den „Republicain de la Dordogne“ gelesen haben. In Vincennes hatte man bereits vier Soldaten des ersten Pionier-Regiments aufgehoben und ohne vorhergegangenes kriegsgerichtliches Erkenntniß mit dem Zellendepot nach Afrika geschickt, weil sie sich mit den Sozialisten in Verbindung gesetzt haben sollten; gestern folgten ihnen zwei Sapeurs desselben Regiments für das nämliche Vergehen. In Lyon wurde ein Füsilier des 68. Linien-Regiments wegen Lesens des Lyoner Republicain auf drei Tage ins Cachot gesperrt; ein anderer Soldat, dem er bei seiner Abführung das Journal zum Aufbewahren übergab, erhielt dieselbe Strafe. Die Soldaten werden demnächst wahrscheinlich Compagnien- und Regimenter-Weise für diese Verbrechen in die Gefängnisse getrieben werden.
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[ 12 ] Paris, 9. April.
Im Mai finden die Wahlen für die legislative Kammer Statt; die Vorbereitungen, welche dazu getroffen, die Vorkämpfe, die bereits an allen Enden Frankreichs ausbrechen, lassen auf den großartigsten Kampf schließen. Es gibt nunmehr in Frankreich nur noch zwei Parteien, und wie im Dezember zwischen Cavaignac und Napoleon, so werden sich jetzt dieselben noch weit bestimmter, weit schroffer gegenüberstehen. Als die Präsidentenwahl im Dezember Statt fand, hatten wir uns keinen Augenblick Illusionen über den Ausgang gemacht. Napoleon war keineswegs der Gegensatz Cavaignac's; Napoleon war nur eine Protestation gegen Cavaignac, gegen die Gegenwart mit Hindeutung auf die Vergangenheit. Napoleon konnte alles Negative bedeuten, sagten wir damals; Napoleon bedeutete keine Steuern, keine 45 Cetimen, keine Junischlacht; Napoleon bedeutete Alles außer Napoleon. Er bekam erst eine positive Bedeutung durch die ihm unmittelbar folgenden Kandidaten Ledru-Rollin und Raspail. Aber diese beiden Kandidaten waren auch nur als Ergänzung, als Kommentar, als Appendix dem Napoleon beigefügt. Kein Mensch dachte damals an den Erfolg dieser Kandidaturen. Wie ganz anders die Partei Cavaignac's; sie war damals am Ruder; sie hatte Alles in Händen, um ihren Mann als Präsidenten am Ruder zu halten: und doch fiel er, und die Städter des Nationals erkannten, als es zu spät war, daß die Bauern auch Franzosen, auch Menschen, und folglich auch stimmfähig sind. Wir sagten ferner, daß die Wahl Napolen's nothwendiger Weise die Sprengung der Kammer nach sich ziehen müsse; nicht um eine neue Kammer zu wählen, sondern um den neuerwählten Napoleon in seine Elemente zu zerlegen. Dieser Augenblick ist herangenaht; die Bewegung, die damals ganz Frankreich bei Gelegenheit der Wahl eines Mannes ergriff, wird sich 700mal wiederholen; und jedes Mal wird dem Einen Mann ein anderer Mann in direktem Gegensatze gegenüberstehen. Leute, wie Cavaignac und Napoleon, von denen der Letztere bloß eine Negative des Erstern war, sind jetzt ganz in den Hintergrund getreten. Die Leute des Nationals, so wie die Napoleon's und Barrot's, nehmen in dem Bourgeois-Wahlkomité die zweite Stufe ein; sie müssen sich mit der Finanzwelt und der Kommandantur verschmelzen, und in der Urne werden sie höchstens noch dieselbe Rolle spielen, wie damals Lamartine. Von Letzterm ist jetzt gar keine Rede mehr. Die Frage, wie sie jetzt gestellt ist in den beiden Manifesten, und wie [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage