Deutschland.
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*
] Berlin, 7. April.
Wir erfahren mit Bestimmtheit und aus sicherer Quelle, daß heute Vormittag in Charlottenburg ein Ministerrath statt fand, dem auch der Prinz von
Preußen beiwohnte, in welchem man berieth, ob das Ministerium in seiner Gesammtheit zurücktreten solle oder ob es passender wäre die Auflösung der Kammer auszusprechen. Wir glauben indeß, daß man zu
keinem Entschluß kommen konnte. Die Anarchie hat selbst im Kabinet Platz gefunden. Die Herren v. Manteuffel und Strotha befinden sich in offener Opposition gegen Brandenburg, Ladenberg und Arnim. Die
ersteren Beiden z. B. hatten alles Mögliche angewendet, um dem König von einer Antwort an die Frankfurter Deputation abzurathen, welche alle Parteien gegen ihn aufregen mußte. Sie wurden im Kabinet
überstimmt.
Man hatte viel darüber gefabelt, wer in Freienwalde die Rolle der Egeria gegen den modernen Ruma Pompilius spielte. Die besondern göttlichen Eingebungen, von denen Se. Majestät in der Antwort
spricht, die das Herz frei und das Auge klar machen, erregten natürlich den Wahrheitsdurst gemüthloser Unterthanen. Aus sicherer Quelle erfahren wir nun, daß die außerordentlichen Gesandten, durch
welche die göttliche Offenbarung mit dem Könige in Freienwalde verhandelte, Eichhorn und Thiele waren. Andere meinen freilich, Se. himmlische Majestät sei der irdischen, wie einst Moses
im feurigen Busch erschienen.
Es verlautet, daß der Justizminister definitiv zurücktreten werde. Seinen vierteljährigen Gold ließ er sich freilich am 1. April prompt auszahlen. Man war mit Herrn Hassenpflug in
Unterhandlung getreten, hat sich aber jetzt an den Abg. Wentzel (Ratibor) gewendet. Auch Graf Arnim soll beabsichtigen, auf seinen diplomatischen Lorbeeren auszuruhen. Wer aber seine
glorreiche Stellung einnehmen soll, ist bis jetzt noch nicht bekannt.
Von dem berüchtigten Piersig ist jetzt der erste Band der „Mysterien der Demokratie“ erschienen. Sie enthalten nichts, als die alten Erzählungen, durch die der geniale Hr. v.
Mäusebach schon früher excellirte.
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61
] Breslau, 6. April.
Gestern wurde hier im demokratischen Hauptverein der Abgeordnete Stein empfangen.
Während die Verlesung einer Leipziger Adresse begonnen, tritt [unleserlicher Text]
als Stein herein; die Posaunen von Jericho werden beschämt, so stürmt es durch Hände, Kehlen und Biergläser, und nachdem
offizielle Vorstellung und Verbeugung vorüber, beginnt Stein die Iliade der Spreeversammlung zu singen.
Der eilige Lorbeerpflücker sagte: „Wrangel hat uns noch nicht aufgelöst (Heiterkeit über den unglaublich-neuen Witz). Dies ist kein Scherz, meine Herrn! ‒ ‒ Gestern erlangten
wir zuerst die Majorität (um sogleich davonzulaufen). Seit dem 26. Febr. (erst da!) habe ich die Ueberzeugung gewonnen (in der That germanisch-genial), daß das Ministerium sich an unser
Mißtrauensvotum nicht stört.“ ‒ Zum Stand der Parteien übergehend, bemerkt er: „Die Linke theilt sich in drei Fraktionen, die gemäßigtste wird von Kosch (als Linker ein sauberes
Männlein) geleitet. In der Kaiser frage ist die früher schwarzweißeste Partei jetzt die deutschste, aber nicht aus Begeisterung für Deutschland, sondern allein für den König, geworden. ‒
Die Linke, in der Höflichkeit immer vorangehend (ein naives Geständniß), hat die Frankfurter Kaiserdeputation unter der Bedingung, daß kein Jubel stattfinde, begrüßen wollen, aber die Rechte ist nicht
darauf eingegangen (alle Rechten beantworten eure Höflichkeit mit Fußtritten, ihr lieben Hämmel). Der König war über den Kaiserantrag innerlich (Hr. Stein hat königliche Gemüthsstudien gemacht)
sehr erfreut, die Antwort ist aus seiner Feder geflossen. Sie erbitterte die Rechte, wodurch Vinke's Adresse entstand. Seit 6 Wochen machen wir nun schon an der dritten Adresse, es ist
unerhört. Aber daran ist die Geschäftsordnung schuld, die uns von der Rechten aufoctroyirt worden (hübsche Entschuldigung). ‒ Schon freuten wir uns nun, daß der Konflikt unvermeidlich, da
treten die Ferien ein, und Vinke bekommt über seinen Muth den Katzenjammer. Die Linke entschloß sich endlich zu einer motivirten Tagesordnung (Sie verräth den Muth des ehemaligen passiven
Widerstandes), in welcher sowohl ein Mißtrauensvotum, als auch die Ansicht ausgesprochen ist, daß mit einer Adresse nichts genutzt werde. Man nahm aber weder die Adresse der Rechten, noch unsere
Tagesordnung an, worauf immer ein Mitglied der Rechten und ein's der Linken abgereist ist; man nennt dies pauren. Die Kammer wird dadurch heute beschlußunfähig sein (ist überhaupt
unfähig). Die Linke will die Einheit und Freiheit, nicht eine Deutschland von Rußland und Oestreich (warum sagt er nicht Preußen) aufoctroyirte Einheit ohne Freiheit. Die
Dynastien wollen aus der Nationalversammlung wieder den alten Bundestag machen, um sich bei jeder knechtenden Maßregel wie früher damit entschuldigen zu können.“
Auch die hiesige Bourgeoisie will, daß Kaiser-Homunkulus annehme, und entwirft zu dem Behufe eine Adresse. Die Bourgeoisie und der deutsch-verbourgeoisirte Feudalismus hören doch das ferne
Kanonendröhnen, es wird ihnen unheimlich und sie werden sich darum in ihrer Angst an den apokalyptischen Kaiser-Homunkulus noch anklammern.
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*
]Prag, 4. April.
Wir erwähnten kürzlich, daß gegen die Redakteure jener Journale, die den Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin mitgetheilt, der
Kriminalprozeß eröffnet sei. Jetzt sind diese Redakteure, sogar verhaftet worden. Der Staatsanwalt hat auf Hochverrath geklagt und auf Grund seines Antrags sind heute früh die Redakteure der
„Slovanska Lipa“ des „Wecerni Lift,“ der „Concordia“ und der „Const. Allgem. Ztg.“ ins Gefängniß gebracht und Einer von ihnen gegen Erlegung
einer Caution wieder freigelassen worden.
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105
] Bruchsal, 5. April.
Die Sache Bornstedts und Ficklers soll endlich am 15. d. vor die Freiburger Bourgeois-Geschwornen gebracht werden, nachdem sich die Angeklagten
bereits in zwölf monatlicher Untersuchungshaft (Bornstedt seit sieben Monaten in einsamem Zellengefängniß) befinden. Welche Gnade der liberalen Schurken in Karlsruhe und Frankfurt,
welche vor einem Jahr noch in zweiten Kammern und auf Zweckfressen so liebevoll gegen die Immoralität der Präventivhaft und des langsamen Instruktionsverfahrens deklamirten! Die Gefangenen wurden
während dieser ganzen Zeit auf das Bestialischste von ihren Kerkermeistern mißhandelt, so daß bei vorkommenden Streitigkeiten selbst die Soldaten der Gefängnißwache für sie in die Schranken traten. In
den 200 Zellen, welche die politischen Opfer füllen, herrschen Brustkrankheit und Schwindsucht; vier der Gefangenen mußten auf ärztliche Erklärung entlassen werden; Egenter wurde nach 11 monatlicher
Untersuchung als unschuldig in Freiheit gesetzt, und ist jetzt in Folge seiner Behandlung geistesschwach geworden; zwei andere sind im Kerker wahnsinnig geworden; einer (Jakob Kieß aus
Weinheim) hat sich erhenkt, und doch, sollten Sie es glauben, zittern die Mörder noch vor diesem Prozeß! Nachdem die Geschworenen in Struve's Prozedur erklärt haben, daß der erste
Freischaarenzug als Folge der ersten revolutionären Aufregung und demnach durch die Untersuchungshaft als bereits hinlänglich gebüßt anzusehen sei, glaubt man hier an vollständige Freisprechung.
Zugleich aber heißt es, daß die Angeklagten in dem Prozeß wichtige Aufschlüsse geben würden, Fickler gegen den Polizisten Mathy, Bornstedt gegen einige Ex-Mitglieder der provisorischen Regierung
Frankreichs wie gegen das „schwäbische Gelbveizlein,“ den elenden Herwegh der keinem einzigen der 350 Gefangenen der Pariser Legion, die Monate lang hier saßen, auch nur an eines
Centimes Werth Unterstützung hat zukommen laßen. Ueber den Prozeß werde ich Ihnen s. Z. ausführlich berichten.
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Edition: [Friedrich Engels: Die dänische Fregatte, vorgesehen für: MEGA2, I/9.
]
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*
] Eckernforde, 5, April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
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*
] Flensburg, 5 April.
Unter diesem Datum melden schleswig-holsteinische Berichte, daß sich die Dänen von Gravenstein, wo sie etwa 7 Bataillone stark standen, nördlich
zurückgezogen haben, nachdem sie zwischen Gravenstein und dem mehr östlich gelegenen Atzbull ein unbedeutendes Plänkelgefecht mit schleswig-holsteinischen Truppen eröffnet hatten. Von Apenrade und dem
etwa eine Meile nordwestlich gelegenen Rothenkrug mußten sich dagegen die schleswig-holsteinischen Bataillone zurückziehen. „Dänische Patrouillen kamen in die Nähe der Stadt, und später setzten
die Dänen Wachen in und bei Apenrade aus, ebneten eine kleine Schanze aus und pflanzten den Dannebrog auf. Später wurde das Feuer auf unsere Jäger gerichtet, welche weiter landeinwärts nach Süden
zogen, und mehrere von ihnen verwundet. Aus Hadersleben und Apenrade und aus der Umgegend von Apenrade haben so starke Auswanderungen stattgefunden, daß es den Flüchtlingen fast schwer wird, hier ein
Unterkommen zu finden. ‒ Das Hauptquartier ist heute nördlich ‒ wohl in die Gegend von Seegaard ‒ verlegt.“
[(H. B. H.)]
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Frankfurt, 7. April.
Ritter Bunsen hat seine Stelle als Reichsgesandter in London niedergelegt.
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*
] Frankfurt, 7. April.
Hr. Camphausen ist gestern Abend durch den Telegraphen nach Berlin beschieden worden, und heute Morgen dahin abgereist. Möge er berufen sein, um mit
Herrn v. Vincke an die Spitze der preußischen Staatsgeschäfte zu treten, die in den Händen des jetzigen Ministeriums offenbar Deutschland's Wohlfahrt nicht zu fördern vermögen.
So schreibt die „Frankfurter D.-P.-A.-Z.“ Man sieht, der denkende Geschichtsfreund Camphausen kann den Moment nicht abwarten, von neuem „die Krone zu retten“. Diesmal
gedenkt er sich mit dem unbesiegbaren Finkenritter zu alliiren. Glück auf, „edler“ v. Camphausen!
Die liberalen Blätter haben sich nie behaglicher gefühlt, als in diesem Augenblicke, wo sie ihr Polizistenhandwerk einen Augenblick in den Hintergrund treten lassen und sich wieder als Puritaner
gebärden können.
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20
]Aus dem Reich.
Die Reichsbescheerung ist fertig bis auf's Ausputzen. Letzteres übernehmen unsre geliebten Landesväter gern. Am 21. März fiel ein dunkler
Schlagschatten aus der Paulskirche und mißstimmte alle wahren Freunde der bis dahin so unvergleichlichen Reichs-Komik. Gerade mit des holden Lenzes astronomischem Anfang wandelte unsre
Reichs-Froschmäusler die Laune an, uns den besten Frühlingsspaß zu verderben. Sie verwarfen nacheinander den Erbkaiser und den preußischen dazu, auch den 12-, 6-, 4-, 2-, 1jährigen etc. In der
damaligen Stimmung hätten sie Alles verworfen: Pabst, Kaiser, König, Präsident etc., nur sich selbst nicht, da sie wohl wußten, wie verworfen sie seit lange waren. Glücklicherweise zerstreute sich
bald der böse Märznobel, unter dessen Einfluß sie gestanden. Schon am 28. desselbigen Mondes setzten sie wieder die heitere Schellenkappe auf und verbreiteten neue Lust und neues Leben durch die Gauen
des Reiches. Der Eckstein, den sie verworfen, wurde eiligst wieder hervorgesucht und dem großartigen Ban „teutscher Einheit und Machtfülle,“ wie er nur in den Tiefen solch'
deutscher Männerbusen ersonnen werden kann, zum Grunde gelegt und von 290 schwarz-weiß angethanen Handlangern nach Kräften eingerammt. Ohne diesen Umschwung, ohne das rechtzeitige Besinnen und reuige
Insichgehen der Paulskirchener Gesellschaft, war das Lustspiel wahrscheinlich verfehlt und der Geldbeutel der Reichskinder, auf dessen Kosten sich die Herren, vom „edlen“ Gagern an bis
zum unfundirten Beseler hinab, über 10 Monate lang bene thaten, hätte umsonst geblutet. Ja, es wäre die Möglichkeit vorhanden gewesen, daß die Froschteichler, freilich ohne ihre Schuld, noch einen
Anschein von Ehre gerettet und mit diesem auseinander gegangen, oder gejagt worden wären. Es bedurfte durchaus der Kaiserfabrikation vom 28. März, um auch dem blödsichtigen Theile der Mit- und
Nachwelt darüber Licht zu verschaffen, daß eine Lakaienschaar sich von Anfang bis Ende ihres Dienstes gleich bleibt. Das Sprichwort sagt: Ende gut, Alles gut! Demgemäß förderten die Reichs-Hebammen am
28 in der Person des hohenzollernschen „Gottbegnadeten“ das Erbkaiserkindlein zur Welt und holten geschwind aus der wieder eröffneten Reichskleinodien-Kammer Krone, Scepter und Mantel
hervor, die sie sorgfältig einpackten, mit „F. W. R. Potsdam, franco“ signirten, und an den theuern Auserwählten abgehen ließen. Schachtel und Frachtbrief bekam Reichs-Kutscher Soiron
zur Verwahrung. Damit nichts abhanden käme, suchte man 32 Biedermänner aus, die dem Reichs-Kutscher in etwaigen schwachen Augenblicken aufpassen hülfen, und hieß sie, vom rührendsten Segen aller
Frankfurter Spießbürger und Judenmädel begleitet, sich aufmachen und hinziehen zum Schwager des heiligen Nikolaus und seinen ukermärkischen Granden.
Endlich gelangen sie nach Berlin. Den Unsinn mit dem Heraushängen deutscher Fahnen hatte sich Wrangel ernstlich verbeten. So was kann wohl zur Zeit eines Märzfiebers gestattet werden; da mag selbst
der königliche Herr dreifarbigen Mummenschanz treiben, ohne im Geringsten in Belagerungs- oder einen andern Zustand erklärt zu werden. Aber im April 1849? Das wäre doch mehr als toll. Wrangel besitzt
übrigens Lebensart und Bonhommie. Er ließ die Frankfurter herein, und das war gut.
Jetzt erhielten sie die Erlaubniß, sich zum königlichen Herrn zu begeben, was sie mit wahrem Reichsanstand thaten. Sie legten die deutsche Kaiserkrone nebst obligater Begleitungsrede zu den
hohenzollernschen Füßen. Und der königliche Herr sah erbarmensvoll auf die armen Schächer vor sich herab, und erklärte ihnen, daß er in ihren Artikeln keine Geschäfte machen wolle, es sei denn, daß
sie erst von den übrigen gottbegnadeten Herrn Vettern die Vertriebs- und Gewerbsscheine beibrachten. Er werde sich mit seinen Herrn Vettern ins Einvernehmen setzen, und wie diese wollten, so wolle
auch Er; sie selbst könnten nun ruhig wieder nach Hause gehen.
Man sieht, der Mann war höflich: Er kann auch grob sein, wie das u. A. Bürgermeister Tschech empfunden. Wäre er diesmal grob gewesen, so hätte er den Froschteichlern direkt sagen müssen:
„Wie, Ihre plebejischen Hände wagen mir eine Krone anzubieten, mit der Sie kurz zuvor auf's Abscheulichste umgegangen? Sie, die ich im Verein mit meinen Herrn Vettern von Anfang an nach
der Pfeife „von Gottes Gnaden“ habe tanzen lassen, Sie wollen jetzt als souveräne Fabrikanten und Verschenker von Kaiserkronen auftreten? Und Sie schwatzen vom Volk, in dessen Namen Sie
kämen? A. d'autres! Machen Sie das Andern weiß, meine Herren!“ Er war aber durch und durch höflich, und in gerechter Würdigung der schwachen Reichsseite dieser Herren Frankfurter, ließ
er sie schließlich einladen und futterte sie aufs Beste ab, um nach dem Bibelspruch glühende Kohlen auf das Haupt seiner Feinde zu sammeln.
Wie Schulbuben, die für monatlange Dummheiten und Allotria endlich derbe Fingerklopfe vom gestrengen Magister erhalten haben:
[1514]
zogen sie, vor Schmerz in die Hände pustend und gesenkten Hauptes unter Belustigung der muntern Straßenjugend aus Reichs-Berlin wieder von dannen. Da sie auf dem Wege durch Köln einige bedenkliche
Haare gefunden, wählten sie den Rückweg über Eisenach. Heute früh sind sie, mit den als nicht kauscher erklärten Kaisergeschenken belastet, glücklich wieder in Frankfurt eingerückt.
„Ende gut, Alles gut!“ Ein würdigeres Ende und eine bessere Belohnung für ihre Thaten konnte diese Gesellschaft nicht finden.
Mit der Randglosse „Pour le roi de Prusse“ ist ihre ganze Thätigkeit und Geschichte abgethan und erschöpft. Have, pia anima!
Französische Republik.
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43
] Paris, 7. April.
Wie die Contrerevolution im Süden von Frankreich grassirt, mag man aus folgendem Berichte ersehn:
Zu Marseille, zu Nimes, zu Montpellier marschirt die Reaktion im Sturmschritt. Briefe mit dem Bildniß Heinrich V. circuliren offen und seit 1815 wohlbekannte Subjekte durchlaufen die Lnadschaften
und die Dörfer, vertheilen Karten und Geld und verkünden die baldige Ankunft des Kgl. Waisen. Die Geistlichkeit ist ein mächtiger Bundesgenosse für die ausgedienten Verschwörer. Weiße und Schwarze
leihen sich wechselseitigen Beistand in diesem Kreuzzuge gegen die Freiheit. Trotz des heuchlerischen Circulärs des Bürgers Faucher bleibt die Ordnungsarmee vollständig organisirt. Ihre Cadres
sind vollzählig und jeden Tag vermehren neue Rekruten, geliefert von der Unwissenheit und dem Elend, die Reihen dieser „honnetten und gemäßigten“ Republikaner, deren Reihenführer der
Bürger Falloux ist. An Soldaten also Ueberfluß; nur der „Nerv des Kriegs“ läßt noch zu verlangen. Aber unsre Herrn Bischöfe sind Leute von reicher Phantasie und die Kasse des
Generalstabs wird, Dank ihnen, bald angefüllt sein. Das Unglück des Pabstes ist der mächtige Hebel, womit sie eine enorme Steuer von der Bevölkerung erheben. Die Weiber sind die Bundesgenossen,
die sie zu dieser Erndte von Sousstücken verwenden. Unter dem Vorwand dem Pabst, den Roms Revolutionäre aus seinen Staaten verjagt hätten, zur Hülfe zu eilen, bringen die eifrigen Devotinnen überall
ein in die Häuser der Städte so gut, wie in die Hütten und Mansarden. Auf den honigsußen Ruf der anmuthigen Complicen des Clerus, die zur Mehrzahl nicht einmal wissen, daß sie die Werkzeuge des
Bürgerkriegs sind, öffnen Große und Kleine, Geschäftsleute und Arbeiter ihre Börsen. Der Bauer zwackt auf die gebieterischsten Bedürfnisse seiner Familie den Almosen ab, ohne seinerseits zu ahnen, daß
sein Opfer, welches er zur Unterstützung des exilirten Pabstes bestimmt, den Schatz der Royalisten mehren geht, daß es dienen wird zum Ankauf von Waffen, zum Gießen von Kugeln, zur Besoldung aller der
tugendhaften Blätter, welche sich zu Frohsdorf oder Claremont inspiriren lassen. In dem ganzen Süden arbeitet diese weibliche Miliz mit einem Feuereifer, der in dem Versprechen vollständiger
Indulgenzen seine Quelle hat. Es ist eine wahre Concurrenz unter den schönen Sünderinnen eingerissen, welche am meisten Geld in der Pfarrei oder bei dem Bischofssitz hinterlegen wird. An der
Spitze stehn Patroninnen, dem alten Adel oder der hohen Bourgeoisie angehörig. Diese gesammelten Summen werden nur zu ganz geringem Theil nach Gaëta geschickt. Der größte Theil bleibt in den
Händen der Royalisten als Kriegskasse für den bald zu eröffnenden Feldzug der Legitimität oder der Quasilegitimität.
Ebenso stürzen ganze Jesuitenbanden auf die mittäglichen Provinzen los. Sie kommen aus allen Ecken Europa's und selbst von den Verein. Staaten. Ihre Häuser zu Aix und Marseille sind zu eng,
um die jeden Tag neu hinzuströmenden Ankömmlinge zu fassen. Sie schleichen sich als Lehrer ein in Privathäuser, um den günstigen Augenblick zu erlauern, wo sie ihre Anstalt eröffnen können, der unter
der „honnetten und gemäßigten“ Administration der Falloux-Faucher nicht mehr fern sein kann.
Man schreibt aus Marseille vom 2. April: „Die reaktionäre Propaganda nimmt alle möglichen Formen und Verkleidungen an. Während zu Paris die rue de Poitiers eine Gesellschaft der
„guten Bücher“ stiftet, läßt der Bischof zu Marseille eine Mission in allen Ortschaften der Diöcese predigen, um sie auf die nächsten Wahlen vorzubereiten. Die Missionäre
begnügen sich nicht von der Kanzel herab gegen den Socialismus und die Demokratie zu donnern. In der Dorfschaft Mazargun sahen sich einige Bauern, die verdächtig waren für Ledru Rollin gestimmt zu
haben, so vielen Tracasserieen ausgesetzt, daß sie sich entschlossen, sich 15 Tage in eine Kapelle von Büßern zurückzuziehen.
Der „Republicain de Basconie“ sagt: „Nach dem 9. Thermidor gewann eine antirepublikanische Reaktion die Oberhand; die Gewalt ging aus der Hand der „Republicains
Moutagnards“ in die der „Republicains Modérés über und von den letztern in die der royalistischen „honnetten Leute“, Es war der Repräsentant Jean de
Bry, Advokat und Renegat des Berges, der als Missionär in die Departemente des Südens gesandt wurde und der antirepublikanischen Reaktion den höchsten Schwung gab. Unter seiner Protektion
und auf seinen Antrieb organisirten sich in dem Departement von Vaucluse Banden von Meuchelmördern, die feigen Jesuscompagnieen, besoldet von den Adligen und Pfaffen. Die erste, zu Avignon,
hatte an ihre Spitze einen gewissen Carrière; die zweite, zu Lisle, war angeführt von Pustour und die dritte zu Orange von Blayet. Diese 3 honnetten Meuchelmörderbanden durchliefen Städte und
Dörfer und ermordeten alle Republikaner, die sie entdecken konnten; sie fielen mit Stöcken über sie her, sie füssilirten sie in den Straßen, den Häusern, auf den öffentlichen Plätzen; sie schändeten
ihre Frauen und Töchter und stahlen alles, was ihnen zusagte. Dann, als die Gefängnisse überfüllt waren von Montagnards und selbst von gemäßigten Republikanern, und da es unmöglich war sie gerichtlich
eines bestimmten Verbrechens oder Vergehens zu überführen, transportirte man sie von einem Gefängnisse ins andre, um Gelegenheit zu haben, sie unterwegs zu massakriren. So wurden von 50
Montagnards, die man aus den Gefängnissen von Orange nach denen von Pont-Saint-Esprit transportirte, drei gemeuchelt beim Pferdewechseln zu Montdragon und 10 andre auf dem Pont-St.-Esprit und ihre
Leichen in die Rhone geworfen. Wenn man diese Thatsachen mit denen zusammenstellt, deren Zeuge wir seit dem 27. Februar sind, so sieht man klar, daß die Monarchisten immer dieselben sind, daß sie
nichts gelernt und nichts vergessen haben.
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*
] Paris, 7. April.
Unsere Leser wissen, daß le jeune Faucher sechszehn von der provisorischen Regierung und ihren Nachfolgern abgesetzte oder vielmehr bei der Ankunft der Republik
schuldbewußt sich zurückziehende Präfekten pensionirt hat „wegen schwerer in Ausübung und bei Gelegenheit ihrer Amtsfunktionen zugezogenen Gebrechlichkeiten und die, am Tage der
Vergebung ihrer Posten an Dritte, ihnen nicht erlaubten, diese ferner inne zu halten“. Drei von diesen Präfekten hat der würdige Faucher, wie ebenfalls schon mitgetheilt, kurz nach dieser
Pension und der sie motivirenden Gebrechlichkeitserklärung, wieder angestellt. Unter ihnen befindet sich Meunier, der Schwager des erlauchten Odilon Barrot. Die Familie Barrot wußte immer
Geschäfte zu machen. Unter Louis Philippe verstand es Herr Odilon, dieser Grachus der Liberalen, sehr geschickt, seine Verwandten, Brüder, Schwäger, Vettern u. s. w. in allen Administrationen
unterzubringen. Er selbst, der celèbre Odilon Barrot, der Bauchredner des Capitols, stand sehr gut mit dem Hofe; bei delikaten Gelegenheiten wurde er in den geheimen Rath Louis
Philippe's zugezogen. Als der Prinz Condé selbstgemordet wurde, wurde unser Odilon von Louis Philippe beauftragt, die Vertheidigung der Frau v. Feuchères zu
überwachen und als diese würdige Complice Louis Philippe's im Himmel den Lohn eines tadellosen Lebens Empfang nehmen ging, empfing der stirnkrause Barrot durch testamentarische Verfügung einen
Diamant von 100,000 Fr. von der verkannten Erbin der Herzogs von Bourbon. Barrot und Louis Philipp wußten sich zu arrangiren; die Opposition des Herrn Barrot war seinen Freunden und Verwandten, Herrn
Meunier mit einbegriffen, durchaus einträglich. Zu den 16 schon erwähnten Ruhestandsgehalten hat Faucher wieder 5 neue hinzugefügt, die der Herren Expräfekten Roullieaux du Gage, Rorieu-Marchand de la
Faverie, Galzain und Thiessé, die sich alle „Gebrechlichkeiten“ in Ausübung ihrer Dienstfunktionen unter Louis Philippe zugezogen haben sollen. In diesem Augenblicke, wo das Volk
vor Hunger stirbt, hat dieses Ministerium die Schamlosigkeit, lebenslängliche Gratifikationen Männern zuzusprechen, deren angebliche Dienste in einer ununterbrochenen Reihe von Gewaltthaten und
Corruptionen bestehen. —
Dem Scandal der Inruhestandsetzung, respective Pensionirung von 18 Präfekten, die nur an der zurückgetretenen Monarchie kranken, folgt der noch größere Scandal des Exgrafen, Herzogs und Pairs
Decazes, ehemaligen Favoriten Ludwig's XVIII. und letzten Cumpans Louis Philippe's, den man durch eine Pension von 6000 Frks. für die Dienste belohnte, die er der Restauration wider die
Bonapartisten geleistet hat, als er zur Zeit der Verschwörung von Grenoble den Tod auf den Flügeln des Telegraphen die Lüfte durchlaufen ließ und für ähnliche Dienste die er unter Louis Philippe den
Bonapartisten erwies. —
— Bürger Bugeaud verbot im Militärhospital von Lyon ausdrücklich das Lesen des „Republicain“ und des „Peuple souverain“. Da die Pest des Socialismus
nichts desto weniger alle Kranken ansteckte und selbst die Spitalbeamten ergriff, untersagt der verzweifelte Marschall nun nicht nur die Lektüre dieser beiden Journale, sondern auch die jedes andern
Blattes. Nur die Offiziere durfen lesen, unter der Bedingung indeß, daß sie der Ordnung befreundete Journale wählen.
A. Gent, Volksrepräsentant, hat in der letzten Sitzung auf das Büreau der Nationalversammlung Petitionen, gezeichnet von Einwohnern von Avignon, Carpentras, Bollene, Pertuis, Pernes, Mazea,
Caderousse, Le Poutet und Roquemaure niedergelegt, worin verlangt wird:
1) Herausgabe der Entschädigungsmilliarde von Seiten der Emigrirten und ihre Verwendung, um die 45 Centimessteuer zurückzuzahlen uns die indirekten Steuern und Octrois abzuschaffen.
2) Sofortige Gründung einer Hypothekenbank, die dem Grundeigenthum zu 2 pCt. leiht.
3) In Anklagezustandversetzung der Minister.
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@facs | 1514 |
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*
] Paris, 7. April.
Die „Erklärung der Deputirten der Montagne an die Wähler“ lautet ihrem Hauptinhalte nach:
Bürger!
Im Augenblicke, wo das Volk wieder seine Souverainetät deleguiren und seine Repräsentanten zur gesetzgebenden Versammlung ernennen wird, ist es unsere Pflicht, nicht es zu lenken aber aufzuklären
in der Wahl, die es zum zweitenmale vornimmt. Wir werden kein Wahlcomite bilden, keine Listen umherschicken, keine Namen aufdringen. Wir werden die Prinzipien ins Gedächtniß rufen, die uns in der
Vergangenheit geleitet haben und welche als Probierstein für die andern in der Zukunft dienen können.
Die constituirende Versammlung hat sich verlebt. Ihre Politik und ihre Werke sind der Geschichte anheimgefallen.
Ihr Werk, die Constitution, welche die Todesstrafe zuläßt und das Recht auf Arbeit zurückweist, wir nehmen es an, trotz seiner Inconsequenzen und Mängel, einmal, weil es das Produkt des allgemeinen
Stimmrechts ist, dann, weil es sein eigenes Heilmittel in sich trägt in dem besten seiner Paragraphen, dem der die Revision der Verfassung gestattet.
Die Politik dieser Versammlung war unlogisch, wie ihr Machwerk, gewaltthätig nach Innen, schwach nach Außen, retrograd nach allen Seiten hin. Mit einem Worte, die constituirende Versammlung hat
gethan, was sie thun konnte, sie war, was sie sein mußte: Die Erstgeborne eines Volkes, welches aus der Monarchie heraustrat, aber noch unter dem Joche des Elends und der Unwissenheit sich beugte,
mußte sie die Merkmale ihres Ursprungs an sich tragen und konnte nur abortus hervorbringen. Im Februar glaubte das Volk den Worten derer, die im Schäferkleid zu ihm kamen. Es nahm wieder an diese
zurückgekehrten Royalisten, diese ausgedienten Liberalen, diese Ueberlebenden aller Regimes, diese Korkmenschen, die immer wieder auf die Wasseroberfläche steigen. Und das Volk hat sich getäuscht
durch ein Vertrauen und eine Milde, die es ehren, und seine Trunkenheit des Erfolgs, sein politisches Noviciat und vor allem seine Großherzigkeit erklären. Aber heute ist die Lehrzeit durchgemacht,
die Lektion erhalten, die Gefahr ungeheuer. Heute kann das Volk mit Sachkenntniß wählen, es weiß, mit wem es zu thun hat; es sieht, wer seine Freunde, wer seine Feinde sind. In dem Guten und
Schlechten, was die Constituante gethan hat, kann es die sondern, die royalistisch den Belagerungszustand, die Transportation, die Kautionen, die Gesetze über die Zusammenschaarungen, die Klubgesetze,
die Gesetze über Octrois, die eilfstündige Arbeit, die 600,000 Fr. votirt haben und die Republikaner, welche die Reduktion der Salzsteuer, des Briefportos, des Budgets und die Eingangsworte der
Constitution votirten. Das Volk kann also die abtretenden Deputirten nach ihren Vota beurtheilen. Es kann die neuen Kandidaten nach dem Programm beurtheilen, das wir an die Spitze der Constitution
gestellt haben.
Unser ganzes nachfolgendes Programm ist nichts als die logische direkte und allgemeine Verwirklichung des Prinzips der Volkssouveränetät, nach Innen und nach Außen.
Ausland
Nach Außen hin nehmen wir im Prinzip an, daß jedes Volk frei und souverän ist. Das Königthum ist eine thatsächliche Gewalt, die Republik eine rechtsgemäße Regierung. Jedes Volk, daß unsrer bedarf,
das unsern Beistand in Anspruch nehmen wird, sei es um seine Nationalität, sei es um seine Souveränetät wieder zu gewinnen, darf, innerhalb der Gränze unsrer Mittel, auf unsern moralischen und
materiellen Beistand rechnen, auf unsre Diplomatie und auf unsre Armee. Die Armee Frankreichs ist die Armee der Freiheit. Die Freiheit ist nicht unser Privilegium, sie st das Recht Aller, und das
Recht hat keine Gränzen. Frankreich kann nicht mehr erobern und unterjochen; aber eben so wenig kann es ferner, ruhig, mit zu Boden gesenkter Waffe, dem traurigen Schauspiel von Sklaven beiwohnen, die
noch in den Verträgen von 1815 ringen. Seine Prinzipien, seine Versprechungen, seine Vergangenheit, seine Zukunft, seine Wohlfahrt, seine Ehre verpflichten es gegen Polen, Italien, Deutschland,
Ungarn, gegen alle, die gleich ihnen, ihre Fesseln brechen wollen. Zu Pesth, zu Mailand, zu Wien, zu Warschau wird Paris von den Königen belagert, bombardirt und gebrandschatzt. Die Republik kann
nicht die Mitschuldige der Könige gegen die Völker sein. Und es heißt dieser Mitschuld verfallen, wenn man das Verbrechen begehen läßt, das man verhindern könnte. Die Monarchie hatte gesagt: Jeder für
sich, und sie ist gestorben. Die Republik, der Gegensatz der Monarchie, muß leben mit dem Wahlspruch: Jeder für Alle.
Inland.
Im Innern, dieselbe Logik. Das Volk muß frei und souverän sein. Das Volk ist zwar in diesem Augenblick nicht mehr dem Könige unterthan; aber noch ist es der Unterthan der Unwissenheit und des
Elendes, dieser beiden letzten Königthume, Töchter des ersten Königthums und im Stand es zurückzuführen. Der Mensch, der hungert, ist Sklave der Nothdurft; der Mensch, der nichts weiß, ist Sklave des
Irrthums. Er ist also weder souverän noch frei. Was ist das für eine Souvenänetät, die nicht einmal ihr Votum schreiben kann? Was ist das für eine Freiheit, die von ihrem Brod abhängt? Man muß also
den Menschen von diesen beiden Sklavereien befreien: man muß ihn entreißen diesen beiden gebieterischen Tyranneien, die das Volk schon zweimal das allgemeine Wahlrecht gegen sich selbst kehren ließen,
am 10. Dez. und dem 23. April. Es fragt sich, wie ist dieser doppelte Zweck zu erreichen? Durch die Arbeit und den Unterricht. Darin liegt die ganze Republik.
Arbeit.
Keine Freiheit, keine Souverainetät ohne Eigenthum. Weit entfernt, es zu verneinen, zu zerstören, wollen wir bestätigen und befestigen, indem wir es aus einem Privilegium in ein Recht verwandeln,
d. h. ausdehnen, allen zugänglich machen, alle daran betheiligen. Als Privilegium einiger Wenigen ist es unaufhörlich bedroht; als Recht Aller ist es gerettet. Seine exclusiven Vertheidiger verneinen
es am meisten, denn sie verneinen es für die Majorität der Bürger, für zwei Franzosen auf drei. Wir wollen es mehr als sie, weil wir es für Alle wollen. Wie? Durch die Arbeit. Wir wollen Allen das
Recht auf Eigenthum zuerkennen, indem wir ihnen das Recht auf Arbeit zuerkennen. Was ist das Recht auf Arbeit? Das Recht auf Kredit. Und was ist das Recht auf Kredit? Es ist das Recht auf Kapital, d.
h. auf die Mittel, auf die Instrumente der Arbeit.
Art. 13 der Konstitution hat Kreditinstitutionen versprochen. Der Kredit ist das in Cirkulationsetzen des gemeinschaftlichen Reichthums. Wie das Herz den Gliedern das Blut zuführt, so muß der Staat
den Bürgern den Kredit vertheilen, den sie ihm durch die Steuern zurückgeben. Der Staat muß also gemäß Art. 13 den öffentlichen Kredit organisiren; er muß durch ein gutes System von Kantonal- und
Departementalbanken, die untereinander und mit einer Nationalbank verbunden sind, an die Stelle des Privatkredits treten. Der Staat muß im Großen thun, was die Bank von Frankreich mit einem
beschränkten, wuchernden und schlechtgarantirten Kapital im Kleinen thut. Er muß ausleihen, statt Anleihen zu machen, und zwar leihen auf bewegliches, wie unbewegliches Eigenthum, auf hervorgebrachte,
wie auf erst hervorzubringende Werthe. Der Kredit muß ein wirklich persönlicher sein. So muß der Geldzins mehr und mehr herabgedrückt, der Ackerbau, die Industrie und der Handel der feudalen
Exploitation der Bank- und Börsenmänner, den Agioteurs, den patentirten und nicht patentirten Wuchern entrissen werden.
Der vom Staate geregelte Kredit muß die Kraft, das Leben, die Thätigkeit der Nation verdoppeln und allen ihren Mitgliedern Arbeit, d. h. Eigenthum, d. h. Freiheit, geben.
Steuer.
Die oben erwähnten Banken, welche Commandit, Escompto, Wechsel-Versicherungsoperationen u. dgl. machen, würden durch ihre legitimen Gewinne, die allmählige Reduktion der Steuern ermög-
[1515]
lichen: denn um das Elend zu zerstören und das Eigenthum zu schaffen, genügt es nicht, die Arbeit zu vermehren; es ist gleichzeitig nothwendig, die Steuern zu vermindern. Der Staat darf nicht mit der
einen Hand wieder zurücknehmen, was er mit der andern giebt. Gegenwärtig giebt er nichts und nimmt alles. Das ganze Steuersystem muß daher ‒ radikal nach dem Prinzip der Gleichheit reformirt
werden. Jeder Bürger muß zu den öffentlichen Lasten beitragen nach Verhältniß seines Vermögens; die Steuer muß proportionnell und progressiv sein. Heute ist sie weder das eine, noch das andere, oder
vielmehr beides, aber in umgekehrtem Sinn, d. h. im Verhältnisse des Elends und nicht des Reichthums. Je ärmer der Bürger ist, desto mehr zahlt er. Wir wollen nur ein Beispiel citiren. Der Litre Wein,
den der Arme kauft, zahlt sechsfache Steuer: Grundsteuer, Octroi, das Patent des Großhändlers, die Steuer, die der Makler zu zahlen hat, das Patent des Kleinhändlers und endlich die Steuer für das
Recht, Wein zu verzapfen. Der Wein des Reichen dagegen, direkt auf seinen eignen Bergen gewachsen oder direkt gekauft, zahlt nur die Grundsteuer und das Octroi. So zahlt der Reiche zwei Steuern für
das Getränke, wo der Arme deren sechs zaht. Alle andern Steuern sind ungefähr mit derselben Gerechtigkeit geregelt; überall zahlt der Arme für den Reichen, so sehr, das der Arme jährlich 400 Millionen
mehr giebt, als er schuldet, was seit den 34 Jahren, während deren man ihm Gleichheit der Steuer verspricht, eine Summe von 34 Milliarden beträgt, (d. h. ungefähr 1/4 des Grundwerths von Frankreich)
wovon der Reiche „honnett und gemäßigt“ profitirt.
Militärdienst.
Die Blutsteuer ist eben so ungerecht vertheilt wie die Geldsteuer. Wir werden sie ebenfalls regeln. Wir werden außerdem der Armee die dreifache Garantie der Konkurrenz, der Wahl und der Anciennetät
bei Besetzung der Stellen geben.
Unterricht.
Mit der materiellen Befreiung die moralische. Der Bürger hat ein Recht auf Unterricht wie auf Arbeit; der Staat muß den Unterricht geben, wie den Kredit. Der Konvent hatte ein Budget von 600
Millionen Francs: 50 Millionen davon, d. h. den 12ten Theil ihres Budgets bestimmte diese „Versammlung ‒ von Barbaren“ dem öffentlichen Unterricht. Die
„honnetten und gemäßigten“ Republikaner dagegen mit einem Budget von 1800 Millionen bestimmten davon für den öffentlichen Unterricht 18 Millionen, d. h. den 100sten Theil,
so daß auf 6 Millionen Kinder 3 Millionen keinen Unterricht empfangen, daß die Hälfte der Wähler weder lesen noch ihr Votum schreiben können und daß das Bagno auf 100 Verurtheilte 80 Ununterrichtete
zählt. Das Königthum hatte ein Interesse daran, das Volk zu verdummen, wie auszuhungern, um es besser knechten zu können; die Republik mit einem ganz entgegengesetzten Interesse, muß heraustreten aus
den monarchischen Irrwegen und der vom Konvent vorgeschriebenen Bahn folgen. Um dem Beispiel des Konvents zu folgen, mußten auf ein Budget von 1800 Millionen 150 Millionen dem öffentlichen Unterricht
angewiesen werden. So könnte der Staat nicht nur allen unentgeldlich den Primair- und den professionellen Unterricht geben, sondern noch die armen Kinder für die Zeit des Unterrichts entschädigen.
Dann werden wir die Unwissenheit zerstören wie das Elend.
Ordnung.
Die Ordnung ist kein Prinzip, sie kann nur eine Konsequenz, ein Resultat sein. Sie ist die Harmonie der Rechte und nicht ihre Unterdrückung. Die Ordnung durch die Gewalt und die Unterdrückung, die
Ordnung, die zu Warschau herrscht, ist falsch und gebrechlich, sie brütet unaufhörlich die Emeute aus und die Revolution. Die Parteigänger der Autorität, der kräftigen Staatsmacht sagen: Ordnung in
der Freiheit! Wir glauben, daß nur die gerechte Macht stark ist und daß nur die Macht gerecht ist, welche allen Rechten genugthut, wir bestehen auf dem Wahlspruch: Durch die Freiheit
Ordnung!
Resumé
Allgemeines und direktes Wahlrecht. Einheit der Staatsmacht, Unterscheidung der Funktionenen; die exekutive Gewalt widerrufbar und der legislativen untergeordnet; kein Präsident. Freiheit
des Gedankens, welches seine Offenbarungsweise sei, eine individuelle oder kolletive, permanente oder periodische, durch das Wort und durch die Presse, absolute Freiheit ohne irgend ein präventives
oder fiskalisches Hemmniß, ohne Kaution, Privilegien, Censur oder Autorisation; ohne andre Schranke als die Verantwortlichkeit. Möglichst ausgedehnte Anwendung des Wahlsystemes auf alle öffentlichen
Funktionen, vollständige Abschaffung der Konsumtionssteuern auf Gegenstände erster Nothwendigkeit; Revision der Grundsteuer und der Patente; Einführung der progressiven und proportionellen Steuern auf
das reine Grund- und Kapitaleinkommen Zurückzahlung der 45 Centimes. Ausbreitung der Eisenbahnen, Minen, Kanäle, Assekuranzen u. s. w. durch den Staat. Verminderung der großen Gehalte, Erhöhung der
kleinen, u. s. w. u. s. w.
Unter andern haben dies Programm unterzeichnet: Theodor Bac, Baune, Martin Bernard, Gent, Greppo, Lammenais, Ledrü Rollin, Pierre Leroux, Felix Pyat, Eugen Raspail, Robert, Germain Sarrut,
Schoelcher u. s. w.
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@facs | 1515 |
Paris, 7. April.
Im Moniteur nichts als eine Darstellung der Festlichkeiten, mit welchen die Londoner Gäste in Boulogne, Amiens und Paris empfangen wurden, Eine Abtheilung
derselben begab sich gestern nach der Börse in das Ministerium des Innern, wo sie Faucher mit einer englischen Rede empfing, die das offizielle Organ jedoch nicht mittheilt. Wir können daher über
seinen Enthusiasmus nichts ertheilen.
‒ Also wieder eine Verschwörung!
Man liest in unsern demokratischen Morgenblättern hierüber: „Die Polizei verbreitet das Gerücht, morgen Sonntag (8) oder Montag (9. April) würden die Faubourgs aufstehen und die Regierung
durch eine Manifestation stürzen. Es leuchtet ein, daß das Ministerium der ehrsamen Bürgerschaft von Neuem glauben machen möchte, es habe die Gesellschaft vor der Anarchie abermals gerettet, und sie
auf diese Weise zu neuem Dank verpflichtet. Hr. Leon Faucher scheint einzusehen, daß er verloren sei, wenn er der Bürgerschaft nicht von Zeit zu Zeit das Schrekkensgemälde der Staatsgefahr und des
Sozialismus vor die Augen halte.“
‒ Gestern Mittag 11 1/2 Uhr langten die sieben Hauptverurtheilten aus Bourges unerwartet am Bahnhofe der Orleanslinie an und wurden unter starkem Militärgeleit nach dem Nordbahnhofe
gebracht, von wo sie ein Spezialzug mit Windesschnelle in die Picardie (nach Doullens) führte. Raspail, Sobrier, Blanqui, Quentin und Flotte werden in der dortigen berüchtigten Citadelle aufbewahrt,
während Barbes und Albert nur so lange dort bleiben sollen, bis die Reaktion irgend eine unwirthbare Insel gefunden, auf die diese beiden Volksvertreter geworfen werden sollen.
Huber sitzt in der Conciergerie.
‒ Hofrath Hübner, Gioberti und die übrigen Interessenten an Italien arbeiten im Hotel der Capuzinerinnen unausgesetzt an der diplomatischen Wiedergeburt dieses unglücklichen Landes.
‒ Heute steht Peuple (Louis Menard und Duchêne für seine Proloque d'une Révolution) vor den Assisen.
‒ Eugen Banue (vom Berg) überreichte gestern einen neuen Stoß von Pedition für Restitution der berüchtigten Milliarde.
‒ Die Cholera-Angst steigt täglich höher. Ein Tollhäusler, Namens Doktor Duchesne-Dupare schlägt uns vor das zu thun, was Hippokrates den Atheniensern empfahl, nämlich große Feuer in den
Straßen der Stadt anzuzünden, um die Luft zu reinigen.
Was wird die Rue de Poitiers dazu sagen?
‒ Die Zahl unserer erkrankten Volksvertreter wird diesen Morgen auf 20 angegeben. Der Sitzungssaal soll geräuchert werden. Unter den Kranken befindet sich Lagrange.
‒ De Lacollonge, Redaktor des Februarblattes „Organisation du Travail“, das auf rothem Papier erschien, war schon lange Gegenstand der ministeriellen Sorgfalt. Endlich ist es
gelungen, denselben gestern im Luxemburggarten einzufangen. Die Kriegsgerichte hatten ihn zu 20 Jahre Gefängniß per Contumaciam verurtheilt, und werden ihn jetzt definitiv zu verurtheilen haben.
‒ Granier de Cassagnac, dessen großartige Prellereien der Epoque-Aktionäre gewiß auch dem Auslande noch im Gedächtniß, tritt als Kammer-Kandidat im Gers-Departement auf.
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@facs | 1515 |
Marseille, 4. April.
Ein Anschlag des Präsidenten der hiesigen Handelskammer zeigt an, daß laut Depeschen des neapolitanischen Konsuls in Marseille und des französischen Konsuls in
Palermo die Feindseligkeiten gegen Sizilien wieder ihren Anfang nehmen.
‒ Die drei Präfekten der Rhone, Cher und Ober-Garonne haben in Folge der jungsten Kammerdebatten (bei Gelegenheit der Büdgetdiskussion) dem Minister des Innern ihre Entlassung eingereicht;
Faucher aber hat dieselbe nicht angenommen. Dies sei, erklärt der Minister im Moniteur, die beste Anerkennung ihrer Devouements.
‒ National-Versammlung. Sitzung vom 7. April. Anfang 1 Uhr. Grevy, einer der Vicepräsidenten, führte den Vorsitz.
Die Bänke sind ziemlich leer, man konnte glauben, die Cholera habe unter ihnen gehaust; man erzählt sich 21 Cholerafälle unter den Honorables, von denen heute fruh zwei begraben wurden. Grund genug
zu allgemeiner Besorgniß. Die großten Vorsichtsmaßregeln sind übrigens getroffen, der Saal ist gehörig gelüftet und chloroformirt worden u. s. w. Bei Nachvorlesung des Protokolls erhält das
Departement des deux Sèvres die Erlaubniß, sich Behufs Beschäftigung seines Proletariats übersteuern zu dürfen.
Dann geht es an die Tagesordnung. Dieselbe ist außerordentlich bunt. In erster Linie steht eine sehr delikate Angelegenheit.
Clement Thomas: Bürger Vertreter! Im Namen des Petitionsausschusses lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf eine Petition des Bataillonskommandanten Tempour, der vom Exkriegsminister Lamoriciere
in Ruhestand geschleudert worden, weil er in der Junischlacht (am 23.Juni) seine Waffen mit dem ganzen Bataillon vor den Insurgenten auf dem Place des Vosges gestreckt habe.
Tempour protestirt gegen diese ministerielle Maßregel und verlangt Behufs genauer Untersuchung des Vorgefallenen vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, die
Revision dieser Angelegenheit an den Kriegsminister zu weisen.
Ambert, Oberst, bekämpft diese Ueberweisung und dringt auf Tagesordnung.
Lebreton, General und Quästor, hilft dem Tempour und bevorwortet seine Citation vor ein Kriegsgericht. (Lebreton thut dies lediglich aus glühendem Haß gegen Lamoriciere.)
Changarnier, der conservative Bayard, findet diese Unterstützung sehr auffallend. Tempour sei durch ministeriellen Entscheid in Ruhestand versetzt; damit Basta, wohin solle dies führen, wenn
sich die Nationalversammlung in die Disciplin mische. (Hohngelächter zur Linken.)
Lamoriciere: Bürger Vertreter, nur wenige Worte! Tempour leistete offenbar den Insurgenten keinen Widerstand; von seinem ganzen Bataillon waren drei blessirt, als er die Waffen streckte.
(Lärm.)
Stimmen rechts: Zur Tagesordnung!
Passy, Finanzminister, unterstützt die Tagesordnung, welche auch ausgesprochen wird.
Jules Favre verlangt hierauf das Wort zu Interpellationen an den Minister des Innern, wegen des gestrigen Moniteur-Artikels wegen des „blinden“ und dennoch wieder angestellten
Präfekten.
Diese Interpellationen werden unter gehorigem Tumult begonnen.
Jules Favre: Bürger Verrreter! Als bei der neulichen Büdgetdebatte die Wiederanstellung eines Präfekten aus den Zeiten der Monarchie beanstandet wurde, versprach der Konseilpräsident
Odilon-Barrot, die Sache zu untersuchen und dann zu berichten. Diesem Verlangen gab die National-Versammlung nach und die Sache blieb en suspendu. Der Moniteur zerhaut sie aber durch einen Artikel mit
dem Schwert, der durch seine Form und Inhalt eine wahre Beleidigung der Würde der Versammlung ist. In diesem Artikel erklärt der Minister, daß er jene Beamten nicht nur nicht absetzen werde, sondern
überhäuft sie sogar noch mit Lobspruchen. Eine solche Impertinenz verdiene Rüge. Die National-Versammlung darf diese outrage nicht toleriren. (Oh! Oh! rechts.)
Faucher: Ich hätte dergleichen Angriffe am allerwenigsten erwartet vom Verfasser der berüchtigten Ledrü-Rollin'schen Circulaire… (Tumult.) Ich will sie übergehen und zeige
schon vorläufig an, daß die Untersuchung eingeleitet und durch den Artikel im Moniteur keineswegs erledigt ist. Die Sache schwebt noch und soll bei der Berathung des Finanzministerialbüdgets zur
Sprache kommen. Dann werde ich Aktenstücke bringen, welche beweisen werden, auf welcher Seite die Verfälscher (faussaires) zu suchen. (Tumult)
Die Interpellation wird somit wieder beim Finanz-Büdget auftauchen.
Die Versammlung schreitet zur 3. Lesung der Gerichtsreform.
Boudet, Baze, Waldeck-Rousseau besprechen den Titel 5 (Tribunal erster Instanz) und beantragen Vertagung.
Dieselbe wird ausgesprochen und die Versammlung trennt sich um 6 Uhr. Schluß 6 Uhr.
Italien.
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@facs | 1515 |
[
*
] Genua, 7. April.
Gestern Abend gegen 8 Uhr begab sich das Volk nach dem Palast Turst, wo Pellegrini sie haranguirte. Man bot ihm die Diktatur an; er schlug sie aus und
schlug dem Volke ein Triumvirat vor, bestehend aus dem General Avezzara, de Reta, Mitglied der Turiner Kammer und David Morchio. Das Volk acceptirte dieß Triumvirat unter dem tausendfach
wiederholten Rufe: Es lebe die Republik! Es begab sich sodann nach dem herzoglichen Palaste, wo die Municipalität saß. Die zu Triumvirn Bestimmten nahmen die vom Volke ihnen anvertraute Mission an.
Der Divisionskommandant in Genua ließ drei Stück Kanonen auffahren, um die Stadt zu mitratlliren; aber die Soldaten ließen sich durch die Volksmanifestation hinreißen und der Platzkommandant wurde
durch einige Nationalgarden arretirt. Man fand bei ihm ein Pensionsbrevet von 2000 Frs., welche die östreichische Regierung ihm seit 1815 zahlte. Diese Entdeckung brachte das Volk außer sich, es
schrie nach Waffen und die Truppen zogen sich in das Fort Diamant oder in das Arsenal zurück.
Genua befindet sich in ganz andern politischen und militärischen Bedingungen als Turin.
Nur widerstrebend unterwarf sich Genua einer Klausel der Verträge von 1815, die, im Widerspruch mit den Versprechungen des Admirals Bentink im J. 1814, es an Piemont annexirten. Die Diplomatie der
heiligen Allianz verfolgte mit dieser Annexation ihre fixe Idee, dem revolutionären Frankreich an allen Punkten royalistische Gegengewichte anzuhängen. Genua sollte in der Hand des Königs von
Sardinien dieselbe feindselige Stellung gegen Frankreich auf dem Mittelmeere behaupten, wie das Königreich der Niederlande auf der Nordsee.
Um seine, den Genuesen so widerwärtige Herrschaft zu sichern, und es den Ideen der heiligen Allianz dienstbar zu machen, ließ der König von Sardinien die Festungswerke von Genua beträchtlich
ausdehnen. Die die Stadt bedrohenden Forts wurden aufgeführt und alle Punkte, die während der großen Belagerung des Jahres 1800 als schwer und schlecht vertheidigbar erkannt worden waren, wurden
gespickt mit geschickt combinirten Vertheidigungswerken. Genua ist also nicht mehr das Genua, welches der General Massena so heroisch mit den Trümmern der Armee von Joubert und Macdonald vertheidigte:
es ist zugleich ein Platz ersten Ranges, und ein ungeheures verschanztes Lager, wo Kunst und Natur Alles gethan haben, um seine Einnahme ohne eine lange Belagerung und eine sehr zahlreiche Armee
unmöglich zu machen.
Das Ganze der Stadt mit ihren Besten bietet den Anblick eines großen dreieckigen Amphitheaters, wovon das Fort Diamant, zwei Stunden von Genua in der Appenninenkette die Spitze, und die
Marinebefestigungen die Basis bilden.
Diese halb kreisförmige Basis ist mit zahlreichen Batterien garnirt, welche das Meer und die Rhede bestreichen; in ihrer Mitte befindet sich der Hafen mit seinen zwei Wehrdämmen und im Hintergrund
des Hafens das Arsenal. Auf den beiden äußersten Seiten dieser Basis schneiden die Ströme des Polcavera und des Bisagno zwei Thäler ab, die in die Appeninen hinaufsteigen. Um die eigentliche Stadt zu
belagern, muß man diese zwei Thäler besetzen, und eben um die Kommunikation zwischen diesen zwei Thälern abzuschneiden, sind die Forts des Sperone, der „zwei Brüder“ und des
„Diamant“ in ungeheuren Verhältnissen aufgeführt.
Von Seite der Polcavera, deren Thal sehr breit ist, hat man, um den Angriff auf die Stadt von den Höhen des rechten Ufers herab zu verhindern, die Forts Begato, Saint Barthelemy und einige andere
vorgeschobene Werke aufgeführt und man hat das Vorgebirge, wo der Leuchtthurm steht, gegen jeden möglichen Angriff sicher gestellt. Dieses Thal entlang schlängelt sich der Weg von Genua nach Turin
über Allessandria.
Von Seite des Bisagno, von welchem Punkt aus die Engländer 1816 angriffen und wo sich damals nur die Forts Ratti, Richelien und Santa Tecla befanden, sind die Hügel von St. Martin und St.
François d'Albaro die in Kanonenschußweite von den Bastionen der Cava und des Zerbino liegen, mit sehr sorgfältig ausgeführten Festungswerken bedeckt worden. Sie bilden so zu sagen eine
dritte Ringmauer für die Stadt. Längst des Thales des Bisagno hatte Napoleon eine Straße zu bauen begonnen, die nach Parma führen sollte. Sie ist nicht ausgeführt worden.
Um das Korps des Platzes, das unregelmäßig aber sehr umfangreich ist, hat man Thüren, Batterien und mit Schießscharten versehene kasematirte Reduits aufgeführt, um jede Ueberraschung zu
verhindern.
So befestigt, könnte Genua, frei nach der Seeseite hin, mit einer Garnison von 20,000 Mann während unbestimmbarer Zeit sich gegen eine zahlreiche Armee halten.
Die Bewegungen im Innern von Genua selbst könnten unterdrückt werden durch die mit kasematirten Kasernen versehenen Bastionen von Castelletto, St. Georges, welche die Stadt beherrschen und durch
das Fort Specola, das zugleich das Thal des Bisagno bestreicht. 1848 wurden die zwei ersten dieser Werke zerstört und heute hat das Volk den dritten dieser wichtigen Punkte inne.
Da man noch nicht weiß, welche Stellung die verschiedenen Depotbataillone, die in Genua waren, einnehmen werden; ob die Division des Generals Fanti, zusammengesetzt aus lombardischen Regimentern,
die auf dem rechten Ufer des Po's standen und keinen Theil an der Schlacht zu Novara vom 23. nahmen, die genuesische Bewegung unterstützen kommen wird; da man endlich die Absichten des Generals
Lamarmora nicht kennt, der von Parma, wo er am 26. war, nach Bobbio hinmarschirt ist, offenbar um sich dem Meer zu nähern, so ist es unmöglich, sicheres über den von Pellegrini organisirten Widerstand
vorherzusagen.
Die sardinische Eskadre besteht ganz aus genuesischen Seeleuten. Indem die Regierung von Turin sie vom adriatischen Meere zurückberief, wird es vielleicht der Insurrektion nur neue Elemente der
Kraft und des Widerstandes hinzufügen.
Genua zählt ungefähr 100,000 Einwohner. Seine Handelsinteressen knüpfen sich eben so sehr an Mailand wie an Turin. Die Verbindung mit der Lombardei würde seinem Hafen und seiner Eisenbahn eine neue
Wichtigkeit geben und ihm große Chancen der Prosperität eröffnen. Als sie zur italienischen Einheit trieben, machten die Genuesen nicht nur in Patriotismus oder vielmehr der Patriotismus stützt sich
hier auf eine solide Grundlage, auf materielle Interessen.
Die Fabrikanten der Verträge von 1815 ahnten sicher nicht, als sie die Karten von Europa monarchisch zustutzten, daß ihr Plan, dem Könige von Sardinien durch Genua Frankreich gegenüber eine
drohendere Stellung zu geben, doppelt sich gegen sie selbst kehren würde. Genua hat Piemont zum Krieg gegen Oestreich getrieben. Genua will sich heute von Piemont losreißen.
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@facs | 1515 |
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*
] Liverno, 2. April.
Ein aus Genua auf einem französischen Dämpfer eben eingetroffener Reisender meldet: „Gestern Nachmittags um 4 Uhr wohnten wir einer
vollständigen Kanonade und Füsillade bei, indem zwischen dem Volk und der Besatzung in Genua eine förmliche Schlacht entbrannt war. Von beiden Seiten war das Feuer höchst lebhaft. Das Militär
hat den Vortheil, daß es von sehr guten Stellungen aus kämpft. Wir fuhren von Genua zwischen 6 1/2 und 7 Uhr ab; das Feuern dauerte fort.“
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@facs | 1515 |
[
*
] Neapel, 28. März.
Unter diesem Datum berichtet der Times-Korrespondent voll royalistischer Wuth über die fehlgeschlagenen Vermittlungsversuche der Herren Temple und
Rayneval in der sizilischen Frage. Als die beiden Herren vor Palermo anlangten, traten sie mit der provisorischen Regierung nicht direkt, sondern mittelst der beiden Admirale in Unterhandlung. Durch
diese ließen sie eine Note überreichen, welche das königliche Ultimatum gewaltig lobpries und zur Annahme empfahl. Der sizilische Minister des Auswärtigen berief sofort das Parlament zusammen, dem er
die Note vorlegte. Einstimmig wurde sie und damit das Ultimatum zurückgewiesen. Jetzt begaben sich die Gesandten England's und Frankreich's persönlich zum Minister des Auswärtigen, der
bei Ankündigung des Besuchs alsbald den ganzen Ministerrath zu sich geladen. Man hörte die Vorträge und Ermahnungen der englischfranzösischen Gesandtschaft ruhig an, und beantwortete sie dann mit
großer Freimüthigkeit, so daß den Herrn Temple und Raynegal eine gehörige Lektion zu Theil wurde. Nach 3 stündiger verveblicher Unterhandlung verwarf der Ministerrath alle Vorschläge unter der
Erklärung, die provisorische Regierung betrachte den Waffenstillstand als geendigt, und werde am 29. März die Feindseligkeiten beginnen.
Dies Resultat brachte unter den zu Palermo ausässigen Engländern und Franzosen große Bewegung hervor. Zwei Dampfschiffe wurden bereit gehalten, um diese Fremden mit ihren Familien und Sachen
vorerst nach Malta in Sicherheit zu bringen. Es hieß, Filangieri, der im Hafen von Messina eine große Menge Dämpfer bereit hält, würde am 29 März vor Palermo erscheinen. Er will in der Nähe dieser
Stadt seine Truppen landen, und zu gleicher Zeit durch die Kriegsdämpfer von der Seeseite aus den Angriff unterstützen lassen. In der letzten Zeit haben in Palermo täglich zwischen 50-60,000 Menschen
an den Verschanzungen gearbeitet; Männer, Frauen und Kinder ohne Unterschied der Stände betheiligten sich bei der Arbeit. Die Zahl der Bewaffneten beträgt an 20,000. Der Enthusiasmus der Sizilier ist
unbeschreiblich. Als die Herren Temple und Rayneval landeten, wurden sie von Tausenden Bewaffneter unter dem lauten Ruf: Krieg! Krieg! und „Tod dem Bourbonen“ bis zum Hause des Ministers
des Auswärtigen begleitet.
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@facs | 1516 |
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@facs | 1516 |
[
*
] Potsdam, 6. April.
Am 4. August wurde Dr. Tropus, Mitarbeiter am hiesigen Tagesblatte, meuchlings von Soldaten des 1. Garderegiments angefallen und fürchterlich
verwundet. Es war offenbar auf einen Mord abgesehen.
Wir geben nachstehend die Erklärung eines Augenzeugen und des Arztes, zu dem der Verwundete gebracht wurde:
Es war am 4. April, Abends 7 3/4 Uhr, als ich in der Lindenstraße, unsern der dortigen Hauptwache, die Rückkehr des Hrn. Dr Tropus aus der Freyhoff'chen Buchdruckerei erwartete. ‒
Nach Verlauf von etwa 10 Minuten trat er ‒ wie ich bei dem hellen Mondschein genau wahrnehmen konnte ‒ aus dem genannten Hause und ging langsamen Schrittes die Häuserfronte entlang,
während ich mich in die Mitte der Straße begab und, dort schneller ausschreitend, an der Ecke der Charlottenstraße mit ihm zusammentreffen wollte. Nicht weit davon blieb ich, ihm den Rücken
zugewendet, stehen. ‒ Es herrschte ringsum die vollkommenste Stille. ‒ Plötzlich tönt ein lauter Hülferuf an mein Ohr, ich wende mich um, und fast in demselben Moment liegt Hr. Dr.
Tropus, durch den Schlag oder Stoß eines dem 1. Garderegiment angehorigen Soldaten niedergeschmettert, auch schon am Boden. ‒ Der Soldat beugte sich über den Hülferufenden und stieß fortwährend
nach dem Kopfe desselben, wobei er etwas, mir Unverständliches, vor sich hinmurmelte. Kaum versuchte ich es, den am Boden Kämpfenden aufzurichten und ihn von seinem Gegnern frei zu machen, als auch
schon aus dem Schatten, welchen die Häuser warfen, plötzlich zwei andere Gardisten hervorstürzten, mir den Hut über die Augen schlugen, den Mantel von den Schultern zerrten und dann den Dr. ebenfalls
wüthend mißhandelten
Alles dieses war das Werk von weniger als einer halben Minute Während ich nun den Hut vom Gesicht riß und die mit wahrhaft teuflischer Bosheit auf den fast schon leblos Darliegenden losschlagenden
Soldaten durch Worte zu besänftigen und zurückzudrängen suchte ‒ denn immer noch ahnte ich nur einen gemeinen Straßenexceß, keinen Angriff auf Leben und Tod ‒ eilten hinter der
Hauptwache etwa 16-20 andere Militärs, von denen mehrere der 6 Kompagnie des 1. Garderegiments angehörten, alle in Mützen und Waffenröcken, hervor und bildeten einen Kreis um die mörderische Gruppe.
Mich stieß man dabei hin und her, ohne jedoch weiter thätlich gegen mich zu werden. Ein hinzugekommener Schuhmacherlehrling, so wie ein Gehülfe des Handschuhmachers Herrn Müller, wurden
zürückgedrängt. Letzterer, wie er aussagt, mit der Drohung: Civilisten dürften nicht zugelassen werden, und man werde ihn niedermachen, wenn er nicht zurückweiche.
Auch dieser Vorfall war von nicht längerer Dauer, als der ihm vorangegangene. ‒ Inmitten des Ringens gelang es dem Herrn Dr. Tropus sich vom Boden aufzuraffen, das Spalier zu durchbrechen
und in den Laden des Schlächtermeisters Herrn Kreyher zu flüchten. Die Soldaten, von denen Einer ihm zugerufen hat: „Hier muß er verrecken, hier muß er sterben!“ stürzten ihm nach, und
obwohl ihm Einer derselben noch einen Faustschlag auf die Schulter gab und ein Zweiter ihn am Rockschooße von den Stufen herabzuzerren versuchte, so gelang es dem Verfolgten doch, das schützende Asyl
zu erreichen. Die Soldaten zogen nun langsam die Charlottenstraße hinunter nach der Waisenstraße zu.
Mittlerweile hatten sich mehrere Bürger eingefunden, welche dem ziemlich brutalen Militär das Kannibalische seines Betragens gegen den Angefallenen vorhielten, aber mit rauhen Worten zurückgewiesen
wurden. Als die Anzahl der Civilisten sich aber bald darauf bedeutend vermehrte und die Auslieferung der Thäter verlangte, entsprang der wahrscheinlich am meisten betheiligte Mitgenosse der
verbrecherischen Rotte. Ein Bürger wollte ihn aufhalten, wich aber vor der ihm entgegengestreckten Faust und der Drohung: „Wenn Sie nicht machen, daß Sie fortkommen, schlage ich ihnen das
Gesicht ein!“ dem Flüchtlinge aus.
Obwohl die beiden Mitschuldigen des Verbrechens sich noch unter der Masse befanden, so war es doch unmöglich, sie herauszufinden. Ein Soldat der 6. Kompagnie des 1. Garderegiments, welcher
Demjenigen, der Herrn Dr. Tropus von der Treppe zerren wollte, ein:„Halt, Landsmann!“ zurief, leistete der Forderung, den Civilisten zu folgen und sich zu Protocoll nehmen zu lassen,
mehr aus freiem Antriebe, als gezwungen Genüge.
Der Verwundete war inzwischen aus dem Hause des Herrn Kreyher in die gegenüberliegende Wohnung des Herrn Dr. medic. Zschiegner gebracht worden. Dorthin wendete sich nun die Masse, die immer noch,
wie ich selbst, nichts weiter, als einen bloßen handgreiflichen Ueberfall vermuthete, bei dem Anblick aber, der ihrer harrte, auf das Schrecklichste enttäuscht wurde. Herr Dr, Tropus blutete aus nicht
weniger als 9 Wunden, mehrere Stiche, die ihn nicht verletzt hatten, waren im Rockkragen sichtbar. Die Instrumente, mit welchen das Attentat verübt worden ist, waren Messer und dreischneidige Dolche.
Wie scharf dieselben geschliffen sein mußten, läßt sich aus dem Umstande entnehmen, daß ein mich im Gedränge streifendes Messer, ohne daß ich seine Anwesenheit nur im Mindesten fühlte, mir eine Stelle
des Vorhemdes total durchschnitten hatte.
Im Hause des Arztes erschienen nun, durch Herrn Freyhoff requirirt, der das Protokoll aufnehmende Polizei-Sergeant Herr Siegert und ein ziemlich starkes Wachtpiquet, welches den verhörten Grenadier
einstweilen nach der Schloßwache abführte. Bei Aufnahme des Protokolls sagte Herr Dr. Tropus aus, wie er vermuthe, daß die Vollstrecker des Attentats, welche dem 1. Garde-Regiment angehörten, die
Frevelthat nicht aus eigenem Antriebe begangen haben könnten, sondern wahrscheinlich von Höhern dazu veranlaßt worden seien. ‒ In wiefern diese Vermuthung eine begründete ist, wird die bereits
beantragte Untersuchung hoffentlich ergeben. ‒
In einigen Kreisen hat sich das Gerücht verbreitet, die Meuchler seien nicht Soldaten, sondern verkleidete Civilisten gewesen. Der Beweis dafür dürfte indessen schwer aufzufinden sein, und zwar aus
dem einfachen Grunde, weil die Personen, die den Angriff vollfürhten, sich sogleich, nachdem die Verfolgung mißlungen war, den zuschauenden Soldaten anschlossen und mit diesen gingen. Verkleidete
Civilisten hätten solch ein keckes Spiel wahrscheinlich nicht gewagt, man müßte denn annehmen, daß auch das zuschauende Militär aus verkleideten Civilisten bestanden hätte. 10-20 Montirungen sind aber
wohl nicht so schnell aufzutreiben. Zudem war der Mitverhörte ein wirklicher Soldat und sogar im Stande, die Namen zweier seiner Kameraden, welche er unter dem Haufen erkannt hatte, anzugeben.
Daß Einige das Faktum des Frevels von dem Militärstande abzuwälzen suchen, läßt sich sehr leicht von den Begriffen preußischer Waffenehre herleiten, die sich mehr als ein Jahrhundert hindurch
vollkommen rein bewährt hat. Aus eben diesem Grunde läßt sich aber auch annehmen, daß die Soldaten des 1. Garde-Regiments selber Alles anwenden werden, um die Verbrecher zu ermitteln und dieselben,
als der Ehre gleichen Waffendienstes nicht mehr werth, aus ihren Reihen zu stoßen und der strafenden Gerechtigkeit zu übergeben. Wir sahen im Zimmer des Arztes einige Soldaten des genannten Regiments
fast weinen, daß ein solcher Greuel von ihren Kameraden begangen werden konnte. Hoffen wir also von der Ehrenhaftigkeit des Militärs und von der Thätigkeit der Behörden das Beste.
J. Frank.
Wir sind gleichzeitig in den Stand gesetzt, das ärztliche Attest des Hrn. Dr. Zschiegner mittheilen zu können. Es lautet dasselbe:
„Auf Grund der stattgehabten ärztlichen Untersuchung des Herrn Dr. Tropus, welcher mir am 4. April, Abends zwischen 7 und 8 Uhr, im bewußtlosen Zustande und von Blute triefend, in meine
Behausung getragen wurde, ergab sich, daß derselbe mittelst scharfer, stechender Instrumente verwundet war.“
Nachdem Herr Dr. Tropus vom Blute gereinigt, fanden sich am rechten Schläfenbeine, dicht am rechten Auge, 2 Stichwunden, etwa 1 Zoll Länge und Tiefe, auf dem Kopfe, am Hinterhauptbein, beiden
Scheitelbeinen und Stirnbein zusammen 5 Wunden von derselben Größe, außerdem am Schultergelenk des rechten Armes eine Stichwunde, welche durch die Kleider, die Weichtheile bis auf den Knochen
durchdringt Sämmtliche Verletzungen, zwar nicht lebensgefährlich, beweisen, daß es auf das Leben des Herrn Dr. Tropus abgesehen war, da sie fast alle edle Theile berühren. Außer allen diesen
Verletzungen befinden sich noch einige kleine unbedeutende Hautwunden an den Fingern der rechten Hand, welche indeß von keiner Erheblichkeit sind. ‒ Eine genaue Untersuchung ergiebt, daß
einzelne Wunden mittelst eines Dolches geführt wurden, was sich außerdem an den Kleidern des Hrn. Dr. Tropus zur Genüge herausstellt. ‒Solches bescheinigt hiermit der Pflicht und Wahrheit
gemäß
Zschiegner.
[Redakteur en chef Karl Marx.
]
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@facs | 1516 |
Auszug aus einem Briefe von Herrn Dr. J. Aug. Heyermann in New-Helvetia, Fort und Sacramento in Californien an Herrn Dr. Carl van Gelder in Goslar: ‒
Endlich ist der Augenblick gekommen, Dir wissen zu lassen, in welchem Winkel der Erde ich stecke. Den 23. November 1847 kam ich in San Franzisco an; mein Freund J. Hahn aus Coblenz miethete ein
Dampfboot für mich nach Sonoma, welches an der nördlichen Bay von San Francisco liegt, und wo ich mich, natürlich mit ziemlich leeren Taschen, am 1. Februar 1848 etablirte. Ich wurde aber sehr bald
vom Gouvernement als Arzt mit gutem Gehalt angestellt, verdiente nebenbei sehr viel in meiner Privatpraxis und wendete meine Ersparnisse zum Ankauf eines Landgutes an, kaufte mir Ochsen, Pferde,
Schaafe, Kühe, Hühner, habe bereits für 500 Leute Kartoffeln, Erbsen, Bohnen etc. in der Erde, und mehrere Deutsche in meinen Diensten, denen ich Unterhalt gebe und einen Theil von meinem Gewinn
zugesichert habe. Alles gedeiht vortrefflich, die Erndte ist vor der Thür, das Erndtefest schon vorbereitet. ‒ Da kommt auf einmal mir ein Strich in die Quere. ‒ Alles, Groß und Klein,
läuft und kriecht nach Sacramento, den entdeckten Minen; ich selbst war einer der Ersten, der daselbst anlangte, und Du hättest mich sehen sollen, wie geschickt ich bald mit der Schaufel umzugehen
wußte. Da es jedoch harte Arbeit ist, nehme ich meine Axt, merkte mir ein Stück Landes; es ist mein mit dem Golde darin Jeder erbeutet zwischen 20-100 Dollars in einem Tage; denke nur, fast gediegenes
Gold. Bald werde ich nach Sonoma zurückkehren, um meine Erndte einzubringen. Alle Arbeitslöhne sind sehr gestiegen. Ein Schmidt, Stellmacher, Zimmermann, Landbauer etc. arbeitet nicht unter 10 Dollars
den Tag. Alles ist sehr theuer, wer aber nur vernünftig lebt, muß verdienen, wenn er arbeitet, denn der Tagelohn war früher 3 bis 5 Dollars, jetzt arbeitet Niemand unter 10 Dollars, dabei Alles
frei.
Alles, wonach Du Dich sehnst, findest Du hier; die Erde bedeckt mit der schönsten Flora, zum Landbau noch reicher; in der Erde Gold, Silber, selbst Edelsteine und alle Metalle; Thiere und Vögel der
schönsten Gattung, das Land mit schönen Flüssen durchschnitten, die von Fischen wimmeln, worauf Hunderte von Meilen Schifffahrt getrieben wird. Der Mann frei! ‒ Es gibt Hunderte hier, die, die
Büchse in der Hand, es vorziehen, in den Gebirgen und Wäldern unter den Indianern zu leben und die Freiheit und Kraft des Menschen zu fühlen. Komm! Du versiehst Dich mit 3 starken Anzügen, 3 Paar
starken Schuhen und Stiefeln etc. etc. Also Glück auf! Laß nur den Muth nicht sinken. Wenn wir nur gewöhnliche Arbeiter wären und mit Axt und Spaten besser umzugehen wüßten, an 100 Collars in einem
Tage kann man hier verdienen.
Noch habe ich vergessen Dir zu sagen, daß ich nicht viel reicher als eine Kirchenmaus hier in Californien an's Land kam, kein Instrument, kein Buch, kein Medikamente konnte ich retten.
Denkst Du also wirklich dem Aesculapos Stabe ferner zu huldigen, gut, so bringe das Nöthige mit; denn ich denke wir ziehen zusammen (bauen Hopfen bis 6 Dollars das Pfd.) treiben Schaaf- und Viehzucht.
Bringe einige Sämereien mit und überlege Dir's; es kommt nur darauf an, was für eine Lebensart Du vorziehst. Alles läßt sich machen, um so mehr, wenn man genügsam ist und das sind wir. Leb wohl
etc.
gez. J. A. Heyermann:
@type | jAnnouncements |
@facs | 1516 |
Bekanntmachung.
Die Verloosung der Budenplätze für die am Mittwoch den 18. April c. beginnende und mit Sonntag den 6. Mai c. endigende, neunzehntägige Ostermesse wird am Freitag den 13. dieses Monats, Vormittags
10 Uhr, in dem Marktbureau auf dem hiesigen Altenmarkte öffentlich stattfinden, wozu die meßbesuchenden Verkäufer entweder persönlich oder durch Bevollmächtigte zu erscheinen, hiermit eingeladen
werden.
Köln, den 1 April 1849.
Der kommissarische Oberbürgermeister, Graeff.
Mobilar-Verkauf.
Am Mittwoch den 11. April 1849, Mittags 12 Uhr, sollen in Folge Rathskammerbeschlusses des Königl. Landgerichtes zu Köln in dem Hause Minoritenstraße Nr. 25 in Köln, mehre Mobilargegenstände, als:
Tische, Stühle, Sophas, Spiegel, Schränke, 1 Schreibpult, 1 Sekretär, eine Fournaise etc., sodann circa 60 Ohm Wein gegen baare Zahlung öffentlich an den Meistbietenden verkauft werden.
Fr Happel, Gerichtsvollzieher.
Geburts-Anzeige.
Die heute Nacht halb 1 Uhr erfolgte Entbindung meiner lieben Frau Sibilla geb. Dormagen von einem gesunden Knaben, beehrt sich statt besonderer Meldung anzuzeigen.
Köln, den 9. April 1849.
Fr. Ferd. Quitter.
Bürgerwehr-Cavallerie.
Die Karten zu dem am 15. d. Mts. im Harff'schen Saale stattfindenden Balle können von den Cameraden bei dem am Mittwoch Abend stattfindenden Appel und bei dem Rechnungsführer Herren
Birrenbach, in der Schildergasse, in Empfang genommen werden.
Die Manufaktur- und Modewaaren-Handlung von Joseph Baum, Obenmarspforten, bietet ihren Kunden ein großes Lager viereckiger und langer brochirter Shawls, letztere im Preise von 20 Thaler
und höher, zur gefälligen Abnahme an.
Dülken.
Für Dülken im Kreise Kempen wird ein zweiter Arzt gesucht. Gewünscht wird, daß selbiger schon schwarzweiß wäre, 7 Fuß 3 Zoll lang, Religion deutschkatholisch, Reaktionär erster Klasse; falls er
Bedienung nöthig, kann er selbige mit Bozzen oder abgenutzten Kleidungsstücken bezahlen. N. B. Vetter Manus meint, er müßte ein ganz feiner Naturforscher sein.
H. C. R. H. G. C. B. D.
Ein kleines Landgut, des besten Ackerlandes, Wiesen und Gärten, mit mehreren großen ausländischen Zierbäumen etc., in deren Mitte das Wohn- und Oekonomie-Gebäude (meistens ganz neu erbaut)
sich befinden, ist in Unterfranken, nur fünf Minuten von einer lebhaften Stadt a. M., an den königl. Hofgarten und Fasanerie-Park angrenzend, gelegen, unter annehmbaren Bedingungen zu verkaufen.
Nähere Auskunft ertheilt auf portofreie Anfrage J. G. Müller in Frankfurt a. M., Allerheiligengasse Nr. 30.
Ein junger Mann von 30 Jahren, der französischen Sprache und Correspondenz mächtig, nebst praktischen Kenntnissen der englischen Sprache, sucht eine Stelle als Reisender oder in einer
Agentur angewendet zu werden.
Näheres in dem öffentlichen Geschäfts-Bureau des Hrn. Tit. Lissignolo, Lit. C. 4 Nr. 2 in Mannheim.
Bedeutend lautere Anfrage.
Soll denn der Landkreis Köln und Mülheim in Berlin ohne Vertretung bleiben? ‒ Weßhalb wird noch nicht gewählt? Wie lange wird die Wahl noch künstlich hinausgeschoben?
Das Haus Josephplatz Nr. 7, zwischen der Severin- und Landsbergerstraße, vor 3 Jahren neu erbaut, steht zu vermiethen. Bescheid Severinstraße Nr. 121.
Ein Kappenmacher gesucht. Hohle Nr 2.
Börse bei Halin.
Osterdienstag findet ein großes Instrumental- und Vocal-Concert der philharmonischen Künstlerfamilie Beyerböck aus Wien statt.
Herrenkleider werden gewaschen und reparirt. Herzogstraße Nr. 11.
Täglich frischer Maitrank im „Freischützen.“
Demokratischer Verein in Deutz welcher wegen der Osterfeiertage ausgesetzt worden, findet heute Dienstag den 10. April, Abends halb 8 Uhr statt, im großen Saale der Mailust,
Der provisorische Vorstand.
Bierbrauerei „zum Bart.“
Die Eröffnung meiner Gartenwirthschaft, Scheiben und Vogelschießen zeige ich ergebenst an; und empfehle mich bestens mit einem vorzüglichen Weißbier, welches dem bairischen in mancher Hinsicht
vorzuziehen ist Joseph Frings.
Brand Nro. 1, an der gr. Neugasse
Hagelschaden Versicherungs-Gesellschaft in Erfurt.
Meinen Agenten, so wie den seitherigen Mitgliedern zur gef. Nachricht, daß ich, in Folge Uebereinkunft mit dem Direktorio die General-Agentur an Herrn Franz Saart übergeben habe, der demgemäß die
Ordnung der noch nicht regulirten Angelegenheiten besorgen wird.
Steph. Adolph Naut.
Mit Bezug auf obige Ankündigung des Herrn Naut bittet der Unterzeichnete die Herren Agenten und Mitglieder der Gesellschaft sich sowohl wegen erneuerten Versicherungs-Anträgen, wie auch wegen
Aufnahme neuer Versicherungen an ihn zu wenden.
Die Herren Oekonomen und Ackerbautreibenden mache ich besonders auf die seitherige Thätigkeit der Gesellschaft aufmerksam, und hebe namentlich hervor, daß die Gesellschaft in den
Versicherungsperioden von
1845 | bei | 902 | Mitgliedern | einer | Versicherungssumme | von | 1.169 360 | Thlr. | 17 118.9.7 Pf. |
1846 | bei | 2413 | Mitgliedern | einer | Versicherungssumme | von | 2.716 150 | Thlr. | 6275.89 Pf. |
1847 | bei | 4891 | Mitgliedern | einer | Versicherungssumme | von | 8251.220 | Thlr. | 45 687 1.5 Pf. |
1848 | bei | 6981 | Mitgliedern | einer | Versicherungssumme | von | 8.784.600 | Thlr. | 147773.161 Pf. |
also in 4 Jahren | | | | | | Thlr. | 217.154.5.10 |
an Entschädigung für Hagelschaden vergütete; außerdem wurden aus den Ueberschüssen von 1846 66 pCt. und von 1847 8pCt. der Prämie als Dividende zurückbezahlt und
ein Reservefonds von circa Thlr. 2600 ersammelt.
Wie sehr übrigens die Wirksamkeit und Richtigkeit des Unternehmens von allen Seiten anerkannt wird, bezeugt zur Genüge der Umstand, daß die Zahl der Mitglieder in der kurzen Zeit des Bestehens von
902 auf 6981 und die Versicherungssumme von 1169360 auf 8.784.600 Thlr. gestiegen ist. Wenn gleich in unserer Rheinprovinz verhältnißmäßig wenig Hagelschäden vorkommen, so dürfte doch die
Ertragsfähigkeit des Bodens und dessen sicherer Werth den Eigenthümer besonders veranlassen, sich vor unvorhergesehenen Fällen durch eine unbedeutende Prämie zu sichern, und fordere ich daher alle
Grundeigenthümer auf sich aller der Vortheile, welche die Gesellschaft bietet, theilhaftig zu machen.
Die Bedingungen und Briefe der Gesellschaft können bei mir oder den in Kreis- und Wochenblättern näher bezeichneten Herren Agenten eingesehen und Versicherungs-Anträge gemacht werden. Anbietungen
zur Uebernahme von Agenturen an anderen Orten innerhalb meines Wirkungskreises der Regierungsbezirke Köln, Aachen und Koblenz nehme ich franco entgegen.
Köln, den 1. April 1849.
Franz Saart, General-Agent, Maria-Ablaßplatz Nr. 6.
Arbeiter-Verein.
Versammlung im Eiser-(Dickopf'schen) Saale. Mittwoch den 11. April 1849. Abends 8 Uhr.
Die wichtigen Tagesereignisse veranlassen das Komite, die wöchentliche Sitzung, trotz der Feiertage nicht ausfallen zu lassen.
Eintrittspreis für Nicht-Mitglieder ein Silbergroschen. Damen frei.
Das Comite.
Feuerfeste Thonerde für Glas-, Porzellanfabriken u. s. w.
Wir empfehlen uns zu Lieferungen der seit Jahren rühmlichst bekonnten Klingenberger feuerfesten Thonerde, die vom 5. April d. J. an nur allein bei uns zu haben ist. ‒ Das Bergwerk betreiben
wir unter der Firma „Wagner & Comp.“
Klingenberg a. M. bei Obernburg in Baiern.
Die Bergwerks-Pächter:
Sebastian Wagner, junior.
Valtin Heßler.
Franz Alex Wagner.
Kost und Logis. Kreuzgasse Nr. 10.
Zwei erfahrene Modearbeiterinnen gesucht.
D. C. s. w.
Geübte Cigarren-Wickelmacher werden gesucht. Ehrenstraße Nr. 27.
Vortreffliches Futter für Ratten, Mäuse, Schwaben und Wanzen. Große Budengasse Nro. 5.
Ausverkauf.
Da ich wegen Alterschwäche meine Spiegel- u. Möbelfabrik eingehen lasse, so verkaufe ich die vorräthigen Spiegel und Möbel elegante als einfache, in Pallisander, Mahagoni, Nuß- und Kirschbaum zu
den billigsten Preisen und bitte um geneigten Zuspruch.
Joh. Gotf. Schloemer.
Hochstraße 20-24.
Zeichnen- und Malerschule.
Mittwoch den 11. dieses wird der Sommer-Kursus seinen Anfang nehmen.
Katz, am Hof Nr. 20.
Theater-Anzeige.
Mittwoch den 11. Sept:
Die Favoritin.
Romantische Oper in 4 Akten von Donizetti.