Französische Republik.
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Paris, 30. März.
Die Nationalversammlung diskutirte heute die Intervention, oder richtiger die Nichtintervention in Italien.
‒ Seit zwei Tagen sitzen die Minister in Permanenz. Drei Meinungen wurden in Berathung gezogen. 1. Die Hauptzugänge Savoyens zu besetzen und ein scharfes Auge auf den Kriegsschauplatz zu
richten. Diese Ansicht fand vorzüglich in Bonaparte einen warmen Vertheidiger. Auch Passy neigte sich ihr zu. 2. Falloux drang darauf, die jetzige Gelegenheit zu benutzen, und gegen Civita-Vecchia zu
steuern, um den Pabst zu retabliren. In dieser Ansicht wurde er hauptsächlich von Buffet, dem Acker- und Handelsminister aus den Vogesen, unterstützt. Der alte Passy bekämpfte dieselbe heftig, und
ließ sich sogar hinreißen auszurufen: le Catholicisme est une de nos infirmités sociales! was großes Entsetzen erregte. Die 3. Ansicht ging vom Minister des Auswärtigen, dem philippistischen
Drouyn de Lhuys aus. Dieselbe besteht in dem beliebten paix armée ‒ tüchtig rüsten und waffnen, dann negoziren. Es ist das Prinzip der Nichtintervention, das ihm von Guizot, Molé
und Thiers eingeflößt wurde und noch von der Rue de Poitiers vertreten wird. Ihm neigt sich die Mehrheit der Minister zu, als sie sich heute früh (Nachts 2 Uhr) aus dem Elysée trennten.
‒ In heutiger Sitzung las der Minister des Auswärtigen Depeschen vom 27. vor, laut welchen ein Waffenstillstand zwischen dem neuen König Viktor Emanuel und Radetzky abgeschlossen worden.
‒ Das Journal de l'Ain gibt sogar schon die Bedingungen an.
‒ Aus dem Elysee und dem Hotel des Capucines fliegen Kuriere in allen Richtungen. Sind wir gut unterrichtet, so hat das Ministerium die Einschiffung zweier Militär-Divisionen, in Toulon und
Marseille, befohlen, die, wie der Constitutionnel wissen will, in Civita Vecchia landen sollen.
‒ Karl Albert ist noch nicht in Paris eingetroffen. Er geht, der „Liberte“ zufolge, nach Portugal.
‒ Die hier noch anwesenden Italienerr haben einen Hilferuf an die Nationalversammlung gerichtet.
‒ Es ist auffallend, sagt National, daß zwei Tage vor der Schlacht von Mortara-Novara mehrere Pariser Blätter, die dem Ministerio nicht ganz fern stehen, die Aeußerung fallen ließen: wie?
wenn Radetzki, statt sich an der Adda und dem Oglio zu schlagen, die piemontesische Armee durchschnitte und direkt nach Turin dränge?‥‥ Hundert Indizien deuten darauf hin, daß die Barrot
und Schwarzenberg Cabinette Hand in Hand gingen, und daß England und das französische Cabinet mit stiller Befriedigung jetzt über das Gelingen eines Schlachtplanes sich freuen, der die demokratischen
Bestrebungen Piemonts, d. h. die Einheit und Selbstständigkeit Italiens, zu ersticken droht. Jetzt werden die Brüsseler Conferenzen plötzlich einer rascheren Erledigung entgegenschreiten. Oestreich
wird Piemont räumen und dafür wird es die Lombardei erhalten! Wie ganz anders wäre es gekommen, wenn die Piemontesen bei Mortara gesiegt hätten?
‒ Wie ganz anders wäre es gekommen, könnte man den National fragen, wenn Marrast, Cavaignac und Comp. nicht so erbärmlich an Italien gehandelt hätten?
‒ Die Polizei griff gestern in der Rue St. Honore N. 340 einen Agenten des Hofes in Claremont auf, bei dem viele wichtige Correspondenzen aller orleanistischen Departements-Chefs gefunden
wurden.
‒ Monnier, Exsekretair unter Caussidiere, richtet heute einen Brief an den General-Staatsanwalt Baroche, worin er die Echtheit der Huber'schen Aktenstücke, die er jüngst in Bourges
überreichte, nachweist.
‒ Im Luxembourgschloß fand gestern eine kleine Militär-Revolte statt. Zwei Unteroffiziere sollten wegen Lesung und Verbreitung sozialistischer Zeitungen ins Loch geworfen werden. Aber das
ganze Regiment (das 74. Linien-Regiment) nahm für die beiden Inculpaten Partei und insurgirte sich zum großen Schrecken des Obersten und des Brigadegenerals.
Die „Revolution“ setzt hinzu, „daß es der Dazwischenkunft des Präsidenten Bonaparte bedurfte, um die Ruhe wieder herzustellen.
‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 30. März. Anfang 12 1/2 Uhr. Die Umgegend ist völlig frei, ungeachtet die konservativen Journale prophezeit hatten, daß die Klubs assistiren
wollten. Die Gallerien sind übervoll.
Sauvaire Barthelemy überreicht den Bericht über das Büdget des Ministers des Auswärtigen.
Marrast: Da der Ausschuß noch in geheimer Sitzung beisammen, so schlage ich vor, noch einige alte Kreditentwürfe vor Beginn der Debatte über Italien zu erledigen.
Dieß geschieht mit 723 gegen 3 Stimmen. Das Haus ist, wie man sieht, sehr zahlreich.
Bixio und die übrigen Glieder des Ausschusses erscheinen im Saale und die Debatte beginnt.
Bixio besteigt die Bühne. Er liest einen langen Bericht über die im Ausschuß gepflogene Verhandlung vor, den die Rechte häufig unterbricht. Piemonts Interesse heißt es darin, ist das
Interesse Frankreichs. (Oh! Oh!) Seine Schmach, seine Niederlage, ist unsere Niederlage. (Allons donc!) Der Ausschuß beschloß darum‥…
Besnard: Der Ausschuß hat nichts zu beschließen.
Bixio: Entschuldigen Sie, der Ausschuß hat allerdings ein Recht hierzu. (Ja! Ja! Nein! Nein!)
Marrast: Es geschah ja schon oft, daß Ausschüsse durch das Organ ihrer Berichterstatter Beschlüsse vortrugen. Das Organ spricht dann in seinem persönlichen Namen,
Stimme rechts: Dann überreiche er seine Anträge in Form einer Proposition! (Oh! Oh! links).
Bixio: Der Schlußantrag des Ausschusses lautet:
„Die National-Versammlung ‒ eifersüchtig, die ihr anvertrauten großen Interessen zu wahren und die Würde Frankreichs sowohl als den auf Achtung aller Nationalitäten begründeten
allgemeinen Frieden aufrecht zu erhalten; sich der Sprache des Conseilpräsidenten in der Sitzung vom 28. beigesellend und in die Regierung des Präsidenten der Republik vertrauend, erklärt: daß wenn es
zur bessern Garantie und Integrität des piemontesischen Territoriums und zu besserer Wahrung der Interessen und der Ehre Frankreichs, von der Exekutivgewalt für gut gehalten würde, die Negoziation
durch partielle und temporäre Okkupation irgend eines Punktes Oberitaliens zu unterstützen, sie in der National-Versammlung den aufrichtigsten und vollständigsten Beistand finde.“
Mole: Als Glied des Ausschusses erkläre ich, daß mir dieser Rapport gänzlich unbekannt war; er kann also nicht als das Werk des Ausschusses betrachtet werden. Ich protestire dagegen. (Lärm
zur Linken).
Gustav de Beaumont: Dieser Rapport wurde in der That im Ausschusse nicht vorgelesen. Doch ist der Beschluß richtig. Derselbe wurde lange und umständlich debattirt
Clement Thomas: Man möchte die Debatte aufhalten Mag ein Formfehler begangen sein, so drückt der Bericht den Charakter der Debatte aus. Man schreite zur Debatte. (Ja! Ja!)
Drouyn de Lhuys (allgemeine Stille): Im Ministerium sind folgende neue Depeschen eingelaufen:
„Turin, 25. März.
„Der französische und englische Gesandte haben sich zu Radetzky begeben, um einen Waffenstillstand zu schließen. Unsere Stipulationen haben lediglich die Sicherheit Turins zum Zweck; die
Friedensbedingungen bleiben dem neuen König überlassen.“
Nachschrift vom 26:
„Es ist ausgemacht, daß die östreichische Armee die Sefia nicht überschreitet.“
Eine Depesche vom 27. lautet:
„Radetzky hat uns mit der größten Zuvorkommenheit empfangen. Er hat uns gesagt, daß er schon in direkter Unterhandlung mit dem neuen Könige Victor Emanuel (Herzog [unleserlicher Text] Gaboyen) stehe. Der
Waffenstillstand dauert bis zum Friedensschluß. Das linke Ufer der Sefia soll von einem halb östreichisch, halb piemontesischen Corps besetzt bleiben.“ (Lärm zur Linken).
Jetzt kennen Sie, fährt der Minister fort, die Thatsachen. Es bleiben nun der Regierung ernste und große Pflichten zu erfüllen übrig. Die Regierung acceptirt die motivirte Tagesordnung, wie sie
beantragt ist; sie wird einen weisen und entschlossenen Gebrauch davon machen; sie trat bereits mit der östreichischen Regierung in Wien in Vermittelung und hat ihr ihre Apprehension zu erkennen
gegeben. Das Kabinet von Wien hat erklärt, daß es Piemont nicht zerreißen und nur die Kriegskosten gedeckt haben
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wolle. Die östreichische Regierung will ihr Gebiet nicht größer machen, als es ihr die Verträge anweisen. (Links: Ja! Ja! die Verträge von 1815).
Billaut erwidert, daß die Diplomatie doppeltes Spiel treibe. Früher habe sich die östreichische Diplomatie viel gefügiger gezeigt und eine Revision der Wiener Verträge versprochen. Jetzt sei
sie davon abgekommen. (Er liest eine Menge Depeschen zur Unterstützung seiner Behauptung und verlangt vom Minister die Resultate der Verhandlungen in London und Brüssel zu wissen).
Drouyn de Lhuys tritt in eine lange Erörterung und reinigt sich zunächst gegen den Vorwurf, als ob es eine diplomatie de fantaisie gebe.
Wir haben, erklärt Drouyn de Lhuys im Verlauf seiner Gegenrede, nur die Politik unsrer Vorgänger befolgt. (Oh! Oh!) Wenn Sie den Krieg wollen, so sagen Sie es offen (zur Linken gewandt). Ich habe
Vertrauen genug in den gefunden Sinn der Mehrheit dieses Hauses, um sicher zu sein, daß sie Ihnen nicht folgt. Sie wollten für Italien viel thun, doch der Krieg hat das Blatt gewandt. Da Sie so
kriegsüchtig, warum machten Sie denn nicht den Krieg, als die Karten ganz anders standen? Als Oestreich zusammenzustürzen drohte! L'occasion était belle! Seien Sie logisch. Ich lese alle
Ihre Rundschreiben und finde nirgends eine Stelle, in der Sie auch nur indirekt mit Krieg drohten. (Lärm zur Linken.) Nous prenons part à une oeuvre de paix, nous ne nous laisserons pas
entrainer à la guerre. Si le Piémont veut se jeter de nouveau dans la guerre, ce sera à ses risques et perils lese ich in einem Rundschreiben der provisorischen Regierung. Ich
will den König Karl Albert nicht tadeln, Muth und Unglück haben gleiches Recht auf Achtung. (Lärm.) Ich glaube, Karl Albert hat darauf weniger Anspruch. (Tumult.) Allerdings, denn im Augenblick wo
sein Sohn, der Herzog von Savoyen, zwei Blessuren erhält und 14 Kugeln seinen Rock durchbohren, kehrt er (Karl Albert), der Hauptagitator, wohl und munter nach Turin zurück. (Sensation.) Nichts liegt
also im Grunde vor, jetzt den Beistand der National-Versammlung zu verlangen. Indessen leugne ich nicht, daß drei Dinge der Regierung am Herzen liegen: 1. Aufrechthaltung der Integrität Piemonts. 2.
Entfernung der Oestreicher. 3. Losung der päpstlichen Frage. Wir wollen indessen diese Fragen durch friedliche Mittel lösen, mit Thätigkeit und Festigkeit und in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der
Mächte. (Ah! Ah! zur Linken. Beifall zur Rechten).
Die Sitzung bleibt auf 15 Minuten aufgehoben.
Ledru-Rollin antwortet dem Minister. Für die Freunde der Freiheit ist die Niederlage der Piemontesen ein harter Schlag. Doch ist sie nur ein Zwischenfall der italienischen Frage, die uns am
allerwenigsten von Festhaltung unseres Beschlusses entbindet. Sie sagen, Oestreich wolle nicht erobern, nicht in Piemont bleiben. Aber wann wird Piemont die Kriegsgelder zahlen können? Bis dahin wird
Oestreich darin bleiben und das wird lange dauern. Währenddeß habt Ihr Oestreich auf 12 Stunden an der Gränze. Nicht mit ihm, sondern mit den italischen Republiken müßt Ihr sympathisiren.
Billaut stellt den Minister wiederholt zur Rede, was er zu thun gedenke.
Drouyn de Lhuys antwortet, daß er der Tagesordnung anhänge und falls er einen neuen Entschluß fasse, er ihn der National-Versammlung unterwerfen werde.
Jules Favre: Frankreich müsse sein Schwert in die Wagschale legen! (Oh! Oh! zur Rechten. Bravo zur Linken).
Marrast schreitet zur Abstimmung.
Flocon unterstützt dies.
Baraguay d'Hilliers findet die Bixio'sche Tagesordnung zu lang und dringt auf einfache Tagesordnung.
Dieselbe wird jedoch mit 442 gegen 327 Stimmen verworfen.
Also die Debatte morgen fortgesetzt.
Die Sitzung wird um 3/4 6 Uhr geschlossen.
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] Bourges, 27. März.
(Prozeßverhandlung.) Nach Eröffnung der Sitzung erhält der General-Advokat Chenevière das Wort, um die Anklage gegen Flotte, Quentin,
Degré und Larger zu unterstützen.
Das Requisitorium gegen Flotte beginnt mit der Anklage, daß derselbe ein intimer Freund und ergebener Anhänger Blanquis gewesen sei. In Betreff des 15. Mai wird gesagt, daß Flotte sich auf dem
Marmor der Tribüne gezeigt habe und von Menschen umgeben gewesen sei, welche dem Präsidenten drohende Mienen zeigten; nach dem General-Advokaten hat Flotte sogar dem Präsidenten die Ordre abgepreßt,
daß kein Rappel geschlagen werden solle. Nach diesem gravirenden Thatbestand ist der General-Advokat überzeugt, daß der hohe Gerichtshof den Angeklagten Flotte verurtheilen wird.
Dann geht der Ankläger zu Quintin über, gegen welchen das Requsitiorium in derselben Weise begründet wird: Quintin war mit Blanqui und Flotte eng befreundet, denn er war Mitglied der
republikanischen Centralgesellschaft. In der Assemblee habe sich Quentin am 10. Mai heftig und drohend gezeigt: Zwar haben einige Zeugen, wie u. A. Bertrand, Huissier der Nationalversammlung, von den
behaupteten drohenden Geberden des Angeklagten nichts wissen wollen; die Belastungsaussagen aber, sagt der General-Advokat, sind in dieser Beziehung die wichtigsten. Ueberdies habe Quintin auch
Pistolen bei sich getragen, ein Umstand, dessen Zweideutigkeit nicht gemildert scheine durch die Aussagen einiger Zeugen, wonach Quintin aus Gewohnheit stets bewaffnet ausgegangen ist.
Degre, sagt der General-Advokat, der Pompier Degre, hat den General Courtais am Gitter bedroht und den Eingang in die Assemblée ertrotzt. Im Sitzungssaal habe derselbe den Repräsentanten
Lemansois-Duprey mit seiner Säbelscheide in die Rippen gestoßen; zwar hat Lemansois-Duprey hier als Zeuge erklärt, daß dieser Stoß ein unfreiwilliger gewesen sei, der General-Advokat aber kann dies
nur als eine Beschönigung natürlicher Menschlichkeit ansehen.
Zum Schluß seines großartigen Vortrages endlich fordert Hr. Genevière die Geschworenen auf, dem Lande durch ein Verdammungsurtheil die „Ruhe“ wiederzugeben.
Der Gerichtshof hält es nach dieser Rede für nöthig, eine anderthalbstündige Pause eintreten zu lassen.
Nach Wiedereröffnung der Sitzung erhebt sich der General-Advokat Royer, um den Hof über die Angeklagten Borme, Thomas, Villain und Courtais zu unterhalten.
In Betreff Borme's erinnert der General-Advokat an eine Zeugenaussage, wonach derselbe mit einem Degen in der Hand aus der Assemblée gestürzt ist und gerufen hat: „Nach dem
Hotel-de-Ville!“ Allerdings aber zeige Borme einen „räthselhaften Charakter“ (il s'est présenté avec un caractère énigmatique); Vidocq spricht
in zweideutiger Weise von seinen alten polizeilichen und gouvernementalen Beziehungen. Außerdem ist Borme in Marseille wegen Escroquerie und in Paris wegen unbefugten Tragens des Kreuzes der
Ehrenlegion schon bestraft gewesen.
Was Larger betrifft, so kam derselbe nach dem Generaladvokaten auffallend oft in das Haus Sobrier's, diese „Art von Feudalschloß“; (Sobrier, lachend: „Ich danke Ihnen,
braver Republikaner!“) ‒ in diese „Art von Feudalschloß“, welches mit Waffen und Munition angefüllt gewesen. Was aber das Haus Sobrier's für eine merkwürdige,
geheime Bedeutung gehabt habe, gehe aus dem Journal Sobrier's der Commune de Paris, selbst hervor. (Hier verlies't Hr. Genevière mehrere Stellen aus dem genannten Blatt, die mit
dem 15. Mai in gar keinem Zusammenhang stehen.) Am 15. Mai sei Larger im Saal der Assemblée gewesen, ‒ wie er und einige Zeugen behaupten, um die Repräsentanten zu schützen; dem aber
stehe entgegen, daß der Angeklagte in seinem ersten Verhör an diese Ausrede nicht gedacht hat. Nach der Auflösung der Assemblée sei Larger nach Passy zurückgegangen und habe den Leuten von der
Einsetzung einer neuen Regierung erzählt. Auf die Entlastungsaussage Gouache's, der selbst auf dem Weg nach Passy den Arbeitern die Ereignisse erzählt haben will, legt Herr Genevière
keinen Werth, da das Eine das Andere nicht ausschließe. Allerdings aber habe der Angeklagte in der Assemblée den Repräsentanten Froussard beschützt; dies jedoch sei der „gute
Larger“ gewesen, wie er vor dem Februar war, und seine augenblickliche Großmuth könne dea „bösen Larger“ nicht rein waschen, der sich an der Erstürmung der Assemblée
betheiligte!
Thomas ist im Hotel-de-Ville gewesen, wo er als Delegirter, obwohl seiner Funktionen enthoben, von Neuem die andern Delegirten zusammenberief. Daß Thomas in der Assemblée gewesen sei, ist
selbst für den Generaladvokaten Royer nicht erwiesen; der Verdacht dafür ist jedoch in seinen Augen dadurch begründet, daß Thomas Mitglied des Jakobinerklubs war und in der Assemblée eine Fahne
dieses Klubs erschien. Dies, sagt der Generaladvokat, die Elemente der Complicität.
Villain war Präsident der bewaffneten Gesellschaft der Menschenrechte, deren Lokale gleich Arsenalen eingerichtet waren. In Betreff des 15. Mai kann das Requisitorium keine „sichere
Theilnahme des Angeklagten“ nachweisen; Villain ist nur am Pont Nationale, nicht weit von der Assemblée gesehen worden, und begab sich von dort nach der Polizeipräfektur, wo die
Montaguards und Lyoner mit der Emente fraternisirten. Wenn dem Gerichtshof die Complicität des Angeklagten zweifelhaft schiene, möge er durch eine Freisprechung beweisen, daß er nicht von
„Leidenschaften“ beseelt sei, wie seine Feinde behaupteten; im entgegengesetzten Fall aber trotz mangelhafter Beweise das Urtheil „ohne Furcht“ aussprechen.
Hinsichtlich Courtais' befindet sich die Anklage in einer, „ausnahmsweisen Stellung“. Ehrenhafte Zeugen haben die Unschuld des Angeklagten betheuert. Der General Courtais wußte
aber seit längerer Zeit, so gut wie alle andern Bürger, daß eine exaltirte Republik, welche offen ihre rothe Fahne entfaltete, sich auf den Trümmern der honnetten und gemäßigten Republik zu erheben
suchte, und trotzdem hatte Courtais eine Proklamation an die Nationalgarde erlassen, worin er sagte: „Wenn ich nach einem Titel geizte, so wäre es der, ein General des Volkes zu heißen“.
Er hatte sich dadurch nach der Erklärung des Generaladvokaten bereits „außerhalb“ des „wahren Volkes“ hingestellt, welches von „ganz“ Frankreich gebildet
wird! Diese Stellung, führt das Requisitorium aus, ist so wahr, als die „Commune de Paris“ bereits dem General Courtais Lobsprüche ertheilte, daß er nicht auf das Volk schießen lassen
würde, wenn dasselbe von Neuem sein Recht der Empörung behaupte.
Dann geht der Generaladvokat in eine weitläufige Prüfung der Vorfälle vom 15. Mai ein. Nach ihm steht fest, daß Courtais am 14. durch Buchez und Marrast hinlänglich vorbereitet worden, daß die
getroffenen Maßregeln nichtsdestoweniger ungenügend waren, und daß selbst diese Maßregeln noch durch die schlechtangebrachte Nachgiebigkeit und Popularitätssucht des General Courtais den Emeutiers in
die Hände gespielt wurden.
Nach langen und langweiligen Tiraden aller Art schließt endlich der Generaladvokat, unter Zeichen der Ungeduld und Ermüdung seitens der Richter, während das Publikum sich längst schon entfernte, um
7 1/2 Uhr Abends das Requisitorium.
Die Reden der Vertheidiger werden auf Morgen anberaumt.
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] Bourges, 28. März.
(Prozeßverhandlung.) Die Sitzung wird um 10 1/2 Uhr eröffnet. Die Tribünen sind gedrängt voll.
Präsident. Der Vertheidiger Blanqui's hat das Wort.
Advokat Maublanc beginnt mit einer Erörterung des allgemeinen Verfahrens der Anklage, welche Blanqui von zwei Seiten, als politischen Charakter und als Theilnehmer des 15. Mai hier anzugreifen
suche. Auf den ersteren Theil werde Blanqui selbst antworten; der Vertheidigung komme es zu, sich an die Thatsachen zu halten. Wenn die Richter als politische Parteimänner urtheilen wollten, so
möchten sie auf den 16. April und 17. März zurückgehen, und sich nach Art der Anklage von den Feinden Blanqui's die Waffen gegen seinen politischen Charakter borgen; wollten sie ihre Pflicht
als gewissenhafte Richter erfüllen, so hätten sie nichts als die Thatsachen, die Betheiligung Blanqui's an dem Attentat des 15. Mai zu prüfen. Die einzige Frage ist: ob Blanqui am 15. Mai sich
eines Attentates gegen die Regierung und der Erregung des Bürgerkrieges schuldig gemacht habe.
Auf den Club Blanqui übergehend, in welchem das öffentliche Ministerium den Anfang des Attentates vom 15. Mai suchte, beweist die Vertheidigung aus namhaften Zeugenaussagen die ruhige Haltung
dieses Clubs, wogegen die Anklage nur zwei Depositionen vorgebracht. Es habe in diesem Club exaltirte Redner gegeben, wie in allen andern Clubs; in allen Clubs habe man den Kandidaten für Stellen in
der Nationalgarde Fragen vorgelegt, was sie in diesem oder jenem Fall der Nationalversammlung gegenüber thun würden. Seltsam, hiernach Blanqui als den allein gefährlichen Menschen darzustellen!
Seltsamer, daß dies gerade von denjenigen Leuten geschehe, welche damals in der provisorischen Regierung waren und den Club Blanqui duldeten!
Der Beweis, den man gegen die allgemeine Gefährlichkeit des Club Blanqui vorbringt, besteht in der Berufung auf Polizeiberichte, die Niemand gesehen, Niemand gehört hat. Blanqui war seit seiner
Rückkehr aus den Kerkern des Königthums der entschiedene Feind Ledru-Rollins, und Ledru-Rollin ist es, der hier seine Behauptungen über den Club Blanqui auf Polizeiberichte stützt, die durchaus nicht
verificirt worden sind, durchaus keine gerichtliche Glaubwürdigkeit haben. Ebenso hat Hr. Marie, der für seine komischen Ansichten bereits eine ernsthafte Buße erlitt, hier gegen Blanqui gesprochen,
den er doch als Minister unangefochten ließ.
Ein Mal, sagt der Vertheidiger, hat sich Blanqui allerdings heftig und gereizt gezeigt; bei Gelegenheit der Ereignisse von Rouen. Blanqui wollte den Journalen nicht glauben, und er erfuhr diese
barbarischen Massacres umständlich aus dem Munde von Augenzeugen. Aber er verlangte nicht Rache, er stellte keine exaltirten Forderungen; er rief nach Gerechtigkeit, und wenn man ihm daraus ein
Verbrechen machen will, so beweis't das die Gereiztheit der damaligen Machthaber, die ihm die Angriffe auf ihr Halbgötterthum nicht verzeihen konnten.
Zu dem Club zurückkommend, erinnert der Vertheidiger daran, daß derselbe am 12. Mai über die Manifestation offen diskutirt habe, wobei Blanqui selbst gegen das Unternehmen das Wort ergriff.
Blanqui widersetzte sich nicht allein der Demonstration, er verweigerte auch Delegirte nach dem Club des Clubs zu senden, und als er nicht weiter mit Erfolg widerstehen konnte, erklärte er, daß sein
Club ohne Fahne kommen werde und sich nicht auf dem Bastillenplatz, sondern am Gaité-Theater versammeln werde. Am Tage des Rendez-vous trennte sich Blanqui von seinem Club und ließ ihn in die
ungeheure Colonne aufgehen. Von einer Vorbereitung der Manifestation, wie sie die Anklage prätendirt, kann daher bei Blanqui um so weniger die Rede sein, als er bis zum letzten Augenblick sich
derselben widersetzt hatte; er hatte sich ihr angeschlossen, um sich nicht allein in irgend einer Weise von allen Clubs zu trennen. Indem aber somit die Vorbreitung der Manifestation in dem
„gefährlichen“ Club Blanqui wegfällt, kann auch die endliche Betheiligung des Clubs keine Bedeutung mehr in dem Sinn der Anklage haben, denn es war die Betheiligung an einer in diesem
Augenblick völlig gesetzlichen Demonstration.
Die Behauptung, daß die Manifestation verborgene Waffen gehabt, zieht der Vertheidiger ins Lächerliche. Der Zug bestand aus etwa 100,000 Männern; die Hauptführer sind verhaftet worden, und was hat
man gefunden? Die Pistolen Quentin's, das Terzerol Larger's und den Säbel des Pompier.
Dann resumirt die Vertheidigung die Vorfälle an der Assemblée, wie Courtais die Delegirten ins Gitter treten ließ, und Xavier Durrieu dieselben aus dem Vorsaal des Pas Perdus in die
Versammlung geleitete. Nach dem Moniteur selbst fand die Erstürmung erst Statt, als Blanqui und die andern Delegirten schon eingetreten waren. Der Vertheidiger verliest die Rede Blanqui's, in
welcher er durchaus nichts Aufreizendes findet, und citirt die Deposition des Zeugen Sclover, zu dem Blanqui beim Herabsteigen von der Tribüne sagte, daß man nichts als das Recht der Einbringung von
Petitionen wolle und daß die Absichten des Volkes durchaus friedlich seien. Nach der Verkündigung der Auflösung der Assemblée nahm Blanqui an allen Vorfällen keinen Theil mehr; er blieb ruhig
auf einer Bank neben einigen Repräsentanten sitzen. Als sich eine Art von provisorischer Regierung bildete, fand sich auch Blanqui's Name auf den Listen; Blanqui selbst aber kann nicht für die
Handlungen seiner Freunde und die Sympathieen seines Namens verantwortlich gemacht werden. Nichts aber beweist, daß Blanqui sich an diesen Ereignissen betheiligt habe. Als er die Nationalversammlung
verließ, ging er nicht als der vom Volke zu der Gewalt Berufene nach dem Hotel de Ville, sondern wendete sich über die Quai's nach dem Innern von Paris. Die Anklage selbst ist genöthigt, diese
Behauptungen fallen zu lassen.
Nach diesem Resume verlangt die Vertheidigung weiter nichts, als daß die Geschwornen mit Sorge das ganze Verhalten Blanqui's prüfen möchten, über dessen Leben ein zweiter Anwalt das Wort
ergreifen werde.
(Schluß der Sitzung folgt).