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Havin, Präsident: So eben erhalte ich von der Clubgesetz-Kommission (Minorität) ein Schreiben, worin sie um Vertagung der Debatte auf Montag bittet. (Ah! Ah!)
Arago (Emanuel): Man will versöhnen. Ich fürchte jedoch, dies gelingt nicht. Das Beste wäre, den Entwurf mitsammt der Deliberation indefinitivement zu vertagen. (Ja! Ja! Nein! Nein!)
De Charencey (von der Minorität): Wir bitten um Aufschub, weil wir uns in einer exeptionellen Lage befinden. Die Majorität hat sich zurückgezogen; wir wollen daher eine Redaktion finden, die
allen Dispositionen des Gesetzes entsprechen.
Stimmen rechts: Aufschub! Aufschub!
Chavoix: Ich unterstütze die von Arago beantragte unbestimmte Vertagung. (Ja! Ja! links.)
Lacrosse, Bauminister, widersetzt sich der Vertagung auf unbestimmte Zeit. Sein Antrag ruft Lärm hervor.
Buvignier (vom Berge): Ihr wollt nicht mit Euren Plänen herausrücken! Ihr habt Furcht, Ihr Monarchisten! (Ein fürchterlicher Tumult bricht hier los.)
Bavoux von der Rechten stürzt zum Berge, holt sich den Buvignier heraus und schreitet mit ihm aus dem Saale. Was weiter zwischen Beiden vorgegangen, werden Sie wohl morgen in den Blättern zu
lesen bekommen.
Terrier erringt sich endlich Gehör und meint, man könne der Minorität doch wohl bis Montag gönnen. (Ja! Ja! Nein! Nein!)
Sevestre, Ultra-Conseroativ: Wenn Ihr den Aufschub bewilligt, so entsteht eine große Gährung im Lande, das dann glauben wird, das Ministerium habe wirklich ein verfassungswidriges Gesetz
vorgelegt. (Der Tumult bricht wieder los.)
Havin gelingt es jedoch, die Debatte zu resumiren und die Versammlung zur Abstimmung zu bringen.
Es wird der Aufschub bis Montag bewilligt und die Versammlung kehrt darauf zum Büdget zurück, das sie vorher abgebrochen.
Die frühere Debatte hatte bekanntlich mit den Staatsbauten begonnen, als einem derjenigen Posten, auf welche am meisten erspart werden soll; sie war bis Kapitel 3 vorgedrungen.
Kapitel 3 noch nicht ganz erledigt, wird reservirt.
Das Kapitel 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 gehen ohne alle Erörterung durch.
Kapitel 11 bis 17 rufen eine nochmalige Generaldebatte hervor, die sehr lehrreich und erbaulich wird.
Jene Kapitel handeln von Kanalbauten, Brücken, Schifffahrt u. s. w. Die beabsichtigte Ersparniß beträgt 47 Millionen Fr.
Pierre Leroux greift die ganze Staatsökonomie an und stellt den Zins des Kapitals als den Krebs dar. Der Staat verzinse jährlich etwa 8 Milliarden mit baaren 400 Millionen, die nicht einen
Heller produzirten. Das sei der wahre Krebsschaden.
Diesmal ist er so glücklich, vom Anfang bis zum Ende von der Versammlung aufmerksam zugehört zu werden.
Dufaure sagt: Wollt Ihr lieber Almosen oder wollt Ihr lieber Lohn zahlen? Jeder Pfennig, den Ihr am Baubüdget abzwackt, wirft einen Arbeiter aufs Pflaster. Er bekämpft die Neduktion und
erndtet von der Linken vielen Beifall.
Goudchaux erscheint mit großen Foliobänden auf der Tribüne. Aber die Versammlung hört ihn kaum 10 Minuten an und verschiebt die Fort-Sitzung auf morgen.
Zwischen dem Budget wurde eine Bestimmung rücksichtlich der in Frankreich gebornen Fremden debattirt, auf die wir morgen zurückkommen werden.
Schluß 6 1/4 Uhr.
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] Bourges, 19. März.
(Prozeßverhandlung.) Das Publikum drängt sich um den Sitzungssaal, da es heißt, daß heute Ledru-Rollin, der Chef der Montagne, als Zeuge erscheinen
werde.
Die Sitzung wird 10 3/4 Uhr eröffnet.
Präsident. Greffier rufen Sie den Zeugen Ledru-Rollin auf. (Bewegung der Neugierde im Publikum.)
Der Zeuge tritt vor und giebt auf die gewöhnlichen Fragen Stand, Namen und Alter an: Alexis August Ledru-Rollin, 40 Jahr alt, Volksrepräsentant, Ex-Mitglied der provisorischen Regierung.
Präsident. Sagen Sie, was Sie über die Angeklagten wissen.
Zeuge Ledru-Rollin. Ich kann nur über den 15. Mai sprechen. Wir waren benachrichtigt, daß an diesem Tage eine Manifestation stattfinden solle und der General Courtais erhielt Befehl, alle zur
Aufrechthaltung der Ordnung nöthigen Maßregeln zu treffen. Die Manifestation fand Statt; die Kolonne zog vom Bastillenplatz aus, über die Boulevards, und erschien vor der Assemblée. Der
Uebergang über die Brücke wurde erzwungen, und die Menge strömte gegen das Gitter. Das Volk hatte durchaus keine feindlichen Absichten; aber das Gitter wurde eingedrängt, und die Nationalversammlung
gestürmt.
Ich erwarte jetzt die Fragen, die Sie mir vorzulegen haben.
Präsident. Haben Sie Albert gesehen?
Ledru-Rollin. Gewiß habe ich ihn gesehen; er sagte mir, daß das Volk eine Petition überbringen wollte, und daß er nicht glaube, daß die Versammlung dies rechtlicher Weise verhindern könne.
Präsident. Hat er Ihnen nicht gesagt: „Ihre erbärmliche Kammer wird heute ihren verdienten Lohn erhalten?“
Ledru-Rollin. Er hat nicht im Entferntesten ähnliche Ausdrücke gebraucht.
Präsident. Haben Sie gesehen, was sich an der Tribüne ereignete?
Ledru-Rollin. Allerdings; ich sah eine sehr compakte und sehr erregte Masse, aber ich sah auch Raspail am Fuß der Tribüne, welcher nach besten Kräften das Stillschweigen herzustellen suchte.
Raspail näherte sich mir darauf und frug mich, ob ich ihn wiedererkenne; ich hatte ihn nur Ein Mal, vor der Pairs-Kammer, gesehen und erkannte ihn auf der Stelle. Am Fuß der Tribüne befand sich auch
ein junger Mensch, der eine Fahne schwang, indeß keineswegs, wie man lächerlicher Weise sagte, um den Präsidenten zu schlagen, denn dies war unmöglich; Raspail faßte den Schaft, zerbrach ihn und
versetzte mir durch diese Bewegung einen leichten Stoß.
Präsident. Ist Raspail von Mitgliedern des Büreaus aufgefordert worden, seine Petition zu verlesen?
Ledru-Rollin. Das weiß ich nicht, aber ich weiß, daß Raspail von verschiedenen Volksrepräsentanten zur Verlesung der Petition aufgefordert wurde. Wenn sich das nicht im Moniteur findet, so ist der
Moniteur unexakt.
Präsident. Was wissen Sie über den Angeklagten Barbes?
Ledru-Rollin. Ich weiß, daß er sich mit allen Kräften der Manifestation des 15. Mai widersetzte; die Polizeinoten selbst beweisen das.
Präsident. Wie erklären Sie aber seine Theilnahme an den Vorfällen?
Ledru-Rollin. Die Ereignisse rissen ihn fort, der Anblick des Volkes betäubten sein Herz. Als er von der Milliarde sprach, war er bewegt von einer vorhergegangenen Rede, welche sich über das Elend
des Volkes verbreitete. Uebrigens war es auch nicht das Erstemal, daß Barbes von dieser Milliarde sprach. (Tumult.) Als die Auflösung der Nationalversammlung ausgesprochen worden war, widerstand
Barbes lange Zeit, bis er mir endlich sagen konnte, daß neue Regierungsmänner das Vaterland zu retten vermögten. Sein Gang nach dem Hotel-de-Ville beweißt nichts gegen ihn. Auch ich wurde von einigen,
und zwar sehr unzweideutigen Männern, die jetzt hohe Stellen bekleiden, aufgefordert, mich ins Hotel-de-Ville zu begeben, um Paris vor der Anarchie zu retten, und wenn ich lediglich deshalb nicht
hingegangen, weil ich Mitglied der Regierung war, so kann ich doch sehr wohl begreifen, wie Andere aus Vaterlandsliebe zu dem Beschluß kamen, Frankreich durch Proklamation einer neuen Regierung zu
retten.
Präsident. Haben Sie die Rede Blanqui's gehört?
Ledrü-Rollin. Ich habe sie gehört, und ich darf sagen, daß bei mehreren Stellen des Vortrages eine Menge Deputirten ihren Beifall zu erkennen gab.
Präsident. Erzählen Sie, was Sie von dem 17. März wissen.
Ledrü-Rollin. Das Gouvernement, und vorzüglich ich selbst, hatte die Abschaffung der Bärenmützen verordnet. Die Nationalgarde versuchte eine Demonstration dagegen, auf welche am andern Tage (17.
März) durch eine Volksdemonstration erwidert wurde. Man hat mich als Urheber derselben beschuldigt (!), dies aber ist die abgeschmackteste Lüge.
Präsident. Haben Sie nicht sagen hören, daß sich eine Coterie der Manifestation des 17. März bemächtigen wollte?
Ledrü-Rollin. Es ist wahr, daß eine Delegation erschien und auf Vertagung der Wahlen antrug. Sie benahm sich sehr besonnen und zog sich in derselben Weise zurück.
Generalprokurator Baroche. Sie sagen, daß die Delegation in sehr gemäßigter und anständiger Weise gesprochen habe, und doch waren mehrere Mitglieder der provisorischen Regierung genöthigt, das Wort
zu ergreifen, um ihre Ungeduld zu zügeln.
Ledrü-Rollin. Ich selbst ergriff zuerst das Wort, hatte aber nicht nöthig, in anderer als in anerkennender Weise über den Zweck der Manifestation zu sprechen. Nach mir hielt Louis Blanc eine
vortreffliche Anrede, und erst hierauf sprach Hr. von Lamartine und forderte das Volk auf, in Mäßigung und „majestätischer Ruhe“ aufzutreten, da dies seine stär'sten Waffen seien;
dieser Vortrag war jedoch nichts als ein rednerisches Sturmgeläute, sehr elegant wie alle Vorträge des Hrn. v. Lamartine, aber durchaus nicht au fond der Frage. (Bewegung.)
Präsident. Was trug sich am 16. April zu?
Ledrü-Rollin. Am 16. April fand, wie ganz Paris wußte, eine Versammlung der Arbeiter auf dem Marsfeld statt, um Generalstabsoffiziere zu wählen. Die Versammlung hatte einen durchaus friedlichen
Charakter; um 10 Uhr aber erfuhr ich von dem Direktor der öffentlichen Sicherheit, daß man sich derselben zu einer Manifestation gegen die provisorische Regierung bedienen wollte. Ich ergriff
energische Maßregeln und befahl dem General Courtais wie dem Maire von Paris, Generalmarsch schlagen zu lassen.
Hier erlauben Sie mir, ein Wort über diese Maßregel zu sagen. Man hat mir Vorwürfe über mein Benehmen an diesem Tage gemacht, ich darf jedoch sagen, daß ich bereit wäre, dasselbe noch einmal zu
thun. In meinen Augen war die Manifestation gesetzlich, und das Volk hatte ein Recht dazu; aber ich wollte nicht, daß irgend eine Coterie sich der Manifestation gegen die Regierung bedienen
sollte.
Als der Rappel geschlagen wurde, erschienen die besten und reinsten Republikaner zuerst; es war die 12. Legion, mit ihrem braven Obersten Barbes an der Spitze, welche zuerst an dem Hotel de Ville
erschien, und zahlreiche bewaffnete Clubisten kamen ebenfalls, um der provisorischen Regierung ihre Hülfe anzubieten.
Präsident. Wer befand sich an der Spitze der Manifestation?
Ledru-Rollin. Man bezeichnete uns die Regentschaft, man bezeichnete uns ebenfalls die Legitimisten als die Agenten, man sagte uns auch, daß Blanqui auf dem Marsfelde sei.
Präsident. Haben Sie Ordre zu Blanqui's Verhaftung gegeben?
Ledru-Rollin. Die provisorische Regierung gab diese Ordre; aber sie wurde zurückgezogen gegenüber dem Enthusiasmus, der sich bei der Revue des 24. offenbarte.
In Betreff des Hauses von Sobrier, erklärt der Zeuge, daß die dort stationirten Montagnard-Garde durchaus der provisorischen Regierung keine Besorgniß eingeflös't habe; der Polizeipräfekt
Caussidière, der nach dem 24. Februar einige Tage mit Sobrier zusammen sein Amt verwaltet, habe das größte Vertrauen auf Sobrier gesetzt. Auch habe man den Club Blanqui nicht
„gefürchtet“, wie der Präsident frage, man habe ihn bloß überwacht, da er dem Gouvernement direkt feindlich gewesen sei.
Präsident. Die Polizei war unter der provisorischen Regierung sehr mannigfaltig; es gab eine Polizei des Präfekten, eine Polizei des Ministers des Innern, eine Polizei des Maire von Paris und eine
Polizei Sobriers?
Ledru-Rollin. Im Ministerium des Innern gab es eine General-Polizei-Direktion; die Polizei Caussidière's wurde ohne sein Verschulden sehr gehemmt, und hatte fast keine Bedeutung; von
einer Polizei Sobrier's weiß ich nichts.
Präsident. Was wissen Sie von der Aufführung des Angeklagten Courtais bis zum 15. Mai?
Ledru-Rollin. Einige Tage vor dem 15. Mai trat die Exekutiv-Commission zusammen, besprach sich über die angekündigte Manifestation und ernannte den General Courtais, der das allgemeine Vertrauen
besaß, zum Befehlshaber sämmtlicher Truppen von Paris.
Am 15. Mai fand die Manifestation statt und das Volk erschien vor dem Gitter der Assemblée. Ich und mehrere andere Repräsentanten waren der Ansicht, eine Delegation vorzulassen; es war das
einzige Mittel, die Versammlung zu retten. Man ging aber nicht darauf ein; das Volk wurde ungeduldig über das Ausbleiben der Antwort, mehrere Personen überstiegen das Gitter und das Thor wurde
geöffnet. Der General Courtais widersetzte sich vergebens; der Sturm des Volkes warf ihn über den Haufen. Einige Minuten darauf war die Assemblée vom Volke überwogt.
Am Abend protestirte ich in der Exekutiv-Kommission gegen die Verhaftung Courtais'; ich besuchte ihn auch am folgenden Morgen in der Conciergerie, denn ich war überzeugt, daß er seit dem 24.
Februar nie und nicht im Geringsten seine Pflicht verabsäumt hatte.
Ein Geschworner. Wie geschah es, daß das Gitter der Assemblee zerbrochen ward.
Ledru-Rollin. Oh, meine Herren, Sie haben nie die Kraft des Volkes gesehen. Die Assemblee hatte Eisenstäbe zu ihrem Schutz, aber das Eisen wurde zu Staub, als es die Hände des Volkes berührten.
(Beifallssturm im Publikum).
Präsident. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?
Ledru-Rollin. Ich möchte nur wenige Worte noch über Louis Blanc und Caussidière sagen. Seit man den Antrag auf ihre Verhaftung stellte, habe ich aufmerksam die Aktenstücke studirt und kann
als Rechtsgelehrter sagen, daß nichts in meinen Augen ihre Anklage rechtfertigen konnte, der ich mich überdies auch aus politischen Gründen widersetzt habe. Als man darauf bestand, verlangte ich die
Entlassung des Generalprokurators jener Zeit. Die Genehmigung zur Verfolgung wurde indeß damals nicht ertheilt. Erst nach den Junitagen erneuerte man den Antrag, aber meine Ueberzeugung war dieselbe.
Nichts konnte im Monat Juni Louis Blanc und Caussidière graviren, und ich habe mich noch einmal ihrer Verfolgung widersetzt.
Blanqui. Ich verlange, daß der Generalprokurator den Moniteur vom 16. April und 17. März produzirt. Er gehört jetzt zu den Prozeßakten, denn es handelt sich jetzt für mich nicht mehr allein um den
15. Mai, es handelt sich um alle früheren Ereignisse.
Ich frage jetzt Herrn Ledru-Rollin, was ich an diesen Tagen gethan habe.
Ledru-Rollin: Ich wiederhole, daß der 17. März sehr ruhig war. Die Redner, welche das Wort ergriffen, sprachen durchaus besonnen, unter ihnen auch Herr Blanqui.
Blanqui: Das ist wahr, aber Herr Ledru-Rollin, wie Herr v. Lamartine täuschen sich vollständig über die Bedeutung des Tages. Der 17. März war keine Gegenmanifestation; er war vorbereitet seit
mehreren Tagen und hatte einen ganz andern Zweck, als die Abschaffung der Bärenmützen.
Ich verlange, mich darüber aussprechen zu dürfen.
(Schluß folgt).