[Deutschland]
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@facs | 1406 |
[Fortsetzung] Die Mißhandelten gaben keinen Laut von sich. Nun wollen wir annehmen, daß dieselben sich gegen die Anordnungen der Polizei vergangen, dann hätten 2 Mann hingereicht, sie zu arretiren; aber mit
Kolbenstößen einem am Boden liegenden wehrlosen Menschen begreiflich machen, daß er am 18. März nicht über die Straße gehen darf, das ist ungesetzlich, das ist roh und brutal. Diesen Akt der rohesten
Gewalt haben wir selbst zugesehen. Erzählen haben wir gehört, daß Polizisten und Soldaten die unschuldigsten Menschen von der Welt verwundet haben.
[(D. Z.)]
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149
] Irlich, 19. März.
Der seit einiger Zeit hier bestehende demokratische Verein beging gestern die Feier zum Andenken an die Märztage Berlins. Ein beschlossener Festzug mußte
unterbleiben, weil der Bürgermeister Kampers von Heddesdorf in richtiger manteufel'scher Auffassung des Gesetzes über das freie Associationsrecht, einen solchen untersagt hatte.
Obgleich sehr zahlreich besucht und größtentheils aus Bauern des Standes bestehend, welche die benachbarte Neuwider schwarz-weiße lämmelbrüderische Partei gemeinhin als Rebellen und
Ruhestörer bezeichnet, fiel auch nicht die geringste Unordnung vor.
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@facs | 1406 |
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150
] Jülich, 19. März.
Endlich sind die frommen Wünsche und heißen Gebete des Herrn v. Mylius erhört. Er wird wieder Landrath. Glücklicher Mylius, armer Kreis, wie wirst du jetzt
gezwiebelt werden. Kennen Sie den Mylius, den dicken Mann mit der hohen sich bis in den Nacken ziehenden Stirn, dem großen Barte, dem aufgedunsenen Gesichte mit der rothen Rubinen-Nase und den
stierenden Kalbsaugen? Es ist derselbe Mylius, von dem Ihr geschätztes Blatt schon mehreres berichtete, derselbe der sich bei der Wahl in Düren so gründlich blamirt, derselbe der trotz einstimmigen
Mißtrauungsvoten nach Brandenburg seiner Zeit abgereis't, derselbe der bei der Kreisdeputirtenwahl, wo er sich so sehr bemüht, keine Stimme erhalten, derselbe der Geldern in Frankfurt so
glänzend vertreten, derselbe der zur Hebung der inländischen Industrie — der Fabrikation der gebrannten Wasser vulgo Schnaps — so viel thut; derselbe — doch was soll ich Ihnen
alle Verdienste dieses Mannes aufzählen, der Raum ihres Blattes würde nicht hinreichen.
Wir fragen den Herrn Präsidenten, ob der zukünftige Landrath nicht derselbe Mylius sei, von dem der Minister Kühlwetter seiner Zeit gesagt: „Dieser Mensch ist für gar nichts zu
gebrauchen.»??
Wie wir hören wird der Kreistag zusammentreten, um weitere energische Schritte gegen diese Kreisoctroyirung zu thun; wollen sehr ob das Kreisphilisterium es wagen wird.
Jemand frug jüngst den lieben Mylius, warum er doch nicht lieber nach Geldern als Staatsprokurator zurückging, als sich dem Kreise, wo er doch so verhaßt sei, mit Gewalt aufdrängen zu lassen.
„Weil ich dort noch mehr verhaßt bin“, war die naive Antwort. Armer verkannter Mylius.
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@facs | 1406 |
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*
] Berlin, 18. März.
Aus den Abtheilungen vernimmt man zahlreiche Klagen über die lässige Theilnahme der Oppositionsmitglieder an den Sitzungen. Bei der stets nur geringen Majorität
der einen oder der andern Parthei entscheidet schon der Ausfall nur einer Stimme. So gelangte heute, durch das Wegbleiben eines Mitglieds der Rechten, die Linke in der dritten Abtheilung bei der
Berathung des Klubgesetzes zu der ephemeren Majorität von einer Stimme. Das Klubgesetz, welches schon in früheren Sitzungen dieser Abtheilung berathen wurde, wird als ein höchst unschädliches Produkt
demnach aus derselben hervorgehen.
In der siebenten Abtheilung fand ein interessanter Zwischenfall statt, der deutlich zeugt, was unsere schwarz-weißen Helden von der Freiheit des Volkes und von dem Rechte, der durch sie
eingedrillten Maschinen halten. Der Abg. Görz (Frankfurt a/O.) stellte nämlich den Antrag, daß nur Beamten der Polizei gestattet sein solle, bewaffnet in den Klubs zu erscheinen. Der schon gestern
erwähnte Griesheim, ein Urpreuße vom reinsten Wasser und Verfasser mehrerer bramarbasirenden Soldatenbrochüren, widersetzte sich zuerst diesem Antrage. Als er aber sah, daß der Antrag Unterstützung
fand, ja daß sogar A. v. Auerswald ihn acceptirte, erwiderte Griesheim höhnisch, daß er auch jetzt dem Antrage beistimme, da jetzt die höheren Offiziere nur zu befehlen brauchten, daß kein Soldat ohne
Waffen ausgehen dürfe, um so die willenlosen Krieger vom Gifte der Klubs fern zu halten.
Das milde Kosch'sche Centrum hat eine heilige Scheu vor der revolutionären Gewalt der Klubs, und nur die Scham verhindert es das Klubgesetz in Pausch und Bogen anzunehmen. Das hindert aber
einige der Herren dennoch nicht, einzelne Paragraphen des „Liebesgesetzes“ zu arceptiren. Vor Allem ist unter diesen zweideutigen Freunden der Linken Professor Olawski, ein sog.
deutscher Demokrat aus Posen, der neulich ein albernes Buch des französischen Pedanten Marc St. Girardin als Autorität in der Schulfrage auf der Tribune citirte, zu erwähnen. An der Demokratie dieses
Olawski kann man die reaktionäre Größe der posener Schwarzweisen und Netzeroaten ermessen.
In der ersten Abtheilung ist das Plakatgesetz gänzlich verworfen worden. — So liegen uns denn, die Verhandlungen der Abtheilungen in Betreff der ministeriellen Entwürfe vor. Wir sehen aus
ihnen, daß die Kammer nicht viel besser ist, wie ihr Ministerium. Selbst die Linke trat sehr leise und schüchtern auf und nur wenige dieser Parthei waren offen und muthig genug, die revolutionären
Principien auch bei der Berathung dieser schmachvollen Gesetze anzuwenden. Die Linke durfte nur auf vollständige Verwerfung der Gesetze antragen.
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@facs | 1406 |
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9
] Berlin, 18. März. 11 Uhr Morgens.
Es ist kühles Wetter draußen — wenig Sonnenschein am Himmel und in den Herzen.
Die Nationalzeitung bringt eine Zeichnung vom Friedrichshain, damit ihre Leser, die Bourgeois, welche heute zu feig oder zu bequem sind, in Person nach den Gräbern zu wandern, darin im Geiste
herumwandeln können. Die Gekreuzigte ist heute auch etwas blöde, sie spricht in biblischem Style von dem Eckstein, den Gott gesetzt und den die ruchlosen Radikalen nicht umstoßen werden. Gott weiß
es!
Hr. Held glaubt am heutigen Tage sich auch bemerklich machen zu müssen. Gegen Mittag wurde von ihm ein großes gelbes Plakat angeschlagen, worin er eine Revolutionsgeschichte Berlins ankündigt. Das
Plakat enthält mehrere (wie uns nach flüchtiger Beschauung scheint) reaktionäre Holzschnitte, die einen Konstabler auf der Friedrichsstraße bewogen haben müssen, das Plakat abzureißen. Das Volk
bemächtigte sich des Konstablers, schlug das Plakat wieder an, und so entstand ein bedeutender Auflauf, in welchem wir einen Obersten und mehrere Lieutenants provozirend sich bewegen sahen. Sehr
bedenklich!
Außer vielen Frauen und Kindern mit Todtenkränzen gewahrt man auf den Straßen eine Menge Menschen mit Flore um die Hüte, und handgroßen deutschen Kokarden.
4 Uhr. Ich komme so eben vom Friedrichshain. Die Militärschergen entweihen förmlich die Gräber. Das ganze Terrain ist von Kürassieren und Infanterie umzingelt, und sobald sich eine Menschengruppe
bildet, sprengen die Herren Kürassiere mitten in dieselbe. Die Erbitterung der Massen ist sehr groß, und wenn es nicht zu Konflikten kommt, so ist die Soldateska wenigstens unschuldig daran. Ich
versichere Sie, daß es ein empörender Anblick war zu sehen, wie das Volk auf den Gräbern seiner Gefallenen von deren Mördern wie Bestien gehetzt wurde. Das Alles hat der passive Widerstand der
Vereinbarer herbeigeführt. Hätte das Volk Waffen, so — —
6 Uhr. Gegen 5 Uhr wurde das Landsberger- und Königsthor dem Publikum vom Militär vor der Nase zugeschlossen. Sie transit gloria! Etwas später bewegte sich ein großer, fast humoristischer Zug durch
die Königsstraße, vorauf einige Kinder, dann drei Reiter, von denen der erste mit Kränzen überladen war. Dem Zuge folgten mehrere Tausend Menschen, die an jeder Stelle, wo am vorigen Jahre eine
Barrikade gestanden, hielten und Hurrah schrieen.
Man spricht von einzelnen Verhaftungen und vielen Konstabler-Durchprügelungen.
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@facs | 1406 |
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104
] Liegnitz, 17. März.
Allah ist groß und Liegnitz auf dem Wege, das schwarzweiße Mekka zu werden. Die in ihm unter einem Pascha von zwei Roßschweifen stehenden Janitscharen
treiben ihr tolles, zügelloses Wesen noch immer in der Art und Weise, wie Ihnen bereits frühere Berichte gemeldet haben. Bald fallen sie im Bewußtsein ihrer vortrefflichen Disciplin ruhige Bürger mit
blanker, scharfer Waffe in der Hand auf offener Straße an und bringen ihnen gefährliche Verletzungen bei, bald gerathen sie sich gegenseitig selbst in die Haaren. Am verflossenen Dienstage wurde in
einem hiesigen öffentlichen Lokale ein Soldatenball abgehalten. Ein denselben frequentirender knochenfester Kriegsknecht von der renommirten Truppe der stets schlagfertigen Fünfer wird dabei von der
Liebenswürdigkeit einer anwesenden Grisette entzückt und ist auch so glücklich, sehr bald ihre Neigung zu gewinnen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein sichrer Bund zu flechten, und die Gunst
springt öfters ab. Ein Zwanziger, der jedenfalls im Besitze größerer Attraktionskraft gewesen sein muß, als sein Kollege, zieht durch einige geschickte Manövers das in seliger Liebe schwimmende
Mädchenherz an sich und macht es zu dem seinigen. Dafür schwört ihm aber der betrogene Fünfer blutige Rache, und ein Fünfer hält ebenso Wort, wie sein großes Vorbild, der wahrheitsliebende Wrangel.
Als der Zwanziger die gewonnene Grisette an seinem Heldenarme nach Hause führt, wird er unverhofft von dem erbitterten Kameraden überfallen und mit einem großen Messer nach ächter Fleischerart wie ein
fetter Bulle ins Genick gestochen, so daß er auf dem Flecke zusammenstürzt und jetzt bereits zur großen Armee in das Jenseit abgegangen ist. — Am 15. d. M. wurde der hiesige
Buchdruckereibesitzer, Harry d'Oench wegen Abdrucks und Verbreitung des allgemein bekannten Panegyrikus auf den alten Bundestag, und zweier ebenfalls von ihm nachgedruckter und verbreiteter
Karrikaturen, in denen bureaukratische Adleraugen Beleidigungen des Staatsoberhauptes erkannt haben wollen, durch Erkenntniß erster Instanz zu drei Jahren Festungsstrafe und zum Verluste der
Nationalkokarde verurtheilt. Er wird wegen des gegen ihn gefällten Urtheils Appellation ergreifen. — Den Redakteur der hiesigen Silesia, Dr. Cunerth, erwartet nächstens ein gleiches Schicksal
wie d'Oench. Und warum? Weil er unumwunden das ausgesprochen hat, was Niemand als eine Lüge zu bezeichnen im Stande ist. „Die Wahrheit ist aber ein Hund, der ins Loch muß, und
hinausgepeitscht wird, während Madame Schooßhündin am Feuer stehen und stinken darf“ — sagt der Narr im König Lear.
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@facs | 1406 |
Posen, 15. März.
Die sehr verbürgten Berichte aus dem benachbarten Königreiche Polen bestätigen die Nachricht, daß drei neue russische Armeekorps in Polen eingerückt sind und daß das
letztere von diesen schon sein Hauptquartier in Konin aufgeschlagen hat. Diese neuen Heeresmassen, die jedenfalls an 60000 Mann der verschiedensten Waffen zählen, stehen nunmehr sämmtlich ziemlich
nahe an der preußischen Gränze und können dieselbe binnen wenigen Stunden überschritten haben; unmittelbar an der Gränzlinie stehen theils Kosaken, theils ein großer Artilleriepark, letzterer bei
Bloszko, dessen Mündungen zu uns herübergähnen. Das große Lager bei Kirchdorf in der Nähe von Kalisch ist fast fertig und bereits von zahlreichen Truppen bezogen, die bei jedem Wetter von früh bis
spät exerziren. Die Soldaten selbst haben sämmtlich die Ueberzeugung, daß sie nächstens in das preußische Gebiet einrücken werden.
[(D. A. Z).]
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@facs | 1406 |
[
12
] Von der Meklenburgischen Grenze, 16. März.
Die Gerüchte wegen bevorstehender Auflösung der meklenburgischen Kammer und Oktroyirung einer Verfassung gewinnen immer mehr an
Wahrscheinlichkeit. Die gottbegnadeten Großherzöge wollen hinter andern großen Herren von Gottes Gnaden nicht zurückbleiben. Zu diesem Behufe haben sie sich einige Tausend Mann
„Reichstruppen“ vom preußischen Vetter geliehen, die wohl die rebellische Kammer zu Paaren treiben werden. — Bereits gestern verbreitete sich das Gerücht in Brandenburg, die
Preußen seien im Anmarsche. Es entstand auch bald eine furchtbare Aufregung, die sich jedoch für heut nach dem Einwerfen mehrerer Fenster wieder legte. — Heute Nachmittag rückten nun in der
That zwei Eskadronen des Pasewalker preußischen Cürassier-Regiments in dem kleinen meklenburgischen Städtchen Woldegs ein, von wo sie weiter auf Brandenburg marschirt sind.
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@facs | 1406 |
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*
] Wien.
Einem uns zur Benutzung übergebenen Privatbriefe aus Wien vom 14. März entnehmen wir folgendes:
Wien, den 14. März.
„‥‥… Wie schon oben erwähnt, überraschte uns am 7. März früh an allen Straßenecken eine von Gottes Gnaden uns aufgedrungene Verfassung, worüber die
volksverrätherische Bourgeoisie ein Freudengezeter erhob, da ihnen in derselben versprochen ist, daß Wien der Sitz des Kaisers, der Regierung und der Kammern bleiben wird; sie sich daher einen reichen
Schacher hoffen. Also gleich ging eine Deputation zum Kaiser nach Olmütz, um ihm ihre loyalen Gesinnungen darbringen zu können.
In der Stube des Handwerkers, des ehrlichen Liberalen, des Proletariers, wurde mit Verachtung und Fluch von dieser neuen Metternich'schen Association mit der Kamarilla gesprochen.
Schlechteres, miserableres könnte man uns nicht mehr geben, wir sind viel schlechter d'ran, als wie vor dem März 1848. Jeder Paragraph ist mit jesuitisch-büreaukratisch-teuflischer
Schlechtigkeit ausspintisirt, hat 10 Hinterthüren, und kann gedeutet werden, wie man es will.
Jeder fühlt, so kann es nicht bleiben, für so viele Opfer, so eine Miserabilität? Jedoch, was jetzt angefangen, der für Ordnung und Ruhe wachende Sicherheitsausschuß blickt unheilverkündend von den
Basteien, und zu dem, nicht einmal einen Bratspieß zur Waffe! Hoffend und wünschend blickt der Demokrat nach dem Osten, wo sich der tapfere Magyare schon 5 Monate für seine, und für die Freiheit von
beinahe halb Europa schlägt.
Eine wahre Entrüstung brachte die Verfassung unter den Czechen hervor, welche dieselbe an vielen Orten verbrannten. Heute sprach ich einen Geistlichen aus Neufalz in Ungarn, der sagte dasselbe,
überall wird das Pamphlet mit Koth beworfen und beschmiert.
Am Abende des 7. März wurde trotz der Nichterlaubniß des Gouverneurs Welden freiwillig die Stadt beleuchtet, alles war still und lautlos.
Sonntag den 11. März war große Kirchenfeierlichkeit zu St. Stephan, wozu 18,000 Mann Militär ausrückten und auf den Plätzen und Straßen der inneren Stadt aufgestellt waren, mit Geschütz und
brennender Lunte, mehr um zu imponiren, und die Ruhe der Feierlichkeit zu sichern, als wie zur Feierlichkeit selbst, von den Wällen wurden 303 Kanonensalven gelöst, Abends war die Stadt und Theile
gewisser Vorstädte abermals illuminirt. Ein großer Zapfenstreich mit Militärbanden, die bekannte Volkshymne spielend, durchzog die Stadt, wobei vieles schlechte, und theils bezahlte Gesindel Vivat!
rief. Ein Fiaker durchzog die Stadt bis in die Nacht mit dem Bildniß des Kaisers, welches mit Blumen geziert und beleuchtet war; dieser Kerl war bezahlt wie das Gesindel, welches dem Wagen nachlief;
ich merkte mir die Schreier, welche immer Vivat Franz Joseph schrieen, es waren in jeder Straße dieselben.
Alles war schon seit längerer Zeit auf den 13. März begierig. Früh fanden sich auf dem Friedhofe bei'm gezierten Grabe der Märzgefallenen viele Akademisten, Männer, Frauen und Mädchen mit
Flören, und die Frauen größtentheils in Trauerkleidern ein; es wurden viele Thränen vergossen. Bei St. Stephan war schon vorgestern ein Hochamt für die Märzgefallenen bezahlt worden.
Auf dem Stephansplatze sammelten sich die Leute immer mehr. Es rückte Militär aus, sperrte alle Zugänge und Straßen auf obgenanntem Platz, ließ Niemanden auf denselben, jedoch Alle heraus, und
arretirte eine Menge junger Männer ohne die geringste Veranlassung.
Nicht viel fehlte, so hätte man mich an der Gewölbsthür einer Pelzwaarenhandlung ebenfalls arretirt, blos weil ich vertraulich mit der Eigenthümerin gesprochen, ohne daß Jemand das Gesprochene
gehört haben konnte.
Es wurden Angesichts des Volkes die Gewehre geladen, und hierauf das Volk, eigentlich lauter friedliche und neugierige Spaziergänger, aufgefordert, auseinander zu gehen. Das Militär machte Miene
zum Dreinschlagen.
[1407]
Die Leute verliefen sich und es ist gegenwärtig ganz ruhig, um 4 Uhr Nachmittags.
Wird heute der Belagerungszustand aufgehoben, so haben wir in 14 Tagen die wüthendste Revolution. Die Freiheit ist für uns zur Lebensfrage geworden.
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@facs | 1407 |
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068
] Prag, 15. März.
Gestern Abend brachten die hiesigen Studenten den Abgeordneten Rieger und Borrosch einen Fackelzug. Auch Nationalgarden nahmen daran Theil. Das „C. Bl.
g. B.“ enthält eine von vielen Abgeordneten aus Böhmen, Mähren etc. unterzeichnete Verwahrung gegen die Sprengung des Reichstages in Kremsier. Es sind im Ganzen 33 Unterschriften, darunter
befinden sich die von Hornborstel, Rieger, Palacky, Hawliczek, Strobach, Pillersdorf, Klaudy, Pinkas etc. die Verwahrung lautet:
„Als die tiefe Erschütterung aller Bande des Vertrauens und die Lockerung der gesellschaftlichen Verhältnisse, welche lange vorher in allen Theilen der Monarchie sich verkündet hat, in den
Märztagen des vorigen Jahres zum Ausbruche kam und der gerechte Monarch die Größe der Gefahr so wie die Dringlichkeit der Hilfe erkannte, zugleich aber in der Einberufung eines constituirenden
Reichstages das einzige legale Mittel erblickte, um unabweisbaren Forderungen Genüge zu leisten, da waren die Erwartungen sowie die Ansprüche der Völker an den Reichstag darauf gerichtet, daß er das
erschütterte Vertrauen befestigen, daß er das Band, welches verschiedenartige Völker umschlingt, durch die freie Entwickelung ihrer Nationalitäten fester knüpfen und daß er der Regierung die Kraft und
die Mittel gewähren werde, um den äußeren und inneren Feinden des Staates mit entscheidendem Erfolge entgegenzutreten.
Der Reichstag mußte sich ebenso diese Pflicht wie die Wege, welche er in der Erfüllung derselben einzuschlagen hatte, klar machen. Sie lagen ihm in der Aufgabe vor, den organischen Gesetzen, welche
in der Verfassung ihre Sanction und Grundlage finden sollten und in dieser der Freiheit so wie den Nationalbedürfnissen der Völker untrügliche Bürgschaften bieten müssen, eine ruhige und reife Prüfung
zu widmen, bei allen Völkern die Ueberzeugung zu begründen, daß nur in dem festen Anschließen an die Gesammtmonarchie auch ihr Wohl gefördert werden könne, endlich der Regierung keine Mittel zu
versagen, welche sie zur Abwendung innerer und äußerer Gefahren unerläßlich bedarf.
Konnte das erste Parlament Oestreichs dieses Ziel aber auch mit jenem sicheren raschen Gange verfolgen, welchen gesetzgebende Körper seit Generationen, mit dieser Bahn vertraut, auf derselben
einzuschlagen vermögen? Konnte er jenem Ziele stets unverrückt entgegengehen, während ihm kein Führer, keine Stütze zur Seite stand, während Aufruhr und Bürgerkrieg mehrmal an seine Thore klopfte und
die Hand der exekutiven Gewalt bald machtlos dahin sank, bald der Militärdiktatur gefesselt erlag?
Der Reichstag hat sich jedoch keiner dieser Aufgaben, der Erfüllung keiner dieser Pflichten entzogen; er hat den Erwartungen derjenigen, welche ihm ihr Mandat anvertrauten, mit strenger
Gewissenhaftigkeit zu entsprechen sich bestrebt, die Völker Oestreichs wurden durch denselben sich näher gerückt und ihre Vertreter haben es stets bewiesen, daß sie zu jedem Opfer, welches das
Gesammtvaterland fordert, bereit sind.
Der Reichstag hat diese Opfer auch in dem ausgedehntesten Umfange zur Verfügung der Regierung gestellt, wo es galt, daß diese Kraft entwickle und ihren Gegnern gegenüber mächtig erscheine.
Hätte der Reichstag auch Nichts geleistet, als mehrere Millionen gedrückte Landleute von schweren Fesseln zu befreien und zu der Würde freier Staatsbürger zu erheben, so würde ihm für diese That
allein reicher Segen folgen und das Bewußtsein begleiten, dem Vaterlande dadurch Ruhe, Frieden und Eintracht, die Liebe und Dankbarkeit seiner besten Söhne gewahrt zu haben. Allein auch das
Verfassungswerk war in seinem Entwurf vollendet, zu dem zweiten Stadium seiner Prüfung gelangt und ein mächtiges Gefühl war bei Allen, welche an dieser Prüfung theilzunehmen hatten, vorherrschen, daß
der Zweck, daß das Ganze in das Auge gefaßt, daß die Aufmerksamkeit nicht auf das Einzelne gerichtet werden müsse, daß das Verfassungswerk schnell, wenn auch mit einigen Mängeln gefördert werden
solle. Der schwierigere Weg war bereits zurückgelegt, die Grundrechte waren zum großen Theile beschlossen und es waren nicht mehr tiefgreifende Prinzipienfragen zu erörtern, bei welchen das Gebiet der
Theorie nicht unberührt bleiben kann und soll; es handelte sich nunmehr darum, den aufgestellten Prinzipien eine konsequente Anwendung zu sichern und in dieser ein fest verbundenes organisches Ganzes
zu begründen. —
Da traf den constituirenden Reichstag das Schicksal der Auflösung durch, ein Manifest des constitutionellen Monarchen, welches eine oktroyirte Verfassung verkündiget. Die Mission des Reichstages
ist dadurch erloschen den Gliedern desselben bleibt aber die Pflicht, in denjenigen, welche ihnen diese Mission anvertraut, die Ueberzeugung festzustellen, daß sie der Regierung kein Mittel zur
Erreichung ihrer Zwecke vorenthalten haben. Die Verfassung konnte, ja sie mußte nach dem Geiste, welcher die Versammlung beseelte, in wenigen Wochen der Sanktion des Monarchen unterzogen werden. Hätte
sich die Exekutiv-Gewalt bei d[e]n Erörterungen darüber betheiliget, hätte Vertrauen und Offenheit, jene Grundbedingungen des Zusammenwirkens zu einem gemeinschaftlichen Zwecke, die Stellung der
Exekutiv-Gewalt gegen die gesetzgebende Versammlung bezeichnet, wären die Worte des ministeriellen Programmes je zur vollen Wahrheit geworden, so würde dieser Zeitpunkt, sowie er in Aller Wünschen
lag, auch in seiner Ausführung noch bedeutend näher gerückt worden sein.
Das Programm des Ministeriums vom 27. November v. J. sicherte dem Reichstage Vorlagen über die Entschädigungen der beim Grundbesitzthum Betheiligten, über die Regelung der Gemeindeangelegenheiten,
über die Umstaltung und Einrichtung der Rechtspflege, über die Feststellung des Postwesens und des Associationsrechtes, über die Nationalgarde und über mehre, den öffentlichen Haushalt und das Wohl
des Volkes nahe berührende Angelegenheiten zu. Allein keine dieser Vorlagen ist erfolgt. Auf sich selbst beschränkt und seit vier Monaten von jenen Standpunkten getrennt, auf welchen höhere Bildung,
Intelligenz und Betriebsamkeit in allen Zweigen der Thätigkeit ein regeres Leben entfaltet, konnte der Reichstag nur über seine eigenen Kräfte verfügen.
Lag es in der Absicht der Regierung ein gemeinschaftliches Band über alle Theile der Monarchie zu schlingen und dieses in dem Verfassungswerke zum segensreichen Bunde unauflöslich zu knüpfen, so
würde der Reichstag ein solches Vorhaben mit Freude begrüßt haben. Er kannte jedoch bis zur Verlautbarung des Manifestes weder die Absichten der Regierung noch die von ihr eingeschlagenen Wege. Wenn
aber die Residenz noch an tiefen Wunden blutet, wenn diese Wunden auf alle Lebensfunktionen des Herzens und sämmtlicher Organe eines großen Reiches traurig zurückwirken, so fühlte der Reichstag
schmerzlich, daß ihm jedes Mittel benommen war, hier eilend und lindernd einzugreifen; er fühlte, daß die höchsten Interessen der Monarchie und der Dynastie es fordern, daß die Hülfe nicht verschoben,
daß ihr Erfolg nicht durch Bitterkeit oder unheilvolle Verblendung vereitelt werde. Allein die Mitglieder des Reichstages haben das beruhigende Bewußtsein, auch diesen großen Interessen ihre Blicke
nicht entzogen zu haben und das Vertrauen, daß ihre Kommittenten sie vor dem Vorwurfe freisprechen werden, in der ersten und würdigen Auffassung derselben Etwas unterlassen oder versäumt zu haben.
Eine offene Sprache ist die Pflicht des freien Mannes, ist die heiligste Pflicht der Volksvertretung, sie ist zugleich das Wesen und die Seele des konstitutionellen Lebens. Selbst irrige
Auffassungen von Regierungsmaßregeln und darauf gestützte Beschuldigungen der Exekutiv-Gewalt, welche eines festen Grundes entbehren, werden die Regierung jeder Zeit vielmehr stärken, gegründete
Klagen aber schnell zur Abhülfe führen.
Die Mitglieder des aufgelösten Reichstages, welche in dieser Erklärung den Ausdruck ihrer innigsten Ueberzeugung und eines unwiderstehlichen Pflichtgefühles niederlegen, werden, auch ihres Mandates
entkleidet, fortfahren, ihren Mitbürgern Friede, Eintracht und Gesetzlichkeit an das Herz zu legen, wie sie bisher als Theilnehmer an der Gesetzgebung für die Förderung dieser Zwecke alle Kräfte
aufgeboten haben. Sie werden so durch die That bewähren, daß einer hochherzigen Regierung andere Wege zu Gebote stehen, als loyale Gesinnungen mit dem Mackel unverdienten Argwohnes zu beflecken und
daß es nicht der militärischen Gewalt bedurfte, um den Beschlüssen des Monarchen Geltung zu verschaffen.
Möge der eingeschlagene Weg zum Heil des Vaterlandes führen!
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@facs | 1407 |
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213
] Dresden, 16. März.
In der gestrigen Sitzung der 2ten Kammer erblickte ich zum erstenmale Sachsens Gesammtministerium vom Held bis zum Rabenhorst. Ein schönes Agglomerat
von Heuler-Büreaukraten- und kontrerevolutionären Säbelgesichtern. Mitten daruntrr der demokratisirende Blödsinn als Minister des Innern.
Unter den eingelaufenen Petitionen, von welchen sich viele zu Gunsten, keine gegen die Kammer aussprachen, war auch eine, welche das Ministerium für alle Kosten einer etwa gewaltsam geschehenden
Kammerauflösung verantwortlich machte. Manche verlangten die Entfernung des Ministeriums. Die antiministeriellen Eingaben kommen meist vom Lande, wo die Demokratie viel intensiver zu sein scheint, als
in den Städten Dresden und Leipzig.
Um die Kammer ferner zu beschäftigen, ließ das Ministerium ein königl. Dekret, Vorschläge zur Uebernahme der Riehaer Eisenbahn enthaltend, vorlesen. Die Geschäftsordnung verfügt nämlich, daß jedes
königl. Dekret sofort vorgelesen werde, und das Ministerium benutzt diesen §, um der Kammer als königl. Dekrete seine werthvollen Lukubrationen vortragen zu lassen.
Zur Beantwortung einiger früher gestellten Interpellationen erhob sich hierauf Held, der Leithammel ohne Leitung des kleinen Manteuffel-Ministeriums. Nachdem er eine Jagdinterpellation
beantwortet, erklärte er indessen, daß das Ministerium die zweite Interpellation, die Revision der Verfassung betreffend, nicht beantworten würde. Er that dies in einem immer schnaubender werdenden
Bulldogtone, welcher zuletzt in die tiefste germanisch-sittliche Schulmeister-Entrüstung ausartete, und unserm armen Held das Ansehen eines mit Zinnober überstrichenen Frosches gab. Die eigentlichen
drei ministeriellen Teufel Beust, Ehrenstein und Rabenhorst schienen ihre dumme Firma innerlich auszulachen
Vicepräsident Tzschirner, eins der tüchtigsten Talente der Kammer, und, was in Sachsen viel sagen will, ein entschiedener, ehrlicher Charakter, suchte unsern Held zwar zurecht zu weisen, aber weder
Präsident Hensel, noch auch die Kammer leisteten ihm dazu den erforderlichen Beistand. Die Deutschen lieben ja Schur und Dressur.
In einer neuen Interpellation protestirte Tschirner alsdann wider den Welker'schen Kaiser, namentlich wider Kaiser- homunculus Fritz, und forderte das Ministerium auf, zu sagen, ob es sich
in diesem Sinne an die Centralgewalt nach Frankfurt gewendet.
Endlich erwies ein gewisser Spitzner dem Kriegsminister den Gefallen, das Ministerium darüber zu interpelliren, ob es wahr sei, daß die schmachvollen Beschuldigungen, welche man in der
Kammer wider das in Altenburg stehende sächsische Reichsmilitär vorgebracht, von den dortigen Behörden in Abrede gestellt würden. Die Kammer schwieg nach einer kurzen zurechtweisenden Bemerkung des
Präsidenten wider den Redner, und nur Tzschirner lehnte sich wider den Kroatendefensor auf.
In der heutigen Sitzung zweiter Kammer meldete sich der Kriegsminister alsbald zum Wort. „Mit Freuden ergreife ich die Gelegenheit,“ sagte er, „die gestrige Interpellation des
Abgeordneten Spitzner schon heute zu beantworten.“ Hätte der schnauzbärtige Kavallerie-Säbel sich nur etwas geschickt zu benehmen gewußt, so hätte ein großer Theil der Kammer nicht gemerkt, daß
Interpellation und Antwort eine zwischen Diesem und Spitzner abgekartete Sache gewesen; da er aber sprach, wie ein Pferdeknecht, der zum erstenmale eine Striechelrede hält, so begann die ganze Kammer
und die Galerien ihn auszulachen, ohne den Glauben an die kroatischen Eigenschaften der in Altenburg oktroyirenden sächsischen Reichstruppen zu verlieren.
Rabenhorst hatte sich von der altenburger Regierung nämlich eine Adresse zuschicken lassen, in welcher das sächsische Militär gepriesen wird wie homerische Helden. Schade, daß er seiner stotternden
Sprache wegen von allen Seiten verlacht und noch gar von Tzschirner ad absurdum widerlegt wurde. — Die Sitzung wurde endlich noch humoristischer, als Spitzner für die rasche und
befriedigende Antwort sich gnädigst bedankte.
Beust beantwortete Tzschirners Kaiserinterpellation, indem er erklärte, das Ministerium wolle abwarten, bis in Frankfurt ein wirklicher Beschluß gefaßt. Der Potsdamer Fritz war nämlich vor
einigen Tagen in Inkognito eines Endymion hier beim Höfchen, um geheime Plänchen in's Reine zu bringen; das Ministerium kann darum auf solche Sachen nicht antworten.
Advokat Blöde will, daß das Ministerium seine Interpellation über die kontrerevolutionären Wühlereien beantworte. Der Justizminister ist nicht da, darum verspricht das anwesende Ministerium
die Interpellation durch den Justizminister beantworten zu lassen. Das nächstemal wird's umgekehrt geschehen.
Tzschirner verlangt vom Ministerium, daß es eine Vorlage über die Geschäftsordnung mache (die bestehende ist nämlich nur provisorisch), damit seine Einsprache die Bewegung der Kammer nicht
ferner paralysire.
Es halten sich hier einige östreichische Spione auf, welche bei dem östreichischen Tamerlans-Konsul Beschwerde darüber führen, daß man hier den Windischgrätz einen Mordbrenner nennt. Die Kerls
haben den Konsul sogar durch die öffentlichen Blätter zum Einschreiten aufgefordert. Ist das nicht k. k. östreichisch standrechtlich dumm und lächerlich?
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@facs | 1407 |
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213
] Dresden, 17. März.
Sitzung der zweiten Kammer. Auf der Registrande befindet sich unter andern eine von 10,000 Arbeitern unterzeichnete Petition um Abänderung des
Gewerbegesetzes vom Monat Oktober letzthin.
Minister Held beantwortet Blöde's Interpellation, die dem König einzureichende kontrerevolutionäre Adresse betreffend, wonach der Thron als gefährdet hingestellt wird, indem er
versichert, daß das Ministerium, wenn ihm Unternehmungen, wie die in der Adresse dargestellten bekannt wären, mit allen ihm zu Gebot stehenden Mitteln dawider auftreten würde, es könne jedoch bloßen
Urtheilen nicht vorgreifen, die Ueberreichung der Adresse an den König also nicht verhindern, und müsse es der Presse und dem Publikum überlassen, dawider anzukämpfen. Die Staatsregierung würde, wenn
es nöthig werde zu handeln, mit Kraft auftreten. (mit 20,000 Baiern oder Preußen!)
Blöde. Ich bin für diese Antwort dem Ministerium einerseits dankbar, anderseits nicht dankbar. Es freut mich, daß ihm von den in der Adresse besprochenen Unternehmungen und Throngefährdungen
nichts bekannt, die Adresse mithin eine Lügenadresse ist. Was den zweiten Theil der Antwort betrifft, so meine ich, das Ministerium habe dem König zu rathen, die Adresse nicht anzunehmen.
Held. Das Ministerium darf in das Recht Adressen zu überreichen, nicht eingreifen.
Tzschirner fragt, warum auf die Landtagsschrift in der Blum'schen Angelegenheit noch kein königl. Dekret erfolgt und Könneritz immer noch in Wien sei; ob deßhalb ein Entschluß zu
erwarten sei, oder was dem entgegenstehe.
Riedel. Schon unter dem Ministerium Könneritz sind uns Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens zugesagt worden, das Ministerium Kaunitz wollte einen Schritt darin thun, als
der März kam und das Ministerium Braun. Trotz aller Zusagen ist bis auf den heutigen Tag nichts geschehen, man hat nur Grundzüge zu jener Einrichtung gemacht; das Volk aber wird ungeduldig, daß gerade
diese Reformen so lange hinausgeschoben werden. Ich frage daher, wie weit die Arbeiten vorgerückt sind, ob die Gesetzentwürfe noch dem Landtage vorgelegt, und die neuen Einrichtungen noch im Laufe
dieses Jahres in Ausführung gebracht werden.
Held. Das Kriminalgesetzbuch ist angefangen; das frühere Ministerium wurde durch politische Geschäfte abgehalten; das neue Ministerium hat es sich aber zur Pflicht gemacht, die Sache in
Ausführung zu bringen, und zwar noch in diesem Jahre, wenn die Umstände es erlauben. (Tout comme chez nous en Prusse.)
An der Tagesordnung ist die Berathung über den Antrag Böttcher's den Abmarsch sächsischer Truppen nach den Herzogthümern und den Einmarsch von Reichstruppen nach Sachsen betreffend.
Jäkel: Wir würden unsere Truppen zwar in die Herzogthümer senden, wenn wir nur wüßten, daß sie der Sache nützten. Aber die Diplomatie handelt in den Herzogthümern, sie will den Krieg nicht
enden, will Deutschland eine offene Wunde lassen. Die Diplomatie macht's in den Herzogthümern gerade so wie die Päbste früher mit Palästina, wohin sie Europa Kreuzzüge machen ließen. Die
Requisition der Centralgewalt kann uns wenig kümmern, denn sie hat alles gethan, ihre Mutter, die Revolution, zu verleugnen; sie hat bei uns alles Vertrauen verloren. Wie haben keine Lust, uns von ihr
die Freiheit diesmal ebenso im Namen der deutschen Einheit rauben zu lassen, wie sie uns 1813 im Namen des Patriotismus geraubt wurde. Schick spricht wider den Antrag und beruft sich darauf,
daß das Gesetz der Centralgewalt in Sachsen publizirt, die frühere Bundestagsgewalt auf sie übergegangen sei, und die Kammer dem beigepflichtet habe. Sachsen habe noch nichts gethan, obwohl alle
deutsche Staaten verpflichtet seien, am Kriege Theil zu nehmen. Schick spricht mit Brustkaramellenheiserkeit gleich einem Unteroffizier, der zum ersten Male eine politische Zeitung gelesen.
Helbiger. Die Geschichte wird richten, daß wir kurzsichtige Menschen sind. Unsere Truppen sollen blos dazu dienen, die Freiheitsbestrebungen der Herzogthümer zu dämpfen, und selbst viel zu
demokratisch, geopfert zu werden. Das Gesetz über die Verordnungen der Centralgewalt ist nicht auf loyale Weise entstanden, die Kammern haben dazu ihre Einwilligung nicht gegeben, wie es im §. 120
der Verfassungsurkunde vorgesehen. Es hat damals keine überlegte Berathung, sondern nur eine einseitige Erklärung des Präsidiums stattgefunden. Der den Bundestag betreffende §. 89 der
Verfassungsurkunde könne doch gewiß nicht mehr angerufen werden. Auch andere Staaten, z. B. Preußen, Hannover, gehorchten der Centralgewalt nur wie es ihnen gutdünkte. Uebrigens sei der Krieg in den
Herzogthümern eine bloße Maske, ein Spiel, die dortigen Bestrebungen der Freiheit zu unterdrücken. Dänemark wende sich darum auch immer nur nach Berlin, niemals nach Frankfurt. Die deutschen
Grundrechte seien eine Arbeit der Nationalversammlung, nicht der Centralgewalt, die Anerkennung der Grundrechte involvire daher nicht auch schon einen blinden Gehorsam für die Centralgewalt.
Bertling beantragt, über den Antrag Böttcher's Tagesordnung.
Tzschirner verwahrt sich gegen Vorwürfe, als habe er seine Gesinnung in Beziehung auf die Nationalversammlung geändert. Wer denn früher nicht für dieselbe gewesen sei? Die
Nationalversammlung hat zuerst ihre Rolle gewechselt, so daß Volksmänner sich nicht mehr an sie anklammern können. Erst seitdem die Nationalversammlung ausschließlich den Fürsten dient, wird sie von
denselben als ein heiliges Corps angesehen, so oft sie ihnen zu etwas gut dünkt. Es ist dahin gekommen, daß das Volk sich neue Bahnen brechen muß, um uns wieder andere Haltpunkte zu geben.
Das Dekret über die Verfügungen der Centralgewalt war eine Ueberrumpelung, der §. 123 der Verfassungsurkunde ist keine blose Formel, und danach hätte dasselbe einer Deputation der Kammern
überwiesen werden müssen. Es ist wahrlich an der Zeit, der Centralgewalt gegenüber zu sagen, daß wir ihr nicht gehorchen, weil sie ein volksfeindliches Institut geworden. — Der Friede mit
Dänemark ist längst abgeschlossen, allein das schleswig-holsteinische Volk gefällt den Herrn nicht, sie wollen es unter Belagerungszustand setzen. (Bravo der Gallerien.) Wenn's den Fürsten
convenirt, so brauchen sie die Centralgewalt, während sie dieselbe überall sonst desavouiren. Die allgemeine Sicherheit des deutschen Vaterlandes ist nicht gefährdet, die sächsische Kammermajorität
gefährdet sie auch nicht (Bravo.) — Der Berichterstatter der Leipziger Zeitung ruft in die Gallerie: Haltet die Mäuler! Präsident mahnt das Publikum nach der Geschäftsordnung zum
Schweigen.)
Hähnel, ein ungeheuer langweiliger Pädagog, salbadert während einer halben Stunde mit der Virtuosität eines Tugendpredigers gegen den Antrag, und leitet die Centralgewalt aus dem
Bundestag.
Lielte (Bürgermeister). Die Centralgewalt hat für sich kein Geld und keine Mittel, die Expedition auszuführen, wir müssen also bezahlen, das sächsische Volk, dessen Steuern erst neulich um
300,000 Thaler erhöht worden sind, eine Erhöhung, die gerade das arme Volk am härtesten trifft. Mit unserer Freiheit ist's aber aus, wenn es der Centralgewalt zusteht, selbst gegen den
Willen des sächsischen Volks uns mit ihren Reichstruppen heimzusuchen. (Bravo.)
Fischer (ein Leipziger Thomasprediger) im predigenden Katakomben-Miserere-Ton: Es liegt uns nicht weniger vor, als ein Antrag auf einen Bruch mit Deutschland! Jetzt ergeht er sich in
protestantisch-pastoralischem deutsch-katholischem Patriotismus und bietet so der Versammlung das leibhaftigste Bild eines heulenden Froschungeheuers aus den Sümpfen Sachsens dar. Die Centralgewalt
wird vertheidigt und, etwaige Schurkereien der Fürsten müsse man erst abwarten. (Allgemeine Verhöhnung.)
Bertling rechtfertigt seinen Antrag auf Tagesordnung, weil es unnöthig sei, einen Beschluß über Aus- oder Einrücken der Truppen zu fassen. Der Antrag wird unterstützt.
Köchly (Lehrer der Geschichte aus Dresden, hochweiser Forscher, suffisanter Unfehlbarkeitsgeist, studirter Achselträger, demokratischer Halunke). Wie die Geschichte über uns richten wird,
können wir nicht sagen. (Mit Professorenpathos.) Der heutige Beschluß wird ein folgenreicher sein, enthalten wir uns aller Heißblütigkeit (ohnehin ein Mirakel in Sachsen), beschließen wir ohne
Leidenschaft, ohne Parteilichkeit (ohne Hitze und Blut, comme à l'ordinaire). Ich bin stets für die Vereinbarung gewesen, obwohl nicht für die Vereinbarung vom Standpunkte der Fürsten
aus. (Heuchler!) Die Revolution war schon mit dem Vorparlament geschlossen, es wollte keine Permanenz, sondern Vereinbarung. Unsere Zustände sind noch nicht so verzweiflungsvoll; ich stimme gegen den
Antrag. Denn warum so entscheidende Schritte? Daraus kann ein hundertjähriger Bürgerkrieg entstehen; wir dürfen der Centralgewalt den Gehorsam nicht aufkündigen. Die Regierung wir uns wegen der Kosten
Vorlagen machen. Freilich besteht die Meinung, daß der dänische Krieg zu andern Zwecken ausgebeutet wird, aber wir haben darüber noch keine offizielle Wahrheit. Er beantragt, die Regierung zur
Vorlage aller auf den dänischen Krieg bezüglichen Papiere aufzufordern, und schließt sich nur dem zweiten Theil des Böttcher'schen Antrags an.
Minist. v. Beust: Die Kammern haben durch Akklamation ihre Zustimmung zur Verfügung über die Verordnungen der Centralgewalt gegeben. Was soll aus der deutschen Einheit werden, wenn der
Centralgewalt kein Gehorsam geleistet wird. Die preuß. Regierung geht mit einem guten Beispiel voran und sendet 12,000 Mann in die Herzogthümer; Deutschland ist an den Gränzen bedroht (auch an den
russischen, Hr. Beust?). Nun vertheidigt er die geheimen Absichten der preußischen Regierung, erwähnt der ungeheuern Opfer, die Preußen für den Krieg bereits gebracht und lobt überhaupt das
Preußenthum noch mehr, als der berlin-kranzerischste Chokoladen-Schwätzer von Geheimrath es je gethan. (Preußen hat uns hier aus seinem geheimen Ottergezücht ein lweidliches Exemplar zugesendet.)
Beust versichert, daß die Centralgewalt in Betreff des Einmarsch's fremder Reichstruppen nach Sachsen noch nichts von sich habe verlauten lassen.
Nach dem Schluß der Debatte erhält noch Vinke das Wort. Er weiß nicht, ob die Annahme des Antrags der Diplomatie nicht gerade recht erwünscht sei, denn es sei möglich, daß sie solche Verleugnung
der Centralgewalt gerne sehe; man solle die Centralgewalt daher nicht diskreditiren. Er glaube nicht an einen Krieg Deutschlands gegen Dänemark, noch an den guten Zweck dieses Kriegs, noch daran, daß
er von der Centralgewalt, die längst ein
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Fabel sei, ausgehe. Die Regierung ist schuldig uns Mittheilungen über all das zu machen, denn es ist Thatsache, daß sie über unser Gut und Blut disponirt, ohne das Volk zu fragen. Er will nur eine
Verwahrung dawider eingelegt wissen, daß die Regierung Truppen ohne Einwilligung der Kammern außer Landes verlege. Gegen Tzschirners exklusiven Freisinn.
Finanzminister v. Ehrenstein. Der §. 89. ist noch anwendbar, weil die Befugnisse des Bundestags auf die Centralgewalt übergegangen sind; dem Reichsverweser ist die Gewalt vom ehemaligen
Bundestag übertragen worden. (!! Prost Mahlzeit.)
Bertlings Antrag auf Tagesordnung wird mit namentlicher Abstimmung (46 gegen 19) verworfen; ebenso der erste Theil des Böttcher'schen Antrags (40 gegen 24) nach namentlicher Abstimmung.
Hierauf wird Vinke's Antrag gegen 24 Stimmen angenommen; ebenso der zweite Theil des Böttcher'schen Antrags (58 gegen 6) im Verein mit der I. Kammer zu erklären, daß der Einmarsch der
Reichstruppen nach Sachsen ohne verfassungsmäßigen Beschluß der Kammer nicht geduldet werde. Das Amendement: „ohne besondern Beschluß der Nationalversammlung“ wurde verworfen. Der erste
Theil des Bertling'schen Antrags, gegen die Truppendislokation keinen Widerspruch zu erheben, wurde mit 34 gegen 30 Stimmen verworfen.
Dagegen ward Köchly's Antrag auf Vorlage der Papiere über den dänischen Krieg angenommen.
Schluß der Sitzung 3 Uhr.
Vor einigen Tagen befand sich ein Commis-Voyageur des Hrn. von Schwarzer von der Oestr. Allgem. Zeitung hier. Er durchreist Deutschland, um Abonnenten zu sammeln, und soll hier am Platze deren 200
requirirt haben. Die verblödete Demokratie Sachsens wird mit den östreichischen Juden ein Schutz- und Trutzbündniß schließen. — Die in Ihrem Blatte Nummer 246 enthaltene Entgegnung der Hrn.
Buchhändler Schreck und Konsorten aus Leipzig, welche mich unwahren Berichts bezüchtigt, würde ich sehr gerne unterschreiben, wenn ich wirklich Unwahres berichtet hätte. Ich bedaure, daß
Hexamer die 200,000 Thaler nicht heirathet; ich berichtete dies nach einem überall zirkulirenden Gerüchte, nachdem es schon in öffentlichen Blättern gestanden. Was den chinesischen Kaiser u. s. w.
anbelangt, so muß ich dabei verbleiben.
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] Bernburg, 17. März.
Auch bei uns sind die Standrechtsbestien endlich losgelassen. Lange genug haben sie gefletscht an ihren Ketten, immer sich bemüht, dem gottbegnadeten
Preußenthum nachzuäffen. Berlin eine octroyirte Verfassung und Bernburg keine? In Berlin die Vereinbarer auseinandergetrieben und in Bernburg nicht? Das konnte nicht sein. Flugs also damals ein Paar
Bataillone Preußen zufällig durchmarschiren lassen, den Landtag auflösen und eine Verfassung octroyiren. Seit jener Zeit haben die Hunde das Volk gehetzt, wo sie nur konnten, aber das Volk ward gut
und hat sich widersetzt, wo es nur konnte. Das mußte anders werden! Das gottbegnadete Beamtenthum wollte nicht länger gequält sein von den Forderungen des Volkes. Schießt die Kanaillen todt! Ein
Königreich für einen Putsch! — Und der Putsch kam. — Gestern befreite das Volk einen seiner Führer, einen hier ansäßigen Bürger, den Lederhänler Calm, der unter dem Namen Hecker bekannt
ist, aus dem Gefängnisse, weil das Gericht ihn gegen Kaution nicht freigeben wollte. Im Triumpf trägt man ihn auf den Markt, dort stellt er sich dem Obergericht freiwillig und bietet nochmals Kaution
an. Während dieses das Freilassungsdekret ausfertigt, rücken 3 Kompagnien Militär an, man kommt bis unter das Brückportal, giebt die Signale, ein Schuß fällt. Der Haufen läuft auseinander, man brüllt
nach Waffen, wirft Wagen um zu Barrikaden, ein Mann, der Fahnenträger des demokratischen Clubs stellt sich vor das Haus, worin Calm und die Uebrigen sind, welche man fangen will, mit der
schwarz-roth-goldenen Fahne und erklärt, nicht weichen zu wollen. Die „Kroaten“ dringen vor. Wieder fällt ein Schuß und ein Bürger, der mit dem Kommandeur unterhandelt, stürzt mit
zerschmettertem Schädel zur Erde. Da erfolgt eine Salve und noch eine und noch eine. Der Fahnenträger, von mehr als 20 Kugeln durchbohrt, stürzt nieder; hier liegt eine abgeschossene Hand, dort
Finger, hier wälzt sich ein Sterbender in seinem Blute, dort liegt Einer und neben ihm auf der Treppe des Hauses das Hirn aus seinem Kopfe. Ein scheußliches Gemetzel! Männer, Weiber, Kinder, denen
Allen die Sache zu unerwartet kam, als daß sie sich hätten bewaffnen und vertheidigen können, wurden geradezu geschlachtet. Einer Frau, die ihren Sohn aus den Reihen der Soldaten reißen wollte, rief
der Kommandeur Trützschler-Welden zu, wenn sie nicht gehe, würde er sie von ihrem eigenen Sohne erschießen lassen. Ein Kroat, ein Welden, alle diese Mordgesellen Windischgrätz, Radetzky und wie die
Bluthunde weiter heißen, sind die würdigen Vorbilder dieses Trützschler.
Jetzt hat man es erreicht. Belagerungszustand! o welche Wonne für das Beamtenthum! Belagerungszustand, die einzige Sehnsucht seit Monaten, endlich soll sie in Erfüllung gehen. Und flugs wird das
längst vorbereitete Plakat an allen Ecken Bernburgs angeschlagen: „Da das hiesige Militär in seiner dienstlichen Funktion angegriffen und auf dasselbe geschossen worden“ u. s. w. in dem
längst bekannten Style der Männer des Standrechts und der Knute.